seitigen werde. Unter den Vorlagen, welche die Thronrede cinkündigt, befinden sich solche Mreffend die Mißstände der Einwanderung von Verbrechern und die Verbesserung des Haftpflicbtgesetzes.
* London, 2. Febr. Der „ Daily Mail" wird aus Petersburg gemeldet: Gestern früh machte der japanische Gesandte Kurino einen Besuch beim Grafen Lamsdorff und fragte, ob die russische Antwort fertig sei; falls sie nicht fertig sei, müsse Japan auf Antwort dringen, und sollte die Antwort nicht innerhalb der nächsten Tage kommen, so würde Japan genötigt sein, aktive Schritte zu tun.
* Der „Berliner Lokalanzeiger" meldet: Für den Empfang des württembergischen Königspaares, das sich zur Teilnahme an der Hochzeit des Prinzen Alexander von Teck mit der Prinzessin von Albany begiebt, wird in Dover ein besonderer Dampfer ausgerüstet, der die hohen Gäste in Calais abholen wird. In Dover findet offizielle Begrüßung statt.
* Hfetersöurg, 1. Febr. Die „Russische Telegraphen- Agentur meldet aus Chardin: Aengstliche Japaner verlassen das Territorium der ostchmefischen Bahn. Aus Wladiwostok meldet die Agentur vom 31. Jan.: Umlaufenden Gerüchten zufolge wird in diesen Tagen die Kundgebung der Mobilisierung der Reservisten aller Gebiete des fernen Ostens erwartet. Es werden Vorbereitungen zur Mobilisierung der der Aushebung unterliegenden Pferde getroffen. Im Februar wird in Wladiwostok die Ankunft von mehr als fünfzigtausend Mann zur Verstärkung der Garnison erwartet. Aus Port Arthur wird der „Russischen Telegraphenagentur" berichtet: Der Berichterstatter des „Nowi Krai" in Korea meldet: Die Japaner versuchen mit List dort Unruhen hervorzurufev, um einen Anlaß zur Einmischung zu haben, doch blieben bisher alle erfundenen Vorwände erfolglos. Auch der Versuch, in Mokpho ernste Unruhen hervorzurufen, ist mißlungen. Die in Umlauf gesetzten Gerüchte, über die Absicht der Garnison Söul, zu meutern, um den Kaiser von Korea zur Flucht nach der russischen Mission zu nötigen, hatten den festen Entschluß desselben zur Folge, nötigenfalls bei den Amerikanern Zuflucht zu suchen. Unter dem Vorwände des Schutzes ihrer Mission brachten die Amerikaner eine ganze Kompagnie Soldaten nach Söul. Die Japaner wandten sich an die Tonghaks, um einen Grund zur Einmischung zu schaffen.
* (Die kranke Zarin.) Das „Memorial Diplomatique" berichtet, daß der Gesundheitszustand der Kaiserin von Rußland die Aerzte beunruhige. Es soll die Absicht bestehen, einen Berliner Spezialisten zu Rate zu ziehen. Man glaubt, daß die Zarin an einem Abszeß leidet und daß ein chirurgischer Eingriff nötig ist. Man sucht diesen jedoch zu vermeiden, da man auf das Allgemeinbefinden einen Rückschlag befürchtet.
* Sofia, 31. Jan. Die „Ageuce Bulgare" erklärt: Es wird immer offenbarer, daß Mitteilungen der Pforte über Kämpfe türkischer Truppen mit Jnsurgentenbendeu aus Bulgarien lanciert werden, um die Wahrheit, daß zeitweise türkische Posten die bulciarischen Posten angreife», zu verschleiern. Kürzlich griffen 20 türkische Soldaten in der Nähe der Grenze bei Rilo eine bulgarische Patrouille, welche die Verbindung der Posten zwischen Barakowo und Pora- uino herstellt, an und gaben Feuer. Obgleich die Patrouille sich zu erkennen gab, feuerten die Türken weiter, weshalb die Patrouille das Feuer erwiderte. Nach einem halbstündigen lebhaften Feuer konnte die Patrouille ohne Verluste nach den Posten zurückgelangen. Die Verluste der Türken find unbekannt.
* Sofia, 1. Februar. Die Regierung brachte bei der Sobranje eine Vorlage ein betreffend Bewilligung eines außerordentlichen Kredites von 300,000 Frs. zur Unterstützung der mazedonischen Flüchtlinge.
mutter bei dieser unter zornigem Schluchzen hervorgeftoßeuen ; Willcns-Aeußerung ihrer Enkelin gejammert; und sie war, s ihrer eigenen Behauptung nach, einer Ohnmacht nahe gewesen. Doch dann war Gnade für Recht gewährt, aber dem Benedikt zugleich bedeutet, wenn er noch einmal zu solcher Ueber- fchreitung seiner Pflichten sich Hinreißen lasse, sei es mit ihm ein für alle Male vorbei, dann müsse er sein Bündel schnüren.
„Was würde mein Sohn, Ernestines Vater, was würde ihre Mutter zu diesem Skandal gesagt haben?" ächzte die alte Dame, während Benedikt sich entfernte.
„Du, Benedikt, was hätten Papa und Mama gesagt?" forschte Ernestine draußen neugierig, als der gemaßregelte Diener sich mit einem lauten „Uff" zusammenrückie und schüttelte, wie er es von seiner Soldatenzeit her noch gewöhnt war.
„Werden Durchlaucht es auch keinem Menschen weiter sagen?" forschte der Manu.
„I wo, Benedikt! Du kennst mich doch !" versicherte Ernestine kräftig und hielt Jenem die Hand hin, wie zum Einschlagen. Aber der hütete sich diesmal doch.
„Durchlaucht, der Herr Papa würden gesagt haben: Benedikt, nimm Dir einen Taler, weil Du meinem Mädel das Schießen gelernt hast. Und dann nimm Dir noch zwei, weil Du sie treffen gelernt Haft. Abtreten!"
Ernestine strahlte über das ganze Gefichtchen. „So hätte der Papa gesagt? Siehst Du, das habe ich immer gedacht, es würde Papa gefallen haben. Denn wenn der Papa nichts vom Schießen gehalten hätte, so stände oben in seinem früheren Zimmer nicht der große Gewehrschrank. Aber mit dem Taler Benedikt? Weißt Du, eine» Taler habe ich nicht, aber eine Mark habe ich. Die sollst Du haben."
„Oh, Durchlaucht Prinzeßchen. ..."
„Du sollst sie wirklich haben, Benedikt. Aber, Du mußt mir Eins versprechen, sie nicht zu vertrinken. Benedikt, Mamsel Amande sagt, Du tränkst, Deine Nase würde schon
* Washington, 31. Jan. Brasilien räumte den Vereinigten Staaten ohne Gegenzugestäudnisse folgende Vorzugszölle ein: Es soll betragen 32 pCt. vom Werte der Zoll auf Mehl in Fässern, 20 PCt. der Zoll auf Mehl in Säcken, fertigen Gummi, stille Weine, Austreichiarben, Firnisse, kondensierte Milch, Wanduhren und Taschenuhren.
* Weiv-Aork, 2. Februar. I» den nördlichen Staaten der Union herrscht ungewöhnliche Kälte; der Michigausee ist zum erstenmal seit vielen Jahren vollständig zugefroren. Am Freitag herrschten den ganzen Tag über schwere Stürme, die das Eis an verschiedenen Stellen aufbrachev, die Schollen zusammeutrieben und sie au der Westküste 60 Fuß hoch auftürmten. Der Susquehannafluß in Pennsylvanien ist bis zum Gründe gefroren. An verschiedenen Stellen wurde versucht, das Eis mittels Dynamits zu sprengen, um das Wasser flüssig zu erhalten, aber erfolglos. Bei Wilkes- barre hat sich eine über 30 englische Meilen lange Eisschlucht gebildet. In anderen Teilen des Staates New- Vor! ist das Eis bereits wieder im Schmelzen begriffen, wodurch große Ueberschwemmungen entstehen, die bedeutenden Schaden anrichten. lieber 2000 Personen sind obdachlos. In Kanada hat die Kälte nachgelassen; der Eisenbahnverkehr in der Provinz Ontario konnte wieder vollständig ausgenommen werden.
* Zu den die Schiffahrt bedrohenden Gefahren gehören die treibenden Wracks. Es handelt sich meistens um die Trümmer von großen, durch Sturm oder Feuer halbver- nichteten Handelsschiffen, die oft viele Monate lang auf dem Ozean treiben und anderen Schiffen Unheil bringen, denn ein Zusammenstoß mit diesen steuerlos treibenden und bei Nacht und Nebel gar nicht erkennbaren Wracks ist sehr gefährlich. Die nordamerikanische Marineverwaltung hat sich schon seit Jahren mit dieser Frage beschäftigt. Ihre Untersuchungen haben ergeben, daß die Zahl der allein auf dem Atlantischen Ozean treibenden Schiffe durschnittlich 19 im Monat beträgt. Bei der stetig wachsenden Größe und Schnelligkeit der großen Transatlantischen Dampfer wird die Notwendigkeit, die Fahrstraßen von schwimmenden Gefahren freizuhalten, immer gebieterischer. Bisher haben vielfach amerikanische Kriegsschiffe angetroffene Wracks beseitigt. Auf die Dauer ist dies jedoch nicht möglich, da die Schiffe ihrem eigentliches Dienste zu oft und zu lange entzogen werden. Nunmehr hat die Handelskommission des amerikanischen Senats sich für den Bau eines Schiffes ausgesprochen, das ausschließlich der Aufsuchung und Beseitigung solcher treibender Wracks dienen soll. Dieses Fahrzeug würde auf den Hauptverkehrsstraßen zwischen Europa und Amerika kreuzen und die ihm gemeldeten Schifffahrtshindernisse beseitigen, entweder durch Sprengung, durch Beschießung, oder durch Inbrandsetzung. Es gibt Mittel genug, solche Trümmer zum Versinken zu bringen.
* In den letzten 80 Jahren sind 21 Millionen Menschen in den Vereinigten Staaten von Nordamerika eingewandrrt. Die Vereinigten Staaten haben jetzt 76 Millionen Bewohner.
* Dem Gouvernement für Deutsch-Oftafrika ist auf der Weltausstellung in St. Louis ein ausreichender Platz zur Verfügung gestellt worden, um die Erforschung und jetzige wirtschaftliche Entwicklung Deulsch-Ostafrckas besonders auf dem Gebiete der Landwirtschaft, des Bergbaus und der Forstwirtschaft zur Darstellung zu bringen.
* Kalkutta, 2. Febr. Das Dynamitlager für die Provinz Peudschab ist in die Luft geflogen. 400 Personen wurden getötet.
* Das tiefste Goldbergwerk der Welt befindet sich in Bendigo, einer großen blühenden Goldminenstadt im Staate Viktoria in Australien. Das Bergwerk, die „New Lhum Railway Mine", hat einen Hauptschacht von 3900 Fuß
! Tiefe. Man sollte meinen, daß das Herauf- und Herunter- ! ziehen vo» Menschen und Erz in einem so tiefen Schacht
ein zu mühesarnes und kostspieliges Verfahren wäre; aber dir Bergwerksdirektoren von Bendiko sind in ganz Australie» wegen ihrer Tüchtigkeit snd Sparsamkeit berühmt, und die Maschinerie» des Bergwerks sind derart, daß sie auch bei Fortsetzung des Schachtes um 800 Fuß tiefer noch leistungsfähig wären. Das Hauptproblem ist, wie man die Tunnels kühl genug erhält, damit die Bergleute in solcher Tiefe arbeite» können. Wenn die Hitze der Erdrinde für je 60 Fuß um einen Grad Fahrenheit zunimmt, wie mau au- nimmt, so würde die Temperatur tatsächlich unerträglich sein. Zum Glück ist diese Zunahme nicht ganz so stark, aber trotzdem ist die Hitze sehr groß und stark schwächend. Sie beträgt gewöhnlich 108 Grad Fahrenheit (etwa 34 Grad R.) und damit di« Leute überhaupt arbeiten können muß ein kalter Wasserstrahl von oben ständig auf die Körper der Bergleute, deren Oberkörper nackt ist, fallen, selbst dann können sie nicht schwer arbeite», sonst würden sie vor Erschöpfung ohnmächtig werden. Die Hitze ist so drückend, daß sie ohne den Wasserstrahl nicht einmal still stehen könnten. Natürlich erhöht die Schwierigkeit der Ventilation das Unbehagen; aber in Viktoria wird alles getan, um durch Querschächte und andere Mittel die Ventilation zu unterstützen. Die Gesellschaft zahlte für das in solcher Tiefe gewonnene Gold 1,900,000 Mark Dividenden.
Handel und Verkehr
* Stuttgart, 1. Febr. (Landesproduktenbörse.) Mchlpreise pr. 100 Klgr. inkl. Sack: Mehl Nr. 0 28 Mk. SO Pfg. bis 29 Ml., dto. Nr. 1: 26 Mk. SO Pfg. bis 27 Mk., dto. Nr. 2: 2S Mk. bis 2S Mk. SO Pfg., dto. Nr. 3: 23 Mk. SO Pfg. bis 24 Mk., dto. Nr. 4: 20 Mk. SO Pfg. bis 21 Mk. Suppengries 28 Mk. SO Pfg. bis 29 Mk. Kleie 9 Mk.
Konkurse.
Simon Kehl, Bauer in Hinteruhlberg, Gde. Gründelhardt- Fr. Kern, Wirt und Bauer in Hopfach, Gde. Wolperthausen OA. Hall.
Vermischtes.
* (Ein Bild auf einem Weizenkorn.) Das kleinste Bild der Welt hat, wie eine englische Zuschrift berichtet, ein vlä- mischer Künstler gemalt. Es ist das Bild von einem Müller, der die Treppe seiner Mühle hinaufsteigt und einen Sack Getreide auf dem Rücken trägt. Die Mühle stand iu der Nähe einer Terrasse. Dicht dabei sieht mau Pferd und Wagen und einige Gruppen von Bauern, die auf der Landstraße müßig umherstehen. Alles dies ist auf der Seite eines gewöhnlichen Weizenkornes gemalt; man muß eis Mikroskop nehmen, um zu sehen, wie genau die Ausführung ist. Das Bild ist noch nicht eines halben Quadratzoll groß.
* Der Eukalyptusbaum ist dazu bestimmt, die Welt vor einem Holzmangel za retten. Das haben viele Experimente gezeigt, die besonders in den Tälern längs der Küstenlinie Kaliforniens am Stillen Ozean angestellt wurden. Die Wachstumsfähigkeit des Eukalyptus ist wunderbar. Eine große Pflanzung, die zuerst vor 25 Jahren gesetzt wurde, ist drei oder vier Mal gefällt worden und ragt jetzt wieder hoch auf. Die Verwendbarkeit dieses Holzes ist äußerst mannigfaltig. Man gewinnt daraus das Klafter- Holz und die Rammpfähle; es ist ein ausgezeichnetes Brennmaterial und schützt die Apfelsinen und Zitrones- haine längs der Küste vor den Meerwinden. Der Eukalyptus kann in alle Arten von Bauholz zersägt werden und wird für Möbel, Straßenpflaster, Schiffe, Brücken und Zäune benutzt. Vor allen Dingen muß man aber auch das Oel des Baumes wegen seines medizinischen und gewerblichen Wertes schätzen. In Kalifornien ist dieses Oel ein Hausmittel für fast jede Form der Krankheit, vom Keuchhusten bis zur Lungenschwindsucht. Die Kruder machen Kandiszucker aus dem Honig des Baumes und Kränze aus seinen ichönen Blüten.
Verantwortlicher Redakteur: W. Rieker, Altensteig.
ganz rot. Trinke Milch, wie ich, oder Chokolade, das macht keine rote Nasen. Da hast Du die Mark. Adieu !"
Damit war sie fortgesprungen, Benedikt hatte die Mark sich angeschaut, seine Nase befühlt und vor sich hingemurmelt: ... ..... des gnädigen Herrn seine rechte Tochter ist sie doch!" Und in stiller Ecke des Treppenhauses hätte er dann eine Flasche aus der Brusttasche seiner Livree geholt und sie seufzend an den Mund gesetzt. Die hohen Herrschaften hatten so ihre Anschauungen, und das war ihr ; Recht. Aber diese Mamsell Amande? Was dachte sich die?
! So standen die junge Prinzessin und der einstige Leibdiener ihres Vaters miteinander. Aber gar nicht hatte es ihm gefallen, daß, seitdem nun Ernestine im frohen Verkehr mit den AlUrsgenosfinnen im Wolden'schen Hause heimisch geworden war, er „ausgeborgl" wurde, wenn im Institut erne Festlichkeit stattfand, oder seine junge Herr'n mit Freundinnen und Lehrerinnen einen Ausflug unternahm. Natürlich war er nur zur persönlichen Bedienung Ernestines bestimmt, aber, wie er kläglich sich auszudrücken Pflegte, die „viele Weiblichkeit kriegte ihn unter." Der ehemalige Ka- j vallerist konnte nicht unhöflich sein, und so ward er bald j bei diesen Gelegenheiten Allerwelts - Faktotum. Und seine durchlauchtige junge Herrrin, die seine Rechte hätte wahren helfen sollen, lachte nur, half sogar ihm alles aufzupacken. Eia Trost war dabei; die Trinkgelder waren nicht mager, und nie glühte Benedikls Nase mehr, als wenn er von einer solchen unfreiwilligen, aber am Ende doch so gern unternommene» Dienstfahrt von den Damen des Wolden'schen Instituts heimkehrte. Auch in Erfurt hatte er sich „vorgesehen", wie er es zu nennen Pflegte.
Für Ernestine war die Gewöhnung an die neuen, genau abgezirkelten Verhältnisse nicht leicht gewesen. Die traute Heimat, das alte Schloß mit dem dicken Eckturm und dem Kupferdache darauf, unter welchem die jrmge Erbin oft genug gespielt hatte, von wo sie mit ihren vierfüßigrn
Lieblingen, erst den Katzen, dann den Hunden, polternd und tobend herabgestürmt war, mit den breiten Treppen, heimlichen Ecken und Winkeln, dem ragenden, weiulaudum- sponnenen Altan, ihrem Kinderzimmer, dann der Park, der Garten und die Wirsen, die Ställe, ach, es waren nur sehr wenige und nicht einmal besonders edle Rosse übrig geblieben, der Geflügelhof, endlich die Scheuern und Wirtschafts-Anlagen des Schloßgates und all' die bekannten Gesichter dazu, das war so unendlich schwer zu missen gewesenl Es dünkte dem jungen Mädchen fürchterlich, nach all' der freien Ungebundenheit in dem vornehmen Wolden'schen Institut nicht nur die vornehmste zu sein, ihrem Namen nach war sie das ganz gewiß, sondern auch durstellen zu müssen. Die Etikette hätte ja Zeit, bis . . . Worauf Frau von Wolden sie regelmäßig mit den Worten unterbrach: „Liebe Ernestine, eine Prinzessin kann nie früh genug Prinzessin sein!" und die Gescholtene trübselig und schmeichelnd zugleich erwiderte: „Liebe Tante (dies zutrauliche „Tante" bildete Frau von Woldens höchsten Stolz) Charlotte, ich glaube es ja, aber wenn ich es nur nicht zu sein brauchte!"
Hager, überschlauk, mit spitzen Schultern und langes Armen, einer schmalen, scharfer, Nase unter den sprühendes Augen und einem richtigen dunkelblonden Wuschelkopf, so war Tim gewesen, als sie unter ihre künftigen Freundinnen getreten war. Ein Glück war es gewesen, daß sie in einer schlichten Kleidung erschien, bei modischem Aufputz wäre der Kontrast mit der Figur noch größer gewesen. Eine feine, leicht gelb getönte Taille und ein dunkelblaues Gewand schmiegte sich fest daran, in leichten Falten bis auf die kräftigen Füße herabfallend. Kleine Hände und Füße solle« ein Zeichen hoher aristokratischer Geburt sein; waren die festen Hände zierlich, die Füße hatten mindestens ein Normalmaß, und Fräulein Lemme betonte mehr als einmal, daß von einem elfenhaften Schweben ber der Prinzeß Goldcnbcrg'Steinfeld gar keine Rede sein könne. (F f.)