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Kr. 182.

Bekanntmachungen aller Art finden die erfolg­reichste Verbreitung.

Donnerstag, 24. Kovember

Die Schwurgerichtssitzungen des Schwurgerichts Tübingen beginnen am Montag den 12. Dezember, vormittags 9 Uhr, diejenigen in Rottweil am Mittwoch den 14. Dezember, vormittags 9*/, Uhr.

An der Geburtsstelle des Christentums zeigt sich das Christentum leider in ungutem Lichte.Ich bin entsetzt über die religiöse Zerrissenheit, die ich in der Grabeskirche in Jerusalem sehen mußte!" Diesen Ausspruch that der Kaiser nach einem Gottesdienst in Bethlehem zu seiner Umgebung. Wenn selbst die Anwesenheit des Kaisers, dem doch alles im möglichst schönen Lichte gezeigt wurde, solche Eindrücke nicht verwischte, welche Zustände mögen erst im alltäglichen Leben an den heiligen Stätten herrschen? Das heilige Land ist ein Schlachtfeld geworden, aus dem sich die Konfessionen in blinder Eifersucht und unchristlicher Unduldsamkeit haßerfüllt geqenüberstehrn. Den frommen christlichen Pilger, der nach Jerusalem kommt, werden nicht nur die heiligen Schauer bewegen, die ihm bei dem Ge- danken kommen müssen, auf heiligen Boden zu stehen auch wird die Scham ihn erfüllen vor den sogen. Ungläubigen, den Muselmännern. Dieses vernichtende Urteil fällt ein Teilnehmer an der Palästinafahrt.

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Das Unglück ist ein guter Lehrmeister. Seit Frank­reich in England seinen Meister und in Rußland seinen hilsbereiten Freund findet, seitdem sieht es in Deutschland eine Macht, mit der man sich sogar befreunden könne. In der letzten Nummer desLullstiu än Oornits äs ll^krigs krsntzrüse" veröffentlicht Robert de Caix unter der Ueber- schriftDie Lektion von Faschoda", einen Artikel, an dessen Schluffe er es bitter beklagt, daß sich die französische Regierung nicht zu rechter Zeit gut in Deutschland zu stellen gewußt habe; beide zusammen hätten England in den gehörigen Schranken zu halten vermocht. Wenn keine Verständigung mit Deutschland erfolge, könne Frankreich mit seiner Kolonialpolitik einpacken. Ein Provinzblatt, das Journal ä'^rgsnteuil", predigt geradezu die französisch­deutsch-russische Allianz, die der ganzen Welt. England

eingeschlossen, den Frieden gebieten werde.

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Auch England hat sein Panama. Macht da un­längst ein großer Gründer pleite, der tatsächlich Millionen als Trinkgeld zu verschenken pflegte. Mr. Hooleys Beschäftigung war es seit Jahren, große und blühende industrielle Unternehmungen anzukausen und dann Aktien­gesellschaften zu gründen. Dabei heimste er ungeheuren Verdienst ein, der in einem Falle z. B. 30 Millionen Mark überstieg. Hooley wurde auf diese Weise binnen wenigen Jahren zum Krösus, aber er war so unvorsichtig, sein Geld nicht nur in fürstlichem Grundbesitz, sondern den größten Teil auch in Jndustrieaktien anzulegen. Die Zeiten für solche gestalteten sich jedoch nicht günstig, und sie fielen nicht nur gewaltig, sondern wurden schließlich ganz unver­käuflich. Hooley ist ein leichtfertiger Mann, der nicht einmal Buch führte, und so kam es denn, daß er eines Tages trotz seines Reichtums nicht einmal genügend bares Geld zu beschaffen vermochte, um gewissen Verbindlichkeiten nach- zukommcn. Wie ein Lauffeuer verbreitete sich die Kunde. Jedermann, dem er etwas schuldet«, stürzte sich auf ihn, und um zahllosen Klagen und riesigen Kosten aus dem Wege zu gehen, meldete er seinen Konkurs an. Bei der gegen ihn im Verlause des Konkursverfahrens eingeleiteten Untersuchung stellte es sich heraus, daß alle jene Mitglieder der höchsten englischen Aristokratie, Herzöge, Grafen, Lords und welch andere wunderbare Titel sie auch haben mögen, die mit ihren Namen nach Lockvogelart in den Listen der Direktoren der Hooleyschen Gesellschaften genannt waren, von dem Bankroteur erkauft waren. Eine Million zahlte er an hochgestellte Leute, damit sie ihm den Titel Baron verschaffen möchten. Soeben veröffentlicht ein Blatt eine Zusammenstellung, aus der hervorgeht, daß 162 Mitglieder des Oberhauses Vorsitzende von Aktiengesellschaften sind und waren. Unter den 162 befinden sich sogar zwei Bischöfe der Staatskirche. Es ist ja nun keinesfalls anzunehmen, daß alle diese Männer dafür bezahlt werden, daß sie mit ihrem Namen, das Geld aus den Taschen des Publikums locken helfen, doch mit einem Teile ist das vermutlich der Fall.

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Die russische Presse gefällt sich seit einiger Zeit darin, sich damit zu brüsten, daß Rußland im Orient am meisten Erfolge gehabt habe. Neuerdings singt der Swjet dieses Liedchen, besonders abgestimmt auf Kreta. Dort spiele der russische Admiral Skrydloff die erste Rolle, wie er sie von Anfang an gespielt; überall, wo russische Truppen auf Kreta seien, herrsche Ruhe, während es in den von Eng­

ländern besetzten Gebieten fortwährend gäre. Dann heißt es weiter: Mit der Befreiung Kretas hat Rußland nur seine geschichtliche Aufgabe zur Befreiung der Christen im Orient fortgesetzt. Die ersten Schritte Rußlands, sei es auf diplomatischem Wege, sei es auf dem Wege des Krieges, haben Griechenland, Rumänien. Serbien und Bulgarien die Unabhängigkeit gebracht, jetzt war die Reihe an Kreta, und seiner Zeit kommen dann auch Makedonien, Alt-Serbien, Bosnien und die Herzegowina an die Reihe. Kaiser Wilhelm hat seine Palästinareise balv beendet und kehrt zurück, trotz­dem bleibt die Thatsache bestehen, welche vor seiner Orient­reise bestand, und das ist, daß die Türkei vor allem mit dem Einflüsse Rußlands rechnen muß, welches für die Türkei stets ein furchtbarer Feind im Kriege und ein guter ehrlicher Freund im Frieden war. Für die 16 Millionen, welche die Türken für den Empfang Kaiser Wilhelms II. ausgezcben haben, haben sie die endgültige ^Erfahrung ge­macht, daß die Türkei nur eine vorteilhafte Beute für den deutschen Handel und die deutschen Kolonisationsbestrebungen sei. daß aber im übrigen Deutschland zu Gunsten der Türkei nicht einmaldie Knochen eines einzigen gesunden pom- merfchen Grenadiers opfern würde."

Lsrir-e- rr«rehrrietzteir.

* Altensteig, 23. Nov. Das Präsidium des würt- tembergischen Kriegerbundes hat an sämtliche Bundesvereine ein Schreiben gerichtet, in dem es sich gegen die von anderer Seite ausgehende Petition an den Reichstag um Bewilligung eines Ehrensoldes für sämtliche Veteranen ausspricht. Das genannte Präsidium erkennt den Wunsch nach einer Unter­stützung erwerbsunfähiger und hilfsbedürftiger Veteranen, sowie nach einer Aufbesserung der oftmals unzulänglichen Jnvalidenpensionen als berechtigt an und hat sich seinerzeit der Petition an den Reichskanzler, die darauf zielte, ange­schlossen. Uebertriebene Forderungen aber könnten der Er­füllung berechtigter Wünsche nur hinderlich sein; eine solche übertriebene Forderung sei die Gewährung eines Ehrensolds für sämtliche noch lebende Veteranen und zwar aus folgenden Gründen: 1. Weil keineswegs alle Veteranen unterstützungs­bedürftig seien. 2. Weil der Jnvalrdeufonds, lediglich für die Invaliden ausgeworfen, nicht für die Veteranen bestimmt sei und einen Ehrensold für sämtliche Veteranen, deren mindestens noch 5600,000 am Leben sind, auch gar nicht zu leisten imstande wäre; die in diesem Fond noch vor­handenen Gelder müßten für die den Invaliden zu ge­währenden Ausbesserungen Vorbehalten bleiben. 3. Weil eine Berechnung über die Höhe eines an alle Veteranen zu be­zahlenden Ehrensolds darthue, daß dem deutschen Volke eine Steuer' von mindestens 40 Millionen jährlich auferlegt werden müßte, was auch von denjenigen Parteien zweifel­los abgelehnt würde, welche jetzt die Forderung scheinbar unterstützen.

* Altensteig, 23. Nov. Der Kartenbrief feierte am 1. November seinen ersten Geburtstag. Mit allgemeiner Freude wurde er von der Welt begrüßt, doch leider hat der Kartenbrief die Erwartungen und Hoffnungen, die auf ihn gesetzt waren, nicht erfüllt, denn er erwies sich als un­praktisch und konnte sich darum die Sympathien des Publi­kums nicht erwerben. Gegenwärtig bekommt man selten mehr einen Kartenbrief zu Gesicht.

* Alten steig, 23. Novbr. Der Winter hat seine Visitenkarte abgegeben. Die letzte Nacht brachte Schnee als erste Bescheerung des Ankömmlings.

* Altensteig, 23. Novbr. In letzter Zeit nehmen die Milchlieferungen nach Pforzheim, begünstigt durch die Bahnverbindung, einen immer größeren Umfang an. Von Rohrdorf, wo insolgedessen die Molkerei außer Betrieb ge- setzt wurde, von Ebhausen, Oberschwandors, Berneck gehen regelmäßige tägliche Milchsendungen nach Pforzheim ab und jetzt hat sich ein Händler gefunden, welcher in Ueberberg, Altensteig Dorf und Spielberg die Milch aufkaust und nach Pforzheim versendet. Wie wir hören, wird die Milch in kondensiertem Zustande von einer Psorzheimer Firma nach England exportiert. Mit dem Preis, welcher für die Milch bezahlt wird, sind die Verkäufer wohl zufrieden, sie erhalten per Liter 10 Pfennig, während die Molkereien bloß 7 Pfg. bei Rückgabe der Magermilch anlegen können. Wie schon früher so richten wir auch heute wieder die Mahnung an die Familienväter bei Lieserungsabschlüssen darauf Bedacht zu nehmen, doch ja für den eigenen Gebrauch das nötige Quantum Milch der Familie zu sichern, denn für Kinder ist die Vollmilch das wertvollste Nahrungsmittel. Man lasse sich nicht durch die blinkende Einnahme verführen, die schließ­lich durch mangelhafte Entwicklung der Kinder oder Krank­heit derselben sich bitter rächt.

* Durch unvorsichtige Behandlung der Bettflaschen

kommen alljährlich kleine Unfälle vor. Vielfach werden nämlich die mit heißem Wasser gefüllten, hermetisch ver­schlossenen Wärmeflaschen bis zur Benützung in der Ofen­röhre aufbewahrt. Das Wasser kommt selbstredend zum Sieden und sucht sich einen Ausweg, wöbe: die Flasche ex­plodiert. Unter Umständen kann eine solche Explosion sich auf den ganzen Ofen ausdehnen und so leicht einen größeren Brand oder sonstiges in seinen Folgen unberechenbares Unglück Hervorrufen.

* Vom oberen Enzthal wird geschrieben: Den Klagen der Werkbesitzer des Nagoldthales können sich die­jenigen des Enzthales voll cmfchließen. Es ist häufig be­hauptet worden, daß die Flößerei auf der Enz ganz unbe­deutend sei (in Wirklichkeit ist sie ebenso stark als auf der Nagold) und von selbst aushören werde. Die Sägwerk­besitzer des württembergischen Enzthales, welche die Mehr­zahl der Flöße erhalten, haben wiederholt erklärt, daß sie auf den Floßbetrieb gerne verzichten. Der Rest des ge- flößten Holzes, jährlich 10 bis 15 Flöße, welch-die badische Grenze passieren, geht meist auch nur bis Pforzheim, und wenn die Unkosten des württembergischen und badischen Staates für Unterhaltung der Floßstraße auf diese um gelegt würden, so ergäbe sich, daß staatlicherseits für jedes der­selben 400 bis 600 Mark ausgewendet werden, während Sie Eisenbahn nebenherfährt. Dem Einwand, daß bei Weg- fall der Flößerei die Konkurrenz auswärtiger Käufer bei den Holzauktionen fehlen und dann die Holzpreise sollen würden, kann man jetzt schon entgegcnhalten, daß das 3- bis 4fachr des obigen Quantums Holz, selbst aus entlegenen Revieren, auf der Axe und Bühn nach Pforzheim und Umgebung geführt wird, die Flößerei also dazu nicht unbedigt not­wendig ist. Waldbesitz giebt zur Zeit einen so hohen Er­trag, wie noch nie, dank der im Enzthal ansässigen Industrie, und es wäre deshalb nur billig, wenn die Waldbesitzer einen Teil ihrer bedeutenden Mehreinnahmen dazu verwenden würd-die wenigen noch fehlenden Abfuhrweae zu bauen, mit deren baldiger Herstellung man die Werkbesitzer seit mebreren Jahren vertröstet. Außerordentlich fördernd in dieser Hinsicht wäre es, wenn ein Termin (3 bis 5 Jahre) gesetzt würde, nach welchem nicht mehr geflößt werden darf, und wenn von den Forstbehörden den Gemeinden und Privatwaldbesitzern Lei dem meist notwendigen Anschluß der zu bauenden Wege an solche der Forstverwaltung das nötige Entgegenkommen gezeigt wird.

* Freud enstadt. 20. Nov. Nach einem Beschluß des Kirchengemeinderats sollen mit Beginn des neuen Kirchen- jahr« die seither zum Teil am Samstag hier üblich gewesenen kirchlichen Trauungen aufhören.

* Aus dem Bezirk Freuden st adt, 22. Novbr. Der Bauer Johs. Kaupp in Schopfloch stieg nachts ohne Beleuchtung auf die Scheuerbühne. Er fiel durch's Garbenloch und wurde tot aufgehoben. 8 unmündige Kinder trauern um den Vater. In das Spital nach Freuden­stadt wurde mit schweren Brandwunden bedeckt I. G. Günther von Hutzenbach verbracht. Demselben war beim Felsen- sprengen an der Murgthalstraße ein Packet Pulver explo- diert, wobei sich der Mann die Brandwunden zuzog. Der ledige, 55 Jahre alte Jakob Friedr. Wurster, Fuhr- mann in Erzgrube hat sich in seinem elterlichen Hause erhängt. In Glatten brannte die Morlok'sche Mahl­mühle mit Scheune nebst großem Futter- und Fruchtvorrat vollständig nieder. Der in Rein er zau angestellte, 51 Jahre alte Dienstknecht Christian Ganser kam beim Sperren seines Wagens an einem Abhang unter denselben und ver­lor dabei das Leben.

* Stuttgart, 19. Novbr. Beachtung verdienen die Ausführungen, welche Finanzminister v. Zeyer über die Lage der württembergischen Staatsbeamten gelegentlich der noch­maligen Beratung des Art. 6 des Einkommensteuergesetz­entwurfs (Veranschlagung des Werts der Dienstwohnungen) letzter Tage in der Steuerkommisston der Abgeordnetenkammer abgegeben hat. Der Minister wies nachdrücklichst darauf hin, daß die württembergischen Staatsbeamten in Bezug auf ibre Gehaltsverhältniffe am schlechtesten im ganzen Reiche gestellt seien. Die Unzufriedenheit der württembergischen Staatsbeamten wachse darum begreiflicherweise mehr und mehr. Sämtliche Departementschefs seien aber überzeugt, daß derartige Zustände nicht im Interesse einer gedeihlichen Staats­verwaltung liegen. Die Thatsache stehe fest, daß die wärt- tembergischen Staatsdiener nichtauf Rosen gebettet" feien.

* Stuttgart, 20. Nov. Eine der Forderungen des württembergischen Volksschullehrervereins ist die Zulassung der Volksschullehrer zum Universitätsstudium auf Grund des bestandenen Dienstexamens. Was für Württemberg erstrebt wird, ist für das Königreich Sachsen nun erreicht. Nach einer vom K. Sächsischen Kultusministerium soeben veröffent-