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Samstag, 15. Juni
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1901.
Tages-Politik.
Bei der Taufe des Linienschiffes „Zähringen", die in Gegenwart des Kaisers stattfand, hielt der Großherzog von Baden folgende Taufrede : „Ew. Kaiserlichen und Königlichen Majestät dringen wir vereint unfern wärmsten Dank dar für /die erhebende Aufgabe, welche allerhöchst dieselben uns für den heutigen Tag anvertraut haben. Wir erkennen in dieser freundlichen und gütigen Absicht einen erneuten Beweis der Gefühle, welche Ew. Majestät den engeren Familienbeziehungen widmen, die unsere beiden Häuser verbinden. Wir erkennen aber auch die hohe Bedeutung, welche in dem großen Taufakt für unser Haus und Land enthalten ist durch den Namen, welchen Ew. Majestät für das Linienschiff „L" gewährt haben. Der Name .Zähringen" verbindet sich nunmehr noch enger mit den großen Interessen, welche die deutsche Flotte bestimmt ist zu schützen und zu wahren. Ein alter Name führt uns stets in das Reich der Vergangenheit, und da finden wir denn auch Bilder für den Vergleich mit den Aufgaben der Gegenwart, oft auch Vorbilder für die Entwickelung der Macht und der Stärke großer Reiche. Wir finden dabei immer die große Thatsache begründet, daß eine mächtige Flotte der kräftigste Schutz für das Gedeihen und das Blühen großer Reiche ist. Das führt uns zu einem Rückblick in die Geschichte der deutschen Nation, lehrt uns aber auch, wie der Mangel an Macht und Stärke ein großes Volk zu schweren Kämpfen nötigt, um sein Wohl und Gedeihen vor bleibendem Schaden zu wahren. Im Fahre 1848 war es mir vergönnt, an dem Kriege in Schleswig-Holstein teilzunehmen und damit an den ersten Bestrebungen, Deutschland zu festerer Einigung zu führen. Damals entbehrten wir des Schutzes zur See ; aber dieser Mangel weckte auch den Willen, einen Schutz zu schaffen. Wir alle wissen, welche Zeit verging, bis die naüonale Einigung erkämpft war. Wir wissen aber auch, daß diese Einigung nur möglich Wurde mit und durch eine Persönlichkeit, wie unser großer Kaiser Wilhelm es gewesen ist. Der Begründer des Deutschen Reiches war auch der Schöpfer der deutschen Flotte. Aus dieser Grundlage verdanken wir die mächtige Fortentwickelung dieses unentbehrlichen Machtmittels der rastlosen Fürsorge. Möchte es Ew. Majestät auch vergönnt sein, diese stetige Machteutsaltung zur vollen Stärke durchzuführen, so daß für das Deutsche Reich daraus eine Blüte des Handels und Verkehrs zu erwarten ist, welche die Nation Zu den Höhen kräftigsten Lebens erhebt. Das bedeutet dann eise Festigung friedlicher Zustände und den friedlichen Austausch gleicher Interessen mit den großen Nationen zivilisierter Länder. Dem Linienschiff „Zähringen" aber wünsche ich einen erfolgreichen Schutz der Nordküste des Deutschen Reiches, so wie es dem Geschlecht der Zähringer von jeher beschicken war, im Südwesten Deutschlands die Wacht am Rhein zu halten. Der heutige Taufakt gereiche dem Schiffe „Zähringen" und seiner Besatzung zu bleibendem Ruhm. Angesichts dieses großen Kriegsschiffes erschalle zum erstenmal der Ruf: „Seine Majestät der Kaiser Hurrah!" * *
Der industrielle und finanzielle Krach, der durch den jähen Umschwung in der Konjunktur zum einen Teil, zum andern Teil aber auch in weniger vorsichtiger und wenig kaufmännischer Geschäftsführung seinen Ursprung hat, zieht seine Kreise und fordert ein Opfer nach dem andern. Und mit den Gesellschaften werden Tausende von Vertrauensseligen, die sich eine möglichst hohe Zinsrente sichern wollten, in den Strudel gerissen und haben erhebliche Einbußen zu verzeichnen. Zum nichtgeringen Teile gingen diese unliebsamen Erscheinungen von Berlin aus; jetzt kommt zur Abwechselung einmal Dresden an die Reihe. Zn dem Zusammenbruch zweier dortigen Unternehmungen, der Kummer'sche» Elektrizitätswerke und der Dresdener Kreditanstalt, wird hoffentlich in der Zukunft noch manches zu retten sein, aber jedenfalls ist genug verloren. Wieder einmal schwere Verluste! Die Leiter der betreffenden Unternehmungen werden ebenso wie diejenigen anderer, vom gleichen Schicksal betroffener Gesellschaften Gründe für ihr Mißgeschick zur Hand haben, aber das große Publikum, das sein Geld zum Teil verloren oder doch stark bedroht sieht, fragt nicht nach Gründen, sondern will seine in Papieren dieser Unternehmungen angelegten Kapitalien wieder haben. In solchen Situationen ist schwer Ruhe predigen, es ist auch eine nutzlose Arbeit, daß schon vor Jahr und Tag daran erinnert ist, dem „industriellen Aufschwung" nicht zuviel zu vertrauen, da ein Rückschlag unbedingt eintreten müsse, die Leute denken an nichts, als an ihr Geld. Und es ist ja doppelt schmerzlich, starke finanzielle Einbußen gerade in Zeiten erleiden zu müssen, die, wie die heutigen, harte Ausgaben mit sich bringen.
Ein ungeheurer Kurssturz in Transvaalbahnaktien, das ist das neueste Glied in der Kette des Ungemachs, das seit geraumer Zeit immer von neuem über die Börse hereinbricht. Die Aktien setzten nach dem Berk. Tgbl. am Mittwoch mit 192 Prozent ein, also 341/2 Prozent unter ihrem letzten Kurse und büßten im Verlauf zunächst noch weitere zehn Prozent ein, erholten sich aber später um mehrere Prozent. Der Verkaufsandrang in den Aktien wurde durch die Londoner Meldung verursacht, daß England beabsichtigt, die von der Regierung der Südafrikanischen Republik erteilten Konzessionen, besonders die Konzession der Niederländischen Eisenbahngesellschaft und die Dynamitkonzession für null und nichtig zu erklären. Die Aktionäre sollen, wie es in dem eben erschienenen Bericht der Kommission betr. die Transvaal-Konzessionen heißt, der Gnade der englischen Regierung ausgeliefert werden. Die Kommission spricht der englischen Regierung deshalb das Recht einer Vergewaltigung der Aktionäre zu, weil die Verwaltung der Bahn die Buren im Kriege gegen England unterstützt habe. Die Kommission will aber nur dann den Aktionären „Gnade für Recht" ergehen lassen, wenn sie unter Benutzung der ihnen von Gesetzes wegen zustehenden Mittel gegen ihre Direktoren Vorgehen und damit also ans das Ausdrücklichste deren Vorgehen während des Krieges mißbilligen. Es bleibt abzuwarten, ob die Aküonäre den
Engländern diesen Gefallen thun.
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4:
Kaiser Franz Joseph weilt jetzt in Prag. Ueber diesen Besuch ist die Freude unter den Böhmen um so größer, als der Kaiser schon seit langen Jahren die böhmische Hauptstadt nicht mehr besucht hat. Aus der Fahrt von der kaiserlichen Hofburg zum Bahnhof sowie auf der ganzen Reise wurden dem Monarchen seitens der Bevölkerung stürmische Ovationen dargebracht. Ministerpräsident Freiherr v. Körber begleüete den Kaiser. Die Aussicht auf den kaiserlichen Besuch hatte die Tschechen im Reichsrat versöhnlicher gestimmt und jeden ernsten Obstruktionsbeweis verhindert. Hoffentlich beweist nun der Besuch selber, daß die Tschechen zur Politik des Kaisers und seiner Regierung wieder mehr Vertrauen gewinnen und daß die erfreuliche Erscheinung einer furchtbaren ReichsratSsession sich fortan Jahr für Jahr wiederholt. — Ehe der Kaiser seine böhmische Reise antrat, vollzog er den Gesetzentwurf betr. die Wasserstraßen. Der 250 Millionen-Entwurf ist also in verhältnismäßig kurzer Zeit Gesetz geworden. — Die gesamte Wiener Presse drückt die Hoffnung aus, daß die Reise des Kaisers nach Böhmen definitiv den Friedensschluß ; zwischen Deutschen und Tschechen haben werde. Die Haltung der Prager Bevölkerung giebt leider zu den hohen Erwartungen keinen Anlaß. An der Lese- und Redehalle der deutschen Studenten in Prag kam es zwischen diesen und Tschechen am Vorabende des Kaiserbesuches zu einem blutigen Handgemenge, und auch sonst machen sich in der Bevölkerung keinerlei Anzeichen bemerkbar, die auf Versöhnlichkeit schließen lassen.
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* Kein größerer Staat erhebt so hohe Einfuhrzölle als die Vereinigten Staaten. Leider wird den Amerikanern nicht mit gleichem Maße gemessen. Deutschland zum Beispiel erhebt aus amerikanische Waren viel geringere Zölle, als die Bereinigten Staaten auf deutsche Waren. Die deutsche Ausfuhr nach Amerika ist infolgedessen fast unmöglich geworden. Hat es den Anschein, als ob Deutschland die Zölle auf amerikanische Waren etwas erhöhen wolle, zum Beispiel auf Fleischwaren, so erheben die Amerikaner ein solch freches Geschrei, daß die ängstlichen Deutschen alsbald zurückweichen. Nur die Russen haben den Mut, sich von amerikanischer Anmaßung und Ungerechtigkeit nicht imponieren zu lassen. Infolgedessen ist es zum Zollkrieg gekommen. Jedenfalls werde» die Russen nicht nach geben; soeben haben sie einen der Kampfzölle, den Zoll auf amerikanische Fahrräder, um 30 Prozent erhöht. Seither wurde auf jedes Rad bereits ein Zoll von 18 Rubeln erhoben.
* Alten steig, 14. Juni. Unseren Lesern möchten wir die Mahnung zugeheu lassen, es möge doch jeder dafür sorgen, daß nicht das Aas frei auf dem Felde hernmliege oder in s Wasser geworfen werde. Es ist ja nicht blos höchst unapetitlich, wenn Kadaver im Freien umherliegen, sondern geradezu lebensgefährlich, indem das Geschmeis, welches sich auf das Aas setzt vielfach das Leichengift aus Menschen überträgt. Blutvergiftungen und Todesfälle sind häufig auf diese Ursache zurückzuführen.
* Ein Redakteur war kürzlich angeklagt, eine Berliner Bankfirma, die sogenannte „Ratenlose" unter der verlockenden
Anpreisung: „Soviel Lose — soviel Geldtreffer!" vertreibt, beleidigt zu haben, weil er in seinem Blatte geschrieben hatte, es handle sich bei den Versprechungen, welche den Käufern der Ratenlose gemacht würden, um nichts weiteres als Schwindel; die zu leistenden Zahlungen stünden in keinem Verhältnis zu dem Gebotenen, das für die Ratenlose ausgegebene Geld fei also so gut wie verloren." Die Firma erlebte mit ihrer Klage einen kläglichen Reinfall. Das Gericht stellte fest, daß der Redakteur vollständig berechtigt war, die Ratenlose so zu kennzeichnen, wie er es gethan habe, denn die Ankündigungen der Firma seien thatsächlich schwindelhaft. Sehr erfreulich ist aber weiter, daß das Gericht, welches den Angeklagten freisprach, das Urteil unter Anderem in folgendem trefflichem Satze begründete:
„Es muß der Presse das Recht eingeräumt werden, öffentliche Mißstände, schwindelhaste Anpreisungen zur Kenntnis des Publikums zu bringen und davor zu warnen. Das kann naturgemäß nur mit scharfen und den Kern der Sache treffenden Worten geschehen."
Diese richterliche Entscheidung wird in den Kreisen des Publikums sowohl als auch in denen der Zeitungsverleger mit großer Genugthuung begrüßt. Es wäre ja auch noch schöner, wenn wir vor Schwindelfirmen, die es doch nur auf die Brandschatzung des Publikums abgesehen haben, nicht öffentlich warnen dürften. Es ist das nicht unser Recht, sondern auch unsere Pflicht. Und mit Glacehandschuhen braucht man Schwindelmeier u. Compagnie doch wirklich nicht anzusasseu!
* In der letzten Versammlung des Bezirksobstbauvereins in Haiterbach, welche zahlreich besucht war, kam zunächst der Rechenschaftsbericht zum Vortrag. Derselbe weist an Einnahmen 202 Mk. 3 Pfg., an Ausgaben 115 Mk. 11 Pfg. auf. Mitglieder zählt der Verein 260, ein Beweis, daß die Obstbaumzncht im Bezirk Nagold regem Interesse begegnet. Nach Mitteilung des Geschäftsberichts nahm Hr. Gärtner Raas-Nagold das Wort zu seinem Vortrag über Obstbaumzncht. Einleitend betonte Redner, daß man angesichts des reichen Obstsegens im letzten Jahr alle Veranlassung habe, dankbar derer zu gedenken, die in früheren Jahren die Obstbaumpflanzung sich angelegen sein ließen und dadurch für die Nachkommenschaft ersprießlich sorgten. Pflicht sei es deshalb für die Nachkommen, der Baumpflege alle Aufmerksamkeit zu leihen. Redner empfahl dann eine rationelle Düngung der Bäume und ging dazu über, von den Schädlingen der Obstbäume zu sprechen. Zu den größten Schädlingen seien die Pilze und die Blattfallkrankheit zu rechnen. Zur Bekämpfung empfehle sich sorgfältiges Heransschneiden und Verbrennen der befallenen Zweige und Bespritzen der Bäume mit 3"/<,iger Kupfervitriollösung und gute Untergrunddüngung. Gülle mit , Latrine gemischt sei das beste Düngemittel, aber auch Kunst- ' dünger könne zweckmäßige Verwendung finden. Schließlich verbreitete sich Redner über Zwergobstbaumanlagen und gab seinem Bedauern Ausdruck, daß noch mancher zweckmäßige Raum nicht angepflanzt sei, wie Wände, Mauern, Zäune rc. Zur Pflanzung könne namentlich der senkrechte Kordon empfohlen werden, wegen seiner anspruchslosen Pflege. Nachdem Vorstand Bihler dem Redner für seine interessanten Ausführungen gedankt hatte, entwickelte sich noch ein reger Austausch von Erfahrungen, namentlich bildete das Anstreichen der Bäume den Gegenstand der Besprechung. Allgemein wurde der Kalkanstrich als der geeignetste empfohlen, da er die Bäume vor den schädlichen Insekten und den nachteiligen Folgen der Kälte schütze. Der Kalkanstrich sollte jedes Jahr und zwar im Herbst vorgenommen werden. Die Verhandlung, welche bis 5 Uhr dauerte, bot vieles Anregende und Belehrende und dürfte deswegen von sthr ein segenbringender Sporn zu fleißiger Bethätigung der Obstbaumpflege unzweifelhaft ausgehen.
* Freiherr v. Münch hat. wie die „Schwäb. Tagw." berichtet, seinen Wohnsitz nach vorübergehendem Aufenthalt in Basel, Berlin, Würzburg bis auf weiteres nach Nürnberg verlegt und betreibt von dort aus seinen Rechtsstreit mit ungeschwächter Energie weiter. Minister v. Pischek hat ihm die Wiederaufhebung des Beschlusses des Medizinalkollegiums, ihn in eine Hellanstalt einzuweisen, in Aussicht gestellt für den Fall, daß er etwa 1 Jahr lang aus Württemberg wegbleibe und sich für seine Gesundheit die nötige Schonung und Ruhe gönne. Ein Gesuch von Münchs um sicheres Geleit zu einer Verhandlung vor dem Landgericht in Rottweil wurde abgelehnt, zumal die persönliche Anwesenheit v. Münchs nicht notwendig sei. Münch hält aber seine Anwesenheit für nützlich und fühlt sich daher durch den ministeriellen Entscheid wieder benachteiligt. Münch habe übrigens die preußische Staatsangehörigkeit erworben.
* Stuttgart, 12. Juni. Der 51jährige verheiratete Chirurg und nunmehrige Kaufmann Friedrich Benzinger