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Befreie* irir- Befreite.

8. k. Bei Beginn des spanisch-amerikanischen Krieges wurde schon unter anderen Gesichtspunkten wiederholt her­vorgehoben, daß die derzeitigen Bewohner von Kuba und Portorico, und besonders die sehr zahlreichen Neger und Farbigen nicht nur sehr enttäuscht sein werden, wmn sie dieBefreier" und die wahren Beweggründe für das schmach­volle Vorgehen gegen Spanien erkennen, sondern sich auch sehr bald nach der milden, humanen Herrschaft der Spanier zurücksehnen werden. Viele unserer Leser werden diese An­sicht als übertrieben pessimistisch oder ungerecht gegen die humanen und zivilisierten Nordamerikaner" betrachtet haben. Aber kaum ist Porrorico von dengrausamen" Spaniern Verlassen, und schon ertönen Klagen über die echt ameri­kanisch brutale Handlungsweise dieser famosen Befreier.

Es handelt sich um Portorico, eine Kolonie, die bis 1895, wo die Vorbereitungen, d. h. skandalösen Putsche und BandiLencinfälle zur Befreiung begannen, als blühend bezeichnet werden konnte. Es herrschten Sicherheit, gute Justiz und Verwaltung; leidliche Verkehrswege existierten, der Ackerbau blühte, der Exvort war viel größer als die Ausgaben der Insel, und die schwache, indolente spanische Regierung aus der Insel, die möglichst wenig eingriff, ent­sprach ganz dem Charakter der großen Mehrzahl der Be­völkerung. Diese batte wirklich keinen Grund, die Spanier und die heutige Regierung zu hassen, den Versprechungen amerikanischer Abenteurer und Spekulanten zu glauben, für dieBefreiung" zu schwärmen. Trotzdem wurden gerade auf Portorico die einrückenden Amerikaner überall mit offenen Armen empfangen, in unbegreiflicher Verblendung und in kindischem Leichtsinn verriet man die alte Regierung und Oberherrschaft, löste alle Bande. Nirgends erhoben sich die Bewohner für Spanien, die spanische Besatzung räumte fast ganz ohne Widerstand die Insel. Diese portoricosischen Patrioten", zum großen Teil von geborenen Spaniern ab­stammend, glaubten eben ganzfrei" werden und dann nach berühmten Mustern (Haiti, Mittel-Amerika re) Republik spielen zu können, wobei die sog.angeschendüen Familien" die bestbczahlten Aemter als selbstverständlich für sich reservieren.

Es ist höchst erfreulich, daß dieser Plan mißlingt, Portorico einfach von denBefreiern" eingesteckt wird. Nun werden böse Tage für die Bewohner von Portorico, die aber keinerlei Sympathie verdienen, beginnen. Die überaus fruchtbare, fast durchweg kultivierte Insel hat etwa 800,000 Einwohner, d. h. 86 auf den Quadratkilometer. (In Kuba kommen nur 14 auf den Quadratkilometer.) Bon > diesen waren nach dem letzten Zensus (von 1877) 411712 Weiße, 240701 Mischlinge und 79 235 Schwarze. Misch­linge und Schwarze werden aber von den frommen und hochzivilisierten Amerikanern mit ausgesuchter, beleidigender Niedertracht, Verachtung und Roheit behandelt. Neuester Beweis: di« Ereignisse in Wilmington bei Philadelphia. Das bestialischste oder richtiger echt amerikanische be: diesen Schandthaten war, daß die Neger sich nicht wehren durften. Acht vollständig unschuldige Schwarze wurden ermordet und vier andere, die sich gewährt hatten, um nicht auch ermordet zu werden, wurdengelyncht", weil sie aus Weiße geschossen hatten. Die Farbigen und Schwarzen auf Porto­rico werden von den Jinkees bald vollständig wie Haus­tiere behandelt werden. Von den angeblich 460000Weißen", die es heute aus Portorico geben soll, werden dir Jankers noch viele zu den Farbigen rechnen, da sie ein ungemein seines Auge und Gefühl für jede L>pur schwarzen (Neger-) Blutes haben. Wer auch nur die leisesten Spuren afri­kanischer Blutbeimischung zeigt, wird aus derguten Ge­sellschaft" ausgestoßen, mit dem widerwärtigstenNigger" auf eine Stufe gestellt.

Ueber das erste Auftreten der Amerikaner gegen Be­wohner der Insel, die in ganz bescheidener Weise den Befreiern" Opposition machten, berichtet die .Köln. Volks- Ztg.' vom 15. November mit Benutzung von Artikeln der drei großen amerikanischen Zeitungen, die aus Portorico erscheinen. Die Hafenarbeiter, die den amerikanischen Truppen Hilfsdienste leisteten, beklagten sich am 11. Oktober beim Meister darüber, daß sie. da der Wert der Papierpeso auf 75 Centavos gefallen sei, für diesen Lohn nicht arbeiten könnten und den vollen Lohn von einem Peso verlangen müßten. Im andern Falle würden sie die Arbeit einstellen. Der Meister trug dem kommandierenden Offizier die Sache vor. Dieser ließ den Hafenkai sofort besetzen, die Arbeiter

umzingeln und dann mußte eine andere Abteilung Soldaten mit großen Knütteln bewaffnet die Arbeiter zur Arbeit an­treiben, zwingen. Wer sich widrrsctzte, Unmut zeigte oder zu entfliehen versuchte, bekamunbarmherzige Hiebe". Weiter wurden in den benachbarten Straßen alle Männer,die das Aussehen von Tagelöhnern hatten", ausgegriffen und ge­waltsam in den Kreis der am Hafen arbeitenden Leute ge­trieben. Wer sich widrrsetzte, bekamunbarmherzige Hiebe"! Abends überfallen angetrunkene amerikanische Soldaten friedliche Bürger undverhauen sie jämmerlich". Die Zeitung .Nneva Era' sagt hierzu:Wir schämen uns jener wilden und unqualifizierten Handlungen, die gegen dasselbe Volk begangen werden, das vor kurzem diese Soldaten als Befreier empfing. Die Szenen am Hafen sind eine schreck­liche Enttäuschung, eine beklagenswerte Ernüchterung, sie sind aber auch ein Schandmal für die, die sie aufführten". Wcr würden uns garnicht wundern, wenn noch die Nach­richt eingeht, daß die Redakteure der drei großen Zeitungen der Hauptstadt von Portonco für dieseSchmähungen der Weißen", d. b. für diese Anklagen, von den humanen Amerikanern gleichfallsjämmerliche Hiebe" erhielten. Es würde dies ganz in den Rahmen des brutalen Rassekcieges paffen, der jetzt in verschiedenen Staaten der Union gegen die Farbigen geführt wird. In der infamsten Weise ging man z. B. gegen die Farbigen in Harpersville (Mississippi) vor. DasVerbrechen" der Farbigen bestand auch hier nur darin, daß sie sich zur Wehre setzen, wenn sie von den Weißen ermordet d. h. gelyncht werden sollen.

Den Bewohnern von Portorico ergeht es jetzt wie den Fröschen, die über ihren ersten König (einen Klotz) murrten und erst zufrieden waren, als sie den Storch zum Könige hatten. In Kuba aber iff mit Sicherheit aus neue Aufstände, allgemeine gegenseitige Halsabschnerderei zu rechnen, sobald dir Spanier abgezogen sind und die Amerikaner an- sangen werden, die sogen. Patrioten (d. h. die Räuberbanden, welche tm Austrage der Amerikaner Revolution machen wüßten) nach Verdienst und Würdigkeit zu behandeln.

Ueber die Aussichten der Militärvorlagr schreibt die Freis. Ztg.":Nach unseren Wahrnehmungen ist im Reichs­tag nicht zu rechnen aus eine Mehrheit für eine Militär­vorlage, wenn die Pcäsenzerhöhung über ein geringes Maß hinauSgrhen sollte. Man mag über das Abrüstungsmanifest des Zaren denken wie man will, die Verantwortlichkeit jeder Volksvertretung ist dadurch neuen militärischen Forderungen gegenüber außerordentlich verschärft worden. Am wenigsten erscheint es angezeigt, daß Deutschland, der größte Militär­staat der Welt, dieses Manifest des Zaren mit einer Präsenz­erhöhung des Heeres beantwortet, welche Anlaß geben wird, hüben und drüben die ewige Schraube zum Nachteil der Völker noch weiter anzuziehen."

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DerFall Dreyfus" ist für uns Deutsche ungeheuer interessant, diePerson Dreyfus" gar nicht. Der Mann verdient, wie die Rheinisch-westfälische Zeitung mitteilt und des weiteren aussührt, natürlich rein menschliches Mitleid, wie jedes andere Opfer eines Justizirrtums. Er ist ohne direktes Verschulden von den Höhen irdischen Glücks in die tiefsten Tiefen des Unglücks hinabgestoßen. Das ist sehr hart für ihn, ist vielleiäH noch härter für seine Familie, ist für jeden Menschenfreund sehr betrübend, ist für seine Richter, die sich bei seiner Verurteilung allermindestens einesfahrlässigen" Justizmordes schuldig gemacht haben, sehr belastend und es ist für denjenigen Franzosen, der auch denunschuldigen Dreyfus" aus der Teufelsinsel lassen möchte, eine Schmach, aber wir Deutsche haben keine, auch nicht die allergeringste Veranlassung. Thränen an Dreyfus' Schicksal zu verschwenden oder Dreyfus als Typus zu beklagen. Trotzdem Dreyfus einer badischen Familie entstammte, und erst sein Vater im Elsaß sich niederließ, trotzdem steckte er stets den Erzsranzosen und den Deutschenhasser in der übelsten Form heraus. Er affektierte, kein Deutsch mehr zu können, obgleich sein Fran­zösisch bis auf den heutigen Tag weit davon entfernt ist, musterhaft zu sein. Für diesen Mann rührselige Sympathie zu haben, wäre, wie das obengenannte Blatt weiter aus­sührt, für jeden Deutschen Thorheit. Wir können uns vielmehr mit Recht aus den Standpunkt stellen, zu sagen, wenn Herr Alfred Dreyfus in Mühlhausen, wo er hin­gehörte und deutsch geblieben wäre, was er war, säße er heute nicht auf der Teuselsinsel; er hat aber durchaus Franzose sein wollen und wenn ihm das schlecht bekommen ist, hat er es sich ganz allein zuzuschreiben. Anders liegt für uns derFall Dreyfus". Für den haben wir wenigstens geradezu Sympathie. Er hat uns den französischen Nieder­gang m Volk und Heer, er hat uns das Verrottete der

ganzen französisch-sozialen Zustände in einer so glänzenden Beleuchtung gezeigt, daß wir garnichts Besseres verlangen können. Man mag sich das Ende denken wie man will, Pikant und zugleich erheiternd und beruhigend wird eS für uns immer sein. Und dabei steht uns noch der zweite

Prozeß Zola und der zweite Prozeß Picquart bevor.

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Seit 7 Jahren liegen Frankreich und Italien im Zoll­kriege. Frankreich brach die Verbindungen ab, sein Grimm gegen das mit Deutschland-Oesterreich verbündete Italien war größer als die Einsicht, daß der Zollkrieg beiden Teilen schweren Schaden bringen werde. Die Ein- und Ausfuhr Frankreichs im Verkehr mit Italien blieb allein im letzten Jahre um 560 Millionen zurück. Der Verlust in den letz­ten 7 Jahren beziffert sich auf Milliarden. Nun wird plötz­lich bekannt, daß ein neuer Handelsvertrag abgeschlossen wurde. Man hat von den Vorverhandlungen nichts erfahren, man ahnte solche auch nicht, besonders da sich das Verhält­nis zwischen Frankreich und Italien zu verschärfen schien. Die Franzosen hatten vor vierzehn Tagen im französisch- afrikanischen Raheita Soldaten ausgeschifft. Doch alles hat sich nun in Wohlgefallen aufgelöst. Eines nur wird noch sehr interessieren: hat der neue Handelsvertrag das Ver­hältnis Italiens zum Dreibunde gelöst? Als nach Ausbruch des Zollkrieges Italien wiederholt mit Frankreich Anknüpf­ungen suchte, da wurde ihm stets erwidert, erst müsse Italien

aus dem Dreibünde austreten. Wie steht es nun?

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Wie dem Kl. Journal aus Paris gemeldet wird, ist' es dem Generalstav gelungen, die Regierung zu terrori­sieren. General Zurlinden erzwang endgültig die Verfol­gung Picquarts. Die Revision des Kaffationshofs wird wahrscheinlich nicht nur die Freisprechung des Dreyfus, son­der aller Voraussicht nach auch die Strafverfolgung von Mer- cier, Boisdeffre, Gonsc, du Paty und der sieben Militär- richter nach sich ziehen. Feinde von Dreyfus führten s. Z. durch geheimnisvolle Briese an seine Adresse eine Verschärf­ung seiner Strafe und eine strenge Prüfung seiner Korre­spondenz herber.

Ltrirdesritretzrietzteii.

* Alten steig, 25. Nov. In nicht geringen Schrecken gerieten am Dienstag (Markttag) die Gutsbesitzer Matth. K e PP l er'scheu Eheleute in Zumweiler. Dieselben hatten den Erlös für ein Paar Ochsen im Betrag, von 1100 Mark in ein Notizbuch gelegt und letzteres dann in dem Armkörbchem>cher Frau untergebracht. Mittelst Gefährt zu Hause angekommen, wurde der seit einiger Zeit leidende Ehemann von der Gattin in die Wohnstube geleitet, das Körbchen blieb während dieser kurzen Zeit auf dem Chaischen stehen und diesen Moment benützte der unbeachtet vorüber­gehende verheiratete Schuhmacher M. von Hesel bronn, dem Körbchen den Wertinhalt zu entnehmen und sich damit zu entfernen. Anfänglich glaubten die Leute in ihrem Schrecken, den Betrag verloren zu haben, doch wurde der hiesigen Landjägerstelle Anzeige erstattet. Der Entwende« hatte nichts eiligeres zu thun, als sich hierher zu begeben, einen 100 Mark-Schein wechseln zu lassen und mit einigen Bekannten in einem Gasthaus derart zu zechen, daß an 40 Mark flöten gingen, was berechtigtes Aufsehen erregte. Hievon bekam der Landjäger Wind, er nahm den durstigen Schuhmacher ins Verhör, schließlich gestand derselbe den Diebstahl ein und lieferte das noch im Besitz befindliche Geld, worunter ein Tausend-Markschein, aus. Hinter Schloß und Riegel hat er nun Gelegenheit, über seine sträfliche Handlung reiflich nachzudenken. Mit dem nächsten Sonn­tag, dem Adventsfest, beginnt die sogenannte stille oder ge­schloffene Zeit. Nach Z 9 der k. Verordnung vom 27. De­zember 1871 über die bürgerliche Feier der Sonn-, Fest- und Feiertage, ist insbesondere das Abhalten öffentlicher Tanzbelustigungen an den Sonntagen der Adventszeit ganz verboten, während das Tanzen an den Werktagen der AdventS- zeit nur mit Genehmigung des k. Oberamts stattfinden darf.

* Die Klagen der Handwerker sind keine moderne Er­scheinung. Schon im Mittelalter, in dem dieZünftler" das goldene Zeitalter des Handwerks erblicken, schrieb Sebastian Brandt, der Dichter des berühmtenNarrenschiffs," folgende Verse (1494) nieder:

Kein Handwerk steht mehr in seinem Wert,

Es ist alles überall beschwert,

Jeder Knecht Herr werden will,

Deß sind in jedem Handwerk viel.

Mancher zur Meisterschaft sich kehrt,

Dem nie das Handwerk ward gelehrt,

Einer dem andern nimmt das Brot,

Und bringt sich selbst damit in Not,

Weil man die Arbeit giebt gering,

So sudelt man jetzt alle Ding'.