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Dienstag, 3. Juni.
Bekanntmachungen aller Art finden die erfolgreichste Verbreitung.
1902.
Telegramm.
* London, 1. Juni. Lord Kitchener telegraphiert unterm 31. Mai: Das Schriftstück, enthaltend die Bedingungen der Uebergabe, ist abends LOV2 Uhr von alle« Bnrendelegierte», dem Gouverneur Milner und Lord Kitchener unterzeichnet worden.
^ Die Wiederaufnahme der Reichstagsverhaudlungeu.
Es erben sich Gesetz und Rechte wie eine ewige Krankheit fort, dies Göthewort findet seine Anwendung in gewissem Sinne auch auf die modernen ReichStagsverhältnisfe. Da die Sessionen nicht geschlossen, sondern schon seit Jahr und Tag nur vertagt werden, so sammeln sich Gesetzentwürfe, Anträge und Petitionen zu ganzen Bergen auf, werden von einer Session in die andere, von einem Kalenderjahr in das andere verschleppt und verschwinden zum Teil erst mit dem Schluß der Legislaturperiode. Das ist kein erfreulicher und auch kein gesunder Zustand. Der Reichstag wird dadurch mit einem Balast von Arbeitsmaterial bepackt, das eine ! schwere und die Schaffensfreudigkeit lähmende Last darstellt.
1 Der Schluß der Session räumt mit dem vorliegenden Arbeitspensum auf und macht reinen Tisch, die Vertagung bewirkt das Gegenteil. Auch die gegenwärtige Session, zu der die an diesem Dienstag wieder aufgenommene Sitzungsperiode den Schlußstein bilden soll, wird bekanntlich nur vertagt; im Herbst, womöglich schon im Oktober sollen die Beratungen dann fortgesetzt werden.
Hat die Vertagung je eine Berechtigung gehabt, so hat sie sie gegenwärtig. Da es sich als eine komplette Unmöglich- ^ keit herausgestellt hat, die Zolltarifvorlage in einer Session , zu erledigen, so blieb garnichts anderes übrig als die Vertagung, wenigstens nicht nach der Praxis, die sich in dem letzten Jahrzehnt Bürgerrecht erworben. Für die Zoll- tacifvorlage und ihre geschäftsmäßige Behandlung durch Plenum und Kommission liegt ja ein Analogon aus der Zeit des Fürsten Bismarck in den Justizgesctzen vor. Diese eine umfassende Reform enthaltende Vorlage ließ sich auch innerhalb einer Session nicht erledigen. Dessen ungeachtet wurde damals, es war im Jahre 1874, der Schluß der Session herbeigeführt, jedoch ausdrücklich bestimmt, daß die Arbeiten ! an der Justizoorlage damit nicht annulliert würden. Die
Kommission tagte dann, gleichfalls gegen Gewährung von Diäten, während der sitzungsfreien Zeit, als im Herbst die ! neue Session begann, war die Kommissionsarbeit erledigt
! und die Justizoorlage konnte nach verhältnismäßig kurzer
s Beratungszeit vom Plenum verabschiedet werden. So hätte
! trotz der Zolltarifvorlage auch jetzt verfahren werden können,
es wären dann nicht nur eine Menge Petitionen, die der Reichstag nun wieder aus dem Sommer in den Winter schleppt, wie er sie schon aus dem Winter in den Sommer geschleppt hat, einfach unter den Tisch gefallen, es wäre auch für die Regierung ein ohne weiteres in die Augen springender Vorteil erreicht worden.
Die Opposition der Rechten gegen die Znckerkonvention und die Zuckersteuervorlage ist in der Hauptsache auf eine Vertagung der Vorlagen bis zum Herbst gerichtet. Die Rechte behauptet außer Stande zu sein, das weitschichtige Material jetzt schon gehörig zu übersehen und ist nicht ge- ! willt, einen so wichtigen Gegenstand übers Knie brechen zu
^ lassen. Sie argumentiert ganz folgerichtig, daß es ja auch
garnichts auf sich habe, wenn die Entscheidung erst im He^st falle, da ja infolge der Vertagung die der Zuckerfrage gewidmete bisherige Arbeit nicht verloren geht, im Herbste vielmehr genau an der Stelle eingesetzt werden kann, an der die Arbeiten jetzt abgebrochen werden. Hätte die heutige Regierung das Verfahren derjenigen von 1874 eingeschlagen, dann könnte eine derartige Argumentation gar- ' nicht in Frage kommen und der Reichstag müßte seine Entscheidung bald treffen, einerlei ob zustimmend oder ablehnend, ein Aufschub wäre ausgeschlossen.
Zuckersteuer- und Brannlweinsteuervorlage, die wie Wasser und Feuer zu einander stehen, sind für den jetzt beginnenden Tagungsabschnitt die wichtigsten, ja fast ausschließlichen Beratungsgegenstände. Es wird und soll ja zwar auch noch das Saccharingesetz, die südafrikanische Eisenbahnvorlage und der Toleranzantrag des Centrums erledigt werden, aber so wichtig diese Dinge auch an sich sind, an die Bedeutung der beiden zuerst genannten Vorlagen reichen sie nicht heran. Diesen gilt der Kampf, der sich in den kommenden Tagen entspinnen und einen Vorgeschmack von den Entscheidungskämpfen über die Zolltarifvorlage ^ geben wird. Der Regierung ist an der baldigen Verab- ^ schiedung beider Vorlagen gelegen, die Konservativen wünschen Erledigung der Branntweinsteuer- und Ablehnung oder doch zum mindesten Zurückstellung der Zuckervorlage. Die Parteien
der Freihändler im Reichstage wünschen gerade das Entgegengesetzte. Das Ausschlag gebende Zentrum steht in den wirtschaftspolitischen Fragen auf Seiten der Rechten. Die Regierung giebt sich alle Mühe nachzuweisen, daß die Brüsseler Zuckerkonvention die heimischen Zuckerindustriellen nicht schädigt, daß der Konsum im Gegenteil ,steigen und das Zuckergeschäft dadurch zu besonderer Blüte gelangen werde. Die Regierung unterläßt ferner auch nicht, in allen nur möglichen Tonarten darauf hinzuweisen, daß eine Vertagung der Entscheidung über die Zuckersrage im Auslande Argwohn erregen und als Ablehnung der Vorlage angesehen werden würde. Bis jetzt hat sie weder durch sanfte noch durch ernste Töne die Widerstrebenden zu gewinnen vermocht. Es ist ja auch nicht ganz unrichtig, wenn von den Gegnern der Vorlage behauptet wird, es gehe das Ausland gar nichts an, wenn der deutsche Reichstag die Brüsseler Zuckcrkonvention verabschiede. Da deren Ratifikation erst im Februar nächsten Jahres zu erfolgen hat, so sei es ganz gleichgültig, ob der Reichstag die Vorlage jetzt oder im Herbst erledigt. Nur die Rücksicht auf England, das behufs Festlegung seiner Dispositionen eine möglichst schleunige Erledigung des Gegenstandes seitens Deutschlands wünsche, könnte für eine Beschleunigung der Sache ins Feld geführt werden; solche Rücksicht aber habe Deutschland nicht zu nehmen und wolle es daher auch nicht nehmen. Auch diesem Einwande ist die Regierung entgegengetreten, ohne damit jedoch einen merklichen Erfolg gehabt zu haben.
Die Meinungen über den wichtigsten Beratungsgegenstand des nun begonnenen kurzen Tagungsabschnittes gehen also scharf auseinander. Es ist von mehreren Seiten sogar regelrechte Obstruktion angekündigt worden. Und tatsächlich wird eine Kraftprobe seltener Art in den nächsten Tagen veranstaltet werden. Die Fraktionsvorstände aller Parteien haben ihre Gesinnungsgenossen zu vollzähligem Erscheinen dringend aufgefordert. Es wird also in den kommenden Tagen nicht nur ein beschlußfähiger, sondern ein beinahe bis auf den letzten Platz besetzter Reichstag in Berlin versammelt sein. Obstruktionsversuche der Minorität werden infolgedessen aussichtslos. Diese Versuche bestanden wie erinnerlich insonderheit darin, daß die Linke einen Antrag auf namentliche Abstimmung einbrachte und unmittelbar vor der vorzunehmenden Auszählung den Sitzungssaal verließ. War nun, wie es bisher immer der Fall gewesen, die Majorität des Hauses nicht in beschlußfähiger Stärke, also in einer Anzahl von wenigstens 199 Mitgliedern anwesend, dann war das Haus beschlußunfähig und die Sitzung mußte abgebrochen werden. So war es bei der Obstruktion gegen die lox Heinze und bei der vor ungefähr Jahresfrist betriebenen Obstruktion gegen die Branntweinsteuervorlage. Die Obstruktion siegte, weil die Mehrheitsparteien in beiden Fällen nicht in beschlußfähiger Stärke anwesend waren. Jetzt ist nun Vorsorge getroffen, daß die Majoritätsparteien, wenn anders die Fraktionsmahnungen nicht auf unfruchtbaren Boden gefallen sind, in beschlußfähiger Zahl anwesend sein werden. Die Kämpfe werden dadurch nicht geringer, aber die Beschlüsse, die gefaßt werden, werden am Ende doch die der Mehrheit sein. Geschieht dies bei Zucker- und Branntweinsteuervorlage, den Vorläufern der Zolltarifvorlage, dann wird es auch bei dieser selbst geschehen und das wäre aus mehr als einem Grunde wertvoll und erfreulich.
Tagespolitik.
In Sachen der alldeutschen Agitation in Ungarn gaben gestern in der ungarischen Delegation Ministerpräsident Szell und der gemeinsame Finanzminister Kallay im Namen Goluchowski's wichtige Erklärungen ab. Die Delegierten Hollo und Rakovsky behaupteten, daß mit Hilfe ausländischen Geldes hier gegen den Bestand des ausländischen Staates gewühlt werde und daß die Fäden der alldeutschen Bewegung im deutschen Generalkonsulate in Pest zusammenlaufen. Beide forderten energische Aktion in Berlin. Ministerpräsident Szell erklärte, alles, was an der Bewegung illegitim und geeignet sei, den inneren Frieden zu stören, werde im Keime erstickt werden; doch dürfe man weder den Dreibund noch die leitenden Männer der deutschen Regierung mit der Bewegung identifizieren. Szell wendete sich ebenso gegen die auf das deutsche Generalkonsulat sich beziehende Behauptung. Rakovsky erklärte, von den Aeußer- ungen des Ministers v. Kallay nicht befriedigt zu sein, da die auf die Zerstörung der Monarchie gerichtete Bewegung von Vereinen ausgehe, die die deutsche Regierung genehmige und welchen hervorragende Politiker angehören. Der Redner wünscht, daß der Minister des Auswärtigen in Berlin Vorstellungen mache. Graf Stephan Tisza wendete sich gegen die Aeußerungen Rakovskys und erklärte, Ungarn sei
stark genug, um die Agitationen der Alldeutschen mit Geringschätzung behandeln zu dürfen. Eine Reklamation bei der deutschen Regierung würde nicht zum Ziele führen, da gegenüber Aeußerungen der Presse und gesellschaftlichen Tendenzen die Anwendung von Machtmitteln nicht gefordert werden könne. Minister v. Kallay erklärte, der Minister des Auswärtigen habe in konkreten Fällen bei der deutschen Regierung bezüglich der alldeutschen Bewegung reklamiert und größtes Entgegenkommen gefunden; er werde in Zukunft bei konkreten Fällen in gleicher Weise Vorgehen.
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Daß Rußland nicht daran denkt, seine Ansprüche auf die Mandschurei aufzugeben, wird dinch unanfechtbare Thatsachen bestätigt. Nach einer Meldung der „Frkf. Ztg." aus Shanghai, die Mitte April datiert ist, sandte der Vizekönig Auan Schih-kai einen auf der Militärakademie von Tientsin ausgebildeten chinesischen Offizier als gewöhnlichen Kuli verkleidet in die Mandschurei, damit er dort Erkundigungen über die Stärke der russischen Truppen einzöge. Der betreffende Mann ist seiner Aufgabe in umfangreichstem Maße gerecht geworden, denn in seinem Bericht an den Vizekönig finden sich die genauesten Angaben über die Stärke der verschiedenen Waffengattungen in den einzelnen Teilen der Mandschurei. Als Gesamtsumme ergeben sich danach nicht weniger als 116 000 russische Soldaten, die auf chinesischem Boden stehen. Nicht eingerechnet sind dabei die Mannschaften zur Bewachung der Eisenbahn, die etwa 8000 Mann stark sind. Endlich schätzt der Berichterstatter die Stärke der in Ostsibirien befindlichen Truppen auf weitere 130 000 Mann. Wenn diese Zahlenangaben richtig sind — und man hat keinen Grund, sie für übertrieben zu halten — so läßt sich daraus ersehen, wie wenig Wert irgendwelche papierne Zugeständnisse haben, die Rußland zur Zeit aus Zweckmäßigkeitsgründen an China macht. Mit einer Viertelmillion Soldaten erreicht es über kurz oder lang doch alles, was es will.
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Kammer der Abgeordneten.
* Stuttgart, 30. Mai. (104. Sitzung.) Eingelaufen ist eine Note des K. Staatsministeriums, worin eine Hof- theateroorlage angekündigt und eine Denkschrift über das abgebrannte Hoftheater und über die nunmehr zu treffenden Maßnahmen vorgelegt wird. Das Haus tritt in die Beratung der Petition des Eisenbahnverbands um Gewährung staatlichen Kredits für seine Baugenossenschaften. Vizepräsident Abg. v. Kiene (Zentr.) erstattete eingehenden Bericht und beantragte namens der Finanzkommission Berücksichtigung in einem der Finanzlage des Staates entsprechenden Umfang und unier der Voraussetzung einer sachgemäßen Wahrung der beteiligten staatlichen Interessen. Minister v. Soden machte, ohne seinen Standpunkt end- giltig festzulegen, eine Reihe von Bedenken geltend ; Finanzminister v. Zeyer erklärte, der Sache keine Schwierigkeiten in den Weg legen zu wollen, wenn der Verkehrsminister den in der Eingabe vorgeschlagenen Weg beschreiten wolle. Abg. v. Geß. (D. P.) hielt die Eingabe für durchaus berechtigt und erklärte namens seiner Freunde, daß sie dem Kommissionsantrag zustimmen werden. Abg. Schmidt- Maulbronn (Vp.) brachte eine Reihe von Bedenken vor, erklärte aber doch, für den Kommissionsantrag stimmen zu wollen. Abg. Mayser (Bp.) befürwortete denselben ebenfalls. Kanzler v. Schönberg (fr. Vgg.) erklärte sein volles Einverständnis mit dem Kommissionsantrag, indem er auf die in vielen Baugenossenschaften gemachten günstigen Erfahrungen hinwies. Abg. Kloß (Soz.) war gleichfalls für den Antrag. Vizepräsident Abg. v. Kiene (Zentr.) zerstreute die vorgebrachten Bedenken in eingehender Weise. Nach einer kurzen Entgegnung des Ministers v. Soden wurde die Verhandlung auf morgen vertagt.
* Sintigart, 31. Mai. (105. Sitzung.) Die Kammer überwies die Petition des Verbandes der württembergischen Eisenbahn- und Dampfschifffahrtsbediensteten um Gewährung staatlicher Kredite zur Finanzierung baugenossenschaftlicher Unternehmungen der Regierung zur Berücksichtigung. Die Abgeordneten Liesching (Vp.) und Remb 0 ld - Aalen (Ztr.) sprechen für den entsprechenden Kommissionsantrag, Hang (Bauernb.) und Prälat von Wittich dagegen. Zu der Petition der Chor- und Musikdirigenten um Einreihung in die Klasse der Pensionsberechtigten Stiftungsbeamten bemerkte der Kultusminister von Weizsäcker, daß zwar die Petenten nicht unter die im Körperschaftsgesetz genannten Beamten fallen, daß aber eine Aenderung des Gesetzes dennoch zu erwarten sei. Die Petition wurde der Regierung zur Erwägung übergeben. Nach Erledigung einer weiteren Anzahl von Petitionen vertagt sich das Haus bis Mittwoch den 11. Juni.