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I 1902.
^ Der deutsche Reichstag
wird an diesem Mittwoch vertagt, um dann bereits am 14. Okt. wieder zur Beratung der Zolltarifv^rlage zusammenzutreten. Würde der Reichstag geschlossen und nicht vertagt, so wäre gleichfalls nichts verloren, wenn nur die Bestimmung getroffen würde, daß die Arbeiten von derZolltanfvorlage bestehen blieben. Aber der heutige Geschmack ist der Vertagung hold; es wird dadurch freilich manches altes Gerümpel und mancher staubige Ladenhüter mit von einem Winter in den andern geschleppt, ohne dessen ungeachtet in allen Fällen seine Erledigung zu finden, aber was hilfüs, die Herren wünschen es nun einmal so. Der Reichskanzler Graf Bülow hat sich zwar sehr entschieden gegen den in der heimischen Presse vielfach auftretenden Pessimismus ausgesprochen, so ganz unberechtigt sind dessen bisweilige Aeußerungen aber wohl doch nicht. Die Reichseinrichtungen sind gm und das junge Reich darf auch mit frischem Mute in die Zukunft schauen, das kann man alles gern und freudig unterschreiben, ohne deswegen auch gleich alle einzelnen politischen Maßnahmen seitens der Regierungen wie seitens der Parteien loben zu müssen.
Die Kenner und Freunde der straffen Politik des ersten deutschen Reichskanzlers können sich nun einmal nicht immer und unter allen Umständen mit der jetzt bevorzugten „Politik der Diagonale" befreunden, in der sie einen Mangel an Zielfestigkeit und Kraft erblicken zu müssen meinen. Es mag ungerecht sein, den Maßstab Bismarcks an dessen Nachfolger zu legen; dieser Vergleich wird aber dm leitenden Staatsmännern des Reiches und Preußens niemals erspart werden. Man wird immer sagen, die Grundlegung und Aufführung des gigantischen Baues war ja von dem ersten Kanzler geleistet, es kommt jetzt nur darauf an, den Ausbau in harmonischer Weise zu fördern und den Stil nicht zu verderben. Der Bau des Reiches ist aber kein Schnörkel- dau, mit gefälligen Säulen und Türmchen und Schmuckwerken ; es ist ein Monumentalbau mit geraden straffen Linien, die alle geschlossen zu einem harmonischen Ganzen hinstreben. Kraft und Festigkeit sind das Charakteristikum dieses Baues, stark und widerstandsfähig sollte er sein und jedem Sturme trotzen, das war die Meinung und die Absicht des Baumeisters.
Wird wirklich in diesem Sinne weiter gebaut, sind es thatsächlich nur Granitschwellen, die für den Weiterbau verwendet werden und nicht oft genug auch Mörtel und loser Sand, deren Verwendung dem Bau nur schaden kann? Solche Bedenken lassen sich in ernster Zeit nicht unterdrücken. Es genügt dem deutschen Volke nicht, daß seine inneren Einrichtungen und seine Solidität besser sind als die anderer Nationen, sie sollen unbedingt gut sein. Am morgigen Mittwoch tritt der Reichstag seine großen Ferien bis zum Herbst an. Er hat manches erreicht und vieles geleistet, was auch den strengen Kritiker befriedigen muß. Und es waren gerade während der letzten Sitzungen des Tagungsabschnittes verschiedene recht schwierige Vorlagen zu erledigen, unter denen die Zuckervorlage die erste Stelle einnimmt. Die Annahme der Zuckerkonvention darf schon heute als gesichert angesehen werden. Freilich ist auch sie nicht auf geradem Wege, sondern auf dem des Compromisses erfolgt, aber es genügt, daß sie zur Thatsache geworden ist.
Aber die Zuckervorlage ist doch nur ein Zwerg im Vergleich zu dem Riesen des Zolltarifentwurfs. Diesen Entwurf in einer Session zu erledigen, hat sich entgegen den Erwartungen der Regierung als absolut unmöglich erwiesen. Die Kommission wird sehr fleißig zu arbeiten haben, wenn sie bis zum 14. Oktober ihre Aufgabe gelöst haben soll.
Als Graf Bülow am 2. Dezember vorigen Jahres den Zolltarif im Reichstage einbrachte, da erklärte er, daß der Tarif ganz besonders mit Rücksicht auf die Landwirtschaft aufgestellt worden sei, die sich in besonders schwieriger Lage befände, während sich Industrie und Handel in dem letzten Jahrzehnt verhältnismäßig günstiger entwickelten. Damals entstand in den Kreisen der Landwirte der Glaube, daß die Regierung mit ihrem Tarif noch nicht das letzte Wort gesprochen habe, sondern sich auch noch zur weiteren Erhöhung der landwirtschaftlichen Schutzzölle bereit finden lassen würde. In der Rede zur Einbringung der Tarifvorlage hatte Gras Bülow wenigstens kein Wort gesagt, was diese Hoffnung als grundlos hätte erscheinen lassen können; später wurde es dann freilich ganz anders gesagt. Damals sagte der Kanzler nur, er hoffe, daß mit dem Tarif der Regierung eine Grundlage gegeben sei, auf welcher sich für die Bedürfnisse der Landwirtschaft, der Industrie und des Handels eine gute Schutzwehr und ein billiger Ausgleich schaffen lasse, wenn die Volksvertretung ihre Hilfe nicht versage. Die Bemerkung, daß der bedrängten Landwirtschaft bei ihrer hohen Bedeutung für die Wehr- und Nährkraft der Nation jedes mit den Bedingungen unsres wirtschaft
lichen Zusammenlebens verträgliche Maß von Schutz und Hilfe gewährt werden solle, wurde damals nicht in dem Sinne aufgefaßt, daß die Regierung zu Gunsten der Landwirtschaft nun auch keinen einzigen Schritt weiter gehen werde. Im Gegenteil, die Rechte und unter ihnen namentlich die Vertreter der Landwirtschaft spendeten dem Kanzler jubelnden Beifall, der mit jener Rede alles ausgegeben hatte, was er besaß und zur Beschwichtigung der Gemüter nun nichts mehr besitzt. Die Fahrt ging gleich zu flott und fröhlich an, als daß sie jetzt so ohne weiteres aufgehalten werden könnte. Die Wege der Regierung und der Reichstagsmehrheit sind in der Zolltarif-Frage immer weiter und weiter auseinander gegangen, so daß wir besorgen, diese starke Abweichung werde auch am 14. Oktober noch nicht ausgeglichen sein.
Tagespottlik.
Der vom Bundesrat angenommene Gesetzentwurf betreffend Aufhedmtg des Diktatarparagraphen ist dem Reichstag zugegangen. In der Begründung heißt es u. a.: Im Lauf der Zeit ist eine Beruhigung der Gemüter eiugetreten, sodaß die außerordentlichen Gewalten des Ltatthalters von Jahr zu Jahr an Bedeutung verloren. Während des Bestehens der Statthalterschaft sind sie im ganzen zwölfmal, in den letzten 5 Jahren überhaupt nicht mehr angewandt worden Die Bevölkerung steht heute nicht mehr, wie vielfach in den ersten Jahren, dem Deutschtum ablehnend gegenüber; sie fühlt sich in ihrer weit überwiegenden Mehrheit als vollkommen eingegliedert in die große nationale Gemeinschaft des deutschen Reichs. Je mehr im Lauf der Zeit das Gefühl der Zusammengehörigkeit mit dem Reich erstarkt ist, destodrückender wurde es empfunden, daß die Regierung zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit im Lande ständiger Ausnahmebefugnisse nicht glaubte entraten zu können, die schon im Wortlaut der zugrunde liegenden Ge- setzesstclle an den Belagerungszustand erinnern und im Volksmund als Diktatur bezeichnet werden. Die verbündeten Regierungen halten nunmehr übereinstimmend mit der Landesverwaltung von Elsaß-Lothringen den Zeitpunkt für gekommen, in welchem sie auf das Fortbestehen der bezeichnten Gewalten ohne Gefahr für das Wohl des Reiches und des Landes verzichten können. Bestrebungen gegen ! die Zugehörigkeit des Landes zum Reiche kann, wenn sie in künftigen Zeiten wieder auftauchen sollten, mit den Mitteln, die das gemeingiltige Recht bietet, wirksam begegnet werden. Die verfassungsmäßige Befugnis des Kaisers zur Erklärung des Kriegszustandes steht mit den außerordentlichen Gewalten des Statthalters rechtlich nicht im Zusammenhang und wird durch die Aufhebung nicht berührt. Ebenso unberührtbleibt die Befugnis des Statthalters, zu polizeilichen Zwecken die in Elsaß-Lothringen stehenden Truppen zu requirieren. Dieses Requisitionsrecht ist dem Artikel 66 Abs. 2 der Reichsverfassung nachgebildet und fallt nicht
unter den Begriff der außerordentlichen Gewalten.
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An die Adresse der Polen gehen die Worte, die bei dem Bankett, das aus Anlaß der Festlichkeiten des Johanniterordens am Donnerstag auf Schloß Marienburg stattfand, der Kaiser sprach, um auf das Wohl des Herrenmeisters Prinzen Albrecht von Preußen zu trinken. Der Trinkspruch schloß mit folgenden inhaltschweren Worten: „Ich habe schon einmal Gelegenheit genommen, in dieser Burg an dieser Stelle zu betonen, wie die alte Marienburg, dies einstige Bollwerk im Osten, der Ausgangspunkt der Kultur der Länder östlich der Weichsel, auch stets ein Wahrzeichen für die deutschen Aufgaben bleiben soll. Jetzt ist es wieder so weit. Polnischer Uebermut will dem Deutschtum zu nahe treten, und ich bin gezwungen, mein Volk sufzurufen zur Wahrung seiner nationalen Güter. Hier in der Marienburg spreche ich die Erwartung aus, daß alle Brüder des Ordens St. Johann immer mir zu Diensten stehen werden, wenn ich sie rufe, deutsche Art und Sitte zu wahren, und in diesem Wunsche und dieser Hoffnung erhebe ich mein Glas auf das Wohl des durchlauchtigsten Herrenmeisters und
des Ordens St. Johann. Hurrah!"
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Nun, da der Friede geschlossen ist, wird es wohl nicht mehr lange dauern, bis die Endbilanz des südafrikanischen Dramas gezogen sein wird. Es wird eine ziffermäßige Zusammenstellung trauriger Posten werden. Die nüchternen Zahlenreihen werden beredter als ausführliche Schilderungen von den Schrecken des nahezu dreijährigen Krieges und den Opfern, die er an Menschenleben und Vermögen gekostet hat, erzählen. Die englischen Blätter haben von Zeit zu Zeit Berichte über die Kosten des Feldzuges und dessen Opfer gebracht. Nach den letzten Zusammenstellungen, die
jetzt in Londoner Zeitungen veröffentlicht werden, betragen die Gesamtverluste der britischen Truppen an Toten 21,966 Mann, die Gesamtkosten des Krieges — bis zum 31. März dieses Jahres — 222,979,000 Pfund Sterling, das ist nahezu 4^2 Milliarden Mark, also fast der Betrag der französischen Kriegsentschädigung 1871 an Deutschland. Schwerer als auf britischer Seite werden die Kosten auf Seite der unter- legeuen Buren ziffermäßig festzustellen sein. Denn wer vermag, um nur eines anzusühren, den ungeheuren materiellen Schaden anzuführen, der den Buren durch die Verwüstung und das Brachliegen ihrer Felder und Aecker erwachsen ist? Und nun rechne man noch hinzu — was England anbetrifft
— die Dotation von 1 Mill. Mark für Lord Kitchener, sowie die in den Friedensbedingungen aufgenommenen 60 Mill. Mark Entschädigungssumme für die, durch Kriegsverluste in Armut geratenen Buren, womit es selbstverständlich noch nicht abgethan ist, zumal jeder der noch in Südafrika stehenden Soldaten — es sind deren etwa 230 000 Mann — eine Gratifikation von 100 Mark bekommen soll.
— Das ist, äußerlich betrachtet, eine schwere Verlustbilanz, die mit der Schlußabrechnung rechnet, vor der alle bisherigen Kriegsrechnnngen zurückstehen müssen.
Deutscher Keichstag.
* Werkt», 6. Juni. Die Uebereinknnft zum Schutze der für die Landwirtschaft nützlichen Vögel wird nach unerheblicher Debatte in dritter Beratung endgiltig genehmigt. Nach Erledigung einer Rechnungssache folgte die 1. Lesung des Entwurfs eines Gesetzes wegen Aufhebung der außerordentlichen Gewalten des Statthalters in Elsaß Lothringen. Abg. Riff (Hospitant der freisinnigen Vereinigung) gibt seiner Freude über die Vorlage Ausdruck, die von seinen Landsleuten mit Genugthuung begrüßt werde. Reichskanzler Graf Bülow dankt dem Vorredner für dessen Stellung zu der Vorlage und hofft, daß das ganze Haus mit großer Bereitwilligkeit dem Gesetzentwurf zustimmen werde. Sodann giebt der Reichskanzler einen historischen Ueberblick über die Entstehung des Diktaturparagraphen, der eingeführt worden sei, um jede Störung durch inländische oder ausländische Elemente von dem wiedergeholten Gut an den Vogesen fern zu halten. Die Reichsregierung habe durch diese Vorlage Vertrauen mit Vertrauen erwidern wollen. Er hoffe, daß die reichsländische Bevölkerung die hochherzige Kundgebung des Kaisers mit der Gesinnung aufnehmen werde, in der sie gewährt sei, nämlich mit deutscher Treue. (Beifall.)
* Werkt«, 7. Juni. Abg. Röllinger (Elsäßer) hofft auf einstimmige Annahme der Vorlage und erklärt, daß die Haltung der Elsaß-Lothringer stets korrekt und loyal sein werde. Abg. Dr. Höffel (Rp.) ist erfreut darüber, daß durch den Gesetzentwurf die Schranken zwischen dem Reich und den Reichslandcn beseitigt werden sollen. Das entgegengebrachte Vertrauen werde mit Vertrauen beantwortet werden. (Beifall.) Abg. Bachem (Ztr.) stimmt namens seiner Partei der Vorlage zu, die hoffentlich gute Früchte tragen werde. Abg. Preiß (Elsäßer) meint, daß zu überschwänglichen Dankesbezeugungen kein Anlaß sei. Die Vorlage entspreche nur der Gerechtigkeit, und schon längst sei es Pflicht der Regierung gewesen, den Diktaturparagraphen aufznheben. Abg. Bebel (Soz.) vermißt in den Motiven der Vorlage den Hinweis, daß der Reichstag schon wiederholt die Aufhebung des Diktaturparagraphen gefordert hat, und vermutet, daß dieser Hinweis absichtlich unterblieben sei, um die Vorlage als ein Geschenk der Regierung hinzustellen. Ueberraschend sei es, daß die Vorlage gerade jetzt gemacht sei, ohne daß eine besondere Veranlassung dazu Vorgelegen habe, wenn man nicht, wie es in der Presse geschehen sei, den Wiederaufbau der Hohkönigsburg damit in Verbindung bringen wolle. Elsaß-Lothringen habe nicht nur Jahrzehnte unter dem Diktaturparagraphen zu leiden gehabt, es leide auch jetzt noch unter mancherlei Ausnahmezuständen, das beweise die Zusammensetzung des Landesausschusses, die Beschränkung der Vereins- und Versammlungsfreiheit und das besondere Preßgesetz neben dem Reichs- Preßgesetz. Reichskanzler Graf Bülow erklärt, daß die Stellungnahme des Reichstages zum Diktaturparagraphen nur versehentlich in den Motiven des Entwurfes unerwähnt geblieben sei. Der Wiederaufbau der Hohkönigsburg stehe nicht im mindesten Zusammenhang mit der Vorlage. Die Aufhebung des Diktaturparagraphen sei lange Zeit reiflich erwogen worden, und er, Redner, habe sich bereits seit seinem Amtsantritt mit dieser Frage eingehend beschäftigt. Staatssekretär von Elsaß-Lothringen v. Köller tritt den Ausführungen des Abg. Bebel entgegen, der sich soeben in der Rolle des Störenfriedes gefallen habe. Die Sozialdemokraten würden niemals Boden in den Reichslanden