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1904.

Tagespolitik.

(Die neue Militärvorlage.) Nun soll auch in das bisherige geheimnisvolle Dunkel der künftigen deutschen Militärvorlage Licht kommen. Der Kriegsminister v. Einem hat dem versammeltest Reichstage bestimmt versprochen, er werde über den Inhalt der neuen Armeevorlage bei der Beratung des jetzigen Entwurfs, welcher die Friedensstärke des deutschen Heeres um ein Jabr, bis zum 1. April 1905 verlängert, in der Kommisston Auskunft geben. Der Mi­nister betonte zugleich, man sollte nicht denken, daß dabei gar so bedeutende Dinge herauskommen würden, mit anderen Worten, er meinte, es sei überflüssig gewesen, die Bevölke­rung deswegen graulich zu machen. Es ist gut, daß die volle Klarheit und Wahrheit kommen soll; denn wenn auch das, was ein Kriegsminister weniger bedeutend nennt, An­deren bedeutsam genug erscheinen kanu, so ist Gewißheit immer erfreulich. Damit soll gesagt sein, daß unsere deut­sche Armee so stark sein muß, wie es die in den beiden Nachbarstaaten getroffenen militärischen Maßnahmen nötig machen. Das ist eine Notwendigkeit, welche die deutsche Militärverwaltung naturgemäß begründen muß, und soweit sie das kann, hat sie ein Recht, zu fordern, damit ihr später nicht Vorwürfe gemacht werden können, sie sei zu ver­trauensselig gewesen. Der deutschen Kolonial-Verwaltung in Süd-Westafrika ist ja soeben erst gesagt, sie habe den Herero's zu viel Vertrauen geschenkt und sei nun von jenen überrascht worden. Mache man sich einmal klar, was es bedeuten würde und was folgen müßte, wenn zu unserer deutschen Militär-Leitung Jemand mit vollstem Recht sagen könnte:Ihr vertraut den Franzosen zu viel und legt die Hände in den Schooß !" Unsere westlichen Nachbarn wür­den sich nicht zweimal darüber avsklären lassen, wie die mili­tärische Sachlage ist. Eine jede Militärvorlage ist ein Ding der Notwendigkeit; darüber sich laut zu ereifern, ist un­nötig, da führen Ruhe und Einsicht allein zum Ziele.

* *

Die russische Flotte hat einen ihrer besten höheren Führer durch den Tod verloren, den Kontre-Admiral Schesta- kow. Zu Beginn des türkischen Feldzuges 1877 war sein Name, wie der seines Waffengefährten Duvassow in ganz Europa bekannt. Die schweren türkischen Panzerschiffe lie­fen in die Donau ein und machten zunächst jeden russischen Versuch unmöglich, eine Brücke nach dem bulgarischen Ufer zu schlagen; da beschlossen vier junge russische Offiziere, auf leichten Schaluppen Minen gegen den größten der tür­kischen Panzer, das TurmschiffChiwfi-Rochmann" anzu­wenden. Zunächst unbemerkt, näherten sie sich dem Tür­ken ; bald eröffnete dieser aber ein heftiges Feuer. Leut­nant Dubassow brachte eine Mine zum Springen; der Ko­loß wankte, schien aber nicht schwer getroffen zu sein. Da versetzte ihm Leutnant Schestakow durch eine zweite Mine eine solche Wunde, daß er sich langsam nach einer Seite neigte und nach und nach in den Wellen der Donau ver­schwand. Als folgenden Tages einen anderen Panzer das gleiche Schicksal erreichte, gaben die anderen türkischen Schiffe ihre gefährliche Stellung auf, und der Brückenschlag kannte unternommen werden.

*

Noch keinem weniger zivilisierten Volk hat die Ein­führung der europäischen Kultur zum Segen gereicht. Der vor kurzem verstorbene große englische Philosoph Spencer war deshalb so ehrlich, die Japaner vor den Europäern dringend zu warnen, als der japanische Staatsmann Kaneko im Jahre 1892 an ihn schrieb. Spencer riet den Japanern, sie sollten keinesfalls den Amerikanern und Europäern er­lauben, festen Fuß in Japan zu fassen, sondern sie lieber immer in Armeslänge halten. Weiter als über einengegen­seitigen Austausch von Geistes- und anderen Produkten solle man nicht hinüber gehen. Er würde eine Politik, die das Reich dem Westen eröffnete, sehr bedauern; wenn die Ja­paner sehen wollten, was eine solche Politik leicht für Fol­gen haben könnte, dann sollten sie die Geschichte Indiens studieren. Alle näheren Beziehungen würden zu Streitig­keiten führen, und diese wieder zur Besetzung einiger Teile des Landes durch auswärtige Mächte. Insbesondere riet er, daß die Japaner niemals den Ausländern gestatten soll­ten, Bergwerke und dergleichen der japanischen Regierung zu bearbeiten oder gar zu verwalten. Ebenso sollten sie sehen, daß sie sich den Küstenhandel ganz allein erhalten könnten, ans diesem besonders müßten sie Ausländer feru- halten.

Deutscher WeichsLag.

* ZLerliu, 25. Januar. 2. Beratung des Etats, und zwar zunächst des Etats des Reichstags. Paasche (nlb.) bedauert, daß die Regierung noch nicht den Wünschen des

Reichstags bezüglich der Gewährung von Anwesenheits­geldern nachgekommen ist. Es werde immer schwerer, die Abgeordneten aus den entfernteren Wrhlkreiseo in Berlin zu fesseln. Gröber (Ztr.) bedauert, daß unter den Vor­lagen nicht auch eine Finanzreform für die Abgeordneten sich befinde. (Heiterkeit.) Es scheine, als ob die preußische Regierung im BundeSrat gegen die Gewährung von Diäten stimme. Eine Verfassungsänderung sei für die Diäten-Ge- währung nicht notwendig. Die Reichsregicrung müsse Wert darauf legen, daß die süddeutschen Staaten im Reichstag immer ausgiebig vertreten seien. Dadurch könne gerade der Reichsgedanke in Süddeutschland gestärkt werden. Pfannkuch (Soz.) schließt sich dem Vorredner an. Die Diäten wurden seiner Zeit verweigert, um das Eindringen der Sozialdemokraten in den Reichstag zu verhindern. Gamp (Rp.) erklärt, seine Partei sei in der Frage der Diätengewährung geteilt; er selbst sei dagegen. Wolfs (wirtsch. Vgg.) spricht für, Normann (kons.) gegen die Diätengewährung. Müller-Meiningen (frs. Vp.) fragt, warum der Reichskanzler der Mehrheit des Hauses nicht nachgebe. Südekum (Soz.) bringt zunächst verschiedene Mißsiände im Hause zur Sprache und sagt dann, ans der Jourualistentribüne habe sich ein Fünfzigpfennigbazar eta­bliert. Das Wolff'sche Bureau biete Emrefilets zu 50 Psg., Kommissionsberichte zu 25 Pfg. an. Es sei Sache der Presse, sich diese Konkurrenz vom Halse zu schaffen, aber diese Berichte seien so abgefnßt, wie dies im Interesse der Regierung liege, die dem Unternehmen nicht fernzustehen scheine. Diese Stimmungmachung stehe ungefähr, auf dem Niveau der Verbreitung von Bülowreden. Staatssekretär Graf Posadowsky: Der Reichstag könne es nicht als einen Ausfluß eines autokratischen Regiments betrachten, wenn der Bundesrat an den verfassungsmäßigen Grundlagen des Reiches in der Diätenfrage festhalte. Er sei nicht sicher, ob für die Gewährung von Diäten im Buudesrat eine Majorität vorhanden sei. A r,,e n d t (Rp.) meint, die Diäten­gewährung würde den Sozialdemokraten bei den Wahlen wesentlich Abbruch tun. Es würden mehr Arbeiter und weniger Akademiker in den Reichstag einzieheo. Es liegt eine Resolution Sattler auf Gewährung von 20 Mark Anwesenheitsgeldern und freie Eisenbahnfahrt vor. Die Forderung der freien Eisenbahnfahrt wird fast einstimmig, der übrige Teil der Resolution gegen einen Teil der Kon­servativen angenommen. Trimborn (Ztr.) bringt ver­schiedene sozialpolitische Fragen zur Sprache, darunter die Ausdehnung der Krankenversicherung auf Heimarbeiter und bedauert unter Hinweis aus den Aufstand in Crimmitschau das Fehlen einer unparteiischen Instanz, welche die Fehler auf Seiten der Arbeiter und der Arbeitgeber hätte prüfen müssen. Staatssekretär Graf Pos adowsky erklärt, be­züglich der Ausdehnung der Krankenversicherung auf Heim­arbeiter müsse man sich gedulden bis eine allgemeine Revi­sion der Krankenversicherung vorgenommen werde, der Wunsch nach einer Verschmelzung der Arbeiterfürsorgegesetze könne erst in Berücksichtigung gezogen werden, wenn ein gewisser Abschluß der drei großen sozialpolitischen Gesetze erreicht ist. Fi s cy er-Berlin (Soz.) meint, der Mangel an monarchischer Gesinnung in den Arbeiterkreisen sei nicht verwunderlich angesichts der politischen Entrechtung der Arbeiter, insbesondere nach dem Crimmitschauer Ausstand. Staatssekretär Graf Posadowsky weist gegenüber ver­schiedenen Angriffen des Vorredners darauf hi», daß die Lage der Arbeiter sich seit dem Erlaß der sozialpolitischen Gesetze gehoben habe. Wenn die Sozialdemokratie anti­monarchisch gesinnt sei, so sei sie konsequent weil sie die Macht des Proletariats anstrebe, die, aber dauernd un­möglich sei. Eine Maximalarbeitszeit der Frauen werde von den verbündeten Regierungen anfs ernsteste geprüft.

* Aerti«, 26. Januar. Staatssekretär Graf Posa­dowsky kommt auf den Crimmitschaner Ausstand zurück und führt aus, die sächsische Regierung habe ihre Pflicht getan, wenn sie die Ruhe in Crimmitschau mit allen Mitteln aufrecht erhielt. Bei einem solchen Ausstand kämen auch Mißgriffe der Polizeiorgane vor, die dann von den Ge­richten korrigiert wurden. In einem solchen Falle erfolgte in Crimmitschau Freisprechung, in allen anderen Fällen wur­den die Entscheidungen von der höheren Instanz bestätigt. Gegenüber dem Vorredner stellte der Staatssekretär fest, daß seine im vorigen Jahre über den Befähigungsnachweis und dessen Bedeutung für da- Handwerk gemachte Aeuße- rnng lautete:Was nicht mehr zu halten ist, kann auch die Regierung nicht mehr halten.' Daraus sei dann irr­tümlich oder tendenziös die Version gemacht worden, der Handwerkerstand sei nicht mehr zu halten. Sächsischer Bundesratsbevollmächtigter Fischer stellt gegenüber den gestrigen Ausführungen Fischers- Berlin fest, daß nur

der Besonnenheit der Polizeiorgane es zu danken sei, daß keine weiteren Ausschreitungen vorgekommen seien. Mugdan (fr. Bp.) tritt für den weiteren Ausbau der Gewerbein­spektion und verstärkte Heranziehung weiblicher Assistentinnen ein und wünscht ferner den Ausbau des Kiuderschutzgesetzes und Einführung einer Dieustboteuversicherung auch für landwirtschaftliche Betriebe. Erzberger (Ztr.) will die Ausdehnung der Krankenversicherung auf die Heimarbeiter nicht bis zur allgemeinen Revision des Krankengesetzes ver­schoben wissen. Redner geht dann auf die Gewerbein- spektioaen ein und wünscht häufigere Vornahme der Revi­sionen und ausgedehntere Heranziehung von Arbeitern und Aerzten zu den Gewerbeinspektionen. Staatssekretär Posa­dowsky: Eine Bereinigung der Javaliden- mit der Krankenversichernng setzt die Schaffung eines gemeinsamen Unterdaus und die Prüfung der Frage der Selbstverwaltung voraus. Auf eine bezügliche Anregung des Abg. Heyl weist der Staatssekretär darauf hin, daß der Millerandsche Vorschlag auf Einführung eines Zwangsschiedsgerichtes in Frankreich einstimmigen Widerspruch fand und aub im Reichstag auf eine Annahme nicht gerechnet werden könne. Die sozial­politische Gesetzgebung sei in den letzten Jahrzehnten stets angewachsen und werde auch in Zukunft nicht stille stehen. Gamp (Reichsp.) kündigt eine Resolution seiner Freunde an, welche Mittel für eine Handwerkerenquete in Form eines Nachtragsetats verlangt. Die Schuld an dem Crimmit- schauer Änsstand mißt Redner ausschließlich der Sozial­demokratie bei. Große Absatzgebiete seien der deutschen Textilindustrie verloren gegangen, weil das Ausland be­deutend niedrigere Löhne bezahle als die deutschen Fabri­kanten. Er glaube nicht an eia weiteres Anwachsen der Sozialdemokratie. Singer und seine Genossen seien nicht das Material, woraus man Barrikadenkämpfer mache. Nach persönlichen Bemerkungen Molkenbuhrs und Heyl zu Herrns­heims vertagt sich das Haus aus übermorgen.

Landesnachrich ten.

-n. Kgenh^usea, 26. Januar. Wegen Erkrankung vieler hiesiger Kinder an den Masern wurden gestern die beiden Schulklassen bis auf weiteres geschlossen.

* Hühanse«, 25. Jan. Bei der Taufe des siebenten lebenden Knaben des Gipsers W. Benz hier hat der König die Patenstelle übernommen und dem Vater das übliche Ge­schenk zusenden lassen.

* Stuttgart, 23. Jan. (Volkswirtschaftliche Kommission.) Staatsrat v. Balz gab von dem Inhalt einer Denkschrift der Geueraldirektion Kenntnis, in welcher unter Vorführung eines umfangreichen Materials die Stellung der Eisenbahn- Verwaltung zu dem Antrag Tauscher betr. Abschaffung bezw. Einschränkung der Akkordarbeit und Einführung des Neun- Stundentags in den staatlichen Werkstätten in einer in der Hauptsache ablehenden Werse motiviert wird. Staatsrat v. Balz führte aus, daß die Bewegung gegen das Stück­lohnsystem im Bereich der württ. Eisenbahnverwaltung erst seit 1899 begonnen hat. Bei den mit den Werkstätten- vorstäuden und den Arbeiterausschüssen gepflogenen Ver­handlungen hat sich ergeben, daß die Bewegung weniger auf die vollständige Abschaffung der Stücklohnarbeir, für deren Beibehaltung im Gegenteil verschiedene Arbeiteraus- schüsse sich ausgesprochen haben, als vielmehr auf die Be­seitigung von Auswüchsen gerichtet war, die bei dem Akkord­wesen stch eingeschlichen hatte«. Mit dem 1. Oktbr. 1901 ist aber hierin gründlich Wandel geschaffen worden durch Beschränkung der Akkordarbeit auf gewisse Arbeiten, Er­höhung der ordentlichen Löhne für die Stücklohnarbeiter usw. Weiterhin wurde und wird jetzt noch das Bestreben darauf gerichtet, die Stücklohotarife gleichmäßiger zu ge­stalten und auf eine einwandfreie Grundlage zu bringen. In lieberen stimmung mit den Werkstättevorstäuden würde die Eisenbabnverwaltung ganz abgesehen von den finanziellen und sonstigen Folgen es für einen prinzipiellen Fehler und für einen Rückschritt halten, wenn die Stücklohnarbeit in den Werkstätten aufgehoben würde. Auf Grund der ge­fertigten Berechnungen seien in Aussicht zu nehmen: Bei Aufhebung der Akkordarbeit und Beibehaltung der seitherigen Arbeitszeit einmalige Aufwendungen 1 575 000 Mk., fort­laufender jährlicher Mehraufwand 475000 Mk.; bei Bei­behaltung der Akkordarbeit und Kürzung der Arbeitszeit auf 9 Stunden einmalige Aufwendungen 640 000 Mk. fortl. jährlich Mehraufwand 200000 Mk. ; bei Aufhebung der Akkordarbeit und Kürzung der Arbeitszeit auf 9 Stunden einmalige Aufwendungen 2 215000 Mk., fortl. jährlich Mehraufwendungen 675 000 Mk. Nicht zu verhehlen sei, daß jedes Zugeständnis, das ans diesen Gebieten den Eisenbahnwerkftättenarbeitern gemacht werde, in der Haupt­sache auf Kosten der Steuerzahler gehe und für die andern