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Samstag, 12. Wovember

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1898.

Uebertragen wurde die erledigte Kollaboratorsstelle an der Realschule in Wildbad dem Kollaborator Walz an der Realschule in Münsingen.

Die T«rse

ist gegenwärtig sehr ernst, aber Deutschland ist an keiner der Fragen direkt beteiligt, die diese ernste Lage geschaffen haben.

England hat während des Kabinetts Salisbury sehr häufig mit dem Säbel gerasselt; seine Staatsmänner haben schon häufig genug Reden gehalten, aus denen man hätte entnehmen können, der Krieg stehe unmittelbar vor der Thür. Jetzt reden die englischen Staatsmänner nicht, aber England rüstet, rüstet mit Aufbietung aller Kräfte, die ein reiches Volk besitzt; es rüstet, ohne daß man bestimmt weiß, gegen wen diese ganz außerordentliche und riesenhaft kostspielige Maßregel gerichtet ist.

Faschoda ist eine abgethane Sache. Frankreich hat weichen müssen und Albion, das meerumgürtete, ist dank seiner maritimen Streitmacht Sieger geblieben. Aber doch nur für den Augenblick, denn Frankreich ist nicht gewillt, eine Demütigung schwachmütig hinzunehmen, und hinter den fanatischen Politikern an der Seine erscheint im Hintergründe die gewaltige Erscheinung des Herrschers aller Reußen, da« heißt, des geborenen Feindes brittischer Weltmacht. Der Groll zwischen Rußland und England ist so alt wie die Kolomalgeschichte der beiden Nationen und die Konkurrenz in Asien. Ursprünglich nur auf die mittelasiatisch-sibirisch' indischen Annäherungskreise beschränkt, wuchs die Wahr­scheinlichkeit eines Zusammenstoßes mit dem Auftreten der ostasiatischen Frage: so lange Englands Flotte im Großen Ozean ungebrochen ihre Flagge zeigt, so lange Indien der feste Rückhalt aller strategischen Operationen bildet, ist an ein Vorwiegen des russischen Einflusses in China nicht zu denken. Daher gilt es, den Lebensnerv GroßbritanienS zu treffen. Indien muß fallen, mit dem südasiatischen Besitz sinkt auch die Flottenherrschaft im Stillen Weltmeer. Und damit Indien falle, muß Aegypten, das Bindeglied, oder um es militärisch auszudrücken, die Etappenstraße zwischen der Heimat und dem Kriegsschauplatz, durchbrochen werden.

Nun kommt die Gelegenheit den russischen Politikern eben recht. Marschierte Frankreich schon in der Hoffnung einer einstigen Abrechnung mit Deutschland an der Seite des russischen Verbündeten, so ist es jetzt im Gefühl einer neuen brennenden Kränkung und in der sicheren Zuversicht, in Afrika seinen Vorteil zu finden, sofort marschbereit, wenn Kaiser Nikolaus das Zeichen giebt. Rußland hat um so mehr Grund, die ägyptische Frage anzuschneiden, als es einerseits bei den soeben neu bekräftigten vorzüglichen Beziehungen zwischen dem deutschen Kaiser und dem Sultan sicher sein kann, daß Deutschland einer Annexion des türkisch-ägyptischen Gebiets durch die Engländer völlig abgeneigt ist, und daß anderseits das Auftreten der Amerikaner im Philippinenarchipel eine neue Lage schafft, welche mit jedem neuen Tage größere Gefahren in sich birgt und die eines schönen Morgens sich als ein angelsächsisches Bündnis gegen Rußland oder viel­leicht gar unter Hinzuziehung Japans als antirussischer Drei­bund entpuppen kann.

Ein russisch-deutsch-französisches Vorgehen, von dem eimge Blätter schon sprechen, wird man allerdings nicht sofort erwarten müssen. Voraussichtlich wird die deutsche Politik sich in kluger Zurückhaltung, wenn auch mit ent­schiedener Sympathie für die russisch-französische Sache, auf streng neutralen Grundlagen bewegen. Für England einen Finger zu rühren, haben wir jedenfalls keine Veranlassung. So rächt sich die perfide Politik Albions, die es von jeher liebte, von anderen die Kastanien aus dem Feuer holen zu lassen und den ganzen Erdball als reserviert für brittische Kolonialbestrebungen anzusehen. Damit ergiebt sich auch die Unhaltbarkeit der Meldung die besagt, daß England mit Deutschland einverstanden sei, gleich bei der Rückkehr Kaiser Wilhelms nach Berlin die ägyptische Frage aufzu­werfen und im Sinne Englands zu lösen. Kaiser Wilhelm habe England erklärt, daß er dem Protektorat Englands über Aegypten zustimme. Hiervon kann bei Erwägung aller Verhältnisse gar keine Rede sein.

Früher glaubte man, der große Gegensatz zwischen England und Rußland werde zugleich mit der orientalischen Frage ausgetragen werden; später gelangte man zu der Annahme, im nördlichen Indien werde die Entscheidung fallen. Heute ist Ostasien der Brennpunkt!

In diesem sehr ernsten Zeitbild fehlen auch die fried­lichen Bestrebungen nicht: Der Papst hat den pästlichen Nuntius in Paris angewiesen, bei der französischen Regierung alles zu thun, um eine Wiederholung der Greuelthaten des spanisch-amerikanischen Krieges zu verhüten. Gleiche In­struktionen wurden dem päpstlichen Nuntius in London zu­

gestellt. Aber werden des Papstes Friedensbestrebungen diesmal besseren Erfolg haben, als bei dem Konflikt zwischen Nordamerika und Spanien!?

Zur Stellung Deutschlands gegenüber den englischen Rüstungen und dem Verhältnis zwischen England und Frank­reich wird aus Berlin geschrieben:Auf Grund guter Informationen kann ich heute da« Folgende mitteilen: Zu­nächst ist mit Bestimmtheit festzustellen, daß trotz der in neuerer Zeit wieder freundlicher gewordenen deutsch-englischen Beziehungen und trotz des deutsch-englischen Abkommens Deutschland nicht im mindesten an dem Politisch interessiert ist, was in London vorbereitet wird. England handelt durchaus selbständig.

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DemDaily Telegraph" wird aus Petersburg gemeldet, daß die russische Regierung am Samstag an die französische Regierung und an den Vatikan eine Note gesandt habe, worin ausgedrückt wird, daß Rußland entschlossen sei, Frankreichs Protektorat über die Katholiken im Orient auf­recht zu erhalten. Der Korrespondent fügt hinzu, die Ab­tretung der vorwition äs la, 8t. VisrKs betrachte man in Petersburg nicht als eine religiöse Sache, sondern als eine Usurpation (!) des Gebietes seitens Deutschlands, ohne daß die Mächte befragt seien, nur um Deutschlands Einfluß im Orient zu vergrößern und Frankreichs politische Rolle dort zu verringern, obwohl bis jetzt der Vatikan zugestimmt hat und es auf Deutschlands Einverständnis mit dem Sultan gegründet ist. Wozu also der Lärm? fügt die ,,Frkft. Ztg." an. Daß der Sultan das Recht hat. ein von ihm dem Privatbesitzer abgekauftes Stück Land dem Kaiser Wilhelm zu schenken, werden doch die Russen und Franzosen nicht bestreiten können. Die Londoner Abendblätter heben übrigens die Meldung über eine Protestnote Rußlands her-

vor, ohne Erörterungen daran zu knüpfen.

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Wer im Orient einen verläßlichen und vertrauens­würdigen Mann braucht, der wendet sich an einen Türken. Das Christentum hat im Orient seine Wirkung verfehlt; der Durchschnitt der christlichen Bevölkerung steht ohne Zweifel in moralischer Hinsicht unter den Mubamedanern." Derjenige, der das schreibt, ist der Bonner Universitäts­lehrer Dr. Körte, der jahrelang in Anatolien gelebt hat. Fast jeder, der mit dem Volke in Berührung kommt, lernt den Türken achten und lieben, den Griechen geringschätzen, den Armenier hassen und verachten." Die orientalischen Volkscharakteren stellen sich etwa folgendermaßen dar: der Grieche Großmaul und Krämerseele, sonst aber ein leidlich guter Teufel; der Armenier Gauner, beziehungs­weiseUebergauner" ; der Levantiner Bildungscharlatan mit französischem Civilisationsmäntelchen, der Kreole des Orients. Gewissenhaft und loyal ist allein der Türke. Die Christen sind das ausbeutende, teilweise mit phänomenalem Wucher arbeitende Element; die Türken, von der Bureau- kratie und Armee abgesehen, die Vertreter von Handwerk, Groß- und Kleingrundbesitz, kurz von der produktiven Arbeit in ihren verschiedenartigsten Nuancen; sie sind es, die neun Zehntel aller Steuern aufbringen und die noch die Blut­steuer der Rekrutierung tragen. Zum Charakter der Türken gehört die Ehrlichkeit und Loyalität, der Ernst und der An­stand, der Widerwille gegen das lärmende, widerwärtige Gebühren der Griechen, Armenier und dergleichen Leute. Der Türke hat Sum für die äußere Reinlichkeit, mit tiefster Religiosität ist die liebenswürdigste Duldsamkeit gegen Andersgläubige gepaart. Er kennt auch keine Kastenunter- schiede. Allen geistigen Getränken ist er abgeneigt. Das Gegenteil aber sind die orientalischenChristen", die vom Christentum nur den Namen haben. Das türkische Volk zum Freund zu haben, ist ein Gewinn, ein gutes Zeugnis, und da der Türke der Freund des Deutschen ist, so ist das auch in materieller Beziehung für Deutschland ein Gewinn. Kaffer Wilhelm hat durch seine Orientreis« die Zuneigung der Türken uns neu gefestigt, ja man will wissen, daß er uns ihre militärische Kraft für bestimmte Fälle gewonnen habe.

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Ein Häuflein Asche birgt allen Ruhm, den die Spanier aus dem jahrhundertelang bedrückten Amerika mit hinweg­nehmen: Die Asche des Kolumbus. Die Ausgrabung fand am 22. September statt. Morgens um 9 Uhr traf der General­kapitän vor der Kathedrale in Havanna ein, wo ihn eine Kommission erwartete. Sie bestand aus dem Erzbischof, dem Justizminister als Notar, dem Militär-Zivilgouverneur, dem Dekan der Kathedrale, einem Baurat und einem Arzt. Man be­riet zunächst über die Form, wie die Asche nach Spanien zu senden

sei, dann wurde die Grabstätte geprüft, geöffnet und die sterblichen Reste des Weltentdeckers wurden in einen Zink- sark gelegt, der dann in der Sakristei aufgestellt wurde, wo er Täg und Nacht hindurch bewacht wird. Die Thüren der Kirche blieben während dieser Zeit geschlossen, drinnen befand sich nur die Kommission, während sich draußen einige Gruppen gebildet hatten, die das Ereignis besprachen. Um kl?/? Uhr war der Akt beendet. Ein schwarz beflaggtes spanisches Schiff wird in den nächsten Tagen die Asche an Bord nehmen.

" Württembergischer Landtag

Kammer der Abgeordneten.

* Stuttgart, 8. Nov. (242. Sitzung.) Präsident Payer hieß die Kollegen zu der voraussichtlich kurzen, aber, wie zu hoffen stehe, fruchtbaren Tagung willkommen. Er widmete danach dem verstorbenen Bischof Dr. v. Linsenmann, der als Vertreter des Domkapitels längere Zeit Mitglied der Abgeordnetenkammer gewesen war, warme Worte der Erinnerung. Das Haus erhebt sich von den Sitzen. Es folgte die Beratung einiger unwichtiger Eingaben. Nächste Sitzung morgen Mittwoch, vormittags 10 Uhr. Die Ge­schäftslage wird es mit sich bringen, daß die Kammer der Abgeordneten sich morgen auf unbestimmte Zeit vertagen wird, bis die erste Kammer ihre Beratungen so weit ge­fördert hat, daß die zweite Kammer mit der Behandlung ihrer Beschlüsse die Arbeiten fortsetzen kann. Die Kammer der Standesherren hat schon in ihrer Eröffnungs-Sitzung, auf deren Tagesordnung die Beratung der Anträge der ver­stärkten Finanzkommission zu den zweiten Beschlüssen der Kammer der Abgeordneten über den Entwurf eines Gesetzes betr. die Einkommensteuer stand, ein gutes Stück Arbeit ge­leistet, indem sie die ersten 16 Artikel des Gesetzentwurfs erledigte. Die Kammer nahm dem Kommissionsantrag gegen­über eine gegen früher etwas nachgiebigere Stellung ein, indem sie einer Steigerung des Steuersatzes bis zu 4,5 Prozent zustimmte, der bei einem Einkommenssatze von 100 000 Mk. erreicht wird. Bei Einkommen von 50000 Mark ab steigt der Steuersatz von 4 Prozent ab bei je 10000 Mark um 0,1 Prozent. Finanzminffter v. Zeyer erklärte namens der Regierung, daß diese sich mit dieser Fassung einverstanden erklären könne. Bei Art. 6 beharrte die Kammer auf ihrem früheren Beschluß, wonach der Anschlag für Dienstwohnungen den sechsten Teil der anderen Dienstbczüge des Berechtigten nicht übersteigen darf, ebenso bei Art. 9 darauf, daß die reichsgesetzlich zu entrichtenden Beiträge zu verschiedenen Kassen und die Ertragssteuern, welche für den Staat, die Amtskörperschaften und Gemeinden erhoben werden, an den Einkommensätzen in Abzug zu bringen seien.

9. November. (243. Sitzung.) Die Kammer nahm einstimmig den Entwurf einer Aenderung der Uebereinkunft zwischen dem Ministerium des Innern und der norddeutschen Hagelversicherungsgesellschaft an, wonach die durch die Hagel­schäden des Jahres nötig gewordenen Nachschußprämien von Mk. 373 500 nicht den Versicherten zur Last gelegt, sondern von dem staatlichen Hagelversicherungsfond gedeckt wird. Künftig wird übrigens dann ein Zuschlag von 10 Prozent der Vorprämien von den württembergischen Versicherten er­hoben werden. In der Debatte erklärte namens der Volks­partei der Abg. Lang, für ihn und seine Freunde sei ent­scheidend, daß die Landwirte durch die geforderten Nachschuß­prämien nicht von der Hagel-Versicherung zurückgeschreckt werden. Deshalb soll der staatliche Fond die Nachschuß­prämien übernehmen, ohne ein Präjudiz zu schaffen. Frei­herr von Wöllwarth kündigte an, daß die Gesellschaft wahr­scheinlich morgen über die Kündigung des Vertrags beraten werde. Der Minister des Innern erhofft eine Verständig­ung für Weiterführung des Vertrags. Die Gesellschaft habe seit Bestehen des Vertrags 1 350 000 Mark wehr Entschädig­ungsgelder nach Württemberg gezahlt, als dieses an Prämien zu leisten hatte. An der Katastrophe von 1897 hatte die Gesellschaft allein Mark 700000 zu zahlen. Nirgends im Reiche fei die Versicherung so ausgedehnt verbreitet, wie in unserem Lande. Bei Gründung einer freiwilligen Gegen­seitigkeitsversicherung sei die Gewähr nicht gegeben, daß die Gesellschaft bestehen könne, viel eher empfehle sich der Ge­danke einer Zwangsversicherung, allerdings beschränkt auf das Getreide. Damit vertagt sich die Abgeordnetenkammer auf unbestimmte Zeit. Haußmann-Gerabronn wünscht, daß endlich einmal der Entwurf des Ausführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch bekannt gegeben werde, da auf diese geschäftslose Zeit der Abgeordnetenkammer ein hastiges Treiben von Dezember an folgen müsse. Gröber (Ztr.) schließt sich diesem Wunsche an. indem er seinem Bedauern Ausdruck giebt, daß die Veröffentlichung des Entwurfs, der auch zahl­reiche Kreise außerhalb des Abgeordnetenhauses interessiert, noch nicht erfolgt ist.