Erscheint Dienstag, Donnerstag, SamStag und Sonntag «it der Gratis-Beilage »Der Sonnlag S- Gast."
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Mittwoch, 24. Mai
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1899.
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* Altensteig, 23. Mai. Das liebliche Pfingstfest liegt hinter uns, aber leider hat es in Bezug auf gute Witterung den Herzenswunsch vieler Städter, die so gerne einen Ausflug in die nähere oder weitere Umgebung unternommen hätten, nicht erfüllt. Per Bahn konnte allerdings in die Ferne auSgerisseu werden, wer sich aber zu einer Fußtour verflieg, wurde gründlich eingeweicht. So wurde eine Touristen-Gesellschaft auf der Straße hierher derart vom „Maientau" überrascht, daß sämtliche Teilnehmer bis auf die Haut durchnäßt in der hiesigen Bahnhofrestaüration Zuflucht suchten. Die Wirtin hatte ein Einsehen, sie heizte den Ofen und so geduldig wie eine Herde Schafe um den Hirten scharten sich die Ausflügler um den Wärme spendenden Ösen, ganz resigniert trockneten sie aus gut Schwarzwälderisch ihr „Häß" und dachten wohl auch an das vielsagende Wort: „Es wär' so schön gewesen, es hat nicht sollen sein." — Mehr Glück hatte der Stuttgarter „Musikverein Allegro", welcher 20 Mann stark hier eintras und am Pfingstsonntag nachmittag im „goldenen Stern" das in diesem Blatt angekündigte Konzert gab. Letzteres wurde so zahlreich besucht, daß die großen Räume nicht alle Teilnehmer aufnehmen konnten, manche wußten ohne einen Platz zu finden wieder umkehren. Der aus lauter jugendlichen Kräften bestehende Musikverein entsprach den in ihn gesetzten Erwartungen vollständig und alle Teilnehmer waren von dem gebotenen Ohrenschmauß wohloefriedigt. Der Gesellschaft dankte Hr. Oberförster Werth in anerkennenden Worten für den hohen mustkal. Genuß und wünschte, die Gesellschaft möge recht bald Altensteig wieder zu einem Stelldichein wählen. — Gestern marschierte der „Turnerbund Stuttgart" hier ein, die Turner ließen sich nicht durch das Regenweiter von ihrem Reiseprogramm abbringen, sie marschierten von Althengstett nach Wildbad, Kaltenbrunnen, Lichtenthal, Forbach, Schönmünzach, Besenseld, Altrnsteig; hier nahm sie gestern abend die Bahn auf und führte das muntere wetterharte Völkchen wieder der Residenz zu.
* Alten steig, 23. Mai. In Ravensburg fand letzte Woche ein Württembergischer Fleischertag, von ca. 300 Meistern besucht, statt. Von Interesse ist ein Antrag Gwinners-Stuttgart, der ein reichsgesetzliches Verbot des Färbens verlangte. Er meinte, wenn man dies nicht erreiche, bleibe nicht« anderes übrig, als auch zu färben, weil sonst die süddeutschen Metzger durch die norddeutsche und amerikanische Konkurrenz schwer geschädigt würden. Da
wünschen wir nur, daß die Forderung eines reichsgesetzlichen Verbots des Fleisch- und Wurstfärbens erfüllt wird.
* Alten steig, 23. Mai. In heutiger Nummer dieser Blattes beginnt ein Original-Roman von Gustav Lange, dem Verfasser unserer letzten mit so vielem Beifall aufgenommenen Weihnachts-Erzählung. Wir machen unsere Leser auf diesen Roman besonders aufmerksam.
* Stuttgart, 20. Mai. Nachdem der Bundesrat beschlossen hat, für Rechnung des Reichs drejenigen silbernen 20 Pfennig-Stücke einzuziehen, welche in öffentlichen Kassen liegen oder au« dem Verkehr in solche Kassen eingehen, hat das württembergische Finanzministerium die inländischen Staatskassenstellen neuerdings angewiesen, die bei ihnen eingehenden silbernen Zwanzigpfennig-Stück« nicht mehr zu verausgaben, sondern anzusammeln und an die K. Staatshauptkasse einzusrnden. (Die Ansichten über die Zweckmäßigkeit der Einziehung unserer kleinen silbernen Zwanzig- psennig-Stücke sind in Württemberg zweifellos sehr geteilt. Viel lieber hätte man wohl die ungefälligen Nickel-Zwanzig- Psennig-Stücke wieder verschwinden sehen.)
* Heilbronn, 20. Mai. Seit 8 Tagen ist hier die Anordnung getroffen, daß die Knaben der Volksschule, jeden Tag eine Klasse, unter Führung von Waldhütern in den Wald gehen, um Maikäfer zu sammeln, die durch ihr massenhaftes Auftreten großen Schaden anrichten.
* Die Landesversammlung des Evangelischen Bundes in Württemberg findet am Sonntag 11. Juni in Backnang statt.
* (Verschiedenes). Vorsicht beim Baden im kalten Flußwasser ! Am Sonntag badete der 15 Jahre alte Sohn des Goldarbeiters Gottfried Müller von Birkenfeld mit seinen Kameraden in der Enz. Einen Tag nach dem Baden wurde er so starr, daß er sich nicht mehr bewegen konnte, am Donnerstag starb er. — Ein übelbeleumundetes, mit dem Stadtverbot in Stuttgart belegtes Individuum wurde von einem Schutzmann bei Verübung eines Stieseldiebstahls am Leonhardsplatz ertappt uud sollte in Haft genommen werden. Der Bursche widersetzte sich jedoch mit gezücktem Messer und brachte dem Schutzmann zwei lebensgefährliche S'iche in den Magen und in den Rücken bei. Der gestochene Schutzmann hatte noch Kraft genug, das Seitengewehr zu ziehen und dem Burschen vier wuchtige Hiebe über den Schädel zu verabfolgen, sodaß dieser gleichfalls schwer verwundet darniederliegt. — In Stuttgart heißt es, daß bei der Ordnung des Nachlasses eines früher verstorbenen Großkapitalisten man eine sehr bedeutende Steuerdefraudation entdeckt habe. Es soll die Kleinigkeit von „nur" 20 Mill. Mk. nicht versteuert worden sein. Beim Tode des Mannes wurde sein Vermögen auf 60 Mill. Mk. angegeben, was unwidersprochen blieb. — In der Parkett
fabrik von Locher in Tettnang wurde dem beim Sägewerk beschäftigten 25jährigen Arbeiter Heller der Kopf eingedrückt. Seit wenigen Jahren ist dies der 3. ähnliche Todesfall.
2 Prof. v. Stengel, der deutsche Delegierte zur Friedenskonferenz, dessen Schrift über die Abrüstungsbestrebungen ihn wenig geeignet zu der Mission nach dem Haag erscheinen ließ, ist von einem Mitarbeiter der ,Frks. Ztg/ ausgesragt worden. Das genannte Blatt berichtet darüber: Prof. v. Stengel erklärte, er stehe der Konferenz durchaus sympathisch gegenüber und werde, soweit dies in seinen Kräften stehe, alles thun, um günstige Ergebnisse herbeiführen zu helfen. Er sei gewiß kein Gegner der Friedensbestrebungen, und in seiner vielbesprochenen Broschüre habe er sich nur gegen die utopistischen Ideen der Friedensvereinler wenden wollen. Stengel ist, wie alle nüchtern denkenden Leute, der Ansicht, daß eine vollständig« Abrüstung heute kaum durchführbar ist, er würde sich aber freuen, wenn die Konferenz auch nur zu einer prinzipiellen Kundgebung in dem Sinne gelangte, daß die allgemeine Abrüstung ein wünschenswertes Ziel ist.
* (50 000 Fernsprechapparate.) Dir Bedeutung des Fernsprechwesens für Berlin erhellt daraus, daß die Zahl der Apparate, die aufgestellt sind und täglich benutzt werden, jetzt fast 50000 erreicht hat. Auf je 36 Berliner einschließlich Kind und Kegel kommt demnach jetzt ein Fernsprechapparat.
* Zum Uebertritt der Prinzessin Jutta von Mecklenburg schreibt die Kreuzztg.: „Der von uns schon kurz gestreifte Uebertritt der Herzogin Jutta von M«cklenburg- Strelitz legt es nahe, an einen Vorgang zu denken, der um ein Vierteljahrhundert zurückliegt und so ganz andere Empfindungen erweckt. Als die Prinzessin Mari« von Mecklenburg-Schwerin 1874 mit dem Großfürsten Wladimir von Rußland vermählt wurde, galt es in Petersburg für selbstverständlich, daß sie den Glauben ihres Gemahls annehmen werde, da sich keine deutsche Fürstentochter bisher jemals geweigert hatte, dies zu thun. Der unvergeßliche Großherzog Friedrich Franz H. sah die Sache in seinem evangelischen und deutschen Bewußtsein jedoch anders an, und ließ sich in seinem Widerstande nicht erschüttern, der ihm durch d'e feste Haltung seiner Tochter übrigens sehr erleichtert wurde. Man mußte sich in St. Petersburg also fügen und that es auch, obgleich man genötigt war, mit einer uralten Ueberlieferung zu brechen. Wahrscheinlich hängt es hiermit zusammen, daß bei der unter Alexander III. erfolgten Abänderung des kaiserlichen Hausgesetzes die Forderung des Uebertritts auf die Zarin selbst beschränkt wurde. Jedenfalls hat sich in dem genannten Falle gezeigt, daß fremde Ansprüche meist nur so weit gehen, wie man
M_ Lefefrucht.K
Wenn Dir ein hartes Wort gesagt,
Das Dich mit Kummer hat erfaßt,
So denke still und prüfend nach,
Ob Du's auch recht verstanden hast.
Gerechtigkeit stegt.
Original-Roman von Gustav Lange.
Nachdruck verboten.
1. Kapitel.
Langgestreckt dehnt sich das reiche Kirchdorf die Anhöhe hinan; nur unten an der Thalsohle, da wo Forstamt, Schule. Pfarrwohnung und Kirche dicht beieinander liegen, gruppieren sich einige Gehöfte nach städtischer Art um diese Amtsgebäude. Hachaus türmen sich als Hintergrund die dicht bewaldeten Berge, deren jenseitigen Abhänge bereits auf österreichischem Gebiet liegen. Die nach den Bergriesen hin zunächst sanft aufstelgenden Abhänge stehen in vorzüglicher Kultur; die fleißigen Hände der Gebirgsbewohner haben die früher bis ins Thal hereinreichenden Waldbestände immer weiter hinauf zurückgedrängt und den ehemaligen Waldboden in fruchtbare Aecker und Wiesen verwandelt, soweit es die Bodenbeschaffenheit ermöglicht. Natürlich hatte dazu mehr als ein Menschenalter gehört, und seit die ersten Waldbauern, wie die Bewohner des Dorfes genannt wurden, sich hier angesiedelt, darüber waren Hunderte von Jahren dahingeflossen. Fast wie Schmuckkästlein liegen die stattlichen Anwesen zwischen den fruchtbaren Fluren, darum gilt das Dorf auch schon seit alters her als das reichste im ganzen Kreisamtsbezirk, besonders das Oberdorf erfreute sich dieses Rufes.
Am Ende des Dorfes lag der Einödhof. Der Name paßte eigentlich nicht mehr recht, denn der Einödhof war eines der stattlichsten Anwesen und der jeweilige Einödbauer galt für schwer reich, aber er führte früher diesen
t Namen, zu einer Zeit, als nur ein kümmerliches Gütlein l zwischen Waldgestrüpp an derselben Stelle einsam sich erhob und bei dem fest am Alten hängenden Sinn der Bauern erbte sich der Name fort.
Es war heute ein recht schwüler Sommertag gewesen und die drückende Schwüle gegen den Nachmittag hin fast unerträglich geworden. Wetterkundige prophezeiten daher, daß es diese Nacht ein Gewitter geben werde, und ihre Ankündigung sollte sich allem Anscheine nach auch bewahrheiten. Schwarz, düster umzog sich gegen den Abend hin der Himmel mit Wolken, und als endlich völlige Dunkelheit eingetreten war, da erleuchtete hin und wieder ein greller Lichtschein, das Wetterleuchten, die Gebirgslandschaft und dumpfes Donnerrollen ließ sich bereits in der Ferne vernehmen. Das Gewitter war also nicht mehr ferne, konnte jeden Augenblick losbrechen, und da der Wind von der österreichischen Seite her in plötzlichen Stößen daherfegte, daß die Bäume sich ächzend beugten, so ist nach dem Glauben und der Meinung älterer Leute nichts Gutes zu erwarten.
Obschon bereits gegen Abend das schwere Gewitter im Anzuge gewesen, so waren doch einige Stunden nach Eintritt der Dunkelheit fast überall in den Gehöften die Lichter verloschen: man hatte sich trotz des drohenden Wetters sorglos zur Ruhe begeben. Auch droben der Einödhof lag in tiefer Finsternis da; es war am Tage scharf gearbeitet worden, um die Ernte in Sicherheit zu bringen, darum war die nächtliche Ruhe eine Notwendigkeit, und ein Gewitter ficht die Gebirgsbewohner nicht so leicht an; sie sind allesamt fromme Christen und wissen, ihr Schicksal liegt in Gottes Hand.
Nur ganz oben aus einem Gibelfensterchen des Einödhofes drang noch ein schwacher Lichtschimmer, und dort saß in einem kleinen armseligen Dachkämmerlein beim matten Schein einer Unschlittkerze ein kräftig gebauter junger Mann
Mitte der zwanziger Jahre, halb entkleidet über ein Buch gebeugt.
Das wettergebräunte Antlitz zeigte nichts von jener Sorglosigkeit und Zufriedenheit, wie dies meist bei den einfachen Naturmenschen hier oben in den Bergen der Fall zu sein Pflegt. Ein selsames Gemisch von Schwermut und Bitterkeit lag in den Gesichtszügen ausgeprägt und die tiefen Falten über den buschigen Augenbrauen gaben dem sonst nicht unschönen Gesicht einen düsteren Ausdruck.
Der junge Bursche war Balthasar, des Einödbauern Nettester aus erster Ehe.
Erlegte jetzt das Buch beiseite und ging mit erregten Schritten in dem engen Raume auf und ab. Er streckte die muskulösen Arme und gähnte müde, denn er hatte während des Tages tüchtig geschafft, mehr als einer der Einhalter auf dem Gehöft seines Vaters. Seme einzige Zerstreuung bildete dann abends die Stunde, welche er den Unterhaltungsbüchern widmen konnte, welche er sich hin und wieder vom Pfarrer oder Lehrer entlehnte. Aber er erkannte immer mehr, daß auch die Lektüre nicht vermochte, ihm über die trostlose Leere seines Daseins hinweg zu helfen. Was hatte er da alles gelesen, welches Maß von Niedertracht war ihm in der Geschichte offenbar geworden, wie wurde darin die christliche Nächstenliebe mit Füßen getreten! Ja, der Pfarrer hatte recht, es existierte viel Schlechtigkeit in dieser herrlichen Gotteswelt. Doch was regte er sich darüber auf! Hatte doch sein eigenes Leben viel Aehnlichkeit mit der Geschichte, welche er soeben gelesen; wurde er, der leibliche Sohn des reichen Einödbauern, nicht schlimmer behandelt wie der allerletzte Dienstbote! Soweit er zurück zu denken vermochte bis in seine früheste Kindheit, war ihm jegliche Freude im Leben versagt geblieben. Schelt- und Schimpfworte Hagelten täglich auf ihn nieder, während sein jüngerer Bruder Wilibald wie ein feines Stadtherrchen in den Tag hineinlebte und jeder Wunsch ihm erfüllt wurde.