T'elkpkou Nr. 11.
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M. 54.
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Samstag, 12. April.
Bekanntmachungen aller Art finden die erfolgreichste Verbreitung.
1S02.
0 Ge-eirfätze.
Daß wir in einer Zeit der unruhigen Gegensätze leben, wurde gesagt und erkannt, schon oft aber selten in solcher Schärfe, wie gegenwärtig. In den Kreisen der wichtigsten Jndustrieen, auf dem Kohlen- und auch auf dem Eisenmarkt, herrscht eine jammervolle Flauheit, über dieJahresabschlüsse großartiger Etablissements kommen sehr wenig erfreuliche Details, mit den Achseln wird gezuckt, wenn von Aussichten auf energische Besserung die Rede ist, und dabei ist die letzte russische Anleihe von 300 Will. Mark in Deutschland hundertmal überzeichnet worden, das macht die Kleinigkeit von dreißigtausend Millionen Mk., also dreißig Milliarden, das heißt siebeneinhalbmalsoviel, als Frankreich für 1870/71 an Deutschland Kriegslasten bezahlte, und doch erschien diese Kriegskostenentschädigung seiner Zeit als eine so gewaltige Summe, daß vielfach Mitleiden mit Frankreich im Auslande laut wurde. Solche Geldfülle heute, und eine solche wenig befriedigende Geschäftslage heute! Wie will das auf die Dauer zu einander stimmen? Wie kann das ohne schweren Schaden für unsere wirtschaftliche Thätig- keit für längere Zeit noch anhalten?
Es ist eine Thatsache, daß viele Unschuldige für die Sünden weniger oder doch im Verhältnis nicht zahlreicher Schuldiger büßen müssen. Das Mißtrauen, welches durch eine erhebliche Schädigung des Publikums bei einer nicht allzugroßen Zahl von gewerblichen Unternehmungen hervorgerufen ist, hat sich auf die meisten Betriebe übertragen, alle Bemühungen, die Anschauungen zu ändern, sind fehlgeschlagen. Es ist verwunderlich, daß man in den betroffenen Kreisen so schwer sich entschließen kann, die Folgerungen aus dem Geschehenen zu ziehen, und selbst also daraufhinzuwirken, daß gesetzliche Maßnahmen getroffen werden, die geeignet sind, dem Mißtrauen die Spitze abzubrechen. Im großen Publikum wird die Strafe, welche nach dem Gesetz die Kasseler Aufsichtsräte treffen konnte, noch heute bei Weitem nicht als eine genügende erachtet, und wenn aus dieser Empfindung heraus auch viel Gereiztheit über die erlittenen Verluste spricht, jedenfalls kann sie nicht unnatürlich genannt werden. Wie ganz anders geht die Gesetzgebung bei sonstigen Fahrlässigkeiten ins Zeug, die viel entschuldbarer sind, wie das Kasseler Vorkommnis, wo von Fahrlässigkeit nach gemeinem Laienbegriff nur noch schwer die Rede sein konnte. In solchen Stellungen, wo man das finanzielle Wohl und Wehe von Tausenden in den Händen hat, muß eben das zu weitgehende Vertrauen aufhören.
Die andauernde Geschäftskalamität beweist aber auch trotz der großen Kapitals-Anlagen in Anleihen von Staaten und Städtten, wie wenig Geld vorhanden ist, das frei ausgegeben werden kann. Denn die Anlagen lassen darauf schließen, daß die Sparer gezwungen sind, sich eine unbe
dingt sichere Rente für spätere Tage zu sichern. Die Leute werden älter, die Kinder wachsen heran, damit vermehrt sich die Notwendigkeit, heute mit den Ausgaben thunlichst zurückzuhalten, damit für später verstärkte Einnahmen gesichert werden können. Andere Personen haben auch erlittene Verluste des vorigen bösen Jahres gut zu machen. So ist zwar genug flüssiges Geld vorhanden, aber es wird nicht in flotten Umlauf gesetzt, sondern wieder festgelegt.
Wie schlecht die Zeiten im Jahre 1901 waren, das zeigt die Konkursstatistik. Es sind unheimliche Zahlen herausgekommen. Für geschäftliches Malheur kann Niemand, aber es darf nichts Anderes sein. Wie in den Jahren des Aufschwunges die Kosten der Lebenshaltung weit über die Notwendigkeit hinaus oft gewachsen sind, so ist das Recht auf Hoffnung auch gemißbraucht. Es war, als bestehe mitunter nicht der geringste Zweifel, daß unbedingt sich Alles von selbst machen müsse. Ja eine solche Maschinerie ist nun leider noch nicht erfunden.
Zum Glück ist auch Licht, wo Schatten. Wenn da, wo zuviel Geld in der Erwartung einer langen Dauer günstiger Konjunktur festgelegt ist, viel verdrießliche Gesichter zu schauen sind, so sprießt doch in früher einfachen oder neuartigen Betrieben frisches, junges Leben, und die Thätigkeit stockt doch nicht, wenngleich mit den trüben finanziellen Verhältnissen im Jndustrieleben gerechnet werden muß. Nicht zu schnell vorwärts, sonst versagt der Atem! Das ist eine Warnung im gewöhnlichen Leben, das ist eine Lehre aus den verflossenen Jahren:
Tagespolitik.
Im österreichischen Abgeordnetenhause wird das ferne Wettergrollen immer deutlicher vernehmbar. Es herrscht eine ausgesprochene Gewitterschwüle in der parlamentarischen Luft, die sich jeden Augenblick in kräftigen Donnerschlägen Raum schaffen kann. Die Deutschen sind mit'der bisherigen Haltung der Regierung unzufrieden, sie warten noch immer auf ein wohlwollendes Entgegenkommen. Wird ihnen dieses nicht gewährt, dann greifen sie unerbittlich zur Obstruktion, die diesmal das Ende des Kabinetts bedeutet.
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Mit der Unterzeichnung des russisch-chinesischen Vertrags über die Mandschurei ist endlich eine Frage ins reine gebracht worden, die in der ostasiatischen Politik seit Jahr und Tag eine wichtige Rolle gespielt hat. Ob nun, wo „was Geschriebenes" vorhanden ist, jenes Element der Unruhe völlig verschwinden wird, muß dahingestellt bleiben. Rußland hat ja, wie es scheint, von seinen Forderungen ein Erkleckliches nachgelassen, da es so klug war, einzusehen, daß angesichts des englisch-japanischen Abkommens nicht mehr durchgesetzt werden könnte. Namentlich soll die Mandschurei, wenigstens der Form nach, den Chinesen zu
rückgegeben werden, denn nach den Bedingungen, die von englischer Seite dieser Tage aus Peking gemeldet worden sind, werden die russischen Truppen nach und nach innerhalb 18 Monaten nach Unterzeichnung des Vertrags aus den fraglichen Gebieten zurückgezogen, und die Räumung von Nintschwang soll erfolgen, sobald die provisorische Regierung der Machte in Tientsin aufhört. Die Zahl der chinesischen Truppen in der Mandschurei muß im Einvernehmen mit Rußland festgesetzt werden.
* -i-
(Som Aoernkrieg.) König Eduard ist äußerst ungehalten, daß die Verhandlungen in Südafrika einen so schleppenden Verlauf nehmen, er äußerte wiederholt, er wünsche nichts sehnlicher, als daß die Feindseligkeiten mit den Boern ein für allemal ein Ende nehmen möchten. Lord Wolselehs Sendung hat den vom König daran geknüpften Erwartungen nicht entsprochen. Amsterdamer Telegramme wollen nun wissen, daß der König noch einen zweiten Vertrauensmann nach Südafrika entsenden will, der auf Grund eigener Anschauung dem Monarchen entsprechende Vorschläge unterbreiten soll. Dieser zweite Vertrauensmann ist kein Geringerer als der frühere liberale Ministerpräsident Lord Rosebery, der vor einigen Monaten in seiner bekannten Rede den Krieg gegen die Boern verurteilt und erklärt hatte, daß dies tapfere Volk die Freiheit und Unabhängigkeit verdiene. Man kann sich daher etwa denken, was Lord Rosebery auf Grund seiner eigenen Anschauung aus Südafrika berichten und dem Könige anraten wird. Lord Rosebery weilt gegenwärtig zur Kräftigung seiner Gesundheit in Aegypten, sein Sohn, Lord Dalmeny, ist in den südafrikanischen Kriegsdienst eingetreten und der Vater hat den Wunsch, den jungen Offizier in Kapstadt noch einmal zu sprechen. Dieser Umstand scheint dem Könige die willkommene Veranlassung gegeben zu haben, sich Roseberys als Vermittler zu bedienen. In der Umgebung Kitcheners herrscht wegen der Haltung des Königs die größte Bestürzung, die durch die Boern- erfolge der jüngsten Zeit noch verschärft wird.
Lansesnachrichten.
* Göttekstugeu. Der hiesige Darlehenskassenverein hatte im letzten Jahr einen Gesamtumsatz von 58,687 Mk. 02 Pfg. Mitglieder zählt der Verein 37. Daß die Kasse billig arbeitet, erhellt daraus, daß pro 1901 fast kein Gewinn zu verzeichnen ist.
* Stuttgart, 9. April. (Schluß der Verhandlung gegen Jakob Bauer wegen Verbrechens gegen das Sprengstoffgesetz.) Nach Beendigung der Zeugenvernehmung begründete Staatsanwalt Walser die Anklage wegen Zerstörung von Eigentum des Stadtschultheißen Nick-Heimsheim. Die That stelle sich dar als Racheakt. Der Angeklagte habe den Stadtschulcheißen gehaßt, weil er mit seinen Be-
W Lesefrucbt. M
Um die Wunde, die dir Verleumdung schlug, Bist du sehr zu beklagen.
Hoffentlich bist du groß genug,
Ein wenig Verkleinerung zu vertragen.
KeimaL^os.
Roman von C. v. Zell.
(Fortsetzung.)
„Ach Gott, wiedererkennen nach mehr als zehn Jahren!" sagre Lene. Wer weiß denn, ob er noch eine Ahnung davon hat, daß es jemals eine Lene Anskat gab?"
„Das wird sich zeigen!" drängte Stina. „Willst du heute oder morgen mit mir hinaus auf die Palwe?"
Lene schüttelte den Kopf.
„Gar nicht will ich!" sagte sie. „Der Vater würde arg zanken mit mir, wollte ich es wie manche andere Mädels machen und hübschen Burschen nachlaufen."
„Freilich," sagte Stina spitz. „Die Prinzessin von Pergitten ist etwas ganz Besonderes! Sie darf sich nicht gemein machen wie unsereins."
„Tina!" Lene hielt der Freundin halb ärgerlich, halb lachend den Mund zu. „Kein vernünftiger Mensch sollte Albernheiten nachsprechen; Thoren erdenken sich allerhand Thörichtes ! Ich bin gewiß nichts mehr und nichts Besseres, als ihr alle."
„So gehst du also mit mir auf die Palwe?"
Lene antwortete nicht.
„Es ist das ja kein Nachlaufen," drängte Stina, „wir bringen den Dvortschacks Arbeit oder wir kaufen etwas von ihnen; das ist doch wahrhaftig nichts, dessen ein ehrbares Mädchen sich zu schämen hätte. Nicht wahr, du kommst mit?"
„Nein!" sagte Lene fest. „Ich bleibe zu Hause !"
Die Stina ging überaus verdrießlich von dannen. Sie hatte soeben zwei Körbe bekommen. Einen für den Bruder, den andern für sich selbst. Das war zu ärgerlich!
„Aber warte nur," sagte sie im Fortgehen halblaut vor sich hin. „Du wirst vielleicht auch nicht dein ganzes Leben lang auf dem hohen Pferde sitzen, du übermütige Prinzessin Lene! Es ist noch nicht aller Tage Abend — und Hochmut kommt immer vor dem Fall."
Auch Janosch war seit vielen Tagen in der erdenklich schlechtesten Laune.
Er hatte mir dem Rukischker Krugwirt abgesprochen, daß des Sonntags, so lange sein Aufenthalt in der Gegend währen würde, „Vorstellungen" sein sollten; denn so nannte er jetzt schon seine Possenreißereien, in denen er sich un- gemein vervollkommnet zu haben glaubte.
Aber Janoschs Leistungen hatten bei den Besuchern der Rukischker Krugstube nicht den erwarteten Beifall gefunden und der Wirt hatte ihm rund heraus erklärt, daß er nach den abgelegten Proben sich nicht für verpflichtet halten könne, den mit ihm abgesprochenen Pakt zu Recht bestehen zu lassen, wenn Janosch das nächste Mal nichts Neues und Besseres zu bieten habe.
„Dabei komme ich nicht zu meinen Unkosten," sagte der Wirt. „Ihr habt eine Kehle, die immer trocken zu sein scheint, und verlangt gar noch zwei polnische Gulden bar. Das ist zu viel!"
Da hatte Janosch feierlich versprochen, am nächsten Sonntag etwas noch nie Dagewesenes zum besten geben zu wollen. Man solle es nur in der ganzen Umgegend bekannt machen, alle Welt würde herbeiströmen, um zu hören und zu sehen.
Der Wirt war darauf eingegangen. — Janosch aber hatte sich in der That einen absonderlichen Spaß ausgedacht, auf dessen Zugkraft er das größte Gewicht legte.
Der Tobbi sollte mit seinem Vater gemeinsame Sache
machen, sollte mit ihm singen, Kapriolen schneiden und allerlei Faxen zum besten geben. Janosch hatte sich schon einen prachtvollen Plan erdacht, eine Art von Theaterstück, in welchem auf Tobbi nur eine ganz kleine, aber äußerst wirkungsvolle Rolle fallen sollte.
Janosch sah tagaus tagein, wie die Blicke aller Menschen mit einer gewissen Bewunderung an dem schönen Tobbi hingen! Wenn er seinen Jungen dazu bereden könnte, gleich ihm als Sänger und Schausteller aufzutreten, dann wäre ihr beiderseitiges Glück gemacht.
Zum Teufel dann mit der Kesselschmiede, den Drahtzangen und Mäusefallen! Ein Abend würde dann mehr eintragen, als zehn Wochen mühseliger Arbeit.
Janosch hatte sich in der letzten Zeit bei seinem „Auftreten" außer freier Zehrung und freiem Trunk auch ein Honorar in klingender Münze ausbedungen und das hatte ihn geldgierig gemacht.
„Wenn es so leicht ist, Geld zu verdienen," sagte er sich, „so will ich's auch gründlich ausnützen! Der Tobbi braucht's nicht zu wissen, daß in meiner Ledertasche auch zuweilen noch etwas besseres steckt, als die dummen Papiere, die man zum Leben und zum Sterben braucht! Aber von nun an muß er mitmachen, dann verdiene ich doppelt!"
Sagen wollte Janosch dem Tobbi nichts von diesem Plan. Er wollte ihn damit überrumpeln! Freilich, das mußte überaus schlau in Szene gesetzt werden. Der Tobbi durfte nicht die leiseste Ahnung von der Absicht seines Vaters haben, damit sie nicht von vornherein mißglückte. Es mußte sich ganz wie zufällig fügen; Tobbi sollte in der beabsichtigten ersten Komödie Mitwirken, ohne es selbst zu wissen! Das gab nun einen um so größeren Spaß, an dem der Tobbi nachher ohne Zweifel selber seine Freude haben werde. Und wenn er dann dahinter käme, wie einträglich es fei, die dummen Bauern zu amüsieren, dann werde er sich gewiß freiwillig dazu verstehen!