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^S 286 . Amts- Md Anzeigeblatt für den Oberamtsbezirk Calw. 86 . Jahrgang.
Erscheinungslage: Montag, Dienstag, Mittwoch, Donnerstag. Freitag und Samstag. Jnsertionspreis 16 Pfg. pro Zeile für Stadt u. BezirkSorte; außer Bezirk 12 Pfg.
Mittwoch, den 6. Dezember 1911.
Bezugspr. i. d. Stadt V^jährl. m. Trägerl. Mk. 1.25. PostbezugSpr. f. d.Orts-u.Nachbarortsverk. ^jährl. Mk. 1.20, im Fernverkehr Mk. 1.30. Bestellg.in Württ. 3OPfg., in Bayern u. Reich 42Pfg.
sekretär von Kiderlen-Wächter, Dr. Lisco und Wahnschaffe. Gegenstand der Beratung ist das deutsch-französische Abkommen betr. Marokko und Aequa- torialafrika. Hierzu liegen vor ein Antrag des Zentrums betr. Aenderung des Schutzgebietgesetzes, ein Antrag der Nationalliberalen auf Vorlegung eines Gesetzes über die Form von Erwerb und Veräußerung von Schutzgebieten sowie ein Antrag der Fortschrittlichen Volkspartei auf Vorlegung eines Gesetzes betr. Mitwirkung des Reichstages bei Erwerb und Abtretung eines Schutzgebiets. Berichterstatter ist Frhr. v. Hert- ling. Reichskanzler v. Bethmann- Hollweg: Die verbündeten Regierungen stimmen dem Entwurf auf Aenderung des Schutzgebietsgesetzes zu. Der wahre Grund der geringen Aktivität der Regierung lag in den Schwierigkeiten der Verhandlungen. Die leidenschaftliche Erregung, die durch das Dazwischenkommen Englands hervorgerufen wurde, legte uns Reserve auf, die allerdings für das deutsche Volk eine schwere Geduldsprobe war (sehr richtig): hätten wir nicht geschwiegen, wie es verlangt worden ist, dann hätten wir uns den Weg zur Einigung verbarrikadiert. Wir mußten auf die Erregung in Frankreich Rücksicht nehmen. Bei unserer Zurückhaltung mußte, wie wir vorausgesehen haben, die Stimme im eigenen Lande immer erregter werden. Das war schwer für uns, aber wir mußten es auf uns nehmen. Hätte ich vorausgesehen, daß England während unserer Kommissionsverha'ndlungen Stellung nehmen würde zu unseren Erklärungen, dann hätte ich mit der Publikation nicht länger gewartet. Die Erklärung der englischen Minister sind in versöhnlichem Tone' gehalten. Der englische Minister des Aeußern hat offen erklärt, daß die Einsendung des Panther Besorgnisse erregt habe, während das Vorgehen Spaniens und Frankreich in Marokko anscheinend keine Besorgnisse hervorgerufen hat. Während der Verhandlungen stand Frankreich in intimem Austausch der Ansichten mit England. Wie England da Besorgnisse haben konnte, ist mir nicht klar. Hätte England bei uns angefragt, dann hätte ich seine Besorgnisse zerstreut. Das Schweigen vom 4. bis zum 21. Juli, das Deutschland vorgeworfen wurde, war beiderseitig (hört! hört!). Durch unseren Botschafter ist England erklärt worden, daß Deutschland nicht die Absicht habe, Marokko mit Spanien und Frankreich zu teilen. In der Aeußerung der englischen Regierung, daß die Besorgnisse wegen der Entsendung des Panther bezüglich Beeinträchtigung der englischen Interessen habe, konnte keine Anfrage erblickt werden. Außerdem hatte der deutsche Botschafter in London erklärt, daß Deutschland nicht daran denke, englische Interessen in Marokko beiseite zu schieben. Die eingetretene Spannung der Situation wäre vermieden worden, wenn unserer Erklärung vom 1. Juli mehr Glauben geschenkt worden wäre und wenn die Periode des Schweigens
TageSireuistkeiteit.
(?o Calw 5. Dez. Wie wir bereits berichteten, wurde vor einigen Tagen hier eine Sanitätskolonne gegründet. Es ist sehr erfreulich, wie herzlich diese neue Einrichtung, die ihre ganze Kraft in den Dienst der öffentl. Wohlfahrt stellt, in allen Kreisen der Bürgerschaft ausgenommen wird. Natürlich fehlt es dem Unternehmen trotz des reichlichen Zuschusses der Stadtverwaltung und des in Aussicht gestellten Beitrages der Amtskorporation erheblich an Mitteln. Um nun zu dem Gelingen des löblichen Werkes beizutragen, hat sich eine Anzahl Damen und Herren der hiesigen Gesellschaft vereinigt und wird am nächsten Samstag abend im badischen Hof eine Wohltätigkeitsvorstellung geben, deren Ertrag der Sanitätskolonne zufließen soll. Die Mitwirkenden sind größtenteils dieselben, die uns am Blumentag mit der Aufführung der Posse Lot.s Frau einen großen Genuß geboten haben. Nach dem damaligen Erfolg' hat man sich einen schönen Abend zu versprechen und wir wünschen den unternehmenden Spielern ein volles Haus.
BadTeinach 5. Dez. Die Wahlbeteiligung bei der diesjährigen Gemeind eratswahl war diesmal eine außerordenlich rege; von 70 Wählern stimmten 67 ab, die 3 Fehlenden waren ortsabwesend. Gewählt wurde das seitherige Eemeinderatsmitglied, Eemeinde- pfleger Fuchtmann, ferner neu gewählt Apotheker Karl Käfer. Noch weitere Stimmen erhielten Karl Siegel 29 und Georg Roller 26. Die übrigen Stimmen zersplitterten sich.
Mergenrheim 5. Dez. Auf der Nebenbahn Weikersheim-Ereglingen fuhr infolge eines Mißverständnisses der zweite Frühzug aus Greglingen vorzeitig ab. In Klingen angekommen, wurden Zugmeister und Schaffner vermißt. Dem Lokomotivführer blieb nicht anderes übrig, als mit dem Zügle nach Greglingen zurückzufahren und die dort harrenden abzuhdlen. Weiterer Schaden ist nicht entstanden, denn die Ankunft in Weikersheim erfolgte pünktlich.
Frauental O.-A. Mergentheim 5. Dez. Einen seltenen Fund machte der Postagent Bruder auf seinem Bestellgang. Er fand, auf dem Wege liegend, ein offenes Couvert ohne jede Aufschrift, das aber nicht weniger als 15 000 Mark in Papiergeld enthielt. Der Finder brachte es sofort in seiner Wohnung unter, um es nach beendigtem Dienst dem Schultheißenamt zu übergeben. Bald jedoch meldete sich auch schon der Eigentümer. Handelsmann H. aus Aub war kurz zuvor durch den Ort gefahren und der Steige wegen außerhalb des Ortes aus seiner Chaise gestiegen, wobei ihm unbemerkt das Couvert aus der Tasche fiel. Vor Freudenbach gewahrte zu seinem nicht geringen Schrecken der Handelsmann seinen Verlust. Er fuhr in scharfem Tempo zurück und traf mit dem
Postagenten zusammen. Dieser fragte ihn nach der Ursache seiner Aufregung und konnte alsbald nachher dem erschrockenen Mann sein wertvolles Couvert wieder aushändigen. Der so rasch zu seinem Gelde gekommene Handelsmann griff in seinen Geldbeutel und gab großmütig dem ehrlichen Finder sage und schreibe eine Mark Finderlohn.
Herbrechtingen 5. Dez. (Einbrecher.) Ein erst kürzlich aus dem Gefängnis entlassener Mann versuchte im Hause des Maurermeisters Keck hier einzubrechen. Er versteckte sich in einem Kasten, konnte aber seine Kleider nicht ganz zurückziehen, wodurch er verraten wurde. Während die Frau um Hilfe schrie, sprang der Eindringling zum Fenster hinaus auf die Gasse und verschwand. Er wurde aber erkannt und wird wohl bald wieder hinter Schloß und Riegel sein.
B e r l i n 5. Dez. (Reichstag.) Am Bundesratstische die Staatssekretäre Delbrück und Wermuth. Präsident Graf Schwerin-Löwitz eröffnet die Sitzung um 10.20 Uhr. Ohne Debatte werden zunächst Petitionen und Rechnungssachen erledigt. Hierauf wird die zweite Lesung des Gesetzentwurfes betreffend die Eisenbahnbauten im Ostafrikanischen Schutzgebiete beendet und der Entwurf auch in dritter Lesung angenommen. Ebenfalls in dritter Lesung erledigt wird der Handels- und Schiffahrtsvertrag mit Japan. Auch der Vertrag mit England betreffend die gegenseitige Auslieferung von Verbrechern wird in dritter Lesung angenommen, desgleichen die Vereinbarung mit Japan über das Konsulatswesen, ferner das Gesetz über die Handelsbeziehungen zum britischen Reiche. Das Hausarbeitsgesetz wird in dritter Lesung mit einem Antrag Becker-Arnsberg (Ztr.) angenommen, folgenden Paragraph 17 n einzufllgen: Der den Hausarbeitern gewährte Unterhalt ist Vergütung für Arbeit oder Dienste, die auf Grund eines Arbeitsoder Dienstverhältnisses geleistet werden und darum im Sinne des Gesetzes betreffend die Beschlagnahme des Arbeits- oder Dienstlohnes. —- Ohne wesentliche Debatte wird sodann die Gewerbeordnungsnovelle und das Gesetz betreffend die Aufhebung des Hilfskassengesetzes endgiltig angenommen.
Nach einer längeren Eeschäfsordnungs- debatte tritt das Haus nunmehr in die dritte Lesung des Privatbeamtenversicherungsgesetzes ein. Abg. Hoch (Soz.): Die Trennung der Angestelltenversicherung von der Arbeiterversicherung ist unbegründet. Trotz seiner Mängel hat das Gesetz wichtigen, grundsätzlichen und praktischen Wert. Damit schließt die Generaldebatte. Präsident Graf Schwerin-Löwitz eröffnet nach zweistündiger Pause die unterbrochene Sitzung um 1.30 Uhr. Am Bundesratstisch Reichskanzler von Bethmann- Hollweg, die Staatssekretäre Dr. Delbrück, Wermuth, Dr. Solfs, Staats