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1901.
Die Ve<rt«»sitirS de» Reietzstass
ss Heute Dienstag läßt der Reichstag in seinen Beratungen, die er am 14. November vorigen Jahres ausgenommen hat, eine mehrmonatige Pause eintreten, um erst am 26. November, da wieder einzusetzen, wo die Arbeiten jetzt stehen geblieben sind.
Es ist nicht alles zur Erledigung gekommen, was die Thronrede am 14. November des vorigen Jahres ankündigte. Dafür kann aber die Regierung nichts. Man könnte ihr höchstens insofern eine gewisse Schuld zuschreiben, als sie aus den Erfahrungen der letzten zehn Jahre nichts gelernt und die Session doch wieder mit einem Arbeitspensum bedacht hat, dessen Aufarbeitung schwer möglich war. Außerdem Etat und der Chinavorlage, unter dem Eindruck der letzteren stand ja die ganze erste Sessionshälfte, wurde der Reichstag in der nunmehr unterbrochenen Session mit einer ganzen Anzahl von Vorlagen beschäftigt, deren Erledigung viel Zeit und Arbeit erforderte. Unter den angekündigten Entwürfen konnte der Gesetzentwurf einer Seemannsordnung, der schon aus der vorigen Tagung herübergenommen worden war, auch in der gegenwärtigen nicht erledigt werden, so daß die Seemannsordnung in zweiter und dritter Lesung den Reichstag im kommenden Winter noch beschäftigen wird. Dagegen gelangten die auch bereits in der Thronrede angekündigten Entwürfe über das Urheber- und Verlagsrecht, den Verkehr mit Wein, das Privatversicherungswesen, die Unfallfürsorge für Beamte und Personen des Soldatenstandes zur Verabschiedung. Entsprechend den gelegentlich der Chinadebatten erhobenen Forderungen, hat die Regierung im Verlauf der Session mit anerkennenswerter Bereitwilligkeit und Schnelligkeit einen Gesetzentwurf über die Fürsorge der Kriegsinvaliden und ihrer Relikten eingebracht, der zur Ge- nugthuung des ganzen deutschen Volkes vom Reichstage einstimmig angenommen wurde.
Unerledigt blieb infolge der Vertagung des Reichstags das Süßstoffgesetz, während das Schaumweinsteuergesetz noch im Laufe des Dienstag verabschiedet werden soll, so daß es bereits am 1. Juli in Kraft treten könnte. Geschieht dies, dann würden die von Frankreich erhobenen Drohungen eines Zolles aus deutsches Bier hinfällig. Der Gesetzentwurf über die Branntweinsteuer konnte in der Fassung der Regierungsvorlage nicht mehr zur Erledigung gelangen. Hals über Kopf wurden das Handelsprovisorium mit England, die Zollrepressalien mit Haiti erledigt, während die Angelegenheit des Bahnbaues Darasalaam-Mrogoro bis zum Winter vertagt wurde.
Von Gesetzentwürfen nach Initiativanträgen des Hauses gelangten die über die Zahlung von Tagegeldern und über die weitere Ausgestaltung der Gewerbegerichte zur Annahme. Der Diätenantrag hat jedoch auf Annahme durch den Bundesrat auch diesmal nicht zu rechnen, trotzdem er wiederum im Reichstage mit einer sehr großen Majorität beschlossen wurde. Der Toleranzantrag des Eentrums ist durch die Vertagung bis zum Winter zurückgestellt worden.
Die wichtigsten Interpellationen, welche in dem verflossenen Sesstonsabschnitt zur Besprechung gelangten, betrafen den abschlägigen Bescheid an den Präsidenten Krüger, die Kaiserreise nach London, die 12 000 Mark-Affaire des Reichsamts des Innern, die internationale Konstellation in Ostasien, die Entschädigung der aus Transvaal ausgewiesenen Deutschen, das Unglück in Griesheim re.
An großen Tagen hat es dem Hause, das leider auch in der verflossenen Periode wieder durch chronische Beschlußunfähigkeit glänzte, also nicht gefehlt. Ob der große Zug in den Verhandlungen eingetreten ist, den man vielfach von dem Eingreifen des neuen Reichskanzlers und preußischen Ministerpräsidenten Grafen Bülvw erwartete, ist freilich eine andere Frage. Im Großen und Ganzen wird man das Eingeständnis nicht unterdrücken können, daß auch die abgelaufene Sessionsperiode nicht im Stande gewesen ist, das Ansehen des Reichstags zu heben. Daran tragen zum Teil gewiß die Kanalverhandlungeu in Preußen Schuld, die den Reichstag in der Zeit nach Ostern bis zur Ministerkrise erheblich in den Hintergrund drückten, auch die Chinawirren, der südafrikanische Krieg und manche wichtige innerpolitische Ereignisse zogen das Interesse mehr als sonst von den Reichstagsverhandlungen ab. Das Ansehen des Reichstags kann nur durch die Abgeordneten gewahrt und gehoben werden. So lange diese nicht dafür sorgen, daß stets ein beschlußfähiges Haus zur Stelle ist, so lange wird es mit der Autorität des Reichstags nicht auf-, sondern abwärts gehen.
Dstttsstzev Reichstag.
ss Berlin, 11. Mai. Der Antrag wegen Vertagung des Reichstags bis zum 26. November wird in einmaliger Lesung debattelos angenommen, desgl. der Nachtragsetat
und die Novelle betr. das Flaggenrecht der Kauffahrteischiffe in 1. und 2. Lesung debattelos genehmigt. Dann werden Rechnungssachen erledigt. Es folgt die erste Beratung des Gesetzes betreffend die Handelsbeziehungen mit England. Levetzow (kons.) erklärt, die Konservativen würden ihre Bedenken gegen die Vorlage jetzt nicht geltend machen und für die Vorlage stimmen. Münch-Ferber führt aus, die Nationalliberalen würden dem Handelsprovisorium zustimmen mit Rücksicht auf die frühere eingehende Besprechung und darauf, daß die Handelsverträge ja doch alsbald ablaufen. Abg. Bachem (Ztr.) schließt sich dem Vorredner an. Pachnicke (Fr. V.) stimmt ebenfalls ohne Bedenken zu, da die Aufrcchterhaltung des Provisoriums und der Abschluß eines neuen definitiven Vertrags im Interesse aller Beteiligten liege. Tiedemann (D. R.) schließt sich Levetzow namens der Reichspartei an. Müller-Sagan tritt Pachnicke bei. Darauf wird ein Schlußantrag angenommen und der Entwurf in 1. und 2. Lesung in der Fassung der Regierungsvorlage genehmigt. Es folgt die 1. Beratung der Verordnung betr. einen Zoll auf Blauholz und einen Zollzuschlag aus Kaffee und Kakao aus Haiti. Dieselbe wird durch Kenntnisnahme erledigt, ebenso in 2. Lesung.
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Kammer der Abgeordneten.
* Stuttgart, 9. Mai. (41. Sitzung.) (Schluß.) Abg. Haußmann will beantragen, daß eine Kommission eingesetzt werde, die die Frage der Tarifreform und des Zeitpunktes erörtert. Ein Bedürfnis nach der preußisch-hessischen Gemeinschaft sei nirgends hervorgetreten. Allerdings bringe ein größerer Betrieb Vorteile; die preußische Rente sei deshalb bedeutender, weil Preußen billiger baue als das gebirgige Württemberg, nicht wegen der vereinfachten Verwaltung. Es stehen aber auch Nachteile gegenüber. Die Schablone wird in größtem Maße angewandt werden. Heute kann der Leiter der Eisenbahnen jede Station besichtigen und ist nicht nur aus die Akten angewiesen. Die Ausnützung des Wagenmaterials könne durch freie Vereinbarung mit den Nachbarstaaten gesteigert werden. Die persönliche Vertretung der Eisenbahnfragen würde bei einer preußischen Gemeinschaft wegfallen, man müßte sich nach Berlin wenden. Die Reichsverfassung sei noch nicht ausgeführt, die Bundesregierungen seien verpflichtet, die notwendige Einheit im Verkehr herzustellen; die Konkurrenz der Bahnen untereinander widerspreche dem Gesetze gegen den unlauteren Wettbewerb. Bei der Gemeinschaft hätten wir nichts hineinzureden. Wir hätten keine Tarifreform zu erwarten, dürften keine Züge einlegen, keine Bahnhofbauten vornehmen, keine Gehaltserhöhung beschließen, keine Nebenbahnen bauen als vielleicht aus eigene Kosten. Die preußischen Eisenbahnbeamtenstellen sind eine Ablagerungsstätte für preußische Offiziere geworden. Wenn wir vor zehn Jahren eingetreten wären, welche Vorteile hätten wir gehabt? Alle die Fortschritte, die wir gemacht haben, wären ausgeblieben. Ist es nicht eine Thorheit, eine Gemeinschaft mit denen anzustreben, die völlig andere Grundsätze haben? Dazu kommen die politischen Erwägungen. Wir schädigen Deutschland nicht, wenn wir an unserer Eisenbahnselbständigkeit festhalten. Ist es aber richtig politische Interessen um Geld hinzugeben ? Sollen wir mit unfern Rechten aus den Markt treten? Die ganze preußisch-württembergische Gemeinschaft würde nicht zur Reichseisenbahn führen, sondern Preußen stärken. Auch haben wir ja im Reiche nicht den Einfluß, den wir besitzen sollten; wie oft können wir vom Minister- tische die Versicherung hören: „Sie überschätzen unfern Einfluß in Berlin." Redner kritisiert nun den deutschparteilichen Antrag als widerspruchsvoll. Man wolle die Verwaltung an Preußen ausliesern, glaube aber, daß damit die Erhaltung einer württembergischen Selbständigkeit auf dem Berkehrsgebiet vereinbar sei. Das komme ihm vor, als wenn ein Mann seiner Frau den Hausschlüssel ausliefere „ohne Beeinträchtigung seiner Rechte". (Heiterkeit.) Was die Tarifreform anlangt, so müssen wir gerade jetzt Differenzen vermeiden, wir werden solche wegen des Zeitpunktes nicht aufkommcu lassen. Die Kommission möge sich mit der Frage beschäftigen. Er wolle den 2-Pfennig-Tarif und den Wegfall der Schnellzugszuschläge. Wir handeln so zugleich im nationalen Interesse. Daß die Volks- Partei nicht partikularistisch ist, beweist ihre Haltung in der Frage des Postetats. Redner macht nun die Mitteilung von dem Antrag Galler betreffend die Einheitsmarke. (Beifall.)
— 10. Mai. (42. Sitzung.) Bei Fortsetzung der Generaldebatte zum Eisenbahnetat ergriff Staatsminister Frhr. v. Soden das Wort, um ans die Ausführungen des Abg. Haußmann zu antworten. In der Frage der preußischen Gemeinschaft werde auf die Anträge das Staatsministerium Stellung zu nehmen haben. Nach seiner persönlichen Ansicht sei es ausgeschlossen, daß Württemberg in die preußisch -
hessische Gemeinschaft eintrete, weil die Einbuße an wirtschaftlicher und politischer Selbständigkeit durch die finanziellen Vorteile nicht ausgewogen würde. (Sehr gut! Beifall!) Ob sich nicht eine Vertragsform finden ließe, die uns dieselben Vorteile, aber weniger Opfer brächte, sei eine Frage, zu der er nicht Stellung zu nehmen brauche. Andere mögen eine solche Form suchen und sie der Regierung in Vorschlag bringen. Am sympathischsten wäre ihm eine Gemeinschaft des Reichs und es wäre erfreulich, wenn Frhr. v. Wöll- warth sein agitatorisches Talent hierauf richten wollte. Die in der Kommission mitgeteilten Berechnungen seien rein privater, informatorischer Natur, als solche aber beinahe seine Pflicht gewesen. Hätte er diese Zahlen geheimgehalten, so hätte das nur Mißtrauen erregt. Bezüglich der Tarifverbilligung könne man nicht übersehen, daß man in einer gewissen wirtschaftlichen Krisis stehe. Vorsicht sei um so mehr geboten, als etwa entstehende pekuniäre Nöten nur Wasser auf die Mühle der preußischen Gemeinschafts-Freunde wären. Gegen die Einsetzung einer Tarifkommission habe er gar nichts, sie werde dazu beitragen, daß die Kammer sich der Schwierigkeiten und der Verantwortung einer Tarif- Herabsetzung mehr bewußt werde. Prälat v. Sandberger erklärte sich gegen den Mehrheitsantrag, weil derselbe der künftigen Entwicklung zu einem einheitlichen deutschen Verkehrs- gebiet hin einen Riegel vorschiebe und machte gegen den sozialdem. Antrag (Reichsbetriebsgemeinschaft) geltend, daß die Zeit hiefür Wohl vorüber sei. Die Gemeinschaft mit Preußen wäre aber jedenfalls eine Etappe zu diesem Ziel, der Gedanke lasse sich nicht mehr einfach abweisen und begraben. Nicht der Profit, sondern hohe volkswirtschaftliche Interessen seien für die Minderheit bestimmend. Zum Schluß warnte der Redner ernst vor gewagten Verbilligungsexperimenten. Hildenbrand erklärte sich namens der Sozialdemokraten gegen 4. Klasse und preuß. Gemeinschaft, trat für eine Reichsbetriebsgemeinschaft als zu erstrebendes Ziel ein und entwickelte einen Plan, wie durch Herabsetzung der württ. Tarife die süddeutschen Nachbarstaaten und zuletzt auch Preußen in eine solche Reichsgemeinschaft hineingezwungen werden könnten. Staatsrat v. Balz: Wenn man die jugendlich frische Begeisterung des Vorredners gehört habe, so möchte man glauben, daß es ein ganz einfaches Ding sei, zu einer Verkehrseinheit zu gelangen; allein so einfach sei die Sache denn doch nicht und er glaube, daß der Vorredner sich einer großen Schwärmerei hingebe. Die Zauberformel für dieses Ziel erblicke der Vorredner im 2 Psg.-Taris, aber welche Wirkung die Einführung desselben hätte, das wisse ja niemand und gerade darüber gehen die Meinungen soweit nur möglich auseinander. Wenn dieser Tarif, was mit ziemlicher Sicherheit erwartet werden müßte, einen Einnahmeausfall für den Anfang zur Folge hätte, so würde er seine werbende Kraft bei den andern Staaten bald einbüßen und ins Gegenteil Umschlägen. Daß etwas geschehen müsse, darüber sind wir alle einig und er glaube auch, daß durch die vom Abgeordneten Haußmann beantragte Tarifkommission sich immerhin etwas erreichen lassen werde. Wer den Fahrplan aus den 80er oder 90er Jahren ansehe, könne nicht sagen, daß die Verwaltung ans die Anregung des Hauses nicht eingegangen sei. llnser Sonntagsverkehr könne sich neben dem der anderen Staaten auch ganz gut sehen lassen, jedenfalls sei es nicht angezeigt, ihn durch Preisermäßigungen noch zu steigern, denn mir den vorhandenen Betriebsmitteln könnte eine namhafte Steigerung des Verkehrs nicht mehr bewältigt werden. In der Vermehrung der Arbeiterzüge sind wir so weit als möglich gegangen. Er sei überzeugt, daß wir aus dem Arbeiterverkehr kaum die Selbstkosten herausbringen. Der Kilometer in 3. Klasse kostet für gewöhnliche Passagiere 3,4 Pfg., für Arbeiter aber 1 Pfg. Im letzten Jahre allein sind mindestens 20 neue Arbeiterzüge eingelegt worden. In der Entwicklung des Personenverkehrs sind wir nicht zurückgeblieben, im letzten Jahr allein hat er sich um 9 Prozent gesteigert. Das Verlangen nach Einführung der 4. Klasse sei nicht von der Regierung ausgegangen und zur Zeit sei eine Stimmung für die 4. Klasse überhaupt nicht vorhanden. Der Regierung falle es deshalb auch gar nicht ein, der Frage näher zu treten. Die Frage der Ermäßigung des Nahverkehrs lasse sich unabhängig von der Frage der Einführung der 4. Klasse erledigen; denn wenn an eine Ermäßigung der Tarife im Nahverkehr gedacht werden könne, so werde dafür nur der 2 Pfg.-Tarif in Betracht kommen können. Im inneren württembergischen Verkehr ließen sich die Wagen 1. Klasse entbehren, nicht aber im internationalen Durchgangs-Verkehr. Jetzt schon sei im inneren Verkehr die 1. Klasse aufs allernötigste beschränkt und wenn man auf diesem Wege fortfahre, so werden wir in Württemberg bald dahin kommen, daß mau nur noch 2. und 3. Klasse, oder weil es sich so besser macht, I. und 2. Klasse fahren wird.