8
brennen. In ihrer Todesangst hat die Hebamme, dem Zwange Folge leistend, die Mordthat vollbracht. Seither wurde sie jedoch von Gewissensbissen gepeinigt und suchte durch ein Geständnis ihr Gewissen zu entlasten. Die Hebamme wurde sofort in Hast genommen und eine Untersuchung wurde eingeleitet.
* New-Uork, 15. Juli. Die heutige Fondsbörse war bei Eröffnung förmlich demoralisiert. Die Preise stürzten allgemein und der Verkehr war nervös erregt. Abgaben erfolgten in enormen Posten ohne Rücksicht auf die Preise, die sie bringen würden.
* New - Aork, 16. Juli. Der Vorsitzende des Stahlarbeiter-Verbandes, Schaffers, behauptet, daß 75 000 Mann gestern die Arbeit niederlegten.
* Shanghai, 15. Juli. Bei Hanhan sind durch Ueberschwemmungen Hunderte von Menschen umgekommen.
* Kapstadt, 16. Juli. Sir Gordon Sprigg, Premierminister der Kapkolonie, hielt hier eine Rede über die Politische Lage und wies darauf hin, daß die südafrikanische Aörderation durch allmähliche Entwicklung erreicht werden müsse. Um dies zu beschleunigen, beabsichtigt die Regierung «in umfangreiches System der Einwanderung loyaler Staatsangehöriger aus England und dem übrigen britischen Reich nach Transvaal und dem Oranjefreistaat zu fördern. Die gegenwärtige Lage in der Kapkolonie sei günstiger denn je sell Beginn des Kriegs. Zwischen Kitchener und dem Kap- minifterium seien Verhandlungen im Gang, welche dazu führen würden, die Beendigung des Kriegs zu beschleunigen. Es sei beabsichtigt, gegen Ende des laufenden Jahres eine Zollkonferenz für ganz Südafrika einzuberufen, um die Aufstellung eines einheitlichen Tarifs für Südafrika zu erstreben.
Handel und Verkehr.
* Al t ensteig, 15. Juli. In seinem interessanten Buch „Handel, und Wandel" stellt Ealver auf Grund der Veröffentlichungen der deutschen Landwirtschaftsgesellschaft eine Wertschätzung der deutschen landwirtschaftlichen Erzeugung zusammen, die deshalb in hohem Grade interessant ist, weil sie zeigt, wie sehr der Verdienst an Vieh den Verdienst an
3808 Will. ^
Molkerei-Erzeugnisse .
. 1626
Mill
Schweinefleisch . . .
. 1192
Rindfleisch ....
. 832
„
,,
Hammelfleisch . . .
91
,,
»
Pferde.'
27
„
21
Wolle.
40
»
8
Brotgetreide . . .
. 1525
O
Braugerste ....
154
"
»
Kartoffeln ....
. 300
-
L
Spiritus.
197
,,
Zucker.
851
"
"
Stärke.
72
»
"
V
Garten- und Obstbau
. 380
„
„
e
Wein.
. 110
„
w
Handclsgewächse . .
62
"
"
sö
Geflügelzucht . .
der Zeit schreitet zur Tagesordnung. —" „Warum wird das Publikum in so großen Ausdehnungen verrückt?" „Jeder Mensch kommt fast täglich in die Lage, Papier zu gebrauchen und viele Menschen brauchen Papier, bei dem auf Haltbarkeit kein Anspruch gemacht wird. —" „Ich habe ein lokales Bedürfnis. —" „Wenn man das Vorbeugen nicht vorher besorgt hat, muß man es hinterher thun."
* -i-
*
0 Einige „Blitzschusterinnen" treiben in Berlin ihr Wesen. Schreiben doch dortige Blätter: „Jeder sein eigener Schuster!" ist die Devise sog. „Blitzschuhmacherei", einer neuerstandenen Konkurrenzanstalt der Schnell-Besohlanstalten. In 3 bis 5 Tagen wird daselbst jedermann die Schuhmacherei soweit beigebracht, daß er ein „einigermaßen brauchbares" Paar Stiefel Herstellen kann und ihm mit der Zeit, falls er den Unterricht noch um einige Tage ausdehnt, der Schuhmacher „ganz entbehrlich" wird. Die erste Blitzschuhmacherei, die in Berlin W. errichtet worden ist, weist übrigens noch eine andere Spezialität auf, sie beschäftigt nur Damen. Der Andrang von Neugierigen, die sich von den „Blitzschusterinnen" in die Geheimnisse der Schuhmacherkunst einweihen lassen wollen, soll sehr lebhaft sein. Die neue Methode ist zwar gesetzlich geschützt, ihre Erzeugnisse finden in Schuhmacherkreisen jedoch eine recht ungünstige Beurteilung. — Bedauernswert aber dürften die Opfer der „eigenen Schufterei" sein.
* (Es wird heiß.) Wer nicht glaubt, daß wir uns bedenklich den Hundstagen nähern, kann seine irrige Anschauung leicht durch einen Blick in die Zeitungen berichtigen. So erzählt Ernst Blum im „Gaulois" folgendes merkwürdige Geschichtchen, das seine Entstehung unzweifelhaft der Einwirkung der Sonnenstrahlen dankt: Ein Pariser Bettler, der blind war, hatte stets einen Hund neben sich, der zwischen den Zähnen einen Korb hielt und in diesem die milden Spenden der Passanten in Empfang nahm. Nach geraumer Zeit starb der Bettler, der Hund aber blieb seiner Gewohnheit treu, nahm den gewohnten Platz wie vorher an der Brücke ein und ließ sich weiter beschenken. Nach längerer Zeit kam auch fein Ende und siehe da — in dem Stroh des schlauen Tieres fanden sich dreißigtausend Franks! Blum hat leider verabsäumt, mitzuteilen, wie die Erbschafts- Auseinandersetzung erfolgte.
s 1679 Mill. -4L
522 Mill.
^ 552 Will.
Sehr überraschend ist, daß Molkereierzeugnisse höher bewertet werden als Brotgetreide, überraschend und lehrreich! Zur Nachprüfung der Molkereiziffer diene sachkundigen Lesern der Amstand, daß im Jahre 1897 in Deutschland ein Rinder--
stand von 18 Hs Millionen gezählt wurde.
_
* Redeblüten aus dem deutschen Reichstag von 1900>. Im Eifer der Debatten entschlüpfen den Parlamentsrednern oft recht drollige Redeblüten von unfreiwilliger Komik, eimge hiervon seien nachstehend mitgeteilt: „Meine Herren, wenn wir alle anfangen, Eier zu legen. —" Der Zahn
* Aus New York, Anfang Juli. Im Schatten herrsche» 34 Grad L. Wärme, in der Sonne 45 Grad. Die Menschen sind matt wie die Fliegen. Wie eine Seuche haust die Hitze und wie Pest und Cholera fordert sie Massenopfer. 100, 200, 300 Todesfälle infolge Hitzschlags kommen jetzt alle Tage allein in Newyork vor. In den gesamten vereinigten Staaten mögen es Tausend und noch mehr sein, denn überall ist es glühend heiß. Berichte aus dem Westen melden, daß die Sonne das Getreide auf dem Halm versengt, in den Seebädern längs der atlantischen Küste wagt niemand sich auf den heißen Sand des Strandes oder in die lauwarmen Wellen. Interessant ist nun das Verhalten der Bevölkerung unter dem Einfluß dieser Temperatur. Willenlos geben diese Leu!.- es auf, gegen Temperament oder Schwächegeiühl anzulampfen, jedes Gefühl für Anstand, Schicklichkeit und Pflicht scheint vergessen. Durch die weitgeöffneten Fenster der Wohnungsviertel, und zwar keineswegs nur der ungebildeten Bevölkerung, sieht man gänzlich unbekleidete Männer- und Frauengestalten; auf den Treppenstufen, die vom Trottoir zur Hausthür führen, aber >cheint abends das Hemde, und nichts weiter, als Empfangs- wie Straßenkostüm zu gelten. Im Geschäftsviertel sind tagsüber zudem letztgenannten Kleidungs
stücke nur noch Beinkleider zu sehen. Kragen, Weste oder gar Rock trägt niemand mehr und auf jedem hochroten, pustenden und triefenden Gesicht steht nur ein Gedanke geschrieben: welch mörderische Hitze! Auf den Straßen sieht man alle hundert Schritte Leichen von Pferden liegen, die am Sonnenstiche zusammenbrachen. In dieser Zeit der erschlaffenden Hitze giebt es nun nicht Arbeitskräfte genug, die Kadaver fortzuschaffen. So liegen sie da, bis sie stinken. Die Luft wird dadurch noch unerträglicher, besonders in den engen Straßen des Ostens. Nie habe ich so den Wunsch empfunden, daß man dahin Mittel finden möge, den Strom unserer Auswanderung in ein neues Bett zu lenken, wie bei dieser Wanderung durch den Osten Newyorks. Solch menschenunwürdiges Elend kennen weder Paris noch Berlin, ja selbst London nicht. Zu beiden Seiten der engen Straßen stehen turmhohe, schmutzige Ziegelbauten, deren Mauern die Hitze aufgesaugt haben und nun auf das unsaubere, staubige Trottoir zurückwerfen. Der Bienenschwarm geplagter zweifüßiger Lebewesen, aus Familien, Schlafburschen, Bettlern, Krüppeln und dem Auswurf männlicher wie weiblicher Menschheit bestehend, der diese Mietskasernen schon bei kalter Temperatur bis zum Ersticken füllt, ist von der Hölleuglut drinnen ins Freie getrieben worden. Er schwärmt nicht nur auf dem Trottoir, das ihm zu wenig Raum bietet,
, sondern füllt Kopf an Kopf auch den Fahrdamm. Im Staub der Straße strecken erschöpfte, fast unbekleidete Menschen 1 sich aus und hoffen in der Sonnenglut vergeblich frische Luft und den Schlaf zu finden, der sie seit sieben Tagen geflohen. Die erbarmungslose Sonne findet ihren Weg in diese Straße, die frische Luft nie. Die flimmernd heiße Atmosphäre mit dem Geruch von unreinlichen Küchen, faulenden Gemüsen und elenden Fleischresten machte das Atemholen widerwärtig. Ein großer Lastwagen bahnte mühsam sich seinen Weg, und vor den schweren Hufen seiner Pferde flüchteten die Kinder erst im letzten Augenblicke. Es war ein Eiswagen, der daher kam! Wenige Glückliche fanden in der Tasche den Nickel, der das köstliche Labsal-kauft, das dann in die Zinnkanne mit lauwarmem Wasser wanderte. Gierig tranken Vater und Mutter, während die Kinder ihre Aermel zupften, noch ungewiß, ob auch ihnen ihr Eiswasser werden würde. Schließlich gab man es ihnen und steckte auch dem Kleinsten an der Mutterbrust den kleinen Rest des schnell geschmolzenen Klumpens zwischen die bleichen Lippen. Sein Wimmern hörte auf, aber die roh ausgebrochene Haut zeigte, wie er duldete, der kleine Kandidat für das Totenhaus. Größer ist die Zahl der weniger glücklichen Familien, deren Mitglieder mit dem irre-gierigen Blick Verschmachtender nur zur Zinnkanne mit dem eklen lauwarmen Wasser greifen können. Höchstens glückt es den Kindern, ein winziges Stück Eis zu erhaschen, sie prügeln sich um die Splitter, die von dem großen Block abspritzen, von dem der Verkäufer seine Ware abhackt. Ihrer zwei setzten sich mit der erhaschten Beute auf den geschwollenen Kadaver eines Pferdes. Ein alter Mann schlief auf den Hals desselben gelehnt und Fliegen umschwirrten sein blasses, feuchtes Gesicht. In der nächsten Straße wohnten glücklichere Menschen. Jemand hatte sich des Hydranten bemächtigt, und ließ einen Wasserstrahl spielen. Jung und Alt, die Kinder gänzlich, die Erwachsenen fast unbekleidet, setzten sich dem wohlthuenden Scheuerbade aus. Wird es Nacht in diesen Straßen, so beginnt in der Mietskaserne der Kampf um den Besitz des Daches. Dort oben streckt sich die Familie zum Schlafe aus, und gelegentlich rollt ein Mitglied in die Tiefe. Die weniger Glücklichen tragen ihre Matratzen auf die balkenartigen Eisengerüste um die Feuerleitern; noch andere schlafen auf der Straße, weil das einzige Zimmer nicht nur von sonnendurchglühten Mauern, sondern auch vom Feuer des Kochherdes durchhitzt wird. Das ist der New-Aorker Sommer!
E)crairrwt.>NLiHlr medatreur i 2L. Kieker. Alrewte!
i,
>ie
3
.V
Er erhob sich heftig aus seiner Stellung, alle Ruhe, cker Ernst war dem Ausdruck des Mißvergnügens Zeichen.
„Mich will jemand sprechen? Haben Sie meinen lefehl, Niemand hier einzulassen, vergessen?" rief er.
„Nein Herr, ich habe ihn nicht vergessen. Aber sie vpfte nicht. Sie schlüpfte herein, so leise wie ein Geist, i daß ich tätlich erschrocken war."
„Sie? Wer ist sie?" rief er barsch.
„Miß Rodney, Herr."
„Miß Rodney — Aline — hier im Hause? Großer öott!" rief er aus.
„Ja, Herr, unten in der Küche wartet sie, um Vormasten zu werden," sagte Mrs.. Griffin. „Ich hatte vergessen, die Thür zuzuschließen, und wie es dunkelte, wurde eise auf die Klinke gedrückt, und sie glitt, geräuschlos wie in Geist und ebenso bleich herein und sagte mit schwacher jtternder Stimme: Ich muß Mr. Delaney ohne Aufschub Prechen. Gehen Sie und melden Sie mich."
Er konnte die Haushälterin nur erstaunt anstarren.
„Ich war so überrascht und erschrocken, daß ich kein Wort Hervorbringen konnte. Ich ließ sie mitten in der Küche stehen und eilte zu Ihnen, um die Bestellung auszurichten. Was soll ich ihr sagen? Wollen Sie sie sehen, Mr. Delaney?"
Als er einen Moment zögerte, sagte Mrs. Griffin ehrerbietig.-
„Ich glaube, sie ist in großer Eile, Herr, und vielleicht fürchtet sie sich auch ganz alleine dort unten."
Er holte tief und lang Atem.
„Gut. Führen Sie Miß Rodney hierher", sagte er dann.
Mrs. Griffin schraubte die Lampe höher und eilte hinaus.
Oran Delaney blieb zurück und sah mit erwartungsvollen Augen nach der Thür.
Eine Minute später hörte er Mrs. Grisfin's schwere S Schritte in der Halle, und den leichten, schnellen, ungewissen ! Tritt zweier kleinen Füße neben ihr. Die Thür öffnete sich und Aline trat ein.
Sie war in einen langen dunkeln Mantel gehüllt, aus dem ihr bleiches Gesicht wie eine schöne Weiße Blume hervorleuchtete. Ihre blauen Augen erschienen fast schwarz vor Aufregung, und ihre halbgeöffneten Lippen, über welche der Atem schnell und kurz hervordrang, zeugten von der Eile, mit welcher sie ihn aufgesucht hatte. Sie stand vor ihm, eine dunkle, fröstelnde, kleine Gestalt, vor der die schmelzenden Schneeflocken in kleinen Bächen auf den Teppich heräbrieselten.
Mr. Delaney schüttelte die Betäubung ab, die ihn gefangen hielt.
„Miß Rodney, was führt Sie in dieses Unglückshaus zurück?" rief er aus.
„Ich wußte, daß es Sie überraschen würde," antwortete sie hastig. „Mr. Delaney, ich bin gekommen, um Sie zu bitten, mich zu heiraten."
Hätte die Erde sich zu seinen Füßen geöffnet, so hätte Oran Delaney nicht bestürzter sein können, als über Aline Rodney's Worte. In ratloser Verwirrung starrte er sie, keines Wortes mächtig, an.
„Ich bin hergekommen, Sie zu bitten, mich zu heiraten." wiederholte sie nochmals, in dem Glauben, er habe sie nicht gehört, und kein Erröten färbte ihre Wangen, und die weißen Lider senkten sich nicht über ihre blauen Augen, die ihn frei und ernst anschauten. Was wollte sie? War sie infolge ihres Unfalls wahnsinnig geworden?
Er trat auf sie zu und ergriff eine ihrer Hände, die schlaff an ihrer Seite herabhingen. Sie war kalt wie Eis.
„Aline, Kind, ich verstehe Sie nicht. Was war es, das Sie soeben zu mir sagten?"
Er sah, wie ein leichter Schauder die schlanke Gestalt
durchrieselte, aber sie blickte ihn unerschrocken an und wiederholte ihre Worte:
„Mr. Delaney, ich bitte Sie, mich zu heiraten."
„Sie zu heiraten, Aline? Lieben Sie mich denn, mein armes Kind?" fragte er, ihr teilnehmend in die Augen blickend.
„Nein, aber ich möchte ihre Frau werden," sagte sie.
„Sie lieben mich nicht, und doch wünschen Sie meine Frau zu werden! Aline, träumen Sie, oder ich?" fragte er, sie näher an das FeuerHiehend; denn ihr Körper zitterte vom Kopfe bis zu den Füßen vor Kälte.
Er sah, wie eine plötzliche, flammende Röte in ihre Wangen stieg. Sie entriß ihm ihre Hand mit verzweifelter Geberde.
„Nein, ich träume nicht, und Sie auch nicht," sagte sie. „Wollte Gott, es wäre so. Diese Wirklichkeit ist furchtbarer, als der schrecklichste Traum!"
„Aber warum sollten Sie wünschen — wünschen," begann er, und hielt wieder inne, in dem beschämenden Gefühl, daß eine feurige, nicht zu beherrschende Röte sein Gesicht überzog. In dieser ruhigen geschäftsmäßigen Weise, von dem sonderbaren Kinde zum Gatten begehrt zu werden, überstieg alles, was erlaubt und lächerlich war, und denn- noch erbebten seine Nerven in entzückter Erregung, und sein Herz klopfte in schnelleren Schlägen.
Des Mädchens Auge hatte einige Augenblicke auf den tanzenden Flammen geruht, dann heftete sie es wieder fest und ernst aus sein Gesicht.
„Sie fragen, warum ich wünsche, daß Sie mich heiraten," sagte sie. „Wohlan, Mr. Delaney, ich will es Ihnen sagen. Das Geheimnis meines Aufenthaltes in Ihrem Hause ist verraten."
„Sie haben Ihren Schwur gebrochen," rief er zornig auffahrend aus.
(Fortsetzung folgt.)