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! Donnerstag. 2>. Januar >

1904 .

Amtliches.

Die erste Prüfung für den höheren Justizdienst haben u. a. mit Erfolg bestanden: Richard Läufer von Freudenstadt und Otto Schnap­per von Neuhengstett, Oberamts Calw.

Deutscher Weichstag.

* Berlin, 18. Jan. Bei Beginn der Reichstagsfitzung teilt Reichskanzler Graf Bülow die über den Aufstand in Südwestafrika bisher eingegangenen Telegramme mit, die in der Hauptsache schon bekannt find und die zum Schutz der bedrohten Kolonie und ihrer Einwohner ergriffenen und eingeleitcten Maßregeln, über die ein Nachtrags-Etat heute noch dem Reichstag zugeht. Die konservative Interpellation, betreffend die Handels - Verträge erklärt Staatssekretär Graf Posadowsky sofort beantworten zu wollen. Abgeordneter Graf Kanitz (kons.) begründet die Interpellation. Die Nichtküudigung der Handels-Ver­träge habe sich als ein Fehler erwiesen. Es sei schon vor zwölf Jahren ein Fehler gewesen, daß anderen Staaten unsere Zollermäßigungeu ohne Gegenleistung in den Schoß fallen, wie den Vereinigten Staaten durch das lächerliche Abkommen von Saratoga. (Präsident Graf Balle st rem rügt diesen Ausdruck.) Mit Rußland haben wir es damals auf einen Zollkrieg ankommen lassen und es ist zu einer Verständigung gekommen. Jetzt sind die Verhandlungen er­schwert dadurch, daß in sämtlichenMaaten die Zölle boo erhöht werden. Das ist die Folge der Tarifverträge. Man behauptet immer, die Schwierigkeiten des Zustandekommens eines Vertrags mit Rußland lägen bei den deutschen land­wirtschaftlichen Zöllen. Umgekehrt liegen sie bei den hohen russischen Jnduftriezöllen, die einem Einfuhrverbot ziemlich gleich kommen. Oesterreich-Ungarn hat nicht mehr das Interesse an einem Handelsvertrag, wie vor zwölf Jahren. Damals legte cs Wert auf seine Getreideausfuhr, heute nicht mehr, wie der Ministerpräsident v. Körber selbst erklärt hat. Was Oesterreich verlangt, ist die Eröffnung der Grenze für sein Vieh. Das ist eine unmögliche Forderung. Anderer­seits denkt man nicht au eine Ermäßigung der Jndustrie- zölle. Was Italien anlangt, so erwarte ich, daß der deut­sche Weinbau besser geschützt wird, und daß insbesondere die deutsche Gärtnerei ausgiebiger geschützt werden wird, als früher. Der geltende Vertrag sollte Mithelfer, den fran­zösischen Weinen Konkurrenz zu bereite», es wurde aber vergessen, daß die deutschen Weinzollermäßigungen infolge des Frankfurter Friedensvertrags ohne weiteres auch Frank­reich zu gute kommen müßten. Frankreichs Weine bereiten also nach wie vor unseren Weinen die schwerste Konkurrenz. Das muß durch die neuen Verträge anders werden. Kommt es zu der Chamberlainschen Zollpolitik, die im Interesse Englands die einzig richtige ist, so haben wir erst recht keine Veranlassung uns durch Verträge zu binden. Auf die Lage der Landwirtschaft braucht man jetzt nicht mehr einzu­gehen. Die Landwirtschaft kann mit der Industrie nicht mehr konkurrieren. Die Zahl der Einstellunqspflichtigen in Ostpreußen hat in wenigen Jahren um 25 pCt, abgenommen und die Abwanderung nach anderen Staaten nimmt zu. Die Zahl der polnischen Stimmen bei den Wahlen nimmt zu (Bravo! bei den Polen), und der Grundbesitz im Osten geht immer mehr in polnischen Besitz über. Das ist die Folge davon, daß der Nachfolger des Fürsten Bismarck der deutschen Landwirtschaft durch seine Ermäßigung der land­wirtschaftlichen Zölle die Lebensbedingungen abgeschnitten hat. Und solange Sie daran nichts ändern, muß jede Germanisierungspolitik vergeblich bleiben. Die deutschen Landwirte müssen 30 Mark billiger produzieren, als ein Mann wie Jaures für erforderlich erklärt hat. Wir dürfen in Bezug auf das Getreide nicht abhängig vom Ausland sein. Was soll im Kriege werden? Erkennt die Regier­ung die schwierige Lage der Landwirtschaft, so ist es be­rechtigt zu fragen, warum die Regierung diese ruinösen Zu­stände fortbestehen läßt und den Generaltarif nicht in Kraft setzt. Wie ganz anders nimmt man in Frankreich die In­teressen der Landwirtschaft wahr, nicht nur in Bezug auf Getreide, sondern auch in Bezug auf Vieh und Fleisch I Hier wie dort find die Zölle beträchtlich erhöht worden, weit höher als in Deutschland. Deshalb können wir ver­langen, daß die deutsche Regierung bei den Verhandlungen wenigstens nicht unter die Minimalsätze herabgeht. Das ist schon notwendig, weil die deutsche Landwirtschaft stark an den sozialpolitischen und Zolllasten zu tragen hat. Nur Rücksichten auf die Industrie lassen es erklärlich erscheinen, daß die Verträge des Reiches noch nicht gekündigt sind. Andere Länder haben einen ganz anderen industriellen Auf­schwung als Deutschland, vor allem die Vereinigten Staaten, die doch keine Tarifverträge haben. Nicht Handelsverträge, sondern die Preisbildung auf dem Weltmarkt ist das ent­

scheidende. Dazu kommt der Verlust, den die Reichsfinan­zen durch die Ermäßigung der Getreidezölle erlitten haben. Bessert sich die Lage der Landwirtschaft, so entfällt auch die Sorge des Abg. Gamp um die Unterbringung und den Stand der Reichsanleihen. Die baldige Kündigung der Verträge ist eine politische und finanzielle Notwendigkeit, für die Landwirtschaft aber eine Lebensfrage, denn es ist schwer genug an ihr gesündigt worden, und es ist nur eine Forderung der ausgleichenden Gerechtigkeit, die wir heute erheben. (Beifall rechts.) Staatssekretär Graf Posa­dowsky beantwortet die Interpellation: Es kann nicht der geringste Zweifel bestehen, daß die Regierung die schwie­rige Lage der Landwirtschaft ohne jeden Hinterhalt aner­kennt und daß sie ernstlich bemüht ist, der deutschen Land­wirtschaft einen höheren Zollschutz zukommen zu lassen. In der Sache sind wir vollkommen einig. Der Unterschied zwischen uns beiden, zwischen der Regierung und den Ver­tretern der Interpellation, besteht lediglich in der einzu- schlagenden Taktik. (Sehr richtig bei den Soz.) Wir haben es immer als das Programm unseres Handelns hingestellt, möglichst die alten Verträge in die neuen zu konventieren, um die deutsche Volkswirtschaft vor schweren Erschütterungen zu bewahren. Verträge zu schließen, ist sehr leicht, es kommt aber darauf an, wie die Verträge aussehen. (Sehr richtig! links.) Gerade daraus, daß wir bisher neue Verträge nicht vorgelegt haben, sollten Sie ersehen, daß wir an gewissen Forderungen festhalten und bei Erfüllung dieser Forder­ungen neue Verträge abschließen können. Ich kann nicht annehmen, daß die Interpellanten erwartet haben, daß die Regierung irgendwelche sachliche Mitteilungen machen wird, denn dadurch würden die Interessen des Landes schwer ge­schädigt. Ich nehme vielmehr an, daß die Herren nur das Bedürfnis empfunden haben, ihre politische Ansicht zur Sache zu äußern. (Heiterkeit. Zurufe rechts: Sie müssen schneller arbeiten!) Ja, die Arbeit hängt doch von zwei Seiten ab. Wir lassen es an Eifer und Energie nicht fehlen. Der R-ichskanzler, der am Steuer steht, kann allein den Kurs des Schiffes berechnen. Er wird sich von seinem Kurs unter keinen Umständen abdrängen lassen, insbesondere bei der gefährlichen Stelle in fremden Gewässern. Das Haus beschließt die Besprechung der Interpellation. Abg. Herold (Ztr.): Wir geben uns der Hoffnung hin, daß die Regierung nunmehr mit mehr Kraft als bisher die Waffen des Zolltarifs in die Hand nehmen wird, um bald zu einem befriedigenden Schluß zu gelangen. Abg. Bern­stein (Soz.): Wir waren überhaupt im Zweifel, ob es für uns irgend einen Zweck Hütte, sich in den häuslichen Streit zwischen der Regierung und den agrarischen Parteien zu mischen. Viel ist ja bis jetzt bei der Debatte nicht heraus­gekommen. Man bat die alten agrarischen Ladenhüter wieder vorgeführt bekommen. Im ganzen aber ergibt auch die heutige Debatte wieder, wie richtig unsere Kritik in diesen Fragen war. Graf Kanitz behauptet, daß das ganze Land die Kündigung der Handelsverträge wünsche. Da hat er doch den Mund sehr voll genommen, denn für die sozial­demokratischen Wähler gilt das nicht. Graf Kanitz ver­langt hohe Getreidezölle, um in Gemeinschaft mit dem Reichskanzler die Sozialdemokratie Niederschlagen zu können. Glauben Sie wirklich nach den letzten Reichstagswahlen, daß so etwas möglich ist? Die Industrie gerade bekämpft die Tarifverträge, sie ist vom Auslande zum Teil vollständig abhängig. Was wird aus hunderttausend Ar­beitern, die in der Baumwollindustrie beschäftigt find, wenn das Ausland Ihre (rechts) Politik mit einem Ausfuhrzoll auf Baumwolle beantwortet? Die neuen Handelsverträge sollen auf Kosten der Industrie abgeschlossen werden. Die sozialdemokratische Fraktion wird aber keinen Handelsver­trägen zustimmen, in denen an dem Mindestsätze für Ge­treide festgehalten wird. Es sprechen hierauf Abg. Got - Hein (Freis. Ver.), Abg. Graf Schwerin-Loewitz, Abg. Kämp (Frs. Ver.) und Staatssekretär Graf Posa­dowsky. Abg. Paasche (utl.) bedauert, daß die Linke hier dazu beigetragen habe, die Stellung der Regierung bei den Verhandlungen zu erschweren. (Großer Lärm und Widerspruch links, lebhafter Beifall rechts.) Abg. Wolfs (Wirtsch. Verein) rechtfertigt die Interpellation und spricht die Befürchtung aus, daß gerade die Wünsche der süd­deutschen Landwirte bei den neuen Verträgen vernachlässigt würden. Abg. von Czarlinski (Pole) wendet sich im Anschluß an die Bemerkungen des Abg. Herold gegen die preußische Polenpolitik. Darauf vertagt sich das Haus auf Dienstag 1 Uhr.

ff Berlin, 19. Jan. In der Beratung der neuen Vor­lage betreff. Südwestafrika giebt Kolonialdirektor Stübel eine Ueberficht über die Ereignisse in der Kolonie und die getroffenen Maßnahmen. Erforderlich sei insbesondere be­

spannte Artillerie. Die Hereros tragen teilweise Tropen- uniformen, die wohl dem Materiallager in Johann-Albrechts- höhe entnommen sind. Die Weißen seien auf 118 Punkte» verteilt. Aufstandsgelüste der Hereros waren wohl immer vorhanden. Vielleicht gelangten falsche Nachrichten über angebliche Siege der Bondelszwarts an die Hereros. War der Aufstand von langer Hand vorbereitet, so war er ge­schickt verheimlicht. Die Missionare und Farmer merkten nichts. Präsident Graf Ballestrem meint, die Nachtragsforde­rungen könnten heute iu erster und zweiter Lesung und in einigen Tagen in dritter Lesung erledigt werden. Bebel (Soz.) wünscht eine Verschiebung der zweiten Lesung der Ergänzungsforderung, bis die Gründe des Aufstandes be­kannt sind. Die Hereros mußten doch gewichtige Gründe haben zum Verzweiflungskampf. Die Missionen berichteten, daß die Weißen Trunksuchts-, Unzuchts- und Roheitsver­brechen begingen. Die Hereros befürchteten vielleicht, daß sie von ihren reservierten Gebieten weiter ostwärts gedrängt werden sollten. Da die Sozialdemokraten nicht wissen, ob der Rgierung eine Schuld beizumesfen ist, enthalten sie sich der Abstimmung. Namens ihrer Parteien gaben kurze Zu­stimmungserklärungen zu den Regierungsforderungen die Abgeordneten Normann, Müller-Sagan, Sattler, Tiedemann, Storz und Liebermann von Sonnenberg. Müller-Sagan betonte jedoch, die Forderungen müßten durch Sparsamkeit auf anderen Gebieten ausgeglichen werden. Hierauf wer­den sämtliche Forderungen in erster und zweiter Lesung an­genommen. Sodann interpelliertH aase (Soz.) über das Verhalten des russischen Polizeiageuten auf deutschem Ge­biet. Haase (Soz.) führt aus, eine große Anzahl rus­sischer Polizeibeamter halten sich in Deutschland auf, die russische und auch deutsche Untertauen in der schamlosesten Weise überwachen. Redner schildert die vomVorwärts" bereits veröffentlichten Fälle von Hebelgriffen russischer Spitzel gegen hier wohnende Russen. Die Spitzel versuchen sogar, Postbeamte zur Auslieferung der Korrespondenz dieser Russen zu bewegen. Die preußische und deutsche Polizei mache der russischen Mitteilungen über die in Deutschland lebenden Russen. In Stettin habe ein rus­sischer Polizeiagent versucht, durch Fälschung der Unter­schrift des sozialdemokratischen Abgeordneten Herbert Ein­blick in die für Herbert eingegaugenen Postsachen zu er­langen. Staatssekretär Richthofen erklärt sich zur Be­antwortung der Interpellation bereit. Er führt aus: Dem Reichskanzler sei bekannt, daß ein zur hiesigen Botschaft gehöriger russischer Beamter von seiner Regierung damit betraut ist, das Verhalten der russischen Anarchisten in Deutschland zu beobachten. Dem Reichskanzler ist dagegen nichts bekannt, woraus hervorginge, daß die russischen Be­amten ihre Tätigkeit auch auf Reichsangehörige erstreckten oder daß Hilfspersouen in Deutschland Verbrechen verübt oder versucht hätten, andere Personen zur Begehung von Verbrechen zu bestimmen. Die Beseitigung des bestehenden Zustandes erscheint dem Reichskanzler angezeigt, da es auch im Interesse des Reiches liege, wenn das Treiben fremder Anarchisten in Deutschland durch Organe ihres Heimat­staates beobachtet wird. Richthofen weist darauf hin, daß auch in Paris ein Bureau mit russischen Beamten zur Ueberwachung russischer Anarchisten ist und daß in London italienische Polizeibeamte zu ähnlichenUeberwachungszwecken fungieren. Auf Antrag Singers (Soz.) wird die Besprechung der Interpellation gegen die Stimmen der Rechten beschlossen. Bebel (Soz.) führt aus: In vielen Fällen hat es sich gar nicht um Anarchisten, sondern um ganz harmlose russische Staatsbürger gehandelt. Die preußische Polizei hat sich bis auf die Knochen blamiert. Je entgegenkommender das deutsche Reich gegen Rußland sich verhält, desto frecher und unverschämter wird dieses, so daß es glaubt, das deutsche Reich sei sein Stiefelputzer. Präsident Graf Balle st rem ruft den Redner wegen dieser Aeußerung zur Ordnung. Schräder (fr. Vgg.) spricht sich im Sinne der Inter­pellation aus. Spahn (Ztr.) bemerkt: Wir müssen die in der Verfassung niedergelegten Kuliuranschauungen auch den Ausländern gegenüber beobachte». Die ausgewieseuen lästigen Ausländer sollten wir den Weg gehen lassen, de» sie gehen wollen. Normann (kons.) ist mit der Ant­wort des Staatssekretärs einverstanden. Müller- Sagau (fr.) bemerkt, die Konservativen möchten die russischen Zu­stände auch bei uns einführen. Nach der Antwort des Staatssekretärs sind wir auch auf dem besten Wege dazu. Sattler (ntl.) fordert weitere Aufklärung. Die Be­sprechung wird nunmehr geschlossen. Morgen: Dritte Be­ratung des Nachtragsetats für 1903 für Deutsch-Südwest­afrika. Kaufmanusgrrichte.