Erscheint Dienstag, Donnerstag, SamStag und Sonntag «it der GratiS-Beilage »Der Sonntag 8- Gast.«

Bestellpreis pro Quartal i« Bezirk Nagold 90 ^

außerhalb desselben

1 . 10 .

Ar. 81.

U

8

lg.Mlöl

MMblatt Mr

MlknM

AllgmeinessAWW

kMerhaltungsblatt

Man abonniert auswärts auf dieses Blatt bei den Kgl. Postämtern und Postboten.

Dienstag, 30. Mai

Bekanntmachungen aller Art finden die erfolg­reichste Verbreitung.

EinrückungSpreiS für Altensteig und nahe Umgebung bei einmaliger Ein­rückung 8 Pfg. bei mehrmal. je 6 auswärts je 8 Pfg. die Ispaltige Zeile oder deren Raum.

Verwendbare Beiträge werden dank­bar angenommen.

O,

1899.

Bestellungen

aufAus den Tannen" für den Monat Juni nehmen alle kgl. Postämter und Postboten entgegen.

An der Lehrschmiede der Kgl. Tierärztlichen Hochschule wird ein 12 Wochen dauernder Unterrichtskursus für Hufschmiede in der Zeit vom 3. Juli bis 23. September d. I. abgehalten werden. Hufschmiede, welche diese Gelegenheit zum Zwecke ihrer weiteren Ausbildung und der Berechtigung zur Ausübung des Hufschmiebgewerbes benützen wollen, haben sich bei genannter Stelle längstens bis zum 15. Juni zu melden. Näheres siehe diesbezügliche Bekanntmachung im .Sl.-Anz." Nro. 12g.

württeiitberrKifeherr L«rirdt«rs

Kammer der Abgeordneten.

* Stuttgart, 26. Mai. (46. Sitzung. Schluß.) Bei dem Titel Gewerbeinspektion ist eine Summe von Mk. 2000 für eine Gcwerbeassistentin eingestellt worden. Gröber bespricht einige Mängel der Berichte der Ge- werbeinspektoren. insbesondere deren Ungleichmäßigkeit, durch die manche Unklarheit geschaffen werde. Namentlich sei mißlich, daß die Erhebungen in so ungleichmäßiger Weise vorgenommen sind. Dadurch sei es recht schwer, allgemeine Schlüsse zu ziehen. Die Zahl der Revision habe abge- nommen und sei geringer als 1895, das rühre von dem Rückgang der Revision im zweiten Bezirk her, man sollte aber doch in diesem Teile eine Vermehrung der Revisionen erwarten. Leider sei die Zahl der jugendlichen Arbeiter und der beschäftigten Kinder gewachsen. Redner führt einige krasse Beispiele von Kinderarbeit auf. In Ulm waren von den Knaben der katholischen Volksschule 200/<>, von den Mädchen 10 , 7 °/« außerhalb der Schulzeit beschäftigt, teilweise mit zu langer Arbeitszeit und minimaler Bezahlung. In Ravensburg betrug in der katholischen Schule die Zahl der beschäftigten Knaben 24°/o, in Heidenheim waren es w der evangelischen Volksschule 20"/g Knaben und 28"/ Mäd­chen, in Giengen sogar 40°/« Knaben und 21,//g Mädchen, hier seien krasse Uebelstände eingerissen, die Kinder dürften nicht übermäßig beschäftigt werden. Man müßte mit Be- lehrungen Vorgehen, nötigenfalls auch mit Zwangsmaßregeln. Allerdings könne auf Grund der Gewerbeverordnung nicht vorgegangen werden, aber mit Hilfe des Artikels 32 des Pokzeistrafgesetzbuches, wonach die Polizei zur Verhütung von Gefahr und im Interesse von Leben und Gesundheit Verordnungen erlassen könne. Minister Pischek: Um die Revisionen vermehren zu können, sollen zwei neue Kräfte angestellt werden. Es komme auch nicht allein auf die Zahl der Revisionen an. Was die Kinderarbeit betreffe, so sei sie bedauerlich. Allein er bezweifle, daß man im Wege der Landesgesetzgebung Hilfe schaffen könne. Ander­seits würde die Regierung bemüht sein, beim Bundesrate für den Schutz der Kinder zu wirken. Der Minister erklärt, eS sei sein Bestreben, die möglichste Gleichartigkeit der Ge- werbeinspektionsbrrichte herbeizuführen und diese überhaupt zu vervollkommnen. Doch müsse die Herstellung der Be­richte vereint werden und gerade die Presse dränge auf die möglichst zeitige Herausgabe der Berichte. Die Verhandlung wird hier abgebrochen.

27. Mai. (47. Sitzung.) Fortsetzung der Beratung des Etats des Innern bei dem TitelGewerbe-Inspektion". Hähnle spricht sich zustimmend zu der Anstellung einer Assistentin aus und wendet sich gegen die Ausführungen GröberS hinsichtlich der Revisionen. Er hält diese für ge­nügend und mindestens für so gut wie in anderen Staaten. Die Abnahme der Revisionen der Inspektoren sei darauf zurückzuführen, daß ihnen die Kesselrevision abgenommen worden sei. Redner erwähnt, daß der Württ. Ingenieur- Verein sich gegen die obligatorische Prüfung der Heizer aus­gesprochen habe. Kloß tritt im Wesentlichen den Ausführ­ungen Gröbers bei. Er sei kein Freund von Polizeimaßregeln, er halte es aber für möglich, eine Ausbeutung der jugend­lichen Arbeitskraft zu verhindern, vielleicht schon auf Grund des Schulgesetzes. Es zeigt sich, wie notwendig die Aus­dehnung der Gewerbeaufsicht auf Hausindustrie und Klein­handwerk sei. Gegenüber Hähnle spricht sich Redner für Vermehrung der Revisoren aus. Die Vermehrung der assistierenden Beamten begrüßt er und wünscht, daß bei An­stellung der Assistenten auch praktische Arbeiter und Arbeiter­innen berücksichtigt würden, die doch die Verhältnisse am besten kennten. Dadurch werde man das Vertrauen der Arbeiter gewinnen. Rembold hebt hervor, aus den Be­richten ergebe sich, daß die Hausindustrie in einer alles Maß überschreitenden Weise zur Ausnützung der Arbeitskraft und zur Drückung der Löhne benützt werde. An der Hand der Jnspektionsberichte weist Redner nach, daß es notwendig sei, die Gewerbeinspektion auf die Hausindustrie auszudehnen. Es sei deshalb beim Bundesrate in dieser Richtung zu wirken.

Sachs ist für den Schutz der jugendlichen Arbeitskräfte. Gröber rechtfertigt nochmals seine Ausführungen und hält die Berechtigung der Landesgesetzgebung, den Schutz der Kinder durchzuführen, aufrecht; vielleicht sei das möglich, wie Kloß angedeutet habe, im Wege der Schulgesetzgebung. Wenn man sehe, daß Schulen bestehen, wo 40 Prozent der Schüler teilweise in übermäßiger Weise zur Arbeit heran­gezogen werden, so müsse man sagen, daß es Pflicht des Staates sei, Abhilfe zu schaffen. Vom Zentrum sind zwei Anträge eingelaufen; der erste ersucht die Regierung, ge­eignete Maßregeln zum Schutze der in Fabriken beschäftigten Schulkinder zu treffen, der zweite spricht sich für die Aus­dehnung der Arbeitrrschutzgesetzgebung auf die Hausindustrie aus. Eckard plädiert namentlich für die ganz notwendige Vermehrung der Jnspektionskräfte, indem er auf die erhöhten Aufgaben der Inspektoren hinweist. Auch die Arbeiter müßten Mitwirken, damit die Gewerbeinspektion wirklich das werde, was sie nach den Absichten des Gesetzgebers sein soll. Prälat v. Sandberger legt den schädlichen Einfluß der übermäßigen Kinderarbeit auf die Schule dar. Uebrigens strenge auch die Landwirtschaft zum Teil die Kinder über­mäßig an. Gegen eine Einschränkung der Hausindustrie hat der Redner Bedenken, der Schaden sei vielleicht größer als der Nutzen. Käß stimmt mit Gröber in dem Verlangen nach Schutz der jugendlichen Arbeitskräfte überein. Dagegen hält er die Zahl der Revisionen nicht für ausschlaggebend, auch vorerst eine Vermehrung der Jnspektionskräfte nicht für notwendig. Er sei auch dafür, daß mehr weibliche Aufsichts­beamte angestellt werden, indeß solle man erst einmal ab- warten, ob sie sich auch bewähren. Redner verweist darauf, daß auch die Kesselrevisoren, die Abgeordneten der Berufs- genossenschaften und das Oberamt eine revidierende Tätig­keit ausüben. Man solle sich überhaupt einmal in den Standpunkt des Unternehmers hineindenken, und da müsse man sagen, daß es an der Zeit sei. mit den Revisionen einzuhalten. Von einem Reoner sei gerügt worden, daß der Fabrikinspektor von dem Besitzer herumgeführt werde. Ja, wie wolle man es denn machen ? Man könne doch dem Fabrikanten nicht verwehren, in seinem Betrieb herumzugehen. Besser als die Revision sei vielleicht die Anlage eines Be­schwerdebuches. Minister v. Pischek giebt einige nähere Aufschlüsse über die Thätigkeit, die der Assistentin zugewiesen werden soll und teilt mit, daß das Institut der weiblichen Vertrauenspersonen sich bisher bewährt habe. Den Antrag wegen des Kinderschuhes bekämpfe er nicht, bezweifle aber wiederholt die Zuständigkeit der Landesgesetzgebung. Wenn die weiblichen Beamten sich bewähren, wird ihre Zahl ver­mehrt werden, die sonst in Deutschland mit ihnen gemachten Erfahrungen seien günstig. Am besten würden sich die Direktricen von gewerblichen Betrieben zu Assistentinnen eignen. Der Hausindustrie müsse man allerdings Aufmerk­samkeit zuwenden, dürfe aber das Kind nicht mit dem Bade ausschütten. Im übrigen habe er gegen den Zentrumsantrag nichts einzuwenden. Der Minister verweist auf die vom Reiche veranlaßte Enquete über die Hausindustrie, die jedenfalls gesetzgeberische Maßnahmen bezwecke. Man dürfe aber nicht verkennen, daß die Hausindustrie armen Gegenden Verdienst bringe. Auch auf die Schwierigkeit der Durch­führung der Bäckereiverordnung verweist der Minister und beschäftigt sich am Schluffe noch mit einzelnen Auslassungen der Vorredner. Schumacher: Er stimme dem An­träge auf Ausdehnung der Inspektion im Allgemeinen zu. Er nehme an, daß die Inspektion nicht auf das eigentliche Handwerk sich beziehe, sondern auf die Hausindustrie, die eine Fortsetzung der Fabrikindustrie sei. Es wird nun der Antrag Gröber (Kinderschutz) fast einstimmig, der Antrag Rembold (Ausdehnung der Gewerbeinspektion auf die Hausindustrie) mit erheblicher Mehrheit angenommen. Der nächste Titel betrifft die Arbeitsvermittlung. Abg. Hart­ranft spricht über die Plage des Stromertums. Beim Kapitel Flußbaufond beklagt Gröber das späte Erscheinen der Berichte der Unfall-, Jnvaliditäts- und Altersversicher­ung, worauf der Minister erklärt, die Regierung habe darauf keinen Einfluß, indessen werde der Ausschuß wohl von sich aus eine Aenderung treffen. Haffner stimmt für die Beseitigung der Flößerei, die unwirtschaftlich und überlebt sei, während v. Luz die Flößerei im Interesse der Flößer verteidigt. Kiene führt aus, daß die Donaukorrektion nicht die erhofften Erfolge erzielt habe im Verhältnis zu den Kosten. Er wünscht, daß die Regierung die Unter­haltungskosten übernehme. Vom Regierungstisch wird oie Geneigtheit ausgesprochen, die Unterhaltungskosten für die bestehenden Uferbauten zu übernehmen, unter entsprechender Heranziehung der Gemeinden. Storz erörtert die Donau­sickerung bei Tuttlingen und die dadurch herbeigeführten Mißstände, sowie das Verhalten der badischen Regierung.

Der Minister bemerkt, man stehe vor einem Naturprozeß und es lasse sich nicht sagen, ob künstliche Mittel helfen würden. Man müsse sich mit Baden friedlich verständigen, wozu auch Aussicht vorhanden sei. Beim Kapitel: Milde Zwecke, bedauert Käß, daß nicht auch für die Blinden genügend gesorgt werde, worauf Minister Pischek ein Entgegenkommen in Aussicht stellt. Für den Verein für Lungenheilstätten ist ein Gründungsbeitrag von Mk. 50 000 und ein Jahres­zuschuß von Mk. 10 000 angesetzt worden. Hähnle tritt warm für die Forderung ein, und wünscht, daß die Alters­und Invaliditäts-Versicherungsanstalten ihre Kranken der Lungenheilstätte zuweisen. Der Etat des Ministerium des Innern wird erledigt. Nächste Sitzung Dienstag, 6. Juni.

Ttrsespslitlk.

Mit dem heutigen Montag beginnen in Paris nun endlich die öffentlichen Verhandlungen des Kassationshofes, die bestimmt sind, das Dreyfus-Drama zum Abschlüsse zu bringen. Mit dem Glockenschlag 12 Uhr haben sich sämt­liche Mitglieder de- obersten Gerichts, angethan mit der feierlichen roten Amtstracht, in dem großen Sitzungssaale des Justizpalastes zusammengefunden, um im Dienste der blinden Göttin Recht und Wahrheit an den Tag zu bringen. Wie anders liegen die Dinge heute als etwa vor Jahres­frist, da der große Romancier Emile Zola sein mutiges ll'aovE in die Menge rief und dem Präsidenten der Republik seinen berühmten Brief sandte, der mit den Worten begann:Gestatten Sie mir, Herr Präsident, um Ihren Ruhm besorgt zu sein." Und als nicht lange darauf der Zola- Prozeß begann, wie war da die Stimmung des Volkes und die Haltung der Regierenden. Wie parteiisch gestaltete der Vorsitzende die Verhandlungen, indem er den Generalstäblern und hohen Offizieren jede Freiheit gestattete und dem Ver­teidiger des Angeklagten, den feurigen Labori, mit allen Machtmitteln verhinderte, auch nur mit einem Wort den Gegenstand zu berühren, dessen Aufklärung Zola« Voraehen ausschließlich bezweckte, die DreyfuSsache. Auf Schleichwegen mußten Zola und seine Freunde nach jeder Verhandlung das Gerichtsgebäude verlassen, um dem wütenden Pöbel zu entgehen, den die Polizei in Schranken zu halten geflissentlich versäumte. Der Selbstmord Henrys und die Entdeckung der gefälschten Schuldbeweise gegen Dreyfus gaben endlich dem Revisionsbegehren einen erfolgverbeißenden Ausblick und jetzt endlich nach einem langen Jahre soll die endgiltige Entscheidung des vereinigten Kassationshofes gefällt werden. Auf die Verhandlungen desselben richten sich in diesen Tagen die Blicke aller zivilisierten Völker der Erde. Dreyfus ist Jude, aber um den Juden Dreyfus handelt es sich nicht. Dreyfus war Offizier und wurde von einem Militärgericht verurteilt, aber auch diese Verurteilung erklärt noch nicht das allgemeine Interesse, was seinem Falle zugewendet wird. Dieses datiert vielmehr im letzten Grunde daher, weil aus der ganzen großen Tragödie aller Welt mit erschütternder Eindringlichkeit zum Bewußtsein gekommen, in wie furcht­barer Weise die ersten Männer einer Republik, die das Vertrauen des ganzen Landes besitzen, ihre Macht zu miß­brauchen im Stande sind. Ein so unendlich trübes Bild, wie es die Republik Frankreich in der Dreyfus-Sache ge­boten hat, kann ein monarchisch regierter Staat nun und nimmermehr bieten.

*

* *

In Rußland herrscht begreifliche Begeisterung über die durch die Ordre des Zaren vom 18. Mai verfügte Auf­hebung der Strafverschickung nach Sibirien. DieNowoje Wremja" sagt, das strahlende Ergebnis vom 18. Mai werde auch auf das europäische Rußland sein Licht verbreiten. Die Ordre des Zaren sei ein Akt der Humanität und der Gerechtigkeit, der noch dadurch an Bedeutung gewinne, daß der Justizminister ohne vorherige Einholung der Ansichten der anderen Ressorts nur mit dem Kaiser selbst über diese wichtige Frage zu entscheiden habe. DiePeterSburgskija Wjedomosti" schreiben:Die Geschichte der Regierung Nikolaus' II. ist um eine That bereichert worden, welche als die bedeutendste That des gegenwärtigen Zaren bezeichnet zu werden verdient." DerSwejet" endlich meint: Der Tag des 18. Mai 1899 könne an die Seite des 19. Februar 1861 gestellt werden, an welchem Alexander II. die Fesseln der Leibeigenschaft gesprengt hatte.

L«rirderir<r^hrriehteir.

* Altensteig, 29. Mai. Einen recht schönen und gelungenen Ausflug machte gestern nachmittag unser Kirchen­chor. Auf 2 Gefährten fuhr derselbe nach Simmersfeld, stieg im Gasthaus zumHirsch" ab, um bald nachher sich in der dortigen prächtigen Kirche, deren Pforten sich ihm in ent­gegenkommender bereitwilliger Weise geöffnet hatten, mit