Vetviids» Ar. 11.
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Samstag, 21. Juni.
Bekanntmachungen «üler Art finde« die erfolg. I agNÄ reichst« Verbreitung. Z-VV«.
Telegramm.
* Sibhllerrort, 20. Juni König Albert von Sachsen ist gestern abend «m 8.05 Uhr sanft nnd ruhig entschlafen.
^ Die falsche Rechnrrirs.
Wer die thatsächlichen Verluste, die der deutsche Nationalwohlstand in dem bösen Umschwungs-Jahr erlitten, nur einigermaßen richtig gekannt und gewürdigt hat, hat von jeher über die Ankündigungen gelächelt, daß mit dem Schluß des südafrikanischen Krieges ein neuer allgemeiner Aufschwung eintreten werde. Zu einem erneuten flotten Unternehmungsgeist gehört Geld. Geld haben wir im deutschen Vaterlande noch genug, aber die Zahl derjenigen, welche bereit sind, es ohne unbedingt sichere, doppelte und dreifache Garantien auf den Tisch zu legen, ist sehr klein geworden. Die großen Finanz-Etabusstmems sehen sich vor; das haben sie von je gethau, und niemand kann es ihnen verdenken. Höchstens kann man darüber seine eigene Ansichten haben, daß diese Firmen sich ein besonderes Verdienst um Deutschlands wirtschaftliches Leben beimaßen; denn der wahre Groß-Bankier in Deutschland ist und bleibt, wie wir das immer betont haben und nachdrücklich betonen müssen, das große Publikum. Dessen Bescheidenheit ist gegenüber der hohen Finanz riesengroß gewesen, aber zum Glück ist seine Geduld zu Ende gegangen. Weshalb steht es an den Börsen traurig? Weil das Publikum sein Geld in den Taschen behält. Wem noch nicht die rechte Bedeutung eines gesicherten Nationalwohlstandes klar geworden ist, dem ist nicht zu helfen. Weil die Dinge so stehen, weil das Publikum sagt: Wartet auf unser Geld, bis Ihr schwarz werdet, und dann bekommt Ihr es noch nicht!, ist gar nicht daran zu denken, daß eine Wirkliche, durchgreifende Neubeteiligung des Privatkapitals an allgemeinen Börsenuntcrnehmungen stattfindet, bevor nicht gesetzliche Sicherheiten gegeben werden, daß die Geldmanscherei aufhört. Das Vertrauen ist zum Kuckuck, und es wird bei den Allermeisten nicht früher wiederkommen, ehe nicht die gesetzlichen Bestimmungen über Aufsichtsrats- und anderes Wesen gehörig verschärft sind. Das Zureden in Börsen-Organen an das Publikum hilft nichts, absolut nichts. Und es wird auch in den nächsten Jahren nichts helfen. Der Wirkliche Allergeheimste Kommerzienrat, das Publikum, hat ein Haar in der Börsen-Suppe gesunden, er überläßt es Anderen, die Haut zu Markt zu tragen. Sonst wäre schließlich doch ein Teil wieder auf den Leim gegangen. Aber es will nicht! Und darum war auch die Rechnung mit dem südafrikanischen Friedensschluß ein Trugschluß. Zudem konnte sich selbst ein Mann, der nicht National- Oekonomie studiert hat, sagen: Wenn es in Süd-Afrika wirklich etwas zu verdienen giebt, werden die Engländer, die soviel Geld hineingepulvert haben, doch die Ersten sein, die sich daran halten. Wenn man auch sonst über englisches Recht und Unrecht denken mag, was man will, das Recht haben sie, nach dem Friedensschluß zuerst an sich zu denken.
Uns kann bei dem außerordentlich tiefen Mißtrauen des deutschen Volkes gegen alle Gründungen, Spekulationen und verwandte Dinge kein Heil vom Ausland, wenigstens nicht von diesem allein, kommen, es muß bei uns erst anders werden. Vor allem wird eins bei uns viel zu wenig beachtet: Es liegt viel zu viel Geld fest, es ist viel zu viel der Etat für die Lebenshaltung ein ganz, ganz anderer geworden, als daß noch so außerordentlich viel flüssiges Kapital, zu jeder Stunde flüssiges Kapital vorhanden wäre. Die Rechnung, welche in dieser Beziehung über den Finanzstand der deutschen Nation gemacht ist, stimmt nicht: die neue Zeit hat sehr angenehme Neuerungen im allgemeinen Volksleben gebracht, Eleganz, Liebenswürdigkeit, Schneid, alles das soll nicht bestritten werden und es sind in Wahrheit hohe und glänzende Aktiven in dem mitunter vielleicht etwas einförmig gewordenen deutschen Wesen, aber die Passiven, die erhöhten Aufwendungen, sind nicht klein. Es ist, leider Gottes, nicht zu verkennen, daß sehr viel theoretisch studiert, aber zu wenig praktisch erprobt ist. Und nun die Rückwirkung des Aufschwung-Umschwunges! Daß darüber ein Geheimrat und Minister sehr gut reden können, das ist unbestreitbar, daß aber ein Geschäftsmann und Familienvater die Unkosten dieser Glanzperiode genauer zu berechnen weiß, stimmt ebenso. Steuern zahlt kein Mensch gern, aber jeder vernünftige Mensch sagt: Es geht nicht ohnedem ! Aber jeder vernünftige Mensch meint auch, ob die vor zehn oder zwölf Jahren festgestellten Steuersätze unter den heutigen modernen Verhältnissen allen Ernstes aufrecht erhalten werden können? Sie können es höchstens in der Theorie, nicht in der Praxis. Vom grünen Tisch ist die Beurteilung
und die rauhe Wirklichkeit der Lage derer, für welche sie bestimmt sind, die passen nicht mehr. Wir wünschten von Herzen, es möchte anders werden; aber dazu gehören Thaten, welche das Vertrauen stärken. Worte allein thun es wahrlich nicht. Gebranntes Kind scheut das Feuer!
Tagespolitik.
Zur Beseitigung der Gerichtsferien hat die Vereinigung von Handelskammern des niederrheinisch-westfälischen Jn- dustriebezirks eine Eingabe an den Reichskanzler gerichtet. Die Einrichtung der Gerichtsferien lasse sich mit einer geordneten, unverzögerten Rechtspflege nicht in Einklang bringen und sei bei dem Verkehrs- und Wirtschaftsleben der Gegenwart nicht mehr zu rechtfertigen. Die Eingabe führt dabei aus, daß es auch für die Justizbeamten selbst, ebenso für Rechtsanwälte u. s. w. praktischer ist, wenn die Beurlaubungen nicht auf nur 2 Monate zusammengedrängt werden.
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Die Revanche-Idee der Franzosen gegen Deutschland hatte vor einigen Tagen der sozialistische Abgeordnete Jaures zum Gegenstand prinzipieller Ausführungen gemacht. Er tadelt zunächst, daß man diesen Gedanken im Geheimen hege, aber niemals davon spreche. Das sei ein der französischen Nation unwürdiger Zustand. Des weiteren meinte Jaures, die Anwesenheit Frankreichs auf der Haager Friedenskonferenz uud der von seinem Vertreter, dem jetzigen Präsidenten der Kammer Bourgeois gestellte Antrag, daß eine Beschränkung der Militärlasten sehr wünschenswert sei, seien zwecklos gewesen, wenn die Revanche-Idee fortlebe. Zuerst hätten viele Franzosen von dem russisch-französischen Bündnis erwartet, daß es ein Mittel zur Wiedervergeltung sein würde. Thatsächlich habe dieses Bündnis dazu geführt, daß Frankreich mehr denn je gezwungen sei, Frieden mit Deutschland zu halten — im Interesse Rußlands. Als im weiteren Verlauf seiner Rede über die Notwendigkeit des Friedens Jaures den anderen Parteien es als einen Fehler vorhielt, den Sozialisten „den Gewinn des Mutes und der Aufrichtigkeit in dieser Frage" zu überlassen, wies der Vorsitzende Bourgeois dies zurück und knüpfte daran eine allgemeine Bemerkung, in der es u. A. heißt, die Abgeordneten müßten bei aller Freiheit der Diskussion doch immerhin sich derart verhalten, daß niemals eines der „tiefen und heiligen Gefühle" durch die Erörterungen getroffen werde. Der Nationalist Lasies meinte: „Was auch die Lasten sein mögen, welche die Nation tragen muß, es giebt eine Sache, die wir nicht wollen, das ist, der Nation aufzuerlegen, Erinnerungen zu vergessen, die sie bewahren muß in ihrem Geist und in ihrem Herzen." Die Verhandlung zeigt, daß die Revanche-Idee in Frankreich noch nicht aufgegeben ist. Immerhin aber ist sie bereits abgestaut, wozu nicht wenig, wie Jaures richtig bemerkte, das russisch-französische Bündnis keigctragen hat.
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In Spanien ist es bereits zu einer Spannung zwischen dem jungen König und General Weyler gekommen. Der König hatte gleich nach seiner Thronbesteigung gerade dem Kriegsminister Weyler gegenüber Zeichen von demonstrativ gesuchter Unabhängigkeit gezeigt, die diesen um so mehr verdrossen, als der junge König natürlich nicht aus eigenster Eingebung und Initiative gehandelt, sondern nach Weylers Meinung und auch der anderer Leute von Feinden des Generals in der Umgebung des jungen Königs aufgestachelt war. Letztere sollen nun entfernt werden, aber dieser Anfang wird nicht ohne ernste Besorgnis von denen betrachtet, die den Einfluß kennen, den Jntriguen am Hose von Madrid stets gespielt haben, besonders wenn, wie jetzt wieder, weiter Spielraum für sie vorhanden. Sagasta lehnte diesmal jede Vermittlung ab. Dem Eingreifen der Königin-Mutter gelang es schließlich, den Konflikt beizulegen.
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Kamm er der Abgeordneten.
* Stattgart, 17. Juni. (110. Sitzung.) Die Abänderung des Umsatzsteuergesetzes beschäftigte die heutige Sitzung. Es handelte sich darum, die Steuerfreiheit, die nach dem Gesetz vom 28. Dezember 1899 nur für die Abkömmlinge gilt, nun auch auf die überlebenden Ehegatten auszudehnen. Die Regierungsvorlage will diese Ausdehnung nur in beschränktem Maße vornehmen. Steuerfrei sollen nämlich die Erwerbungen des überlebenden Ehegatten nur bleiben, einmal aus der Erbgemeinschaft und sodann aus der fortgesetzten Gütergemeinschaft, wenn die Teilhaber der Gemeinschaft entweder Abkömmlinge des verstorbenen Ehe
gatten oder Personen sind, an deren Anteilen dem überlebenden Ehegatten das lebenslängliche Nutznießungsrecht zusteht. Die Steuerfreiheit wird also ausgeschlossen, wenn einseitige Abkömmlinge des überlebenden Ehegatten beteiligt sind, sowie in Fällen, wo nicht Abkömmlinge Miterben sind. Diese letztere Ausnahme erleidet dadurch wieder eine neue Ausnahme, daß Steuerfreiheit gewährt wird, wenn der überlebende Ehegatte ein lebenslängliches Nutznießungsrecht an den Erbteilen dieser Miterben besitzt. Diese komplizierte Regelung veranlaßte die Steuerkommission, eine einheitliche Durchführung der Steuerbefreiung vorzuschlagen, sodaß alle Erwerbungen des überlebenden Ehegatten ans der Erbgemeinschaft und aus der fortgesetzten Gütergemeinschaft steuerfrei bleiben. Das Haus war mit seiner Kommission einig. Finanzminister v. Zeh er suchte bei dieser Sachlage weniger gegen den Kommisstonsanlrag zu opponieren, als den Rückzug der Regierung zu decken. So wurde der Kommissionsantrag mit großer Majorität angenommen.
— 18. Juni. (111. Sitzung.) Eingelaufen ist u. a. eine Denkschrift des Landesverbands württ. Militäranwärter. Zur Beratung steht heute der Bericht der Tarifkomnstsston über die Anträge Haußmann-Balingen und der Abg. Blum- Hardt und Genossen, betreffend eine Vereinfachung und Verbilligung der Personentarife. Abg. Haußmann- Balingen erstattete einen mehrstündigen Bericht über die Verhandlungen der Tarifkommission. Er stellte namens derselben den Antrag, die K. Staatsregierung zu ersuchen, sobald die Finanzlage den vorübergehenden Ausfall während der Uebergangszeit gestattet, für die 3. Wagenklasse die Grundtaxe von 2 Pfg. für 1 Kilometer ins Auge zu fassen. Minister der Auswärtigen Angelegenheiten, Frhr. v. Soden, bekannte sich im Prinzip als einen Freund der Tarifresorm, erklärte aber, daß die gegenwärtige Lage nicht dazu ange- than sei, größere Reformen, deren finanzielle Wirkung man nicht abzusehen vermöge, vorzunehmen. Die Regierung habe in erster Linie ins Auge gesatzl eine Ermäßigung der Fahrpreise in der Weise, daß als einfacher Fahrpreis die Hälfte der seitherigen Rückfahrkarten festgestellt werde; in zweiter Linie habe die Regierung daran gedacht, die Grundpreise von 6, 4 und 2.4 Pfg. für die 1. bis 3. Wagenklasse ins Auge zu fassen. Die Generaldirektion habe insbesondere einen Ausbau des Nahverkehrs in der Richtung erwogen, ob nicht Lokalzüge bis zu einer Entfernung von 25 Kilometer mit einer Grundtaxe von 2 Pfg. für die
з. Wagenklasse für Person und Kilometer eingesührt bezw. die bestehenden Lokalzüge in diesem Sinne ansgebaut werden sollten. Das Haus möge sich mit dieser Anregung befassen und seine Anschauung darüber aussprechen. Falle dieselbe günstig aus, so werde die Verwaltung dem ausgesprochenen Plan näher treten. Eine Trennung von den übrigen Verwaltungen und ein selbständiges Vorgehen auf dem Boden der Tarifresorm wäre unklug. Das sächsische Rundschreiben sei von der württ. Regierung höflich aber entschieden abgelehnt worden, wie es auch seitens der anderen deutschen Eisenbahnverwaltungen geschehen sei. In den nächsten 20 Jahren sei für den Bau von Bahnen von zweiten Geleisen, für den Bau und Umbau von Bahnhosgebäuden
и. s. w. ein Bedarf von etwa 200 Millionen Mark ins Auge zu fassen. Finanzminister v. Zeh er entrollte ein düsteres Bild von der gegenwärtigen Finanzlage und betonte, daß man froh sein müsse, wenn man in diesem Jahr ohne Steuererhöhung durchkomme. Für das Jahr 1903 sei ein noch ungünstigerer Abschluß in Aussicht zu nehmen. Er könne daher dem Antrag der Tarifkommission die Prognose stellen, daß, wenn überhaupt dem 2 Pfg.-Tarif näher getreten werden wolle, dies dann erst in einer Reihe von Jahren werde geschehen können. Vizepräsident Dr. v. Kiene begründete in längeren Ausführungen seinen Eventualantrag, der dahin geht, die 4. Wagenklasse in Württemberg mit einem Tarif von 2 Pfg. für den Kilometer einzuführen und einen weiteren von ihm gestellten Abänderungsantrag, den Lokalverkehr mit einem 2 Pfg.- Tarif auszubauen.
LanöesnachrichLen.
* Akteukeig, 20. Juni. Wir haben noch herzlich wenig vom Sommer gehabt, trotzdem die Tage bereits ihre größte Länge erreicht haben und mit der kommenden Woche wieder langsam, aber stetig abznnehmen beginnen. So sehr daS Menschenherz aufatmet Lei der Wintersonnenwende, so Weh- mütig wird es gestimmt, wenn die Sonne ihre höchste Bahn erreicht hat und ihre Strahlen wieder schräger und immer schräger auf die Erde herniederfallen. Es ist Sommer, es ist Hochsommer, die Vögel singen, die Rosen blühen, auf den Feldern wogt die goldene Pracht des Getreides. Aber die Tage werden kürzer, das erste Anzeichen des scheidenden