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Samstag, 3. Juni
Bekanntmachungen aller Art finden die erfolgreichste Verbreitung.
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1899.
Erscheint Dienstag,
Donnerstag, SamStag und Sonntag «it derGrariS-Beilage .Der SonntagS-
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BestellpreiL pro Quartal i« Bezirk Nagold
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Nr. 83. j
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Die von der Reichstagskommission beschlossenen Bestimmungen über den zwangsweisen Ladenschluß für offene Geschäfte um 9 Uhr unter allen Umständen haben im deutschen Reiche nicht gerade angenehm berührt. Der Reichstag ist oft genug um Schutz angerufen worden gegen das, was vom grünen Tisch her in Vorschlag gebracht wurde; diesmal wird aber an den grünen Tisch appelliert, er möge den Uebereifer der Reichstagsherren dämpfen. Die Kommission hatte bekanntlich beschlossen: um 9 Uhr müssen alle Läden geschlossen sein; sie können auf Antrag einer entsprechenden Zahl von Branchemitgliedern auch schon um 8 Uhr zugemacht werden. Jeder Prinzipal wünscht seinen Leuten und sich sein« Ruhe, da aber zum großen Bedauern der zeitgenössischen Prinzipale weder Ladenmiete noch Geschäftsunkosten gesetz- lich festgelegt werden können, so sollte doch eigentlich dem Willen und der Einsicht der Geschäftsleute überlassen bleiben, zu handeln, wie sie handeln müssen, um ihren Verpflichtungen getreu nachzukowmen. Sonntags war schon die Beschränkung der Geschäftszeit mit Hindernissen und mit oft recht empfindlichen Verlusten verknüpft; an Wochentags-Abenden aber ist die Beschränkung des Erwerbs einfach ein Unding.
Die Kommission des Reichstages faßte diesen schönen Beschluß, der Tausenden von deutschen Reichsbürgern vorschreiben will, jetzt hast du zu arbeiten, jetzt feierst du! Ob es wohl ein Unglück ist, wenn ein Kaufmann, der an schönen Sommerabenden in seiner Ladrnthür steht, noch irgend einen Gegenstand verkauft? Was würden wohl die Herren im deutschen Reichstage sagen, wenn man nun auch einmal von ihnen so etwas verlangte, was Arbeitsplan heißt? Leer genug sieht es ja für gewöhnlich im Sitzungssaale aus, und wenn ei» Gesetz über Regulierung der Arbeitszeit angebracht wäre, so wäre es für keinen Geringeren nötig, als eben für den hohen deutschen Reichstag. Da wird freilich gesagt werde»: Wir haben keine Diäten! Aber Pflichten wiegen genau so, wie bare Einnahmen. Und ob jeder Kaufmann abends auf klingenden Verdienst wartet und nickt viel mehr als seine Pflicht es erachtet, seinen Kunden bereit zu stehen, wenn er eben nichts besseres vor hat. Im Reichstag wird oft von Diäten gesprochen! Wie viel Gefälligkeiten übernimmt aber willig ein Kaufmann ohne Gegenleistungen und ohne jeden Dank! Daß doch noch immer viel zu wenig praktische Leute im Reichstage sind, merkt man an dieser Sache.
Es ist nun ein überaus heikler Punkt zu berühren, aber auch das muß geschehen. Niemand deukt daran, d'e Restaurationen um 8 Uhr oder 9 Uhr abends zu schließen, denn der deutsche Bürger muß seine Erholung und seine Unterhaltung haben. Wir wollen nicht daran gerüttelt wissen, daß Jedermann getrost am Abend sein Glas Bier trinken kann, aber sind die Restaurationen nicht auch offene Geschäftslokale, sind nicht vielleicht der Restaurateur und seine Leute viel mehr angegriffen, als andere Geschäftsleute, in Folge der Thätigkeit bis in die Nacht hinein? Man kann doch fest davon überzeugt sein, daß jeder Restaurateur herzlich gern um 9 Uhr abends sein Lokal schließen wird, wenn er bis dahin dasselbe Geld verdient. Darauf hat der Mann seinen Anspruch! Also flott am Tage gekneipt, damit abends auch die Wirtshäuser pünktlich geschlossen werden können. Das klingt mehr wie komisch, ganz gewiß! Aber wenn den Kunden aller sonstigen Inhaber von offenen Geschäften gesagt werden soll, richtet Euch ein, daß ihr am späteren Abend nichts mehr zu kaufen braucht, denn die' Geschäftsleute und ihr Personal müssen ausruhen, weshalb soll das nicht von den Restaurateuren, ihrem Personal und ihren Kunden gelten?
Der gerühmte und berühmte Schutz des Ladenpersonals! Gewiß, es steht in Folge der scharfen Konkurrenz, besonders in den Großstädten, mit der Ruhezeit der Angestellten nicht besonders gut. Hier können und müßten die Prinzipale, wo es ihnen irgend möglich ist, auch mehr nachgeben. Aber die Sache hat auch eine Kehrseite, die wieder einmal die hohe Reichstagskommission zu übersehen für gut befunden hat. Womit fangen die Geschäftsleute, die nicht eine größere Zahl von Tausenden von Mark in Händen haben, ihren Betrieb an? Mit Konzessionen an das Publikum! Sie sind früh aus und gehen spät zu Bett, nehmen jeden Nickel gern mit, denn sie wissen, ihr Publikum wird sie empfehlen. Wir haben doch heute allen Grund, fleißigen Leuten die Erringung der eignen Existenz zu erleichtern, und gewiß keinen Grund, ihnen zu sagen, daß Arbeit und Fleiß eine Sünde sei.
Der Gesetzentwurf zum Schutz des gewerblichen Arbeitsverhältnisses
ist dem Reichstage jetzt zugegangen. Er lautet:
8 1. Wer es unternimmt, durch körperlichen Zwang, Drohung, Ehrverletzung oder Verrufserklärung Arbeitgeber oder Arbeitnehmer zur Teilnahme an Vereinigungen und Verabredungen, die eine Einwirkung auf die Arbeits- oder Lohnverhältnisie bezwecken, zu bestimmen oder von der Teilnahme an solchen Vereinigungen oder Verabredungen abzuhalten, wird mit Gefängnis bis zu einem Jahre bestraft. Sind mildernde Umstände vorhanden, so ist auf Geldstrafe bis 1000 Mark zu erkennen.
8 2. Die Strafvorschriften des § 1 finden auch auf Denjenigen Anwendung, welcher es unternimmt, durch körperlichen Zwang, Drohung, Ehrverletzung oder Verrufserklärung erstens zur Herbeiführung oder Förderung einer Arbeiteraussperrung Arbeitgeber zur Entlassung von Arbeitnehmern zu bestimmen oder an der Annahme oder Heranziehung solcher zu hindern, zweitens zur Herbeiführung oder Förderung eines Arbeiterausstandes Arbeitnehmer zur Niederlegung der Arbeit zu bestimmen oder an der Annahme oder Aufsuchung von Arbeit zu hindern, drittens bei einer Arbeiteraussperrung oder einem Arbeiterausstande die Arbeitgeber oder Arbeitnehmer zur Nachgiebigkeit gegen die dabei vertretenen Forderungen zu bestimmen.
§ 3. Wer es sich zum Geschäft macht, Handlungen der in 8 1, 2 bezeichnet«« Art zu begehen, wird mit Gefängnis nicht unter 3 Monaten bestraft.
8 4. Dem körperlichen Zwange im Sinne der 88 1—3 wird die Beschädigung oder Vorenthaltung von Arbeitsgerät, Arbeitsmaterial, Arbeitserzeugnissen oder Kleidungsstücken gleichgeachtet. Der Drohung im Sinne der 88 eins bis drei wird die planmäßige Ueberwachung von Arbeitgebern, Arbeitnehmern, Arbeitsstätten. Wegen, Straßen, Plätzen, Bahnhöfen, Wasserstraßen, Häfen oder sonstigen Verkehrsanlagen gleichgeachtet. Eine Verrufserklärung oder Drohung im Sinne der 88 eins bis drei liegt nicht vor, wenn der Thäter ein; Handlung vo^simmt. zu der er berechtigt ist, insbesondere wenn er befugter Weise ein ArbeitS- oder Dienstverhältnis ablehnt, beendigt oder kündigt, die Arbeit einstellt, eine Arbeitseinstellung oder Aussperrung fortsetzt, oder wenn er die Vornahme einer solchen Handlung in Aussicht stellt.
8 5. Wird gegen Personen, die an einem Arbeiter- ausstand oder einer Arbeiterausjperrung nicht oder nicht dauernd teilnehmen oder teilgenommen haben, aus Anlaß dieser Nichtbeteiligung eine Beleidigung mittels Thätlichkeit, eine vorsätzliche Körperverletzung oder eine vorsätzliche Sachbeschädigung begangen, so bedarf es zur Verfolgung keines Antrages.
8 6. Wer Personen, die an einem Arbeiterausstande oder einer Arbeiteraussperrung nicht oder nicht dauernd teilnehmen oder teilgenommen haben, aus Anlaß dieser Nichtbeteiligung bedroht oder in Verruf erklärt, wird mit Ge- fängnis bis zu einem Jahre bestraft — sind mildernde Umstände vorhanden, so ist auf Geldstrafe bis eintausend Mark zu erkennen.'
8 7. Wer an einer öffentlichen Zusammenrottung, bei der eine Handlung der in den Paragraphen 1 bis 6 be- zeichneten Art mit vereinten Kräften begangen wird teil- nimmt, wird mit Gefängnis bestraft, die Rädelsführer sind mit Gefängnis nicht unter drei Monaten zu bestrafen.
8 8. Soll in den Fällen der 88 1, 2, 4 ein Arbeiter- ausstand oder eine Arbeiteraussperrung herbeigeführt oder gefördert werden, und ist der Ausstand oder die Aussperrung mit Rücksicht auf die Natur oder die Bestimmung des Betriebes geeignet, die Sicherheit des Reichs oder eines Bundesstaates zu gefährden, oder eine gemeine Gefahr für Menschenleben oder für das Eigentum herbeizuführen, so tritt Gefängnisstrafe nicht unter 6 Monaten ein. Ist infolge des Arbeiterausstandes oder der Arbeiteraussperrung eine Gefährdung der Sicherheit des Reichs oder eines Bundesstaates eingetreten oder eine gemeine Gefahr für Menschenleben oder das Eigentum herbeigeführt worden, so ist auf Zuchthaus bis zu drei Jahren, gegen die Rädelsführer auf Zuchthaus bis zu 5 Jahren zu erkennen. Sind in Fällen des Absatzes 2 mildernde Umstände vorhanden, so tritt Gefängnisstrafe nicht unter 6 Monaten, für die Rädelsführer Gefängnisstrafe nicht unter einem Jahre ein.
8 9. Soweit nach diesem Gesetz eine gegen einen Arbeitgeber gerichtete Handlung mit Strafe bedroht ist, findet die Strasvorschrift auch dann Anwendung, wenn die Handlung gegen einen Vertreter des Arbeitgebers gerichtet ist.
8.10. Die Vorschriften diesesGesetzes finden Anwendung 1. auf Arbeits- oder Dienstverhältnisse, die unter den 8 152 der Gewerbeordnung fallen, 2. auf alle Arbeits- oder Dienstverhältnisse in solchen Reichs-, Staats- oder Kom- wunalbetrieben, die der Landesverteidung, der öffentlichen
Sicherheit, dem öffentlichen Verkehr oder der öffentlichen Gesundheitspflege dienen, auf alle Arbeits- oder Dienstverhältnisse in Eisenbahnunternehmungen.
8 11. Der 8 153 der Gewerbeordnung wird aufgehoben. 8
Die Begründung des Gesetzentwurfes besagt: Die Unzulänglichkeit des 8 153 der Gewerbeordnung habe sich immer fühlbarer herausgestellt. Die fortgesetzten Ausschreitungen bei gewerblichen Lohn- und Arbeitskämpfen und die dabei vorkommende Anwendung von Gewalt und Zwang machten es zur unabweisbaren Pflicht, die Freiheit des ArbeitSvertrages und das Selbstbestimmungsrecht gegen Terrorismus wirksamer als bisher zu schützen und im Interesse der Rechtsordnung und des öffentlichen Friedens das Uebel mit ausreichenden Mitteln einzudämmen. Die reichsgesetzlich gewährleistete Koalitionsfreiheit, soll Arbeitern und Arbeitgebern ungeschmälert erhalten bleiben.
* Alten steig, 2. Juni. Mittwoch abend hielt der Gewerbeverein im grünen Baum eine Versammlung ab zwecks Besprechung des Besuchs der Stuttgarter Ausstellung von Maschinen und Werkzeugen für das Kleingewerbe. Von den anwesenden Vereinsmitgliedern meldeten sich ca. 15, welche die Ausstellung besuchen wollen und können weitere Anmeldungen bis Donnerstag abend beim Vereinskassier, Hrn. Gerber Kempf, gemacht werden. Der Verein hat 90 Mk. als Reisebeitrag verwilligt und zwar L Person Mk. 3. —, wenn jedoch sich über 30 Teilnehmer anmelden, haben sich dieselben mit einem entsprechenden Teilbetrag zu begnügen. Der Besuch der Ausstellung soll am Samstag 10. Juni, stattfinden. — Für den Stenographiekurs haben sich bis jetzt leider nur 5 Teilnehmer gemeldet und ist eine weitere Anmeldung sehr wünschenswert.
* Vom Lande, 31. Mai. Für sehr viele ist es wichtig, eine authentische Antwort auf die Frage zu bekommen: Wer kann Rente bekommen? — Altersrente bekommt jede Person, welche das 70. Lebensjahr vollendet hat und durch Arbeitszeugnisse Nachweisen kann, daß sie vom 1. Jan. 1888 ab in jedem Jahr in mindestens 47 Wochen in versicherungspflichtiger Beschäftigung gestanden hat. — Invalidenrente bekommen Personen, welche entweder unheilbar also dauernd erwerbsunfähig sind, sofort vom Eintritt der Erwerbsunfähigkeit ab, oder heilbar erwerbsunfähige Personen, wenn sie ein Jahr lang ununterbrochen krank gewesen sind. In beiden Fällen muß nachgewiesen werden, daß seit 1. Januar 1891 bis dato mindestens 235 Wochen-Beiträge zur Jnvaliditäts- und Alters-Versicherung bezahlt worden sind. Krankheitswochen dürfen mit eingerechnet werden.
* „Ich warne Jedermann, meiner Frau etwas zu borgen." So und ähnlich lauten die Inserate, in denen ein vielgeprüfter Ehemann warnt, seiner Frau Kredit zu gewähren, da er für nichts aufkomme. Eine solche „Privat-Bekanntmachung" ist insofern recht bedeutungslos, als sie Haftung des Mannes für Schulden der Ehefrau, die sich auf den Haushalt beziehen nicht beseitigt. Hat die Frau trotz der Warnung in gewöhnlichen Haushaltungsgeschäften Waren oder Sachen auf Borg entnommen, so muß der Mann dergleichen Schuld als die Seinige anerkennen. Will er sich dagegen wirklich schützen, so muß er die Hilfe des zuständigen Amtsgerichts in Anspruch nehmen, welches dann eine bezügliche Bekanntmachung zur Verhütung künftiger Schulden dieser Art erläßt.
* Simmersfeld, 2. Juni. Den ersten Bienenschwarm in diesem Frühjahr erhielt in unserer Gegend Adam Blaich zur Schiltmühle und zwar bekam derselbe schon am 17. Mai «in junges Volk.
* Unterschwandorf, 31. Mai. Gestern wurde die
auf hiesiger Markung in dem Frhr. v. Kechlerschen Areal durch den landwirtschaftlichen Verein Nagold eingerichtete Jungviehweide eröffnet. Die Zahl der Tiere, die ausgenommen wurde, beträgt 80; davon entfallen ^ auf Vieh- besitzer im Nagolder und V» im Calwer Bezirk. Die Lage und Einrichtung der Jungviehweide finden allseitige Anerkennung bei den Landwirten. (N. T.)
* Calw, 1. Juni. Das bevorstehende Kaisermanöver wird dem hiesigen Bezirk starke Einquartierungen bringen. Am 26. und 27. August wird die 53. und 54. Brigade hier und in der Umgebung einquartiert werden. Die Garnisonen von Ulm und Weingarten werden im Divisionsverband von Herrenberg bis Calw manövrieren. Später erhalten wir Einquartierung vom Reichsland und vom badischen Armeekorps. Die Korpsmanöver sollen gutem Vernehmen nach bei Pforzheim stattfinden.
* Stuttgart, 31. Mai. Für die bevorstehenden Kaisermanöver sind umfangreiche Einberufungen, sowie ein