Jernsprecher Ar. 11.
Erscheint Dienstag Donnerst., Samstag und Sonntag mit der wöch. Beilage „Der Sonntags- Gast«.
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Dienstag, 12. Januar
Bekanntmachungen aller Art finden die erfolgreichste Verbreitung.
Verwendbare Beiträge werden dankbar angenommen.
1904 .
Amtliche«
Uebertragen wurde die dritte Schulstelle in Laichingcn, Bez. Münsingen, dem Schullehrer Konz in Wörnersberg; die Schulstelle in Langenbrand, Bez. Höfen (Neuenbürg), dem Unterlehrer Karl Bäuerle in Neuenbürg; die Schulstelle in Schönmünz, Bez. Freudenstadt, dem Schullehrer Stengel in Dürrwangen, Bez. Truchtelfingen (Balingen).
^ Der Reichstag.
(Nachdruck verboten.)
Heute Dienstag tritt der Reichstag wieder zusammen. Da der kurze Sessions-Abschnitt vor Weihnachten nur eine Art allgemeinen Bekanntsein-Werdens war, beginnt jetzt erst die rechte Arbeitszeit. Der diesjährigen Session ist nicht allzuviel Arbeitslast auferlegt, wenigstens von Seiten der Reichsregierung nickt. Die Abgeordneten haben es mit sich selbst allerdings weniger milde gemeint, beträgt doch die Zahl der aus ihrer Mitte dem Hause unterbreiteten Anträge schon an dir Hundert! Auf welche Fülle von langen und längeren Reden wiese das hin, wenn nicht zum Glück so etwa drei Viertel aller Anträge in jeder Session unerledigt blieben? Freilich sind die unerledigt gebliebenen Anregungen aus dem Hause oft gerade die besten, die, welche einen wirklich praktischen Kern haben, während über die Tendenz- und Agitations-Anträge stundenlang gesprochen wird uud am Ende doch Alles beim Alten bleibt. Die Zahl der Regierungsvorlagen ist, wie gesagt, nicht hervorragend groß, und wenn keine neuen Handelsverträge das Arbeits-Pensum bis Ostern anschwellen machen, so könnte die ganze Reichstags-Tätigkeit bis dahin beendet sein, vorausgesetzt natürlich, daß bei der Beratung des Reichs- Haushalts eine gewisse Mäßigung im Reden beobachtet wird. Im vorigen Jahre gingen die Dauer-Reden, wie erinnerlich sein wird, bis zu einem Grade, daß auch einem sitzfesten Parlamentarier schwack zu Mute wurde, und. der Sitzungssaal der deutschen Volks-Vertretung gewaltige Lücken aufwies. Das Recht auf Hoffnung, daß es diesmal anders werden möchte, besitzt Jeder, aber mit der Erfüllung dürfte es, wie immer hapern.
Der ersten Sensations-Debatte, die es im Reichstage gegeben haben würde, nämlich über eine angebliche Neu- Uniformierung der deutschen Reichsarmee, ist bereits durch eine amtliche Erklärung vorgebeugt worden, eine solche Neu-Uniformiernng giebt es nicht. Es ist gut, daß diese Nachricht gekommen ist, denn über deutsche Uniformfragen ist bald soviel disputiert worden, wie über die Möglichkeit oder Nichtmöglichkeit eines russisch-japanischen Krieges. Gewiß läßt sich Manches über Uniformierungs-Unkosten sagen, aber erst muß es doch so weit sein! Eine neue Vorlage über die Friedensstärke der Armee wird der Reichstag bekanntermaßen erst 1905 erhalten und auch die wird mäßige natürliche Grenzen nicht verlassen. Es liegt aber doch noch manches wichtige Tema auf militärischem Gebiete vor, das einer gründlichen Durchsprechung bedarf, uud die Militärverwaltung wird um so bereitwilliger darauf ein- gehen, als sie damit hoffen darf, bestehenden Voreingenommenheiten die Spitze abzubrechen. Militär-Sensationen aufzubringcn, ist leicht; ste stets zu begründen, aber nicht.
lieber den jetzt bekannt gewordenen Gesetzentwurf betreffend die kaufmännischen Schiedsgerichte und andere Vorlage« steht der Vorschlag des neuen Reichsschatzsekretärs Freiherrn von Stengel über die Finanzreform im Reiche, oder richtiger, den Anfang zu einer solchen. Denn das letzte Wort in dieser Sache wird sich erst dann spreche» lassen, wenn der vollständige Abschluß der neuen Handelsverträge erkennen läßt, welche Summen dieselben für die Reichskasse ergeben. Vielleicht wird's erheblich besser, als man heute annimwt; vielleicht wird's weniger, als man hofft; die Tatsachen können erst ergeben, was zu tun ist. Abzuweisen ist die Forderung eines finanziellen Ausgleiches zwischen dem deutschen Reiche und seinen Gliedern nicht; io den Landtagen der deutschen Bundesstaaten bildet die unsichere Finanzlage im Reiche bereits eine Fessel, die manche notwendige Ausgabe verhindert, da immer gefürchtet werden muß, daß ein hinkender Bote infolge neuer Reichs-Ansprüche Nachkomme. Die Reichstagsherren werden viel reden, das ist gewiß. Aber sie sollten nicht vergessen, daß der Umfang der Reden von der Bedeutsamkeit der Leistungen übertroffen werden muß.
Tagespolitik.
Die „Nordd. Mg. Ztg." schreibt: Die Oeffentlichkeit wurde durch Angaben beunruhigt, welche die „Köln. Ztg.« unter Berufung auf militärische Kreise über Uniform- änderangen, und zwar über die Einführung einer neuen Grundfarbe für die Waffenröcke, Ersatz der Feldbinde durch Ueberschnallkoppel, Anbringung von Abzeichen des
> Dienstgrades auf den Aermeln, Vertauschung der grauen Litewka durch graugrüne, machte. Wir stellen fest, daß hier eine gröbliche Mystifikation vorliegt. Die Angaben sind in allen Einzelheiten erfunden. Es ist bedauerlich, daß ein ernstes Blatt solche falsche Gerüchte über angebliche Entschließungen der höchsten Stelle ohne genaue Prüfung ausgenommen hat.
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(Die Vergewaltigung Finnlands.) Ein kaiserliches Reskript an den Generalgonverneur von Finnland befiehlt, die im Staats- und Kommun aldienst stehenden Finnländer, welche sich 1903 der Leistung ihrer Wehrpflicht im dritten finnischen Schützenbataillon entzogen haben, zu verabschieden und denselben während 5 Jahre» keine Auslandspässe zu erteilen; ferner bei dem Gesuch um Befreiung von Geldstrafen, sowie bei Erteilung von Darleben und Unterstützungen aus Staatsmitteln an einzelne Personen den Grad ihrer Teilnahme an der Opposition gegen die Einberufung io Betracht zu ziehen, sowie Zöglinge höherer Lehranstalten, welche sich ohne ernste Gründe nicht gestellt haben, bis zn einem Jahr aus der Anstalt zu entferne». Außerdem wird dem Generalgouverneur anheim gegeben, Finnländer, welche sich der Militärpflicht entzogen haben, als Ersatz für Personen in Dienst zu nehmen, welche der Einberufung gefolgt sind, oder sie der Landwehr zuznteilen. Der Generalgouverneur beantragte, die Bevölkerung davon in Kenntnis zu setzen, daß Finnländer, welche im Jahre 1904 der Einberufung nicht Folge leisten, der Einreihung in die außerhalb Finnlands stehenden Truppen unterliegen.
Landesnach richten.
^ * Akteusteig, 11. Jan. Frost und Tauwetter, volle
! Taschen und leere, so Pflegt es im neuen Jabre oft um- sckichtig zu gehen, wenn die Wetterlaunen sich einstellen . resp. die Wintervergnuaungei,,' das Begleichen von Rech- ! nungen und sonstiges die Moneten zu stark in Anspruch ge- j nommen haben. Mit dem Tauwetter verbindet sich als unliebsame Begleiterscheinung nicht selten das Glatteis, und nach den leeren Taschen kommt, zumeist in den Großstädten, wo das Leben besondere Ansprüche stellt, das Versetzen. Aber auch so herrscht Mangel an Geld, wenigstens hat ja, wie mitgeteilt wurde, die Reichsbank anfangen müssen, die gar zu scknell eingezogenen Taler wegen Mangels an größerem Silbergeld in gewisser Menge wieder zur Ausgabe zu bringen. Es ist immernoch ein Trost, wenn Geld wenigstens zu beschaffen ist, aber diese Wintermonate bringen für mittellose, von allerlei Unglück verfolgte Familien noch herbe Sorgen, und die städtischen Finanz- Verwaltungen wissen, daß an den Fonds der Armenkasse gerade im ersten Jahres-Quartal die größten Ansprüche gestellt zu werden pflegen. Zum Jahresbeginn haben in den Gesckäfren meist die Inventuren stattqefunden, der Kehraus des Geschäftslebens, der hinterher für die Hausfrau oft eine billige Einkaufsguelle bietet, eine Gelegenheit für manche Ergänzungen im Haushalt. Zwar ist Weihnachten nicht lange vorbei, aber man weiß ja, Kleinigkeiten werden immer gebraucht. Ernstlich bemühen sich nun die Tage, in kleinen Dosen, aber stet'g, ihre Dauer zu verlängern, und bis Ende dieses Monats, bis zu Lichtmeß, sind wir schon wieder ein ganzes Stück den Berg hinaufgeklettert. Osteru kommt bei Zeiten 1904, und sind erst einmal des neuen JahreS Wochen im Fliegen, dann merken wir ihr Eilen kaum. Somit hat auch der deutsche Reichstag, der am heutigen DienStaa seine Arbeiten nach Abschluß der Weihnachts- und Neujahrsferien wieder aufnimmt, gar nicht allzuviel Zeit; die Herren dürfen nicht allzuviel reden, wenn sie tücktig schaffen wollen.
* M-ivge«, 9. Jan. Ein hiesiger Privatier hatte gegen einen Wirt eine Klage angestrengt auf Abstellung des angeblich durch die Kegelbahn des letzteren allabendlich verursachten Lärms. Vom hiesigen Amtsgericht wurde die Klage, nach der der Wirt abends nur Gummikugeln und mit Gummireifen versehene Kegel benützen sollte, abgewiesen; das Landgericht indessen fällte folgendes Urteil: der Beklagte wird verurteilt, den durch die Kegelbahn verursachten übermäßigen Lärm in der Zeit vom 1. April bis 1. Okt. zu unterlassen bei Vermeidung einer Geldstrafe bis zu 1500 Mk. oder Haft bis zu sechs Monaten. Der Beklagte hat die nicht unbedeutenden Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen zu tragen.
Stuttgart, 7. Januar. Von der Deutschen Friedensgesellschaft ist folgende Resolution gefaßt worden: „Angesichts der drohenden Gefahr, die darin besteht, daß der russisch-japanische Konflikt sich zu einem Krieg zuspitzen könnte, glaubt die Deutsche Friedensgesellschaft ohne den Gegenstand deS Streits einer kritischen Beleuchtung unter
ziehen zu wollen, doch der Ansicht Ausdruck gebe» zu müssen, daß der Zar, der es als seine historische Mission betrachten dürste, dem Gedanken des Völkerfriedens Bahn zu brechen, sein eigenes Werk aufs empfindlichste schädigen würde, wenn er dem in der russischen Kriegspartei vorhandenen Expaustonsgelüste so weit »achgeben würde, daß die dadurch entstehenden Schwierigkeiten einer gewaltsamen Austragung zugcführt würden. Die Deutsche Friedens- gesellschait ist der Meinung, daß der Zar eine Konflagration im äußersten Osten mit allen Mitteln zu vermeiden suche» und den in Rede stehenden Konflikt unverzüglich dem von ihm ins Leben gerufenen Haager Schiedsgericht unterbreiten sollte. Sie begrüßt aber mit Freuden die Schritte, welche das Internationale Friedensbureau in Bern getan hat, um die Regierungen auf die im Haag übernommene Verpflichtung einer Vermittlung bei ausbrechenden Streitigkeiten auf- j merksam zu machen.
* Stuttgart, 7. Jan. Im Laufe des letzten Sommers verkaufte der verheiratete frühere Metzger und Wirt Wilhelm Hums von Heilbronn als angeblicher Provisionsreisender einer auswärtigen Firma an eine größere Anzahl von Personen zu Untertürkheim Spirituskocher und ließ sich in 10 Fällen Anzahlungen von insgesamt 134 Mark geben, verbrauchte aber das Geld für sich, ohne daß die Bestellungen ausgeführt wurden. Außerdem beschwindelte Hums eine Frau um ein Darlehen von 60 Mark. Wege» dieser Betrügereien war er vom Schöffengericht Cannstatt zu 3 Monaten Gefängnis verurteilt worden. Die hiegegen eingelegte Berufung wurde von der Strafkammer verworfen. Wegen ähnlicher Betrügereien ist Hums auch vom Schöffengericht Weinsberg mit 3 Monaten Gefängnis bestraft worden.
* Stuttgart, 8. Ja». Der Verein Süddeutscher Trikotfabrikanten ist hinsichtlich der unausgeführten Garnlieferungen der Krimmitfchauer Spinner infolge des Arbeiterstreiks der Ansicht, daß hierbei nicht höhere Gewalt, sondern der Akt eines freien Willens der Spinner, nämlich Schließung der Fabriken, in Frage komme. Demnach sei mau berechtigt, Lieferung zu verlangen, sofern sich nicht der Spinner aus- Ledungen habe, daß ihn ein Streik von der Lieferungsfrist entbinde.
* Happingen, 8. Jan. In der mechanischen Buntweberei wird vorerst weiter gearbeitet. Die angefangenen und halbfertigen Waren werden jedenfalls noch fertig gestellt. Gestern wurde über das Vermögen der Mechanischen Buntweberei das Konkursverfahren eröffnet, desgleichen über das Privatoermögen des Direktors Bernhard Gutmann beantragt. Bedauert wird vielfach Bankier Leopold Gutmaun mit Familie, der Wohl die Gefährlichkeit der Finanzoperationen seines Bruders nicht kannte. Verschiedene hiesige Bewohner erleiden große Verluste. Wie groß die jeden Tag sich noch vergrößernde Wechselsumme ist, kann noch nicht festgestellt werden. Große Mittel wurden allem nach zur Errichtung und Instandhaltung des Zementwerks Rechtenstein gebraucht. Die Gebrüder Gutmann (eingeschriebener Eigentümer Leopold Gutmann) hatten seinerzeit ihr Zementwerk in Nürtingen um einen hohen Preis an die Gesellschaft in Heidelberg verkauft, mit der Verpflichtung, kein Konkurrenzgeschäft zu errichten. Diese Bestimmung wurde dadurch umgangen, daß nicht Leopold, fondern Bernhard Gutmann das Zementwerk in Rechten- stem errichtete. — Bernhard Gutmann war viele Jahre Gemeinderat, vor drei Jahren Landtagskandidat der Volkspartei und seit vielen Jahren deren Bezirks-Vorstand.
(St.-Anz.)
* (Zum Zusammenbruch in Höppinge«.) Die Festnahme des Bankiers Leopold I. Gutmann wurde infolge der Angaben verfügt, die er bei seiner Konkurserklärung vor Gericht machte. Der Verhaftete war sich über die Höhe seiner Verbindlichkeiten durchaus unklar und schob die Schuld für die vorliegenden großen Wechselreitereien auf seinen Bruder Bernhard Gutmaun, den Direktor der Mechanischen Buntweberei am Stadtbach, der in Gemeinschaft mit dem Bankprokuriftcn Entreß die Finanzoperationen gemacht hat. Im Laufe des Tages wurde» bis spät in die Nackt hinein in deu Wohuungs- und Geschäftsräumen der Beteiligten Untersuchungen zur Feststellung des Tatbestandes vorgenommen, die eine vorläufige Feststellung von Mk. 1 Vg Millionen an Wechselverbiudlichkeiten ergeben haben sollen, womit übrigens etwas Definitives nicht auSgedrückt sein kann, da die Buchungen den vollen Tatbestand nicht klarstellen. Me man hört, soll sogar die überhaupt seit Jahren nicht mehr bestehende Firma Gebrüder Gutmann mit Mark 700,000 zu Gunsten der Bankftrma noch in den Büchern figurieren. Welche Tragweite der Konkurs haben wird, läßt sich noch nicht abseheu.