Jerusprecher Mr. 11.

Erscheint Dienstag Donnerst., Samstag und Sonntag mit der wöch. Beilage Der Sonntags-

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Samstag, 30. Januar

Bekanntmachungen aller Art finden die er­folgreichste Verbreitung.

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1904.

Amtliches

Befördert wurde zum Oberleutnant der Reserve Professor Dr. Wagner in Altensteig, und Postassistent Maier in Leonberg zum Postsekretärin Calw.

W u y e.

(Nachdruck verboten.)

Dieselben Sensations-Geschichten, welche während des Venezuela-Streites und der China-Expedition in englischen Zeitungen über die draußen befindliche deutsche militärische Macht verbreitet wurden, tauchen auch jetzt, wo die Un­ruhen in unserer südwestafrikanischen Kolonie im Vorder­grund des Interesses stehen, in den führenden Zeitungen der .Vettern-Nation" auf! Entweder unsere Soldaten oder Matrosen haben sich die ärgsten Uebergriffe zu Schul­den kommen lassen, oder aber sie haben schwere Nieder­lagen erlitten. Etwas Gutes melden jene noblen Organe vom deutschen Namen nie und der englische Zeitunzsleser schmunzelt vergnügt, wenn er steht, daß demDamued Dutchman" wieder Eins ausgewischt ist. Natürlich glaubt er Alles, was er schwarz auf weiß sieht und die edlen Blät­ter hüten sich wohl, ihre offenkundigen Lügen zu ver­bessern. Ein ganzer Haufen solcher Schwindelnachrichten ist in den letzten Tagen wieder verbreitet; es ist ja mög­lich, daß einige der darin behaupteten Sachen, z. B. bru­tale Grausamkeiten der aufständischen Hereros wirklich pas­siert sind. Aber den Londoner Zeitungen ist darüber keine tatsächliche Meldung von Ort und Stelle zugegangen, die fabrizieren ihre Telegramme ganz anders; sie erfinden sie einfach, und je mehr Sensation, um so lieber werden sie von den Lesern geglaubt.

Im neuesten Fall läßt sich diese Fabrikation von Lügen Telegrammen ganz genau feststellen. In unseren deutschen Zeitungen waren Schilderungen von Land und Leuten von solchen Personen enthalten, die unsere deutsch- südweftafrikanische Kolonie durch eigene Erfahrung und längeren Aufenthalt kennen. Darin war auch die heim­tückische Grausamkeit der Hereros dargestellt und erzählt, welche Schandtaten sie bei früheren Gelegenheiten voll­bracht hätten. Diese Aufzeichnungen sind, teilweise wort­getreu sogar, in die Gegenwart übergetragen und daraus dann diese Skandal-Telegramme gemacht. Die britischen Zeitvngsleser müssen natürlich denken:Was sind diese Deutschen doch für Kerle, daß ihnen so von den Einge­borenen mitgespielt wird?" Aehnlich liegt es mit den Be­richten über deutsche Niederlagen; von Stellen, wo früher mal ein Gefecht stattgefunden hatte, wird heute eine Schlappe berichtet. Nur kräftig lügen, um so besser klingt es den Ohren, welche erpicht darauf sind, von Deutschland so we­nig Gutes wie möglich zu hören.

Es mag schon genug Unerfreuliches in Deutsch-Süd- westafrika geschehen sein, aber es liegen auch hinreichend Anhaltspunkte vor, welche darauf schließen lassen, daß sich das Unheil nicht mehr steigern wird. Allgemein gilt als charakteristisch für die Hereros, daß sie eine außerordentlich große Wertschätzung auf Biehbesitz legen, und ihre Haupt­tätigkeit bei Beginn des Aufstandes war denn auch, von den weit verstreuten einzelnen Farmen so viel Vieh als möglich zu stehlen. Da mögen ja diverse tausend Stück Ochsen und Rinder herausgekommen sein. Nun ist aber die Regenzeit eingetretev, welche die Bewegungen außer­ordentlich erschwert. Kann man denn im Ernst glauben, daß die Eingeborenen mit ihrer Viehbeute im Hellen Hau­fen gegen die stark befestigten deutschen Garnisonen ziehen und sich vor den Mauern mit ihren Ochsen und Rindern im Regen hinstellev? Das ist nicht anzunehmen, sondern im Gegenteil, daß ein erheblicher Teil dieser Räuber nach Hause gegangen ist, die Tiere in Sicherheit zu bringen. Und der Rest, der die Belagerung der deutschen Sta­tionen fortsetzt, wird schon seinen Widerstand finden.

Schwer bedroht war Okahandja, wo noch nicht 100 waffenfähige Leute waren. Dort aber ist Sonnabend Ober­leutnant von Zülow mit 120 Soldaten glücklich einge- troffeu, so daß die nun über 200 Mann starke Besatzung beruhigter der Zukunft entgegensetzen kan». Aus Windhuk sagen Nachrichten von Anfang dieser Woche, daß Alles in Sicherheit ist, und die Eisenbahn nach Swakopmund, die für einen Teil durch den strömenden Regen unfahrbar ge­macht ist, wird von dem Kommando unseres Kriegsschiffes Habicht" gedeckt. Dasselbe ist allerdings nur 60 Mann stark, hat aber in einer Anzahl von Schnellfeuergeschützen eine vortreffliche und wirksame Waffe. Sind die Tatsachen auch ernst, so braucht man doch deshalb die Ruhe nicht zu verlieren und kann die britischen Allarm-Geschichten kalt­blütig auf sich beruhen lassen. Oder glaubt etwa Jemand im Ernst, daß die Eingeborenen Boten nach der englischen Walfischbay schicken und bestellen lasten:Telegraphiert

nach Europa, daß wir die Deutschen zu Paaren treiben?" Alle Aufschneiderei muß ihre Grenzen haben.

Landesnachrichten.

* Atteusteig, 28. Jan. Zu einer erhebenden patriotischen Feier gestaltete sich die Begehung des Geburtsfestes Sr. Majestät unseres Kaisers durch den Kriegerverein im Gast­haus zur Linde. Zahlreich waren die Vereinsmitglieder, wie auch hiesige Beamte und Bürger erschienen. Der Ber- einsvorstand, Herr Oberförster Weith, brachte den Kaiser­toast aus und gedachte in demselben der Schreckensbotschaft, die vor wenigen Monaten jedes deutsche Herz erzittern machte, der Kaiser müsse am Halse operiert werden. Mit sol­datischem Mut und einer einzig dastehenden Gelassenheit habe Se Majestät der Kaiser sich der Operation unter­worfen und das Ergebnis der Untersuchung des Präparats, von der sein Schicksal abhing, erwartet. Zum Glück konnte der Arzt konstatieren, daß eine gutartige Krankheit vorlag und zur größten Freude aller Deutschen sei der Kaiser wieder genesen. In ein dreimaliges Hurrah, auf den Kaiser ausgebracht, stimmte die Versammlung auf's lebhafteste ein. Herr Professor Dr. Wagner hob hervor, welch' edle Ge­sinnung Sc. Majestät bei dem großen Brandunglück in Aalesuvd bekundet durch dir sofortige großartige Hilfe­leistung, wie aber auch die hochherzige Maßnahme des Kaisers die Herzen des stammverwandten Volkes zu begeisterter Dankbarkeit entzündet habe. Wohltuend sei es von stamm­verwandten Völkern mitunter Merkmale der Zusammenge­hörigkeit sehen zu dürfen. Auf alle stammverwandten Völker brachte Redner ein 3maliges Hoch aus. Herr Kameral- verwalter Köhler gedachte der Streiter in Deutsch-Süd- weftafrika, insbesondere der Mannschaft des Wilhelmshavener Seebataillons, die bei der Aufforderung:Freiwillige vor!" alle bis auf den letzten Mann vorgetreten sind. So lange noch ein solch guter soldatischer Geist in unserer Armee herrsche, könne man ruhig sagen:Lieb Vaterland, kannst ruhig sein." Ein 3maliges Hurrah galt de« Streitern in Deutsch-Südwestafrika, die dort für die Ehre, das Ansehen und die Macht Deutschlands einftehen. Herr Gerber Arm- bruster toastete auf Se. Majestät unseren König Wilhelm II. Der Sängerkcanz ließ manches frisch und kräftig gesungenes Lied erschallen, aber auch durch gemeinsame Gesänge und passende Erzählungen und Mitteilungen erhielt die Feier eiu wirklich befriedigendes Gepräge.

* Atteusteig, 29. Januar. Bo« einem herben Geschick wurde die Familie des Christoph Bühler hier betroffen. Letztes Spätjahr kam der älteste 22 Jahre alte Sohn Karl nach Hause um dem erkrankten Vater eine Stütze zu sein. Nach eingetretener Entbehrlichkeit trat er kurz vor Weihuachten seine verlassene Stelle als Kellner in einem Hotel Monte Carlo's wieder an und gestern kam die telegraphische Trauer­botschaft, daß der junge Mann nach mehrtägiger Krankheit im Spital verschieden sei. Der Schmerz der Eltern um den hoffnungsvollen Sohn ist selbstverständlich groß. Allge­meine Teilnahmewendet sich der schwergeprüften Familie zu.

* Atteusteig, 29. Jan. Wer sich noch eines saftigen Wildbratens versichern will, der möge dazutun: mit dem 1. Februar beginnt für den Waidmann die geschlossene Zeit und Reh und Hase dürfen sich, sicher vor dem töt- lichen Blei des Jägers, wieder ihres Daseins freuen, soweit ihnen dieses nicht vom Raubzeug sauer gemacht wird. Da­gegen winkt dem Gourmand wieder ei« anderer Lecker­bissen, da mit dem 10. Januar die Schonzeit der Forellen zu Ende gegangen ist.

-n. Marth. 28. Januar. DaS Geburtsfest S. Majestät des deutschen Kaisers wurde auch hier durch eine einfache, aber würdige Feier gemeinschaftlich begangen. Abends ver­sammelte sich der Kriegerverein vollzählig und viele Bürger im Gasthauszum Hirsch." Der Vorstand des Vereins, Forst­wart Dittus drückte seine Freude aus über den zahlreichen Besuch und den damit bekundeten patriotischen Sinn der hiesigen Bürger und widmete dem Kaiser ein mit Begeiste­rung aufgenommenesHoch." Pfarrer Rieding er hielt hierauf einen mit allgemeinem Beifall aufgenommenen ge­schichtlichen Vortrag. Gemeinschaftliche patriotische Gesänge trugen noch wesentlich zur schönen Feier zu Ehren des Kaisers bei.

* Nuterrierkuge«, 25. Januar. Das Elektrizitätswerk Glemsmühle, G. m. b. H., beabsichtigt die beiden Wasser­kräfte der Enz, hiesiger Markung, auszunützen zum Zwecke der Errichtung eines Elektrizitätswerks. Es sollen 250, bezw. zusammen 700 Pferdekräfte gewonnen werden. Das Unternehmen wird in der Gegend allgemein freudig begrüßt. Um dem Projekt näher zu treten, versammelten sich gestern auf ergangene Einladung der Unternehmerin in Mark­gröningen Vertreter der Gemeinden Markgröningen, Asperg,

Thamm, Bistnge» a. E.. Schwieberdingen, Oberriexingen und Unterriexingen. Es wurde beschlossen, das Projekt zu unterstützen, zunächst aber die Bertragsverhältnisse der Ge­meinden festzulegen. Zwecks Beratung eines solchen Ver­trags werden Vertreter der genannten Gemeinden in nächster Zeit sich wieder zusammenfinden.

* Stuttgart, 25. Jan. Ein heiterer Vorfall ereiguete sich dieser Tage io A. Dort hatte ein Landjäger eiu ver­dächtiges Individuum festgenommen, daS sich schon mehrere Tage in der Gegend umhergetriebeu hatte. Behufs Fest­stellung seiner Personalien nahm er den Verdächtigen aufs Rathaus, wo derselbe angab, ein Fahnder aus Stuttgart zu sein, aber keine Papiere bei sich zu haben, weil er diese zu einem Spaziergang nicht für notwendig gehalten habe. Während der Landjäger ans Telephon ging, um über diese Angaben Erkundigungen einzuziehen, übertrug er die Bewach­ung des Häftlings dem Ortspolizeidiener. Es gelang aber dem Gefangenen, in eine« unbewachten Augenblick die Türe zu öffnen und das Zimmer zu verlassen. Ec drehte den Schlüssel ab, schloß den Polizeidiener ein und suchte das Weite. Während der Polizeidiener zum Fenster hinaus die Nachbarschaft allarmierte, daß sie ihn befreien und den Flüchtling aufhalten soll, gelang eS diesem, zu entkomme». Es soll derselbe Schwindler sein, der in Korntha! sich 100 Mark erschwindelte. Inzwischen soll er schon wieder in Fell­bach sich einen neuen Ueberzieher angeeignet haben.

* (Heilbronn in Nöten.) Das Treiber'sche Korr.-Bureau schreibt: Angesichts der erfreulichen Nachrichten aus Kon­stanz über die rasche und sichere Genesung unseres seitherigen Oberbürgermeisters und infolge des Umstandes, daß die Be­werbungen um die erledigte Stelle eines hiesigen Stadtvor­standes noch recht spärlich einlaufen, während die bis jetzt genannten Kandidaten nicht allgemeine» Beifall finden, wird nun von weiten Kreisen die Frage ernstlich in Erwägung gezogen, ob nicht Hr. Hegelmaier durch eine Deputation zur Wiederbewerbung um die Stadtvorstandsstelle eingeladen Verden solle. Vielleicht schließt sich auch Gemeinderat Betz, derseinefür das ganzeLand überaus wertvolle parlamentarische Tätigkeit hoffentlich nicht aufgeben wird, dieser Deputation nach Konstanz an. Im Falle seiner Wiederwahl würde Hr. Hegelmaier freiwillig neben seinem' Gehalt auch noch seine Pension weiterbeziehen, was für die Stadtkasse gleich­gültig wäre, weil Gehalt und Pension doch bezahlt werden müssen, ob an eine oder zwei Persönlichkeiten, Hegel­maiers Wiederwahl wäre immerhin die glücklichste Lösung der unserer Stadt schwere Sorgen verursachenden Frage.

* Beim Rechner eines Darlehenskassen-Bereins in der Nähe von HLamöerg stellte sich am 12. Januar ein fein­gekleideter Herr als Rrgierungsrat auS Bayreuth vor, der im Aufträge der königlichen Regierung Kassenrevifion vor­nehmen müsse. Nach einigen einleitenden Bemerkungen, sowie einigen pflichteifrigen stenographischen Aufzeichnungen im Notizbuch verlangte derHerr Regierungsrat" den Kassensturz und gestattete dem Rechner hierbei, das Silber­geld aufzuzählen, indes er selbst das Gold etwa 1000 Mk. nachzählen wolle. Nach dem Kassensturz gab derHerr Regierungsrat" noch einige Anweisungen, wie es künftig gemacht werden solle, überreichte dem Rechner herablassend eine Zigarre und empfahl sich mit der Bemerkung, daß er am Montag mit der Revision beginnen werde. Dem Rech­ner kam das Benehmen deSHerrn Regierungsrats" nach­träglich doch etwas auffällig vor, und bei dem sofort noch­mals vorgenommenen Kassensturz ergab sich, daß am Golde 130 Mark fehlten, welche derHerr Rrgierungsrat" hatte in seiner Tasche verschwinde» lasse». Sofortige Nach­forschungen nach dem feinen Herrn blieben erfolglos.

* Aarmkadt, 28. Jan. Der BergiftungSfall in der Kochschule des Alicefrauenvereins hat zu sehr traurigen Folgen geführt. Außer dem 38 Jahre alten Fräulein Bernau, dessen Tod gestern mittag erfolgte, ist auch die Leiterin des Instituts, die 34 Jahre alte Lehrerin Fräulein Goering heute morgen ein Opfer der durch de» Genuß verdorbener Bohnen verursachte» Vergiftung geworden. Ferner ist heute mittag das Kind einer Familie Bernius gestorben. Den drei Todesfällen gesellen sich mehrere schwerere Erkrankungen zu. Die zwei Gemeindeschwestern Agnes und Marie sind im Diakouiffenhause und eine Frau Gauf im städtischen Krankenhause untergebracht. Eiu Fräu­lein Schleuning und Herr Hofphotograph Weimer sind ebenfalls nicht unbedenklich erkrankt. In mehreren Familien sollen Mitglieder an Bergiftungserscheinungeu darnieder­liegen. Der Umfang des ganzen Unglücks ist noch nicht völlig festzustellen, da nicht nur zahlreiche Mittagstischgäste am vergangenen Samstag von der giftigen Speise genossen haben, sondern auch sich viele Familien ihre Mahlzeiten