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Kr. II.
Erscheint Dienstag Donnerst., Samstag und Sonntag mit der wöch. Beklage „Der Sonntags- Gast".
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Ireitag, 8. Januar
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Verwendbare Beiträge werden dankbar angenommen.
1904.
Aus de« Taimen. L7-V'"L-'L
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UmMchcs
Am 8. Januar werden in Grünthal, OL. Freudenstadt und Sprollenhaus, OA. Neuenbürg, Telegraphenanstalten mit Telefonbetrieb dem Verkehr übergeben.
Tagespolitik.
Prinz Ludwig von Bayern, der Thronfolger, schwärmt als Vorstand des bayerischen Kanalbauvereins dafür, die Wasserläufe des Landes zu vertiefen und durch künstliche Kanäle miteinander zu verbinden, damit die Gütersendungen vom Norden, namentlich Kohlen, billig bis in's Innere Bayerns gelangen können. Die Würzburger „N. Bayr. Ldszlg." teilt diese Schwärmerei nicht. Ihr Redakteur Memminger, der bekanntlich einmal zum engeren Kreis der Männer um Bismarck gehört hat, schreibt: „Der Prinz ist ganz falsch beraten. Nicht dafür sollten wir Bayern sorgen, daß die preußische und böhmische Kohle unser Land überschwemmt, sondern wir sollten sehen, daß wir überhaupt diese Kohle gar nicht brauchen. Die Kanäle rc. kommen zu teuer zu stehen. Wenn wir einmal einige hundert Millionen ausgeben, um unsere Wasserkräfte im Lande nutzbar zu machen, dann müssen wir diese für den elektrischen Betrieb entrichten. Hiezu können wir dauernd einen großen Test der Gefangenen und zeitweise die Pionier- und Eisen- bahnbataillone verwenden, wie es auch in anderen Ländern geschieht. Der Kaiser sucht durch eine allgemeine Verwendung des im Lande erzeugten Spiritus das ausländische Petroleum entbehrlich zu machen und hierdurch jährlich viele Millionen, die jetzt ins Ausland gehen, der deutschen Produktion zu erhalten. In Bayern haben wir die Wasserkräfte, durch deren richtige Verwendung wir jährlich mindestens 25 Millionen gewinnen können, die jetzt für Kohlen
außer Landes gehen.'
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Nach dem preußischen Rechte ist ein Kind mit dem vollendeten 14. Lebensjahr religionsmündig. Bon da an gilt seine religiöse Erziehung als abgeschlossen, und es steht ihm die freie Wahl des Bekenntnisses zu. Die Tochter eines evangelischen Vaters war im evangelischen Glauben erzogen worden, die katholische Mutter aber hatte der Tochter nach vollendetem 14. Lebensjahre die Kommunion nach katholischer Art geben lassen. Als der Vater davon erfuhr, wollte er die Tochter in das Haus eines evangelischen Pfarrers bringen. Tochter und Mutter widersetzten sich, es kam sogar zu gerichtlichem Wege und das Gericht entschied, daß der Vater kein Recht habe, seine Tochter in ihrer neuen Religion so zu beeinflussen, daß er sie in das Haus eines evangelischen Pfarrers gebe. Auf erhobenen Widerspruch entschied das Berliner Kammergericht, die Unterbringung der Tochter bei dem evangelischen Pfarrer sei zulässig, denn dir Wahl eines anderen Glaubensbekenntnisses durch die Tochter sei an sich nicht ohne Einfluß auf den Bestand der elterlichen Gewalt des Vaters; dessen Absicht, das Kind wieder dem evangelischen Glauben zuzuführen, sei kein pflichtwidriger Mißbrauch der elterlichen Rechte. „Es entspreche ohne weiteres der innigen Lebensgemeinschaft der Familie, daß innerhalb ihr auch in politischen und religiösen Dingen eine gewisse Gleichheit der Anschauungen herrsche, und es sei deshalb ganz natürlich, wenn der Vater, als das Haupt der Familie, bestrebt sei, ein Glied, das abweichenden Anschauungen huldige, auch soweit er die Erziehung nicht mehr zu leiten habe, wenigstens für seine Anschauungen zu gewinnen. Das Gesetz könne ihm darin nicht entgegentreten; denn es wolle nicht einem Glauben den Vorzug vor dem andern einräumen, nicht eine politische Meinungvorder anderen privilegieren."
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Zur Frage Fabrik oder Handwerk erklärt die ständige Deputation der Berliner Innungen in ihrem soeben veröffentlichten Geschäftsbericht für 1903: „Nach unserer schon öfter zum Ausdruck gebrachten Meinung find alle Betriebe ohne Rücksicht auf die Anzahl der beschäftigten Leute, den erzielten Umsatz, die Verwendung von Kraftmaschinen, in denen handwerksmäßig ausgebildete Leute beschäftigt werden, handwerksmäßige Betriebe und innnngspflichtig, falls für das betreffende Gewerbe eine Zwangsinnung besteht. . Unverständlich müssen uns die in letzter Zeit ergangenen Entscheidungen bleiben. Nicht die Anzahl der Arbeiter, nicht die Verwendung von Hilfsmaschinen, nicht der erzielte Um- satz sind die Merkmale eines Fabrikbetriebes. Nicht den
Polizeiorganen darf die Entscheidung überlassen werden, was Fabrik- und was Handwerksbetrieb ist, in erster Linie find die beteiligten Kreise die Innungen, die Verbände uud die Handwerkskammer gutachtlich zu hören. In manchen Gewerben ist ein Betrieb mit wenig Angestellten gar nicht mehr existenzfähig. Was wäre heute eine Schneiderwerkstatt ohne Nähmaschine, eine Tischlerwerkstatt, eine Schlosser- uud eine Klempner- oder sonstige Werkstatt ohne Htlfs- maschinen? Die wären garnicht denkbar. Wenn alle diese Betriebe als Fabrikbetriebe gelten sollten, wenn es mit den Entscheidungen so weiter geht, dann bröckelt immer mehr und mehr ab von dem stolzen Jnnu.igsdau. und die Existenz mancher Innung wird auf daS schwerste bedroht. Malerbetriebe sind als Fabrikbetriebe erklärt worden, das wundert sogar Laien. Schließlich kommt es noch dahin, daß Maurermeister, Steinietzmeister u. s. w. auch als Fabrikanten bezeichnet werden. Hierin muß endlich Einhalt geboten
werden, ehe es zu spät ist."
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Ja der französischen Abgeordnetenkammer ist ein Antrag eingebracht worden, der die Heeresdienstzeit auf achtzehn Monate herabsetzt und die Zahl der Unteroffiziere und Soldaten auf 375,000 Mann vermindert. In der Begründung des Antrags heißt es, daß der Verzicht auf 25,000 Mann keine Schwächung des Heeres bedeute, da diese 25,000 Mann gegenwärtig meistens in den Krankenhäusern liegen. Es ergiebt sich daraus, daß Frankreich nicht mehr imstande ist, die gesetzlich vorgeschriedene Zahl
gesunde und brauchbare Soldaten zusammenzubringen.
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(England am Scheidewege.) Unter den Völkern der Erde finden wir einige, die nach einer großen, tatenreichen Geschichte einer mehr und mehr- zunehmenden Stagnation anheimzufallea scheinen. Man braucht nur an die Türken zu erinnern. Was ist die Hauptursache dieser Erscheinung? Daß diese Völker kein genügendes Anpassungsvermögen be- > saßen, veränderten Verhältnissen gebührend Rechnung zu tragen. Sie verstießen so gegen das große Bildungsgesetz, das die organische u. anorganische Welt regiert, ihre Stärke ist zu ihrer Schwäche geworden. Wie steht es nun mit England ? Dieses Land schien nach einer außerordentlichen Blüte langsam abwärts zu gehen. Große Eigenschaften des ganzen Volkes, verbunden mit einer Reihe selten glücklicher Umstände hatten es derart erstarken lassen. In den letzten Jahrzehnten jedoch fingen jüngere Rivalen, besonders die Vereinigten Staaten und Deutschland an. England auf seinem eigensten Felde, in Handel und Industrie, die schärfste Konkurrenz zu machen. Man sprach in diesem Zusammenhänge schon von dem Schicksal der großen Seemächte Karthago uud Benedin. Allerlei Versuche, diesen offenkundigen Rückgang zu erklären, wurden und werden gemacht, auch allerlei Hilfsmittel dagegen vorgeschlagen. So riet der große Sprecher, Lord Rosebery, nicht mit Unrecht zu besserer technischer Erziehung der Nation, zu mehr Arbeit und weaiger Sport. All diese Vorschläge aber krankten daran, daß sie das Uebel nicht an der Wurzel erfaßten und nach seinen Ursachen fors uten. Da hättteu sie nämlich gefunden, daß ein Verstoß gegen das oben erwähnte Bildungsgesetz von der englischen Nation begangen wurde, daß eine ihrer einst wertvollsten Eigenschaften in ihrem Uebermaß sich aus einem Segen zu einem Fluch verwandelt habe. Und sic hätten ferner gefunden, daß nur der einen dauernden Erfolg finden könnte, der nach Stellung der Diagnose es auch unternehme Wandlung zu schaffen, d. h. schlummernde Kräfte zu Wecken und zu entwickeln zum Kampf gegen jene Eigenschaft, die verhängnisvoll zu werden droht. Diese Eigenschaft, so seltsam dies für einen deutschen Leser klingen mag, der meint, England, das Land der „Freiheit", sei die Hochburg des Demokratismus, ist der Engländer extremer Konservatismus. Keine Aenderung nach irgend welcher Richtung so lange als immer möglich, das ist der Hauptgrundsatz des öffentlichen Lebens hier. Dieser Konservatismus schließt die besten englischen Eigenschaften in sich; zäh ausbaltende Energie und Festigkeit des Charakters; seine Rückseite jedoch ist eben die schwere Beweglichkeit im Denken und Handeln. Dieser Mangel mußte um so gefährlicher werden in einer Zeit wie der unsrigen voll der schärfsten Konkurrenz zahlreicher Völker, begabt mit der verschiedenartigsten Fähigkeit. Die Frage ist nun : wird das englische Volk genug Anpassungsvermögen besitzen, diesen neuen Verhältnissen Rechnung zu tragen, oder wird der Fremdzug seines Charakters dahin führen, daß es seine hervorragende Stellung im Kreise der Völker einbüßt. Man kann nach Art der Witzblätter leicht über Cdamberlain und manche seiner Eigenschaften spotten, man
Das nächste Matt erscheint am Samstag nachmittag.
kann über ihn, den Nichtstudierten, die Achseln zucken, aber daß diesem Manne und seiner treulichen Botschaft an die Arbeiter: „Mehr Beschäftigung!" der größte Teil der englischen Nation zujubelt, daß die größten Hallen der größten Städte Englands zu klein sind, alle Zuhörer zu fassen, daß letztere bei seinem Erscheinen in hier bisher nie gekannte Begeisterung ausbrechen, daß ihm Fackelzüge von Studenten und Arbeitern gebracht werden, all das läßt nur eine Erklärung zu, und diese ist: daß er die Not des englischen Volkes, das augenblickliche Bedürfnis Englands erkannt und den Mut besessen hat, es offen auszusprechen, und daß sein Volk in ihm den starken Mann erblickt, hier Wandlung zu schaffen. Mit einem Volke, daS trotz seiner Eigenliebe und seines großen Selbstbewußtseins zum ersteu Male seine Schwäche erkennend, bereit ist, dem neuen Führer auf neue Bahnen zu folgen, mit einem solchen Volke hinter sich steht Chamberlain zum Kampf bereit einer ganzen Welt gegenüber.
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Englands Einmarsch in Tibet geht ohne Stocken vor sich; 800 englische Soldaten mit 4 Geschützen find in Phrri eingetroffen, einem befestigten Orte, nicht weit von Lhasa entfernt; die Tibetaner haben Pheri aufgegeben, ohne mit den Engländern zu kämpfen. Die Besitznahme von Tibet durch die Engländer scheint sich also ohne Kampf zu vollziehen. Die Russen sind anderweit beschäftigt und viel zu wenig vorbereitet, als daß sie Hindernisse bereiten könnten. Auch in Persien stößt England jetzt energisch vor. Es wird gemeldet, daß England in Tuerbet-Haidari ei» Konsulat eröffnen wolle, obgleich in Tuerbet keine englischen Untertanen leben sollen. Tuerbet-Haibari ist aber ein wichtiger Platz von politischer Bedeutung in Südpersten, und in Südversien möchte England den russischen Einfluß verdrängen.
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Nicht umsonst wehrt sich Japan gegen Rußland um die Oberherrschaft über Korea. Japan hat in aller Stille gewaltige Summen in dem vor seiner Küste liegenden Korea angelegt; es hat eine große Zahl Laudeskinder hinübergesandt, die sich dort angestedelt haben und sich als die Herren fühlen; auf Schritt und Tritt fi»det man in Korea japanischen Einfluß. Dampferlinien, Eisenbahnen, kommerzielle Einrichtungen, religiöse Propaganda — alles das hat Geld gekostet, viel Geld, japanisches Geld I — Die größten Fortschritte im japanischen Sinne hat die koreanische Hafenstadt Fusan gemacht. Die koreanische Stadt ist gänzlich verschwunden; man sieht nur neugebaute japanische Häuser; eine für Korea unerhörte Sauberkeit herrscht, eine Eisenbahn nach der koreanischen Hauptstadt Söul ist im Bau begriffen, und Hafenanlagen find im Werk; schöne breite Straßen durchschneiden die Stadt — alles das Werk der Japaner! Ebenso ist es in Tschemulpo, das nahe bei Söul liegt und als dessen Hafenstadt gilt. Die früher hier vorherrschenden Chinesen find ganz von den Japanern überflügelt worden. Eine Eisenbahn fährt von hier nach Söul; sie gehörte einst Amerikanern, aber die Japaner haben sie den Amerikanern abgekauft; sie soll mit der Fusanlinie verbunden werden und Anschluß an die sibirisch-mandschurische Bahn bekommen. Die Bahn wird sehr gelobt; ein europäischer Reisender sagt, daß ihre dritte Klasse besser eingerichtet sei, als in Japan die erste. Ein besserer Hafen als Tschemulpo ist da- gleichfalls an der Westküste gelegene Tschwnampo. Der Hafen wurde erst kürzlich dem Verkehr eröffnet, und schon geht eine regelmäßige japanische Dampferlinie von Kobe aus dorthin und dann hinüber nach Tsingtau. Bon den Fremden, die sich dort niedergelassen haben, kommen nur 700 Japaner inbetracht. Schließlich kommt noch inbetracht, daß die Japaner den in Korea sehr darniederliegenden Buddhismus durch zahlreiche Seudliage wieder in die Höhe zu bringen wußten und eine Reihe buddhistischer Klöster errichteten.
Landesnachrichten.
* Akteusteig, 7. Januar. Auch am diesma'igen Er- scheinungsfrst machte der Liederkranz einen Ausflug und zwar diesmal nach Berneck. Zunächst wurde i« „Löwen" «nd dann im „Waldhorn" Eiukehr gehalten uvd kam hiebei die Sangeslust voll und ganz zur Geltung. Die anwesenden Gäste waren von den Gesä-gen sichtlich erfreut und spendeten vielen Beifall. Der Nachmittag verlief in gehobenster Stimmung und zur besten Zufriedenheit der vollzählig erschienenen aktiven Säuger.
* Akteukeig. 7. Jan. Wie bekannt hat vor etlichen Wochen Karl Pfeifle zur Blume in einem Anfall von Wahnsinn Hand an sein 9jährigeS Töchterchen gelegt, und dasselbe am Handgelenk schwer verletzt. Daraufhin wurde