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1902.
Amtliches.
Dem Stadtpfleger Adolf Frauer in Wildberg wurde die Agentur der württembergischen Sparkasse übertragen.
Neues Jahr und alte Kämpfe
(Bon A. Pfister.)
(Aus den: „Stuttg. N. Tagbl.")
Kein Wort ist jemals so vieldeutig verstanden, so mannigfach ausgelegt worden, als das goldene Wort: Freiheit. Zu allen Zeiten hat jeder das darunter verstanden, was ihm selbst am wertvollsten schien: der feudalen Lasten und Dienste los sein und freisitzen auf seinem Erbe; sich losschälen aus den Fesseln des Zunftzwangs; ungebunden sein in Zueignung der Rechte und Besitztümer anderer; nicht gehemmt in Ausbeutung der hilflosen Massen, die schon durch ihre Lage und ihre Hautfarbe bestimmt scheinen, für den Bevorzugten zu arbeiten. Vor der Fülle willkürlicher Auslegungen ist der wahre Begriff der Freiheit wohl nur ausnahmsweise zur Geltung gekommen.
Zu den wertvollsten Gütern der Freiheit haben die Völker immer das Recht gezählt, auf eigenem Grund und Boden nach dem von den Altvordern ererbten Brauch leben und sterben zu dürfen. So hat das Volk der Schweizer, der Ditmarschen, der Tiroler gefühlt, so die Freiheitskämpfer zu allen Zeiten. Denn der empörte laute Aufschrei der Unterdrückten stirbt niemals; ein zu Ende gehendes Jahr vererbt ihn auf das nächstfolgende.
Heute sind es nächstens zwei Jahre, daß der erste schwere Schlag das Volk der südafrikanischen Buren traf — die Kapitulation Cronjes bei Paardeberg. Seit jenen Unglückstagen gleicht Südafrika dem Gebiet des Schinderhannes', wo ein rücksichtsloser Eroberer sich nur mit zehnfacher Uebermacht an die im Felde stehenden Freiheitskämpfer wagt, dagegen an den Wehrlosen, an Weibern und Kindern, seinen ganzen Grimm ausläßt.
O du Wunder Held, du bist ein verdammt schlechter Rechner gewesen! Du hast alle Vorteile in der Hand gehabt, hast die Engländer vor dir fliehen sehen, wie sie es einstmals gethan vor der Jungfrau von Orleans, als Talbot den Fliehenden zurief:
Reißt die Löwen weg aus Englands Wappen,
— Setzt für Löwen Schafe!
Du Held, heute so wund und zerfetzt, deiner kindlichen Seele fehlte die Vorstellung, daß man den Feind vernichten muß, wenn man nicht selbst mit Vernichtung bedroht sein will. Deiner altväterlichen Ehrbarkeit lag die revolutionäre Seelenerhebung vollständig ferne, nach der ganz Südafrika zu den Waffen zu rufen war unter dem Feldgeschrei: Afrika den Afrikanern!
Es ist so kinderleicht, steht auch klug und weltersahren aus, einem kühnen Unternehmen Unglück zu prophezeiheu; man erscheint in einer Art von vornehmem Nimbus, wenn man den Freiheitskämpfern eine müßige Thräne des Mitleids weiht, aber ihr Unterliegen als natürlich und notwendig erklärt: warum denn immer nach Freiheit schreien? Es kommt viel mehr heraus durch Knechtseligkeit.
„Für uns aber, meine Brüder, für uns sehe ich keine Möglichkeit zum Niederlegen der Waffen; wir werden standhalten bis zum bitteren Ende!" So schließt Delarey seine neueste Proklamation an die Afrikaner. Ihnen ist die Freiheit nicht eine Frage für den Wert des Lebens, sie ist das Leben selbst. Bon dieser Seite aus ist also keine Nachgiebigkeit zu erwarten. Und — die Wahrheit zu gestehen — 'die Engländer können heute nicht mehr den Frieden anbieten, wie sie vor zwei Jahren etwa noch gekonnt hätten. Wie heute die Dinge liegen, können sie nicht mehr, auch wenn sie wollten. Sie haben durch raffiniert ausgesonnene Quälereien gegen Weiber und Kinder, durch unerhörte Mordbrennereien solchen Haß und solche Verbitterung hervorgerufen, daß sie, wenn Friede gemacht würde, zu jedem Afrikaner, zu Weib und Kind ein paar Soldaten stellen müßten, um zu verhindern, daß jene aufs neue ihre Dränger abzuschütteln versuchen. Das würde für alle Zeiten eine ungeheure Besatzungsarmee bedeuten, die England anderwärts lahm legen müßte. Also bleibt nur Ausrottung und Vernichtung der holländischen Afrikaner übrig.
In solchem Geschäft haben die Engländer Hebung. Die Ausrottung versuchten sie einstmals auch in Irland. Abschlachten durch das Schwert, künstlich geschaffene Hungersnot durch Verbrennung der Lebensmittel und Zerstörung der Saatfelder, Verkauf von Weibern und Kindern in die Sklaverei nach Westindien, alles wollte nicht recht verfangen. Die zählebige Natur half sich immer wieder durch alle Nöten durch. Das mag auch für Südafrika zutreffen. Um so schneller muß hier der Prozeß zu Ende geführt werden. Blockhaussystem und die Zulassung von Jagdgesellschaften sollen mithelfen.
Wenn man den außerordentlich schwerfälligen Apparat des Blockhaussystems ins Auge faßt, so kann man zunächst nicht umhin, das Ungeheure des Planes zu bewundern: die Zerlegung des weiten Kriegsschauplatzes in kleinere Gebiete, abgegrenzt durch Drahtzäune, die auf viele Tausende von Kilometern sich ausdehnen und durch Tausende von Wellblechhütten geschützt sind. Aber Maikäferscha hteln eignen sich nicht für Adler. So drängt sich der Gedanke auf, daß die englische Kciegsverwaltung zugleich andere Zwecke verfolgt habe: Unterstützung der notleidenden heimischen Metallindustrie durch massenhafte Aufkäufe von Blech und Draht und zugleich notdürftige Verwendung der zahlreichen, für den Frontdienst nicht geeigneten Mannschaften.
Aus einer anderen Ursache schreibt sich die Zulassung von Jagdgesellschaften und Verwendung der Eingeborenen her. Rekruten für die Linienregimenter beginnen in England selten zu werden. Ordentliche Leute haben dort einen Abscheu vor dem regulären Dienst. Darum öffnet man der Abenteuerlust, dem Sport eine Thüre. Kleine Freiwilligen- abteilungek werden geworben unter verlockender Ankündigung: keine Uebungen, keine strenge Disziplin, reicher Sold, gute Verpflegung, 75 Prozent an der gemeinsamen Beute als Anteil der Mannschaft. Die stets kriegslustigen Kaffern werden bewaffnet und Unter englische Führer gestellt.
„Was?" rief vor 125 Jahren der alte Pitt im Parlament, „ihr wollt England die Schande anthun und jene roten Höllenhunde, die Indianer, gegen eure protestantischen Mitbrüder in Amerika bewaffnen?" Was Pitt abwenden wollte, geschah dennoch. Die Baronin Riedesel, die ihren Gatten, den General von Riedesel, den Kommandanten der an die Engländer verkauften Braunschweiger, begleitet hat, erzählt uns davon. „Einige 500 Indianer begleiteten die aus Engländern und Bmnnschweigern bestehende Armee unter Lord Bonrgoyne und thaten gute Dienste als Kundschafter. Sie stellten ihren englischen Brotherren die Skalpe der amerikanischen Soldaten vor Augen. Der Anblick fand Gefallen in den Augen des fashionablen Herrn, der die Armee Seiner Majestät kommandierte. Als die Indianer aber auch ein junges Weib töteten, wurde das weniger gebilligt. Bonrgoyne wagte aber nicht, die Mörder zu bestrafen, aus Angst vor dem Abfall der Indianer." Später zahlten die Engländer 3 Pfund Sterling für jeden eingelieferten Skalp.
Englische Freiwilligencorps bildeten sich damals in Amerika ähnlich wie heute in Südafrika. Sie nannten sich Toryjäger und standen in besonders naher Fühlung mit den indianischen Bundesgenossen. Sie waren es, die das Blutbad unter den Ansiedlern im Thal von Wyoming anrichteten. — Eine besonders rührende Episode aus dieser Zeit der Not in Amerika erzählt uns Rudolf Cronau: „Die Familie Schell, aus Vater, Mutter und 6 Söhnen bestehend, bewohnte ein festes Blockhaus im Hinterwald. Da wurde sie am 6. August 1781 von einem Haufen von 48 Indianern überfallen, die unter der Führung von 16 Engländern standen. Bater, Mutter und 4 Söhne erreichten das Blockhaus; 2 der Söhne aber wurden gefangen und an den Marterpfahl gebunden. Die im Blockhaus mußten den teuflisch ansgesonnenen Todesqualen der Brüder zusehen und wollten schon verzagen. Da stimmte Frau Schell das Lied an: Ein' feste Burg ist unser Gott! Der Mut kehrte in die empörten Seelen zurück und es gelang den Eingeschlossenen, den Angriff der sauberen Verbündeten abzn- schlagen." In beiden Fällen, in Amerika wie in Afrika, ist die englische Oberleitung nicht von dem Vorwurf sreizn- sprechen, daß ihr die Macht und der gute Wille fehlen, um den Scheußlichkeiten Einhalt zu thun.
Durch das Angeführte kennzeichnet sich die Eigentümlichkeit der Kriegslage in Südafrika genug. Weiteres kommt dazu. Einmal gleicht der Kriegsschauplatz einem Schlachthaus an dem die Fenster geschlossen sind. Man liebt bei solchem Schauspiel keine Berichte, keine Zuschauer. Zum anderen weiß die Scheinheiligkeit und Heuchelei der im Schlachthaus arbeitenden Knechte alles derartig zu verdrehen und in widerlicher Weise mit den Gesetzen der Humanität in Verbindung zu bringen, daß das urteilslose Volk in England tatsächlich glauben muß, es befinde sich in Ausübung eines Werks der Zivilisation.
Was England groß gemacht hat, ist der ethische Gehalt seiner aristokratischen Politik. Heute hat der Mann aus dem Volk die schwach gewordenen Aristokraten aus die Seite gedrängt. Das wäre an sich kein Nachteil. Aber nun, „da er es ist", weiß er alle seine Vorgänger zu überbieten an lügnerischer Unverfrorenheit und Menschenverachtung. Und doch hat er die Herzen der meisten seiner Volksgenossen für sein brutales Regierungssystem gewonnen: Freimut gilt als ein Makel, Servilismus und vertrocknetes
Gewissen werden als Zierde angesehen, die Lüge ist ein blühendes Gewerbe geworden.
Woher eine solche Verschiebung aller sittlichen Grundlagen bei einem Volke, in welchem der einzelne zweifellos sich nicht selten durch Lauterkeit der Gesinnung anszeichnet? — Als Privatmann, Hausfreund und Geschäftsmann ist der Engländer im „höchsten" Grad „respektabel". Aber derselbe Mann, der hingebungsvoll für seine Familie, tadellos reell im Geschäft, treu den zehn Geboten, ergeben der Kirche, fleißig im Predigtbesuch, unbeugsam rechtlich im Privatverkehr, thätig für eine Bibelgesellschaft, stolz auf seine Rechte sich erweist — derselbe Mann hört im Parlament kalt alle Lügen an, empört sich nicht über Entstellung oder Jntrigue, findet kein Arg in den heillosesten Bestechungen und Unterschleifen, leidet Männer im Regiment, die er für Schufte erklärt, lauscht schweigend der unbegründetsten Verleumdung, widersetzl sich nicht brutaler Gewaltthätigkeit, der Knechtung und Ausranbung Schwächerer, der gewissenlosesten Unterdrückung jeder freien Regung bei ihnen, der Vertreibung von der Scholle, der Hinschlachtung — wenn diese Maßregeln nur die eine Bedingung erfüllen: Sicherstellung von Englands Vorteil und Uebergewicht. Es ist, als ob nur das Privatleben seine Moral hätte; aber wie können Privat- und öffentliche Moral lange auseinandergehen, ohne einem Volke Verderben zu bringen?
Deutscher Wsichstag.
* Werkt», 15. Febr. Der Reichstag setzte heute die zweite Beratung des Postetats fort. Abg. Znbeil (Soz.) wünscht, daß für die Gesundheit der Unterbeamten besser gesorgt wird. Die Postillone müßten Regenmäntel erhalten. Redner tritt ferner für eine Gehaltsaufbesserung der Postillone ein. Abg. Ernst (Freis. Ver.) spricht für die Erhöhung des Wohnungsgeldzuschusses. Staatssekretär Krätke erklärt die Beschwerde über Nichtinnehaltung des Versprechens der Ausbesserung der Gehälter und der Vermehrung der Stellen für unbegründet. Die Postillone würden imprägnierte Mäntel erhalten. Geh.-Rat Neu- mann giebt Auskunft über die Berechnung der Dienstaltersstufen. Auf eine Anfrage erklärt Staatssekretär Krätke, daß für die Beförderung in die gehobenen Stellen nicht das Dienstalter, sondern die Befähigung maßgebend sei. Bei den Stellenzulagen beklagt Abg. Eickhofs (Freis. Vp.) das verkehrte Prinzip der Verteilung. Das Dienstalterprinzip sei das einzig richtige. Staatssekretär Krätke will auf Vermehrung der Stellenzulagen Bedacht nehmen. Auf Ausführung der Abg. Blell (Freis. Bp.) und Graf Oriola (nl.) versichert Staatssekretär Krätke die Postassistenten des Wohlwollens der Verwaltung. Eine allgemeine Gehaltserhöhung könne er allerdings nicht m Aussicht stellen. Der Rest des Postctats wird genehmigt bis au) eine telegraphische Linie in Deutsch-Ostafrika, über die auf Antrag Schmidt-Elberfeld später beraten werden soll. Die Etats der Reichsdrnckerei und des Allgemeinen Penstonsfonds passierten ohne Debatte. Gleich bei Beginn der Debatte über das Reichsmilitärgericht wird wegen der schlechten Besetzung des Hauses die Beratung vertagt.
* Werkt« 18. Febr. Die Beratung des Militäretats wurde mit einer Debatte über das Dnellwesen eröffnet. Zum Titel 1 lag eine Resolution des Abg. Lenzmann und Gen. (freis. Vp.) an die verbündeten Regierungen vor, mit allen disziplinarischen und gesetzlichen Mitteln das Duellunwesen in den Kreisen der aktiven und Reserverofsiziere zu bekämpfen. Abg. Lenzmann empfahl die Annahme der Resolution. Abg. Gröber (Ztr.) trat gleichfalls für die Resolution ein. Abg. Bachem (Ztr.) betonte, daß seine Partei nach wie vor auf dem Standpunkt der gänzlichen Ausrottung des Duells stehe. Redner wünscht Erhöhung der Einqnartierungsentschädigung und beschwerte sich, daß von einem Offizier den Soldaten gegenüber die Jesuiten verunglimpft worden seien. Kriegsminister v. Goßler bestritt die letztere Behauptung. Abg. Bebel (Soz.) fragte an, aus welchem Fonds die Mittel für den geplanten Barackenbau für zwei Bataillone bei Wreschen fließen. Im Etat stehe davon nichts. Darauf besprach er den Fall des Hauptmanns Luthmer, der durch die Ungeschicklichkeit eines Reserveoffiziers erblindet ist und den Fall Stietencron. An dem Duell sei vielfach der sinnlose Alkohol schuld. Die Zahl der Soldatenmißhandlungeu habe neuerdings wieder zugenommen. Abg. v. Tiedemann (Rp.) meinte, das Duell werde nicht ausgerottet werden, bevor nicht der germanische Ehrbegriff ausgerottet ist. (Unruhe links.) Abg. Graf Roon (kons.) führte aus: Solange die Sünde nicht aus der Welt geschafft ist, giebt es auch gegen die Duelle kein absolutes Mittel. Kriegsminister v. Goßler: Die Mittel für die Verlegung zweier Bataillone nach Wreschen und Schrimm werden wir aus laufenden Mitteln zu be-