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Erscheint Dienstag Donnerst., Samstag ^ und Sonntag mit der wöch. Beilage Der Sonntags- Gast".

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Dienstag. 23. Jebruar

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folgreichste Verbreitung. ! '

Amtliches

Das Musterungsgeschäft pro 1904 im Oberamtsbezirk Calw findet statt: Freitag, 11. März, vorm. 9'fi Uhr in Neuweiler; Samstag, 12. März, vorm. 9 Uhr in Lieben- zell; Montag, 14. März, vorm. 9 Uhr in Gechingen; Dienstag, 15. u. Mittwoch, 16. März, je vorm. 8 Uhr in Calw.

Innere Angelegenheiten.

(Nachdruck verboten.)

Der Ausbruch des ostastatischen Krieges trägt die Hauptschuld daran, daß in diesem Winter die Verhand­lungen des deutschen Reichstages um ein gut Teil der ihnen unter normalen Verhältnissen sicheren Aufmerksamkeit herumkommen; ein kleineres Teil der Schuld allerdings fällt dem Reichstage selber zur Last. Nicht als ob es da­ran läge, daß bei der Etats-Beratung in jedem Jahre von Neuem vorgetragen wird, was schon im Jahre zuvor das hohe Hans beschäftigte, oas macht's nicht; wir haben in jedem Jahr auch von Neuem denselben Frühling und wir freuen uns doch. Woran es beim Reichstage liegt, das ist der Umstand, daß seinen Debatten ein frischer, schneidiger Geist fehlt, daß unter dem endlos langen Klagelied der radikalen Politiker gar kein Schwung mehr aufkommen will. Worauf laufen am Ende alle diese Ausführungen hinaus? Dem Gewerbebetrieb muß immer mehr aufgepackt werden! Wir reformieren nun schon manches liebe Jahr in sozialpolitischen Angelegen­heiten, wir wissen, daß jedes neue Gesetz und jede neue Verordnung zu Gunsten von Angestellten und Arbeitern eine neue Betriebsbelaftung bedeutet. Aber wir wünschen bisher vergeblich, daß dafür auch ein einigermaßen ent­sprechender Ersatz geboten wird. Gewiß, das ist nicht leicht, aber es ist nicht unmöglich. Das Reich als solches kann nicht in die einzelstaatlichen Verhältnisse bis ins Kleinste eingreifcn, aber es kann dafür sorgen, daß Mittel- und Kleinbetrieb nach dem wirklichen Grad ihrer Leistungs­fähigkeit bemessen werden und jene Berücksichtigung von den Behörden erfahren, die sie verdienen. Die Zuwendung von Aufträgen an den Mittelstand kann uoch mehr als bis­her gefördert werden.

Während die extremen Politiker im Reichstage mei­nen, dem Arbeitgeber könne noch ein tüchtiges Stück weite­rer Sozialgesetzgebung aufgeläden werden, erkenuen andere Politiker zwar an, daß der Mittelstand zu kämpfen habe, ober sie fügen hinzu: Wer nicht über genügendes Kapital für die Sicherung seines Betriebes verfüge, dem sei nicht zu helfen! Wer so spricht, versteht gerade die gegenwärtige Lage überhaupt nicht. Was heißt in unserer Zeit der rück­sichtslosen Konkurrenz, der Schleuderfabrikation und des Preisdruckes genügendes Kapital? Wo es sich um einen Wettbewerb mit dem Prinzip des Totmachens handelt, da hilft weder ein genügendes, noch ein nicht genügendes Ka­pital ; wir haben Geschäftsleute genug, die nicht jede Unter­bietung mitmachen wollen, und ein solcher Grundsatz ge­reicht ihnen nur zur Ehre. Bei manchen Herren im Reichs­tage, und auch bei manchen Herren Regierungs-Vertretern, das muß einmal ganz offen herausgesagt werden, scheint vergessen zu sein, was der Mittelstand in Stadt und Land während der jüngsten Geschäftskrisis geleistet. Als die Hoch­konjunktur umschlug, die Dividenden fielen, der Absatz stockte, da klagte man im Mittel-Gewerbe nicht, da nahm man die auf, die keine Arbeit in der Groß-Fabrikation finden konn­ten, und vor Allem diesen bürgerlichen Kreisen ist es zu danken, wenn die unerfreuliche Zeit noch ziemlich gnädig vorüberging. So sind die Tatsachen, und dem soll man Rechnung tragen. Es ist mit vollem Recht darauf hinge­wiesen, daß nicht alle sozialpolitischen Gesetzes-Paragraphen für alle Betriebe, ob groß, mittel oder klein, genau gleich gut passen; ohne Schablone geht es nicht, aber auch eine Schablone muß Sinn haben. Sonst wird, wie es s. Z. mit der nicht gerade berühmten Bäckerei-Verordnung ge­schehen, aus Wohltat Plage, und diese Sache ist nicht die einzige, bei der es so steht. Probieren geht über Studieren! So heißt es wohl mit Recht. Aber wir haben auch bei mancher sozialpolitischen Bestimmung ein Probieren, das sich mit der wirklichen Praxis nicht verträgt. Hier kann der Mittelstand rufen: Recht studieren!

Deutscher Meichstag.

* Zterki«, 19. Februar. Präsident Graf Ballestrem eröffnet die Sitzung um 1 Uhr 20. Am Bundesratstisch Staatssekretär Krätke. Zubeil (soz.) bespricht eingehend die Gehaltsverhältnisse der Posthilfsvoten, v. Ger lach (fr. Vgg.) bemängelt besonders die Handhabung des Koa­litionsrechts für die Unterbeamten. Der Staatssekretär sollte

doch darum Dinge nicht für erledigt erklären, weil sie auch von Sozialdemokraten getadelt werden. Posadowsky handle in dieser Beziehung anders. Redner bespricht b:e Ham­burger Versammlungsangelcgcnheit. Die Hamburger Post­behörde habe die Beamten vor dem Besuch der Versamm­lung gewarnt und ihnen zum Teil sogar direkt verboten. Er habe in seiner Rede keineswegs gegen die Vorgesetzten gehetzt oder die Begehrlichkeit der Ünterbeamten geschürt. Staatssekretär Krätke erklärt, er habe bisher uicht die üblen Erfahrungen gemacht, die der Vorredner voraussetze. Alle derartigen Unterbeamteiivereme haben bisher die Auto­rität untergraben, v. Gerlach Hab- es sogar gewagt, den Hamburger Beamten zu sagen, der Staatssekretär werde jetzt nichts unternehmen, wo der Reichstag tage. Es sei doch stark, ihm, dem Staatssekretär, solche Üachrlichkeit und Feigheit vorzuwerfen. (Beifall rechts!) Die Zeitung der Postbote" habe ihren Ton wenig geändert. Er billige das Verfahren in Hamburg, weil er die Unterbeamten davor bewahren wolle, daß sie sich verführen lassen und sich vergessen, so daß er dann gegen sie Vorgehen müsse. Die Bezahlung der Unterbeamten sei nicht so schlecht; sonst würden nicht so viele Entlassene um Wiederanstellung bitten. Blell(fr. Vp.) stimmt der Zentrumsrcsolntion betr. Ein­führung der Postanweisungskouverte zu. Er wünscht eine liberalere Handhabung der Drucksachenbeförderung, beson­ders im kaufmännischen Verkehr, ferner eine weitere Aus­dehnung billiger Portosätze für den Berliner Vororts-Ver­kehr. Staatssekretär Krätke erwidert, der billige Tarif für den Orts- und Nachbarschaftsverkehr habe vielfach zu Portohöllerziehungen geführt, indem man in einem Paket Drucksachen an einen Bekannten schicke und diesem die Ein­zelversendung innerhalb des Oetsverkehrskreises überlasse. Sollte der anläßlich eines solchen Falles angestrengte Pro­zeß für die Postverwaltung ungünstig ausfallen, so würde man erwägen müssen, ob die niedrigen Tarife beizubehalten wären. Der Einführung der PoftanweisungscouSerts ständen mancherlei Bedenken entgegen. Die Anregung betreffend den Abschluß eines deutsch-niederländischen Postabkommens wolle die Verwaltung in wohlwollende Erwägung ziehen, sobald die Sache an sie herantrete. Die niederländische Postverwaltung habe aber noch kürzlich in der Kammer er­klärt, daß eine solche Union erst nach dem nächstjährigen Kongreß in Rom erfolgen könne. Eine Verbilligung der Fernsprechgebühren und der Drucksacheaportis könne nicht in Aussicht gestellt werden. Die Verwaltung denke an das Sprichwort von dem kleinen Finger und der ganzen Hand. Rören (Ztr.) bemängelt, daß die Verwaltung den Unter- beamten untersage, Auskünfte über die Dienstzeit usw. ohne Erlaubnis der Vorgesetzten zu erteilen. Redner teilt mit, daß den Postbeamten in Saarbrücken die Teilnahme an einer Versammlung untersagt wurde, worin über die Ab­findung einer Petition an den Reichstag betr. das Penstons- gesetz beraten werden sollte. Die Angelegenheit der ge­hobenen Stellen besprechend sagt Redner, das Beste wäre, die gehobenen Stellen zu beseitigen und allen Unterbeamten gleichmäßig eine bessere Besoldung zu gewähren. Staats­sekretär Krätke sagt bezüglich des Sonntagsdienstes an kleineren Telegraphenanstalten Erleichterungen zu. Den vom Vorredner erwähnten Fall in Saarbrücken mißbillige er. Er werde Remedur eintreten lassen. (Beifall.) Direktor im Reichspostamt Wittko legt die Grundsätze für die Anstell­ung der Beamten und für die Errechnung der Militärzeit in das Besoldungsdienstalter dar. v. Gersdorff (kons.) polemisiert gegen die gestrigen Ausführungen des Fürsten Radziwill und erklärt die Zustimmung der Konservativen zu fast allen Resolutionen, die zum Postetat eingebracht sind. Prinz S ch ö n a i ch-Karolath (nlb.) spricht der Reichspostverwaltung seine Anerkennung aus. Man müsse ihre Leistungen um so mehr würdigen, wenn man die postalischen Verhältnisse im Auslande kennen lerne. Redner wünscht weitere Anstellung weiblicher Beamten. Stöcker (wirtsch. Bergg.) befürwortet die Koalitionsfreiheit der Postunterbeamte», da dadurch die christlich-soziale Be­wegung gefördert werden könnte. Jedenfalls müßten die Postunterbeamten Ausschüsse wählen dürfen, die dem Staats- sekrekär ihre Wünsche und Beschwerden Vorbringen können. Die Sonntagspacketbestellung müsse wegfallen. Die Dienst­zeit der Unterdeamten sollte höchstens 10 Stunden täglich betragen. Kopsch (fr. Bg.) polemisiert gegen von Gerlach, den er nicht als Parteiverwandten be­trachte. Redner befürwortet deu Vorschlag Stöckers be­treffend die PostunterbeamtenauSschüsse. Wenn man den Unterbeamten den Besuch der Versammlungen verbiete, dränge man die besonnenen Elemente zurück, so daß nur diejenigen übrig blerben, die nichts zu riskieren haben. Dasbach (Z.) behauptet, die Tätigkeit des Uebersetzungs-

bureaus bei der Oberpostdirektion Posen bedeute nur eine Chicanierung der Polen. Staatssekretär Krätke prote­stiert gegen diesen Borwurf. Vielmehr werde die Postver­waltung von den Polen chicaniert. Die Frage der Porto­freiheit für Briefe und Postpackete der Soldaten sei nicht so einfach zu regeln. So habe mau einmal in einem an­geblich von einem Soldaten abgesandten Packet drei Damen­hüte gefunden (Heiterkeit). Morgen Weiterberatung.

Aerki«, 20. Febr. Präsident Graf Ballestrem er­öffnet die Sitzung um 1?°. Das Haus setzt die Beratung des Etats der Rcichspost- und Telegraphenverwaltung bei Titel:Gehalt des Staatssekretärs" fort. Molken buhr (soz.) tritt der Behauptung des Staatssekretärs entgegen, daß die Polen die Postverwaltung chikanieren. Man dürfe doch den Polen nicht ihr heiliges Recht nehmen, sich der Mutter­sprache zu bedienen. Im Elsaß hätten doch auch viele Ein­wohner trotz der 100jährigen französischen Herrschaft immer noch deutsch gesprochen. Die Post habe sich als reines Ver­kehrsinstitut nicht um Sprachensragen zu kümmern und dürfe nicht eine politische Institution werden, v. Jabdzewskl (Pole) sagt, die Reichspost als Verkehrsinstitut dürfe die preußische Polenpolitik nicht unterstützen. Wenn die Post­verwaltung die Sendungen nach dem Auslande in fremder Sprache adressiert annehme, sollte sie sich doch nicht so sehr gegen polnisch adressierte Sendungen sträuben. Staatssekretär Krätke führt aus: Bei Sendungen nach dem Ausland kommt für die deutschen Postbeamten nur die Bezeichnung des betreffenden Landes in Betracht. Die Weiterbeförderung an den Adressaten ist Sache der Auslandsbeamten. Die Zahl der polnisch adressierten Briefe ist lawinenhaft ange­schwollen, seitdem im Jahre 1890 die polnischen Agitatoren dazu aufgefordert haben. Werner (Refp.) wünscht eine Statistik oer Krankheiten unter den Postbeamten nnd Besser­stellung der mittleren Postbeamten. Geheimrat Neumanu legt die Grundsätze der Verwaltung für die Anstellung der Beamten und Unterbeamten dar. Erzberger (Ztr.) be­spricht die Polemik zwischen Kopsch und v. Gerlach und sagt, wenn sich die beiden freist Parteien wirklich scheiden, so müßte die weibliche Linie des Freisinns in die liebevollen Arme Bebels und Singers sinken. In Süddeutschland be­kämpfen die Sozialdemokraten gerade die Bemühungen der anderen Parteien, die Postvnterbeamten in Verbänden zu organisieren. Redner befürwortet dann die Bildung von Unterbeamtenverbänden für einzelne Oberpostdirektionsbezirke und die Verbindung der Vorstände dieser Verbände unter­einander und ferner ausgedehntere Sonntagsruhe, Verbesser­ung der Uliterbeamtenwohnungen und Einführung der Post- auweisungscouverts. Eine Reihe weiterer Abgeordneten bringt noch spezielle Wünsche vor, worauf sich das Haus bis Mon­tag vertagt.

LandesnachrichLen.

* Aus dem Amtsgefängnis in Neuenbürg entwich am 12. November ein Gefangener uamens Heimel. Der Oberamtsdiener und Gefangenenwärter Konrad Mezger in Neuenbürg hatte sich nun vor der Kükiuger Strafkammer zu verantworten, weil er die Entweichung durch Fahr­lässigkeit begünstigt haben soll. Es ist dem oberamtlichen Gefangenenwärter zur Pflicht gemacht worden, die häus­lichen Verrichtungen in den Gefängnisräumen in eigener Person vorzunehmen. Der Wärter hat aber auch die Kanzlerlokale des gegen 400 Meter von seiner im Gefängnis gelegenen Wohnung entfernten Oberamteigebäudes morgens zu reinigen und zu Heizen. Deshalb läßt er oft aus Zeit­mangel die Geschäfte im Gefängnis durch seine Ehefrau erledigen. So geschah es auch an dem 12. November, und als Mezger vom Oberamt morgens um halb 8 Uhr zurück­kehrte, war Heimei entflohen. Heimel hatte die Zeit be­nutzt, in der seine Zelle gereinigt wurde. An der Gang­türe des Gefängnisses ist innen weder ein Schloß noch ein Riegel angebracht, so daß die Flucht kein Kunststück war. Der Gefangenenwärter bestritt, oaß er sich der Fahrlässig­keit schuldig gewacht habe. Das Gericht vermochte sich von der Schuld des Gefangenenwärters nicht voll zu über­zeugen und gelaugte deshalb zu einem Freispruch. Der Staatsanwalt hatte 10 Mk. Geldstrafe beantrag! gehabt.

* Stuttgart. 19. Febr. Unter den vomStaats­anzeiger" veröffentlichten Anträgen der Generaldirektion der Staatsdahnen für den nächsten Sommerfahrplan be­finden sich auch einige Verbesserungen des Schnellzugverkehrs zwischen Berlin, Hamburg, Bremen, Frankfurt, Köln, einer­seits und Württemberg, der Ostschweiz und dem Engadin audererseits. Ferner wird beantragt, mit der Beseitigung der l. Wagenklasse, die sich nur noch in einem Drittel der gesamten Züge mit Personenbeförderung befindet, nach Maßgabe des zur Verfügung stehenden geeigneten Wagen-