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Samstag, 19. November
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j 1898.
Die schöne Idee, junge deutsche Mädchen als Stamm- Mütter einer gesunden deutschen Bevölkerung nach Südwest- asr'ka zu schicken, ist von den Bürokraten vollständig ins Gegenteil verkehrt worden. Nicht als zukünftige Bräute, sondern fast als Packesel werden die Mädchen in unsere südwestafrikanischen Kolonien geschickt. Die 16 jungen Mädchen, welche sich bereit erklärten, nach Südwestafrika zu gehen, mußten nach vorliegenden Zeitungsmeldungen folgende Annahme-Bedingungen unterschreiben: 8 1. Frl.ver
pflichtet sich, bei Herrn Kaufmann W. Stern in Windhoek als Mädchen für alles in Gesindedienst zu treten. Sie verpflichtet sich, sämtliche ihr auferlegten Dienste zu leisten, auch wenn sie an sich nicht unter die Thätigkeit eines Mädchens für alles fallen. 8 2. Das Dienstverhältnis beginnt am Tage der Ankunft in Windhoek. Das Dienstverhältnis dauert zwei Jahre. Wird es nicht 6 Monate vor dem jedesmaligen Ablauf gekündigt, so setzt es sich um ... . Jahre fort. Beabsichtigt die Genannte sich zu verheiraten und hat sie sich verlobt, so steht ihr jederzeit die Kündigung mit sechs- monatlicher Frist zu. Stellt es sich heraus, daß die Genannte für den Dienst völlig unbrauchbar ist, oder macht sie sich einer groben Vernachlässigung ihres Dienstes schuldig, oder treten sonstige Vorkommnisse ein, welche das Verbleiben der Genannten im Dienste des Herrn Stern nicht angängig erscheinen lassen, so kann der Genannten der Dienst mit ein- monatlicher Frist gekündigt werden. Ob einer der Fälle eingetreten ist, welche die einmonatliche Aufkündigung zulassen, entscheidet das kaiserliche Gouvernement, dessen Entscheidung die Genannte unter Verzicht auf alle Rechtsmittel anzuerkennen hat. 8 3. Die Genannte erhält während der Dienstzeit: freie Verpflegung und Unterkunft, wie beides in Windhoek ortsüblich ist, und einen Lohn von 20 Mk. per Monat. Der Lohn erhöht sich nach 6 Monaten auf 25 Mk. monatlich, nach weiteren 6 Monaten auf 30 Mk. monatlich. Voraussetzung der Lohnerhöhung ist gute Führung und Brauchbarkeit der Genannten, 8 4. In Krankheitsfällen hat die Genannte Anspruch auf unentgeltliche ärztliche Behandlung, falls ein Arzt am Orte anwesend ist, desgleichen auf unentgeltliche Verpflegung und Lieferung von Medikamenten, 8 5. Die deutsche Kolonialgesellfchaft trägt die Kosten der Ueberfahrt der Genannten von Hamburg nach Swakopmund auf einem Dampfer der Woermann-Linie und die Verpflegung der Genannten auf dem Dampfer. Die Abreise von Hamburg erfolgt am 28. November 1898. Die Kosten vom Wohnort der Genannten bis Hamburg und die Kosten des Aufenthalts daselbst hat die Genannte selbst zu bestreiten. 8 6. Das Kaiserliche Gouvernement für Deutsch-Südwest-Afrika übernimmt die Weiterbeförderung der Genannten von Swakopmund nach Windhoek auf seine Kosten. 8 Eine Verpflichtung, die Kosten der Rückreise von Windhoek nach Swakopmund und von dort nach Europa zu tragen, liegt weder dem Kaiserlichen Gouvernement noch der Deutschen Kolonialgesellschaft ob. 8 8. Erfolgt die im 8 2 vorgesehene rinmonatliche Kündigung nach der Entscheidung des Kaiserlichen Gouvernements mit Recht, so ist die Genannte verpflichtet, jeden anderen Gesindedienst zu übernehmen, den
ihr das Kaiserliche Gouvernement überweisen sollte.
Mit den vorstehenden Annahme-Bedingungen bin ich einverstanden und verpflichte mich, am 28. November 1898 in Hamburg zur Abreise bereit zu sein. Mein Vater bezw. Vormund ist mit meinem Entschluß einverstanden."
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England ist ein mächtiger Staat; seine Flotte ist so groß wie die Frankreichs und Rußlands zusammen, ließe sich eine Großmacht mit ihm ein, sie wäre alsbald von der Welt abgeschlossen, denn England beherrscht die Meere. Auch Frankreich mußte in der Faschodafrage soeben zurückweichen. Aber auch der englische Achilles hat seine verwundbare Ferse. England hat alle Ursache, einen verbündeten Feind zu fürchten, nicht zu Wasser, aber zu Lande. Die Landung eines feindlichen Heeres in England gehört nicht mehr zu den Unmöglichkeiten, denn England hat nur 108000 Mann Soldaten im Mutterlands stehen, die im Falle eines Krieges zudem noch fast sämtlich an die Kolonien abgegeben werden müßten. Dann blieben nur noch Miliz und Freiwillige zur Verteidigung übrig. Die Bürgersoldaten aber sind ungenügend ausgebildet und schlecht diszipliniert und nicht befähigt, einem landenden Heere nennenswerten Widerstand zu leisten. Eine Landung ist nicht mehr ausgeschlossen, seitdem Dampfkraft und Elektrizität die Versammlung und schnelle Ueberführuug des Heeres wesentlich erleichtern. Die Operationen der modernen Schiffe sind ziemlich unabhängig von den Witterungsverhältnissen, daher können von verschiedenen Häfen abgehende Transportflotten sich zu einer vorausbestimmten Zeit an dem zur Landung
l in Aussicht genommenen Punkte vereinigen. Auch stehen allen Großmächten heute so viele große und schnelle Handelsdampfer zur Verfügung, daß sie starke Heere mit einem Male an die feindliche Küste werfen können. Während die englische Flotte von den vereinigten Flotten der Gegner festgehalten wird, verwandeln diese den Seekrieg in einen Landkrieg, worin ihre Stärke beruht, und suchen die Entscheidung dort, wo alle Stränge des Weltreiches zusammenlaufen : in London. London ist nicht befestigt und naturgemäß das Ziel jedes feindlichen Heeres, mag es landen wo es will, denn in London diktiert man den Frieden.
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Chamberlain führte in einer in Manchester gehaltenen Rede aus, die militärischen und Marine-Rüstungen bezweckten nicht Drohungen gegen irgend eine Macht und dürften nicht als Drohung ausgelegt werden. Sie seien nur Vorsichtsmaßregeln, die sehr natürlich waren rm Augenblicke eines schweren Konfliktes mit einer anderen Nation. Es wäre widersinnig, sie einzustellen, bevor jede Gefahr geschwunden sei. „Ich bin überzeugt", sagte Chamberlain, „daß alle Friedensfreunde hoffen, die Entscheidung Frankreichs in der Faschodafrage zeige an, daß Frankreich das Prinzip anerkennt, welches wir verfechten. Wir beanspruchen im Namen Egyptens, welches wir unter den größten Opfern dem Ruin und der Anarchie entrissen und wieder in eine günstige Lage gebracht haben, die ganze Herrschaft über die Gebiete, welche ihm jemals gehörten oder in die Hände der Derwische gefallen sind. Die Frage der genauen Lage der Grenzen zwischen den egyptischen und französischen Besitzungen kann zu historisch-geographischen Untersuchungen und freundschaftlichen Erörterungen führen. Wir können bereit sein, Frankreich alle möglichen Garantien für den Zugang seines Handels zum Nil zu gewähren, aber es könne keine
Diskussion über das Prinzip geben, welches ich dargelegt habe."
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Ein neues unmittelbares Eingreifen des Zaren in die Staatsgeschäfte wird gemeldet. Dieser Tage erging ein Befehl des Zaren durch das Departement der Staatsökonomie allen Ministerien zu, im nächstjährigen Staatshaushalt keinesfalls die ordentlichen Ausgaben zu erhöhen und die außerordentlichen jedenfalls einzuschränken. Amtlich begründet wird der Erlaß durch letztjährige Mißernten. Tatsächlich meinen gutunterrichtete politische Persönlichkeiten jedoch, der Befehl des Zaren stehe außerdem noch oder hauptsäch- lich in ursächlichem Zusammenhang mit der Friedenskundgebung. Jedenfalls ist der Rundbefehl von höchstem Interesse, da ein unmittelbares eigenes Beginnen des Zaren zu derartigen Erlassen nur bei Fällen außerordentlichster Wichtigkeit bisher gebräuchlich war.
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* Nagold, 15. Nov. Zur Zeit bringt die Ernte der Tannenzapfen eine schöne Summe Geldes ein, die gerade den ärmeren Waldbewohnern, die sich damit beschäftigen, sehr zu gönnen ist. Gewandte Sammler können es im Tag auf etwa 8—10 Ztr. Zapfen bringen. Daß beim Brechen derselben Uebung und Vorsicht nötig sei, ist selbstverständlich. Leider wird diese nicht immer beobachtet und manche der leichteren und schwereren Unglücksfälle, von denen berichtet werden mußte, könnten vermieden werden, wenn die Sammler die ihnen empfohlene und wohlbekannte Vorsicht anwenden würden. Das sog. „Wipfeln", d. h. das sich Schnellen von Baumwipfel zu Äaumwipfel, um Zeit und Mühe zu ersparen, sollte und könnte unterlassen werden.
* Calw. In der Nacht vom Sonntag 13. auf Montag 14. ds. Mts. hat der Bauernknecht Leopold Lutz in Oberreichenbach den Fabrikarbeiter Karl Burghardt daselbst erstochen, weil dieser einem läppischen Streit zwischen dem Lutz und einem Bruder des Burghardt abwehren wollte. Der Thäter ist verhaftet.
* Freuden st adt, 15. Nov. In Wittendorf, hiesigen Oberamts, stürzte Kronenwirt Seeger beim Leeren des Maischbottichs in seiner Brauerei in die heiße Flüssigkeit desselben und erlitt dabei lebensgefährliche Brandwunden.
* Auf der Station Tübingen ist am 15. November abends 7 Vs Uhr eine vom Kohlenlager kommende Lokomotive dem einfahrenden Güterzug 1138 von Horb in die Flanke gefahren. Die Zugslokomotive ist entgleist, die Bahn war bis morgens 2 Uhr gesperrt. Ein Lokomotivführer ist unbedeutend verletzt. Der Schnellzug 282 wurde über die Gäubahn umgeleitet. Bei den Personenzügen 213 und 218 mußte umgestiegen werden.
* Rottweil, 15. Nov. Heute nachmittag 3 Uhr wurde Freiherr v. Münch auf Hohenmührmgen durch einen Landjäger vom Bahnhofe her in das Landgerichtsgebäude
l transportiert. Herr v. Münch schlug den Transport durch ein Gefährt aus und ging zu Fuß mit dem bewaffneten Landjäger. Das K. Landgericht hat wegen Ungehorsams gegen Vorladungen Vorführungsbefehl gegen von Münch erlassen. Nach der Vernehmung wurde er wieder auf freien Fuß gesetzt.
* Stuttgart, 15. Nov. Die aus Hannover hierher gemeldete Verhaftung des früheren Günstlings König Karls, des Maschineriedirektors Georges, wird viel besprochen. G. hatte es verstanden, die bekannte Noblesse und Freigebigkeit des verstorbenen Königs sich auf alle mögliche Weise zu Nutze zu machen. Auch in seinem Testament hat ihn der Monarch sehr reichlich bedacht, ihm außerdem eine lebenslängliche Pension von 5000 Mk. garantiert, sowie das lebenslängliche Wohnungsrecht in dem vom Volksmund „Georgenäum" geheißenen Coulissenhaus in den K. Anlagen, wofür der Landtag seinerzeit über 100 000 Mk. verwrlligte. Als König Wilhelm II. unmittelbar nach seinem Regierungsantritt den Herrn „Direktor" entließ, wurde er klagbar und es mußte ihm als Aequivalent für das verlustig gegangene Wohnungsrecht in Hannover ein stattliches Haus gekauft werden. Die Villa Taubenheim, einst der Lieblingsaufenthalt König Karls in Friedrichshafen, welche Georges zum Geschenke erhielt, hat er längst in bares Geld umgesetzt, allerdings nicht zu dem Preise, den ihm Königin Olga zur Auslösung des Kleinods s. Z. geboten hatte (108 000 Mk.) Das zusammengescharrte Gut scheint Herrn Georges aber noch nicht bedeutend genug gewesen zu sein, er suchte es durch Wucher zu vermehren. Hiebei hat ihn die Nemesis erreicht. Bei einem dieser Tage verhandelten Spielprozeß stellte es sich heraus, daß Georges durch einen gewissen Löwenstrin Gelder an Offiziere der Reitschule zu 25 bis 40°/« verlieh. Da er sich in seiner Eigenschaft als Zeuge in allerlei Widerspruch verwickelte, wurde er sofort in Haft genommen. Er sieht jetzt der Anklage des Meineids und Wuchers entgegen.
* Stuttgart, 16. Nov. In den letzten Monaten ist die Straßenbahnfrage wieder in den Vordergrund getreten. Von verschiedenen Seiten sind Projekte für neue Linien aufgetaucht, die Kontinentale Gesellschaft für elektrische Unternehmungen ist bereits um die Konzessionierung von zwei neuen Strecken eingekommen, und in der Presse sowie in einem Flugblatt sind eingehende Erörterungen dieser Angelegenheit erfolgt. Der Gemeinderat hat jetzt der Stuttgarter Straßenbahngesellschaft in gewissem Sinne ein Ultimatum gestellt. Sie soll sich innerhalb 14 Tagen schlüssig machen, die vom Grmeinderat ausgestellten Bedingungen anzunehmen. Spätestens nach Verlauf von 5 Jahren muß die einheitliche Zehnpfennigtaxe für sämtliche Linien und ohne Rücksicht auf das Umsteigen eingeführt sein. In der Zwischenzeit hat eine Tarifänderung einzutreten, welche einer Verbilligung der gegenwärtigen Fahrpreise um 40—50 Proz. gleichkommt. Die Straßenbahn muß jede der von ihr zur Ausführung eingegebenen Linien sofort, d. h. sobald der Straßenuntergrund sich in entsprechendem Zustande befindet, in Angriff nehmen nnd mit thunlichster Beschleunigung zu Ende führen. Sollte die Straßenbahn-Gesellschaft auf diese Bedingungen nicht eingehen, so wird der Gemeinderat alsbald weitere Beschlüsse fassen.
* Stuttgart, 16. Nov. Die Frage der Errichtung einer Handelshochschule in Württemberg, welche noch vor einigen Monaten zu lebhaften Erörterungen in der Presse geführt hat, ist jetzt — wenigstens für die nächste Zeit — vollständig von der Tagesordnung abgesetzt worden. Gutem Vernehmen nach hat nämlich zwischen einer Vertretung der maßgebenden kommerziellen Kreise und dem Kultusminister Dr. Sarwey eine Besprechung über diese Angelegenheit stattgefunden. Es wurde dabei übereinstimmend die Anschauung ausgesprochen, daß eS für die württ. Verhältnisse vorläufig durchaus genügen würde, wenn der ebenfalls in der Presse schon erörterte Ausbau der Stuttgarter höheren Handelsschule in sachgemäßer Form in die Wege geleitet würde. Auf dem zweiten Kongreß des deutschen Verbandes für das kaufmännische Unterrichtswesen ist die Handelshochschulen-Frage ganz eingehend durchberaten worden. Dabei gelangte allgemein die Anschauung zum Durchbruch, daß in Deutschland di« gegenwärtig meist übliche kaufmännische Ausbildung, in Sonderheit für Großkaufmann und Großindustriellen, nicht mehr genüge. Die Ausbildung sei unzureichend, sowohl hinsichtlich der direkten Erfordernisse des kaufmännischen Berufes, um den so erheblich gesteigerten Kampf ums Dasein auch fernerhin mit Aussicht auf guten Erfolg bestehen zu können, als auch zur thatkräftigen und ehrenvollen Wahrung der politischen und materiellen Interessen des Standes im In- und Auslande, namentlich im Hinblick auf di« neuere soziale und wirtschaftliche Gesetzgebung.