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von Stadt und Amt Nagold.

Am Mittwoch den 20. Dezember findet i« unserem Bezirk eine Ersatzwahl sür den Landtag statt. Dem Drängen meiner Freunde Md zahlreicher Wähler nachgebend, habe ich mich entschlossen, eine Kandidatur für den Landtag anzunehmen. Leider ist es mir bei der Kürze der Zeit nicht mehr möglich, mich den Wählern per­sönlich vorzustellen.

Die Grundsätze, die mich, für den Fall die Mehrheit der Wähler mir ihr Vertrauen zuwenden wollte, leiten würden, sind folgende:

Ich trete ein:

für die Umgestaltung der Zweiten Kammer in eine reine Wolkskammer;

für gleiches Wahlrecht aller Staatsbürger, ohne jedes Vorrecht der Geburt, des Standes oder des Berufes.

Me Lebenslängttchkeit der HrLsvorsteHer ist abzuschaffen.

Für dringend geboten erachte ich eine Verbesserung des gesamten Steuerwefens. Einheitliche, gerecht abgestufte Progressivsteller, welche die Erträgnisse des Kapitals höher heranzieht als die des Berufs, die Mitverstenerung der Pfandschulden beseitigt und die Abschaffung oder Verringerung des Umgeldes gestattet. Hinsichtlich der steuerfreien Einkommen eine bewegliche Grenze, entsprechend der Zahl der unmündigen Kinder der Steuerpflichtigen.

Die völlige Abschaffung der Hrund-, Hebäude- und Gewerbesteuer in thunlichster Bälde und Ersatz derselben durch eine progressive Einkommens-, Vermögens- und Erbschaftssteuer, ist anzustreben.

Ich trete ein für entschlossene Maßregeln zur Erhaltung eines leistungsfähigen bäuerlichen und gewerblichen Mittelstandes und insbesondere sür Verschonung desselben von neuen Steuern und Lasten. Selbsthilfe und Staatshilfe müssen Zusammenwirken, um die bäuerliche Bevölkerung aus der jetzigen schwierigen Lage zu befreien.

Insbesondere erheischt die schwere Zeit für die Landwirtschaft: Förderung des ländlichen Genossenschaftswesens, Begünstigung ländlicher Kreditkasssn behufs unparteiischer Gewährung von Betriebskapital mit niederem Zinsfuß zur Verhütung wucherischer Ausbeutung. Planmäßige Hebung der Vieh- und Pferdezucht. Frachtvergünstigung für Hilfsmittel der heimischen Landwirtschaft, insbesondere Dung- und Kraftmittel.

Vereinfachte Bauordnung zur Verminderung von Umständlichkeiten und Kosten bei landwirtschaftlichen Bauwesen.

Raschere Auszahlung der Entschädigung bei Brandsällen durch die Gebäudebrandversicherung.

Schutz gegen Seuchenverschleppung, aber ohne schroffe Absperrungsmaßregeln im Innern (Marktverbot, Transpottverbot, Stallsperre rc.) und ohne unnötige Erschwerung der Zucht-, Nachstellungs- und Milchvieh-Einsuhr.

Umfassende militärische Beurlaubungen während der Erntezeit zur Verminderung der Leutenot.

Nichteinzug der Mannschaften des Beurlaubtenstandes während der Zeit dringender Feldgeschäfte.

Den Bedürfnissen des Geroerbestnrides bringe ich, selbst ein Gewerbetreibender, volles Verständnis entgegen.

Das Kleingewerbe ist im Kampf gegen den Großkapitolismus durch geeignete Maßnahmen zu stärken.

Ich werde eintreten für alle Bestrebungen, die in genossenschaftlicher Vereinigung der Berufsintereffen Einwirkung aus gemeinsamen Ankauf von Rohmaterialien, Beschaffung billigen Kredits bezwecken. Unverzögerte Auszahlung der Handwerker und Gewerbetreibenden bei Staats- und Ge- meindeausträgen ist zu verlangen, um ein ungesundes Borgsystem zu vermeiden.

Jur Entlastung öer Gemeinden trete ich ein für Ueberuahme der Schul- und Straßeulaste» auf de« Staat uud Erleichterung der Armeulaste«.

Im Staatshaushalt ist thuulichste Sparsamkeit zu üben.

Der WolksfctzulUNterricHt ist zu heben und zu reformieren. Unentgeltlichkeit des Unterrichts. Bezirksschulaufsicht durch geprüfte und erfahrene Schulmänner ist zu fordern.

Ich trete ein sür Förderung aller berechtigten Arbeiter-Jnteressen.

Ich trete ein für eine -nvehgrreifen-e Refsvin nnsever Eisenbahnroesenr nach dem Grundsatz fortschreitender Verbilligung des Personen- und Gütertarifs. Ich erwarte von der Eisenbahnreform einen günstigen Einfluß auf die Entwicklung des landwirtschaftlichen Genossenschafts­wesens. Dem Landtag ist ein Einfluß auf die Tarifreform und Tarifbildung einzuräumen.

Ich stehe aus dem Boden der -entsetzen Einheit unter voller Wahrung der Selbständigkeit wnvtteinbevg».

Als obersten Grundsatz eines Abgeordneten erachte ich: Die Interessen ilstkk Bezirksangehörigen gleichmäßig zu vertreten.

Keine Bevorzugung und keine Benachteiligung eines einzelnen Standes.

Gleiches Recht für Alle!

rrngsld, Mitte Dezember 1899.

Oäll Höioliölt, Siigwerkbesttzer.