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Donnerstag, 3. November
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* Berlin, 31. Okt. Aus dem Zeltlager vor Jerusalem wird telegraphiert: „Die Kaiserlichen Majestäten wohnten gestern auf dem Oelberge bei herrlichem Sonnenuntergang einer kurzen, von Oberhofprediger Dryander gehaltenen Andacht bei und zogen die Spitzen der hier anwesenden preußischen Behörden und der Johanniter zur Tafel bei. Heute mittag fand die Einweihung der Erlöserkirche mit allem kirchlichen und weltlichen Pomp statt. Es war eine überaus erhebende Feier, an welcher die einheimische Bevölkerung in ganz besonderer Weise teilnahm. Es herrscht große Hitze, aber alles befindet sich wohl."
* Jerusalem, 31. Okt. Die aus Anlaß der Einweihung der Erlöserkirche in Jerusalem hinterlegte Urkunde hat folgenden Wortlaut: „Im Namen Gottes, des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes, Amen!" In Jerusalem, der Stadt Gottes, da, wo unser Herr und Heiland, Jesus Christus, durch sein bitteres Leiden und Sterben und seine sieghafte Auferstehung das Werk der Erlösung vollbracht hat, auch der Kirche der Reformation eine bleibende Stätte zu bereiten, war schon lange das Streben meiner in Gott ruhenden Vorfahren, auf daß auch Deutschlands evangelische K:rche da nicht fehle, wo die Christen aller Bekenntnisse für die Gnadenthat der Erlösung Dank opfern. Nachdem schon des Königs Friedrich Wilhelm IV. Majestät nach der Heiligen Stadt die Augen gerichtet und in ihr dem evangelischen Glauben Raum zu schaffen Sorge getragen hatte, war es meines in Gott ruhenden Herrn Großvaters, des Kaisers und Königs Wilhelm des Großen Majestät Herzenswunsch, auf dem durch die Liebes- arbett des Johanniterordens geweihten Platze, welchen mein in Gott ruhender Herr Vater, des Kaisers und Königs Friedrich III. Majestät auf der Pilgerfahrt zum Heiligen Grabe als hochherziges Geschenk des Landesherrn einst in Besitz genommen, eine evangelische Kirche zu errichten, damit m ihr das Wort Gottes auf dem Glaubensgrunde der Reformation in deutscher Sprache gepredigt und der Name Jesu Christi in deutscher Zunge gepriesen werde. Gottes Gnade hat es mir, dem Deutschen Kaiser und Könige von Preußen Wilhelm II., verliehen, das von seinen Vorfahren begonnene Werk zu vollenden und heute, am Gedächtnistage der gesegneten Reformation, im Beisein meiner teuren Gemahlin, der allerdurchlauchtigsten Kaiserin und Königin Auguste Viktoria, umgeben von den Vertretern der evang. Christenheit und getragen vor ihren Gebeten, die Einweihung der Kirche zu vollziehen. Die Kirche soll den Namen Erlöserkirche führen, damit kund werde, daß ich und Alle, die mit mir in dem Werke der Reformation ein Gnadenwerk Gottes erkennen und dankbar daran festhalten, zu Jesu Christo, dem Gekreuzigten und wahrhaftig Auferstandenen, als zu unserem einigen Erlöser aufschauen und allein durch Glauben an ihn gerecht und selig zu werden hoffen. Zugleich aber soll diese Kirche, die sich an der Stelle erhebt, wo einst die Johanniter unter dem Kreuz ihre Liebesarbeit gethan, davon Zeugnis geben, daß Glauben und Liebe unzertrennlich sind und in Christo Jesu nichts gilt als nur der Glaube, der durch die Liebe thätig ist. Dankerfüllten Herzens bitten wir Gott, er wolle sein seligmachendes Wort allezeit erhalten und verleihen, daß es hier und aller Orten lauter und rein gepredigt werde und viel Frucht der Liebe schaffe, damit sein Name geheiligt werde, sein Reich komme, sein Wille geschehe, er wolle unsere teure evangelische Kirche bauen und schirmen und unser deutsches Vaterland segnen aus der Fülle seiner Gnade. Vor dem Jerusalem hier unten heben wir unsere Augen auf zu dem Jerusalem, das droben ist. Der Herr und Erlöser der Welt verleihe uns Allen, die gläubig zu ihm beten, im Glauben und brünstiger Liebe also zu wandeln, daß wir dereinst eingehen in die obere Gottesstadt, dort ihm zu danken und ihn zu preisen in Ewigkeit."
* Der Kaiser bekam vom Sultan den Platz in Jerusalem geschenkt, auf welchem der Legende nach das Haus stand, worin Maria nach der Auferstehung Christi lebte und starb. Er überließ diesen Platz den deutschen Katholiken zum Bau einer Kirche.
* Karlsruhe, 1. Nov. Nach dem Hofbericht der Karlsruher Zeitung sandte der Kaiser aus Jerusalem nach dem Einzug vom Zeltlager aus folgendes Telegramm an den Großherzog von Baden: Bin soeben vom Besuch der Grabeskirche heimgekehrt. Der Gedanke, an der Stätte zu weilen, wo sich das größte Wunder vollzogen, die Erlösung der Menschen durch das Sterben des Heilandes, ist tief bewegend und erhebend. Viele liebe Landsleute sind hier und befinden sich in gehobener Stimmung. Das Wetter ist prachtvoll. Der Sultan hat mir die Aufmerksamkeit erwiesen, mich in den Besitz eines Territoriums zu setzen,
worauf ich unseren deutschen Katholiken erlaubte, mit Nießbrauch eine Kirche zu errichten. Meine katholischen Unter- tbanen mögen daraus ersehen, wie ernst ich mir den Schutz ihrer religiösen Interessen angelegen sein lasse. Möge es ihnen allen zur Freude werden und ein reicher Segen für sie darauf ruhen.
* Jerusalem, 31. Okt. Am Sonntag in aller Frühe begaben sich die Majestäten nach Bethlehem. Die Kaiserin fuhr von dort nach Weinberg und wohnte um 7 Uhr der Einweihung des Waisenhauses bei. Der Vorsitzende der Jerusalem-Stiftung, Graf Ziethen-Schwerin, begrüßte die Festgemeinde, gab einen Ueberblick über die Entwicklung der Erfolge des Jerusalem-Vereins, knüpfte daran die Ermahnung, die Dankbarkeit für die bisherigen großen Erfolge durch ferneres Wirken und Werben in der Heimat zu bethätigen, und sprach allen an der Errichtung und am Bau des Waisenhauses Beteiligten den Dank aus. Die Einweihung vollzog Lizentiat Weser-Berlin. Nach der Feier begab sich die Kaiserin nach Bethlehem zurück, wo in der evangelischen Kirche in Gegenwart beider Majestäten Gottesdienst stattfand. Am Eingänge der Kirche wurden die Majestäten von dem Grafen Ziethen-Schwerin namens des Jerusalem-Vereins begrüßt. Er hieß das Herrschrrpaar willkommen in der Stadt Davids, welche mit Nichten die kleinste unter den Städten in Juda sei, sondern die größte und hochgeehrteste in der Welt, da dort der Heiland geboren sei. Die endliche Vollendung sei erreicht worden durch das Eingreifen der Kaiserin in Konstantinopel, wofür der Jerusalem-Verein an dieser Stelle für alle Zeit und Ewigkeit Gottes Segen auf die Majestäten herabflehe. Nach dem Gottesdienst versammelte der Kaiser die evangelischen Geistlichen um sich, um denselben etwa folgendes zu sagen: Nach den im heiligen Lande empfundenen Eindrücken habe er die Ueberzeugung gewonnen, daß für die evangelische Sache hier ein reiches Arbeitsfeld sich darbiete. Sie könne dieser Aufgabe nur gerecht werden, wenn ihre einzelnen Mitglieder einen frommen und rechtschaffenen Lebenswandel führen. Es komme vor allem darauf an, daß dieselben in Schlichtheit, Wahrheit und einmütiger Liebe wirken. Er wisse, daß die evangelische Arbeit in dem Lande in diesem Sinn gemacht werde, und er hoffe, daß es mit der Zeit gelingen werde, dem Protestantismus im Orient in friedlichem Zusammensein aller christlichen Konfessionen dre seinem inneren Gehalt entsprechende Stellung zu verschaffen.
Fürst Bismarck hat immer darüber gewacht, daß den Franzosen die Republik erhalten bleibe. Sie haben dann soviel mit sich zu thun, daß wir vor ihnen Ruhe haben. Gegenwärtig aber ist die Republik stark gefährdet, denn das Ende des Uebsrgewichts der Zivilgewalt in Frankreich ist zugleich das Ende der Republik. Eine unter der Militärgewalt stehende Republik ist ein Unding. Sie kann allenfalls ein Schattendasein von einigen Jahren fristen, aber sie kann einen dauerhaften Bestand nicht mehr haben. Hätte Frankreich auch nur einen General, den der Nimbus eines siegerprobten Führers umwebt, so könnte jetzt dieser
General sich ohne Mühe an die Spitze des Staates stellen. * *
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Der Boden ist in Frankreich für einen neuen Herrscher gut vorbereitet. Wer wird der kommende Mann sein? Und mancher deutet geheimnisvoll nach Westen. Dort liegt Peterhof, der schöne waldgrüne Landsitz des Zaren. Dort liegt auch die Kaserne der Gardeulanen, deren Kommandeur Prinz Louis Napoleon Bonaparte ist. Der Enkel des „Lustik" von Westfalen steht jetzt in seinem 31. Lebensjahre und bekleidet die Stelle eines russischen Gardeobersten. Man erzählt manche mehr oder auch weniger nette Geschichte über ihn aus dem Reiche der Skandalchronik. Man ist auch einig darin, daß er ein sehr tüchtiger Offizier ist, dem Reiterdienst nicht nur Pflicht, sondern Freude und Erholung bedeutet. Im Kaukasus hat er eine gute Schule durchgemacht, vortrefflich Russisch gelernt und durch seinen Fleiß im Dienst sich manche Freunde erworben. Die unter dem früheren Kommandeur etwas bequem gewordenen Gardeulanen hat der Prinz tüchtig aufgerüttelt, die Reitbahn weiß davon zu erzählen. Obgleich, wie es heißt, von der Kaiserin Eugenie unterstützt, lebt der Prinz einfach. Er glänzt nur durch einige schöne Pferde und durch tadellose Kleidung. Als Kronbewerber ist der Prinz niemals aufgetreten und auch jetzt natürlich nicht. Er begnügt sich mit einer gewissen Ausnahmestellung mit dem Titel Kaiserliche Hoheit, den ihm auch der Gothaer Almanach nicht vorenthält, und mit seinem Reiterdienst. Man rühmt ihm nicht zu übersehende militärische Eigenschaften und Fähigkeiten nach. Seine Beziehungen zu dem russischen Hofe sind gut, ohne besondere
Verwendbare Beiträge werden dankbar angenommen.
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j 1898.
Wärme zu entwickeln. Seine Zeit hat Louis Napoleon Josef Jerome jedenfalls nicht verloren. Seit dem großen Napoleon ist er der einzige wirkliche Soldat in dem Ge- schlechte der Bonaparte. Als Großneffe des ersten Napoleon und als glänzender russischer Reiteroberst oder General wird er für viele Franzosen — auch wenn die Zukunft ihre Ver- sprechen nicht hält — immer Gegenstand achtungsvoller Aufmerksamkeit sein und einspringen können, sobald er den
Augenblick für günstig erachtet.
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Rußlands äußere Macht steht in Widerspruch zu seinem inneren Verfall. Der russische Bauernstand ist in vielen Teilen des Reiches dem Untergange nahe. Mißernten, sagt ein Petersburger Blatt, oder doch wenigstens teilweise Mißernten, pflegen uns jedes Jahr heimzusuchen. Alljährlich wenden Regierung und Provinzen bedeutende Mittel auf, um sie zu bekämpfen, sodaß die Hilfe bei der Verpflegung des Volks zu einer stehenden Aufgabe Beider geworden ist, und uns nur noch ein Minister der Volksernährung fehlt. Unser bäuerlicher Wohlstand ist durch die Mißernten und anderes Elend so erschüttert, daß auch bei nur ungünstiger Ernte der Bauer nichts zu essen hat und sich an die Mildthätigkeit der Gesellschaft wenden muß. Stärkere Mißernten aber führen zur Hungersnot mit all ihren Folgen. Dem Brot beginnt man Baumrinde, Harz, Spreu und andere Ersatzteile beizumengen, sodaß eine Mischung entsteht, die nicht einmal von Hunden gefressen wird. Man muß lange Hinsehen, um zu erkennen, daß es Brot sein soll: es ist schwarz, schwer, ohne Poren, von sonderbarem Geruch, voller Spelt und Getreideabfälle und nur mit einem geringen Zusatz von Gerstenmehl. Um das Vieh zu füttern, deckt man Dächer ab, die oft schon jahrelang gedient haben und deren halbverfaultes Stroh dem Vieh zur Nahrung dient, das dabei so von Kräften kommt, daß es nicht stehen kann und im Stall zusammenbricht. Weil in den waldlosen Gebieten der Schwarzen Erde Feuerungs- waterial fehlt, man pflegt dazu gedroschenes Stroh zu benutzen, drängen sich mehrere Familien in einer Hütte zusammen, sodaß die Luft verpestet wird und ansteckende Krankheiten von einem zum andern übergehen. Wo der Ofen mit Holz geheizt wird, schließt man den Ofen sofort, wodurch starker Dunst entsteht, sodaß die Bauern schon gewohnt sind, einander an den Füßen aus der Hütte zu ziehen. In der schlecht geheizten Hütte herrscht solche Feuchtigkeit, daß ein auf den Tisch gestellter Gegenstand bald schimmelt. Der Hunger ruft die folgenden Krankheiten hervor: Typhus, Scorbut, Magenkatarrh, Bleichsucht, Hühnerblindheit, Schwindel, Uebelkeit, schreckliche Schwäche, sodaß die Leute kaum stehen können usw. Eine Menge Pferde fallen, viele Bauern verlassen Haus und Hof, die Familien lösen sich auf. Man stellt die Aussaat ein. Die Steuerrückstände wachsen und ebenso die Zahl der Bettler. Ueberhaupt ist das Bild elend genug. Und das alles spielt sich zu einer Zeit ab, da eine Hilfsverpflegung stattfindet, für welche die Provinzen ihr Reservekapital hingeben, die Magazine geleert werden und die Kronkasse ihr Kapital angreift und noch dazu ungeheure Ausgaben aus dem Reichsschatz dransetzt, wie es 1891/92 geschah.
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-n. Ebhausen, 1. Nov. Heute wurde hier ein Wanderkochkurs eröffnet. An demselben beteiligen sich 12 Mädchen von hier und der nächsten Umgebung. Die bewährte Leitern, desselben ist Fräulein Krauß von Haiterbach, die überall, wo sie schon im Bezirk Kurse abhielt, schöne Erfolge aufzuweisen vermochte hinsichtlich der Leistungen ihrer Schülerinnen. Untergebracht ist der Kochkurs im Gasthaus zur Krone.
* Dornstetten, 30. Okt. Die glückliche Vollendung des im Frühjahr dieses Jahres in Angriff genommenen Baus eines städtischen Wasserwerks benützte die hiesige Stadtgemeinde zu einer wohlgelungenen Festlichkeit, an der die Einwohnerschaft, sowie viele Gäste aus der Umgebung Anteil nahmen. Die Stadt selbst hatte ein schmuckes Festgewand angelegt, beinahe jedes Haus war mit Guirlanden, Blumengewinden, Fahnen und Fähnchen dekoriert, zu denen sich noch zur Ausschmückung der Straßen Tannenbäumchen gesellten. Die Feier, welche vom herrlichsten Herbstwetter begünstigt war, begann nachmittags 1 Uhr mit einer Besichtigung der zu dem Wasserwerk notwendig gewordenen Anlagen. Nach einem von der hiesigen Stadtkapelle gespielten Choral begab sich die Festversammlung zu dem am Fuße des Stadtberges gelegenen Maschinenhaus, einem hübschen Backsteingebäude, um der offiziellen Inbetriebsetzung des Wassersäulenmotors (Reichspatent des Herrn Kröber) beizuwohnen, die denn auch unter Abfeuern von Böllerschüssen