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Ar. 11.

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Samstag, 16 . Januar

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1904.

^ Die Arbeitslage im deutschen Reiche.

(Nachdruck verboten.)

Das unerfreuliche WortNotlage" erklingt in diesem Winter nicht. Natürlich wird es in den großen Städten stets auch eine gewisse Zahl von Arbeitslosen geben, denn so genau läßt kein gewerblicher Betrieb sich regulieren, daß immer Jedermann Beschäftigung hat, aber zu diesen Arbeits­losen gehört auch das Kontingent der weniger Arbeits- tüchtigen, sowie das der Arbeitsscheuen, die sich an solchen Verkehrs-Zentralen stets in größerer Menge ansammeln. Bon diesen besonderen Verhältnissen abgesehen, haben wir im Durchschnitt in diesem Winter im deutschen Reiche keine ! wirkliche und unverschuldete Notlage zu verzeichnen: daß

die Verhältnisse in Crimmitschau hier nicht eingereiht werden dürfen, erscheint einleuchtend. Wir können nur wünschen.

! daß diese Dinge im Laufe des Jahres keine Wiederholung ! erfahren werden.

Ist die Arbeitstätigkeit wirklich eine solch befriedigende geworden, Wieste nach den vorangegangenen kritischen Jahren nnr erwartet werden konnte, so ist dies um so bedeutsamer, als wir die fehlende Arbeitslosigkeit nicht dem bisher ziem­lich milden Winter, sondern der gehobenen Kaufkraft der Bevölkerung zu danken haben. Schon während der Weih- ^ uachtszeit ist bekannt geworden, daß das Geschäft im All­gemeinen ein besseres war, und wenn der Absatz sich in der Hauptsache auch auf billige Gegenstände beschränkte, so kam doch auch die Solidität wieder zu ihrem Recht. Die Ausfuhr nach dem Auslande erscheint nicht so sehr verändert; was in Deutschland mehr zu tun war, rührt also vornämlich von deutschen Aufträgen her. Viel Geld ist in den kritischen Jahren verloren, noch mehr ist festgelegt worden, aber wir sehen, daß der Kern der deutschen Industrie doch durch und durch gesund war und das Vertrauen zu ihr nicht im ge­ringsten erschüttert worden ist. Von dieser Tatsache haben die deutschen Arbeiter den größten Vorteil gezogen. Ein Umblick und eine Umfrage im Auslande lehren, daß dort bei Weitem nicht überall das gleiche geschah.

Es ist naturgemäß, daß die eingetretene Besserung eine langsame geblieben ist, daß mit der gewachsenen Be­schäftigung, mit der Vermehrung des Absatzes noch nicht eine merkbare Preis-Aufbesserung eingetreten ist. Der Unter- vehmergewiun ist mäßig, selbst gering geblieben, den größten Nutzen von der rührigeren Zeit haben die Arbeiter gehabt. So schnell wird auch kaum ein wirklich lohnender Gewinn eintreten, der Rückschlag war zu groß, viel Kredit wird be­ansprucht, das flüssige Geld ist nicht immer so billig zu haben, wie es gebraucht wird. Auf der anderen Seite be­darf aber ein Gewerbetreibender dringend eines ausreichenden Nutzens, es ist unmöglich, mit einem Verdienst zu arbeiten, der nur ein Lebenvon der Hand in den Mund" gestattet. Dazu bietet unsere Zeit die Möglichkeit von zu viel Zwischen­fällen und eine Betriebsstockung kann sich für den leicht möglich machen, der keine Reserven ins Feld zu führen hat. Es ist bedauerlich, daß gerade das bei den Ausständen so oft verkannt wird. Nur eine leistungsfähige Industrie kann den Arbeitern nützen, nicht eine steche, schwindsüchtige.

Unter dem Rückschlag in der Industrie während der verflossenen Jahre trat der Arbeiter-Mangel in der Land­wirtschaft nicht so schroff hervor, wie oft im vorigen Jahr­zehnt; aber beseitigt ist er bei Weitem nicht überall, trotz­dem gerade auf dem Lande die Löhne erheblich gestiegen find und ein Vergleich mit den Verhältnissen in den acht­ziger, oder gar in den siebziger Jahren überhaupt nicht mehr möglich ist. Es ist zu wünschen, daß die größere Tätigkeit in der Industrie nicht etwa von Neuem ein Miß- Verhältnis schaffe, das für die gewerbliche Tätigkeit selbst nicht heilsam sein würde. Während des Umschlages in der industriellen Konjunktur hat sich gezeigt, wie unerquicklich die Lage beträchtlicher unbeschäftigter Arbeitermassen werden kann, und die Warnungen, welche sich daraus ergeben haben, sollten unbedingt beherzigt werden. Deutschland kann nicht ausschließlich Industriestaat sein und darf es auch nicht werden, dazu sind wir, gerade herausgesagt, nicht reich genug. Wir haben weite Bezirke, die von der Industrie leben, aber größere, deren Existenz von der Landwirtschaft abhängt. Was sollten wohl unsere Tausende von Mittel­und Kleinstädten ohne ein kaufkräftiges Land-Publikum an­fangen?

Deutscher Hteichstag.

* Berlin, 13. Januar. (Interpellation betreffend Maß­nahmen gegen die Wurmkrankheit.) Stütz el (Ztr.) weist den Borwurf zurück, daß seine Partei durch ihre Abstim­mung einen ähnlichen Antrag zn Fall gebracht habe. Man versuche die Wurmkrankheit als Berufskrankheit bezüglich der EntschädigungSpflicht der Arbeitgeber hinzustellen. Das

möchte er nicht zugeben. Hue (Soz.) meint, regierungs­seitig sei das Uebel viel zn lange vernachlässigt worden, trotzdem die Bergarbeiterzeitung schon im Jahre 1898 ener­gisch darauf hingewiesen hatte. Die Untersuchungen durch die Aerzte seien ungenügend durchgeführt worden. Das gegenwärtige System würde die Krankheit nicht auSrotten; die Bergleitungen sorgen nicht genügend für die Arbeiter. Es sei notwendig, eine genügende Anzahl Aerzte zur Er­kennung der Wurmkrankheit auSzubilden. Auch die Ver­kürzung der Arbeitszeit sei notwendig. Handelsminister Möller führt aus, der Vorredner habe verschiedene Be­schwerden vorgebracht, die mit der Sache nur in einem losen Zusammenhang stehen. Daß der Vorredner bestreite, eine Abnahme der Krankheit sei eingetreten, verstehe er nicht. In 7 bis 8 Monaten seien von 17120 Wurm- kranken durch AbtreibungSkur 60 Prozent wurmfrei gewor­den. Kein anderes Land der Welt sei auch nur annähernd so stark vorgegangen wie Deutschland. Von England, Bel­gien und Oesterreich liege» durchaus anerkennende offizielle Auslassungen über die von uns ergriffenen Maßnahmen vor. Nach der amtlichen Statistik sei überhaupt noch kein Arbeiter an der Wurmkrankheit gestorben. Geh. Ober­medizinalrat Kirchner betont, daß die Krankheit außer­halb der Bergwerke nicht vorkomme. Die Untersuchung der Arbeiter sei notwendig. Eine Desinfektion in der Grube sei undurchführbar; dazu müßte man Milliardär sein. Wenn die ungeordneten Maßnahmen befolgt würden, werde man die Wurmkrankheit bald ausrotten können. Höffel (D. Rp.) weist die Borwürfe Sachses gegen den ärztlichen Stand als unbegründet zurück. Der Aerztestand habe sich opferwillig in den Dienst der Sache gestellt. Abg. West er­mann (ntl.) dankt Möller für seine Ausführungen. Die Erregung in Bergarbeiterkreiseu sei auf parteipolitische Aus­nützung zurückzuführen. Abg. Mugdan (fr. Vp.) glaubt, die Regierung hätte weit früher gegen die Wurmkrankheit einschreiten müssen und ist mit der Einführung von Arbeiter­kontrolleuren einverstanden. Er hofft von der Besprechung eine Beruhigung unter den Arbeitern. Abg. Becker nimmt den ärztlichen Stand gegen die Uebertreibungen und Vor­würfe der Sozialdemokraten in Schutz. Nach weiteren Be­merkungen wird die Besprechung geschloffen.

* Berlin, 14. Januar, Präsident Graf Ballestrem eröffnet die Sitzung um 1 Uhr 20. Der Antrag wegen Einstellung des Strafverfahrens gegen den Abg. Thiele (Soz.) wird debattelos angenommen. Nach Erledigung von Rechnungssachen begründet Becker(H. D. R.) seine Inter­pellation, betreffend die obligatorische Alters- und Invaliden­versicherung für selbständige Handwerker. Staatssekretär Graf Posadowsky erklärt sich zur Beantwortung der Interpellation bereit. Becker führt aus, die Regierung und die bürgerlichen Parteien haben die Pflicht, dafür zu sorgen, daß die Zukunft des Handwerkerstandes sicher ge­stellt wird durch den Ausbau der Gesetzgebung. Insbe­sondere müssen sie gegen die Invalidität sicher gestellt wer­den. Er sei überzeugt, daß ein Juvaliditätsgesetz für die Hand­werker ebenso günstig wirken würde wie das für die Ar­beiter. Staatssekretär Graf Posadowsky erklärt, der Vorredner gehe zu weit. Er fragt, ob der Staat die Ver­antwortung übernehmen solle für alle Zukunft auch der selbständigen Existenzen. Wenn die Handwerker Anspruch auf eine obligatorische Invalidenversicherung erheben dür­fen, werde man sie den Bauern, den Künstlern und Ge­lehrten, überhaupt allen Staatsbürgern, deren Einkommen eine gewisse Höhe nicht übersteigt, nicht verweigern können. Man könne das Versicherungsprinzip auch übertreiben zum Schaden der Nation. Die Regierungen hätten sich ernst­haft mit der bevorstehenden Versicherung der Witwen und Waisen beschäftigt. Selbst wenn man sie auf eine noch so schmale Grundlage stelle, werde es unmöglich sein, aus­zukommen ohne Beiträge der Arbeitgeber und Arbeit­nehmer. Man würde nur solche Witwen unterstützen, die selbst bedürftig und invalid find. Das sei das nächste Ziel. Die Regierungen werden die Interpellation prüfen, könnten aber heute sich nicht nach irgend einer Richtung binden. Trimborn (Ztr.) legt dar, unter den Handwerkern selbst herrsche über die angeschnittene Frage weder Einigkeit noch Klarheit; darum könne das Haus der Materie nicht näher treten. Molkenbuhr (Soz.) führt aus, die Interpellation sei nichts Neues und habe schon im Jahre 1889 unter den sozialistischen Anträgen gestanden. Wünschenswert sei, daß alles, was auf der Grenze des Arbeiterstandes stehe, in die Versicherung einbezogen werde. Auch die obligatorische Krankenversicherung für die Handwerker müsse eingeführt werden. Böckler (Ref.) hält die Einwände gegen die Absichten der Interpellation für unbedenklich. So gut wie einen Schulzwang und Impfzwang könne es

auch einen Berstcherungszwang geben. Pachnike (Fr. Bgg.) spricht sich für eine sorgfältige Erwägung der Frage aus, die eine neue sei. Man könne auch heute noch nicht von einem allgemeinen Wunsch der Handwerker spreche». Holtz (Rp.) tritt für die obligatorische Jnvaliden-Ber- sicherung ein. v. Schele-Wunstorf (D. Hann.) meint, viel richtiger für das Handwerk sei der Befähigungsnach­weis, nicht nur für die Bauhandwerker, ferner die Erlang­ung von Jnnuugsvermögeu. Pauli-Potsdam (kons.) giebt zu, daß die Handwerker über dir Frage einer obli­gatorischen Invalidenversicherung noch nicht einig seien. Die Handwerker verstehen nicht, daß sie durch die sozial­politischen Gesetze zu erheblichen Beitragsleistungen ver­pflichtet find, ohne persönlich den geringsten Vorteil zu haben. Man sollte die Bevölkerungsklassen mit Millionen­vermögen und Jahreseinkommen von über 100 000 Mark stärker zu den Kosten der staatlichen Versicherung heranziehen. Bebel (soz.) führt aus: Nur der wissenschaftlichen, parla­mentarischen und agitatorischen Tätigkeit der Sozialdemokratie sei es zu danken, daß iu den letzten 20 Jahren auf sozial­politischem Gebiet etwas geschehen sei. Deshalb stimmten auch zahlreiche Handwerker für die Sozialdemokratie. Die bürgerlichen Parteien seien zu lau in sozialpolitischer Hin­sicht. Auf den Regierungsbäuken herrsche meist viel mehr sozialpolitisches Verständnis als bei der Reichstagsmehrheit. Bachem (Ztr.) tritt den Ausführungen Bebels entgegen. Darauf wird die Diskussion geschlossen. Morgen Fortsetzung der Beratung der Interpellation.

LandesnachrichLen.

* Aktensteig, 15. Jan. Der Gewerbeverein hielt gestern abend eine öffentliche Ausschußsitzung imSchiff" ab zur Beratung des jährlichen Berichts über den Geschäftsgang im Jahr 1903. Leider waren nur wenige Gewerbetreibende erschienen. Aus der Umfrage ging hervor, daß der Ge­schäftsgang hier keinen Aufschwung, aber auch keinen Rück­gang aufweist, daß er sich also in gewohnter Bahn bewegte. Voll beschäftigt waren die Bauhandwerker infolge der Häuser- hebuugen und verschiedener Neubauten, doch soll der Verdienst für den Arbeitgeber ein mäßiger sein, weil die Arbeitslöhne sich ungewöhnlich hoch gestalteten. Von den Gerbern hörte man die alte Klage über unlohnenden Betrieb. Der hohe Preis der Rohware stehe nicht im Einklang mit dem Preis der fertigen Ware, man habe deshalb Wohl Arbeit und Ab­satz, aber keinen Nutzen. Im allgemeinen wurde über ver­mehrte Konkurrenz und ganz minimalen Verdienst geklagt. Schließlich wurde auch betont, daß die Bestimmungen des neuen Gewerbegesetzes manchmal recht drückende seien. Der Gesetzgeber wollte doch die Fabrikbetriebe treffen, welche es an der nötigen Humanität ihren Arbeitern gegenüber fehlen ließen, jetzt wird aber sozusagen alles über einen Leist ge­spannt, in Stadt und Land, in Groß- oder Kleinbetrieb. Die Beschwerden hierüber sind häufig wirklich nicht unbe­gründet. Vielleicht stellt sich bald die Notwendigkeit eines Arbeitgeberschutzgesetzes heraus?

* Stuttgart, 14. Jan. Bor zahlreichem Auditorium hielt auf Einladung des württ. Landesverbands des Deut­schen Flotten Vereins der frühere langjähr. Gouverneur von Deutsch-Ostafrika Generallt. z. D. v. Liebert einen mit leb­haftem Beifall aufgenommeuen Bortrag überDeutschlands Rüstung zur See". Dem Vortrag wohnte auch der König an, außerdem die Minister v. Soden und v. Weizsäcker und zahlreiche höhere Offiziere. Nach einer kurzen Begrüßungs­ansprache des Generals v. Pfister führte der Redner aus, wie gering die deutsche Seemacht bis zur nationalen Einig­ung gewesen sei, wie unmittelbar darnach der Drang der Deutschen nach dem Meer sich elementar betätigt habe und wie die deutsche Handelsmarine nach der englischen bald die erste geworden sei. Anfangs habe unter General Stosch auch die Kriegsmarine einen vielversprechenden Anfang ge­macht, indessen sei später eine gewisse Depression eingetreten, die aber unter dem jetzigen Kaiser wieder gewichen sei. Unter der Herrschaft des Schutzzollsystems sei die Industrie er­starkt, der Handel gewachsen, Kolonialbesitz erworben wor­den, mit einem Worte, Deutschland sei eine Weltmacht ge­worden. Indes habe die Erfahrung der letzten Jahrzehnte bewiesen, daß die Behauptung,Welthandel bedeute den Weltkrieg", nicht richtig sei; doch werden künftige Kriege nur noch aus weltwirtschaftlichen Fragen herauswachsen. An der Hand einiger Zahlen unserer Handelsbilanz wies daun Redner nach, daß der deutsche Handel Schutz brauche und daß Deutschland gegen die Gefahren einer Blockade, namentlich gegen den Mangel an Lebensmitteln geschützt werden müsse. Ferner zwinge uns die Entwicklung unserer Industrie und die stets wachsende Bevölkerungszunahme