daß es «in leibhaftiger Verräter ist, der dort auf dem Mreresfelscn bleich geworden ist, dem hier alles Glück lächelte, Vermögen, Familie, Ehre, und der Alles verloren hat, aber nichts beweint als seine Ehre? (Lebhafte Be­wegung.) Im Namen der Familie bitte ich Sie nicht um seine Rehabilitation allein, sondern um volles klares Licht, damit kein Verdacht, kein blinder Aberglaube wehr bestehen kann. Niemals vielleicht war ihre Aufgabe ernster, niemals heiliger!" Im Publikum werden halblaute Beifallsäußer­ungen vernehmbar. Labori, Clemrnceau, Demange und andere Anwälte beglückwünschen Mornard. Unter allge­meiner lebhafter Bewegung verkündet der Präsident die Unterbrechung der Sitzung. Es ist zwei Uhr.

* Paris, 2S. Ölt. Das Urteil des Kassations- Hofes lautet auf Annahme des Revisionsgesuchs, Anordnung einer Enqnete und Ablehnung der vorläufige» Suspension der Strafe des Dreyfus.

* Parts, 29. Okt. Die soeben erscheinenden ersten Abendblätter revisionsfrcundlicker Richtung scbäumen vor Wut und sprechen von einem Staatsstreich der Richter.

* Paris, 29. Okt. Der Beschluß des Kassationshoss dürfte allen Wünschen Dreysus' selbst und der ihm freund­lichen Presse genügen. In der Begründung erkennt das Gericht das Bedürfnis einer gründlichen und sachlichen Prüf­ung an. Wenn der Kassationshof die Suspension der Strafe ablehnte, so darf man als Motiv seine Absicht annehmen, auch den Schein eines Vorurteils zu vermelden. Die interes­santeste Frage bleibt nun, wie das Kriegsministerium sich gegenüber der Enquete und ihrer Unterstützung verhalten wird. Deshalb dürfte der heutige Beschluß des Kassations­hofs wohl nicht ohne Einfluß aus die bestehende Minister- krisiS bleiben.

* Auf dem Lyoner Bahnhofe inPariS wurde ein junger Mai n verhaftet, welcher sich in der Gesellschaft zweier ele­ganter Dirnen befand. Es wurden ihm 60000 Franken, sowie Schmuck und ein blutbefleckter Stock abgenommen. Der Verhaftete ist der Mann, welcher in Monte-Carlo den Staatsrot Poluzow zu ermorden versuchte. Seine rechte Hand zeigt die Bißwunde, die ihm Poluzow beigebracht hatte. Der Verhaftete 'st ein mehrfach bestrafter Dieb Iwanow Soso.

* London, 28. Okt. Di«Pall Mall Gazette" be­zeichnet die Situation, die sich als Resultat des gestrigen Kabinctsrats englischerscits ergebe, folgendermaßen: 1) Mar- chand muß bedingungslos zurückgerufen werden. Es kann dabei nicht versprochen werden, daß irgend welche Frage, ob Frankreich Zugang am Nil bekommt oder dergleichen diskutiert wird. 2) Nachdem Marchand zurückgrrufen worden ist. wird entschieden, ob die von Frankreich erhobenen Fragen zu diskutieren sind und unter welchen Bedingungen. 3) Marchand wird sein Rückzug auf jeglichem Wege und in jeglicher Weise erleichtert werden. 4) Falls Marchand nicht zucückberufrn wird, behelligt ihn England in keiner Weise, gestattet aber auch nicht, daß er Verstärkungen er­hält; er wird höflich als Ausländer behandelt. 5) Die Ergreifung aktiver Maßregeln, die einen Konflikt herbriführen, wird darum Frankreich überlassen bleiben.

* Petersburg, 29. Okt. Der Russischen Telegraphen- agentur wird aus Rethymo gemeldet: Auf Ansuchen der muselmanischen Notabeln geleiteten die russischen Truppen die Muselmanen zu ibren außerhalb des Militärcordons lie­genden Besitzungen, die sie vor 2 Jahren verlassen haben. Der Besuch verlief ohne Zwischenfall. Die Muselmanen fraternisierten mit den christlichen Bewohnern, welche die Muselmanen aufforderten, die verlassenen Grundstücke wieder in Besitz zu nehmen. Die russischen Truppen wurden mit Hochrufen auf den russischen Kaiser empfangen.

* Madrid, 29. Okt. Die Verwirrung ist ungeheuer. Während die Regierung und ihre Freund« behaupten, die Verhandlungen in Paris würden bis zum 15. November

dauern und sodann die Cortes einberufen werden, um die mit dem Kriege und dem Friedrnsschluß zusammenhängenden Fragen zu erörtern, wollen Andere wissen, nächsten Montag schon würde die Friedenskommission ihre Arbeiten erledigen, worauf der Sturz des Kabinetts sofort erfolgen soll. Castelar veröffentlicht heute imLiberal" einen dreispaltigen Artikel, in dem er sich sehr abfällig über die Kaiserreise nach Palästina äußert.

* Konstantinopel, 28. Okt. Der deutsche Forscher Dr. Belck wurde kürzlich in Armenien von kurdischen Räubern verwundet und beraubt. Auf sofortige Vorstellungen des deutschen Botschafters befahl der Sultan strenge Verfolgung und Bestrafung der Schuldigen. Die Thäter sind bereits entdeckt und in Haft genommen, das geraubte Gut und ein Teil des Geldes aufgefunden. Dr. Belck wurde auf per­sönliche Anordnung des Sultans auf Staatskosten in Wan verpflegt und ärztlich behandelt. Er ist außer Lebensgefahr und hat dem türkischen Gouverneur seinen Dank für die Fürsorge der Behörden in Person abgestattet.

* Das türkische BlattSabah" empfiehlt allen Türken die Erlernung der deutschen Sprache Deutschlands, dessen Heerwesen, Wissenschaft, Literatur, Industrie und Handel mustergiltig seien. Das Erlernen der deutschen Sprache sei notwendig infolge der sich mehrenden Handelsbeziehungen. Die Bevölkerung zieht bereits jetzt deutsche Ware vor.

* Haifa, 28. Okt. Der Kaiser und die Kaiserin be­gaben sich am Mittwoch abend ^7 Uhr an Land. Namens der deutschen Kolonie begrüßte der Vorsteher die Majestäten und sprach die Hoffnung aus, daß die deutsche Schule in Haifa auch ferner die kaiserliche Unterstützung genießen werde und dadurch der deutschen Kolonie die Möglichkeit erhalten bleibe, in Verbindung mit dem Vaterland zu bleiben. Der Kaiser antwortete, daß er den deutschen Kolonisten in Haifa sein Interesse erhalten werde. Unter Hinweis darauf, daß ein großer Teil der in der Umgebung von Haifa lebenden Deutschen aus Württemberg stammt, fügte der Kaiser hinzu, er werde dem König von Württem- berg Mitteilen, welch vorzüglichen Eindruck auf ihn die Bevölkerung Schwabens auch in Palästina gemacht habe. Nachdem sodann im Namen der evangelischen Kirchengemeinde der evangelische Geistliche dem Kaiserpaar einen Willkomm­gruß entboten hatte, richtete der Direktor der deutschen kath. Niederlassung in Tabgha, Pater Biever, nachstehende An­sprache an den Kaiser: Im Namen des deutschen Vereins vom hl. Lande, sowie der in Palästina wohnenden deutschen Katholiken habe ich die Ehre, Ew. Majestät beim Eintritt in das hl. Land unsere unterthänigsten Willkommgrüße dar­zubringen und zugleich den tiefgefühltesten Dank auszusprechen für den majestätischen und wirksamen Schutz, welchen so­wohl unsere Anstalten in Palästina, als auch die daselbst wohnenden deutschen Katholiken unter dem glorreichen Szepter Ew. Majestät genießen. Wir wagen es, die zu­versichtliche Hoffnung auszusprechen, daß es auch fürderhin uns gegönnt sein möge, unter den mächtigen Schwingen des deutschen Aars in Palästina zu wirken und deutschen Sitten und deutschem Fleiß immer weiteren Eingang zu verschaffen." Der Kaiser entgegnete:Ihre patriotische Ansprache hat mich mit hoher Freude erfüllt und ich danke Ihnen sehr dafür. In deren Erwiderung ergreife ich gerne die Gelegen­heit, um ein für allemal auszusagen, daß die katholischen Unterthanen, wo und wann sie desselben bedürfen sollten, meines kaiserlichen Schutzes sicher sein werden." Hierauf reichte der Kaiser dem Pater die Hand. Beide Majestäten begaben sich dann, gefolgt von dem unmittelbaren Dienst und dem Staatssekretär Bülow, nach dem deutschen kathol. Hospital der Schwestern vom hl. Barromäus. Am Eingang des Hospitals, welches mit der deutschen Fahne geschmückt war und an dessen Außenthüren die Bildnisse deS Kaisers und der Kaiserin prangten, wurden di« Majestäten von der Oberin Schwester Angelika empfangen. Die Zöglinge

des Schwesternhauses überreichten Geschenke. Der Kaiser und die Kaiserin besichtigten das Hospital, wobei die Maje­stäten die Schwestern und den gleichfalls anwesenden Pater Biever und den vom Bischof von Ermeland entsandten Priester Freitag wiederholt mit Ansprachen beehrten. Darauf fand in der deutschen evangel. Schule ein Festakt statt, wobei die Schüler die deutsche Nationalhymne sangen. Um 9 Uhr abends wurde die Fahrt nach Jaffa angetreten.

* New-Uork,28. Okt. Nach dem heutigen Kabinetts­rat verlautete, daß die Ver. Staaten von Amerika die ganze Philippinen-Gruppe verlangen werden. Spanien soll eine gewisse Baarvergütung erhalten.

*New-Dork, 29. Okt. Es verlautet, daß die Re­gierung 300 Millionen für die Philippinen zablen wird.

* New-Jork. Die kanadische Regierung verfügte die Amtsentsrtzung sämtlicher höheren Verwaltungsbeamten iw Nordwestterritorium, da dort fast unglaubliche Unterschlag­ungen festgestellt wurden. Es soll sogar seitens der Polizei eine Räuberbande organisiert worden sein, die die Gold­gräber überfallen und ausplündern sollte. Sowohl im Jukon- bezirke, als auch an den Grenzstationen der Skagway-Bucht und am Weißen Paß sind derartige Vorkommnisse an der Tagesordnung gewesen. Die kanadischen Beamten beschul­digen allerdings die Beamten der Ver. Staaten, Betrügereien in noch weit höherem Maße verübt zu haben.

H«rir-el rrird Verkehr.

-u. Ebhausen, 29. Okt. Die Zufuhr an Vieh auf den gestrigen Markt war eine verhältnismäßig gute. Israeli­tische Händler hatten Kühe, Kalbeln und Jungvieh in ganzen Trieben zum Verkauf aufgestellt. Auch sonstige Viehverkäufer und Käufer veranlaßt« der günstige Tag und die geschickte Lage unseres Orts in der Mitte des Bezirks zahlreich hie- her zu kommen. Bei seitherigen Preisen wurde lebhaft ge­handelt. Auf dem stark befahrenen Schweincmarkt herrschte ebenfalls reger Geschäftsgang. Die Preise für Milchschweiue bewegten sich zwischen 20 bis 34 Mark pro Paar, während Treiberschweinr von rheinländischen Händlern 30 bis 38 und Läufer 40 bis 80 Mark galten.

* (Herb st Nachrichten vom 28. und 29. Oktober.) Fellbach. Preise bis auf 135 Mk. zurückgegangen. Immer noch Vorrat. Käufer erwünscht.^ Hohenstein. Preise gesunken. Käufe zu 140 und 135 Mk. pro 3 Hl. Löchgau. Käufe zu 130140 Mk. pro 3 Hl. Noch Vorrat. Käufer erwünscht. Beil stein. Versteigerung des Gesellschaftsweins. I. Klaffe j5766 Mk. per Hl., II. Klasse 48 bis 55 Mk. per Hl. Sonstige Preise 50 bis 55'Mk per Hl. Lese wird heute beendigt. Vorrat ca. 150 Hl.

* Stuttgart, 29. Okt. (Obstmarkt auf dem Wil­helmsplatz.) Zufuhr 500 Ztr. Mostobst. Preis per. Ztr. Mk. 4 505.80.

Verantwortlicher Redakteur: W. Rieker, Altensteig.

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Ahnung sollte durch den Inhalt volle Bestätigung finden. Er lautete:

Verehrte Frau!

Eine traurige Pflicht veranlaßt mich an Sie zu schreiben. Eine verwickelte Erbschaftsangclegcnheit führte mich nach Chile in Südamerika. Ich war zu einer Zeit dort, in welcher das gelbe Fieber ausbrach und in allen Provinzen zahlreiche Opfer forderte. Die Verwirrung in den Städten war^roß, und auch ich wollte mich nach dem Norden wenden, wurde aber, bevor ich meine Absicht ausführen konnte selbst von der Seuche ergriffen und in einem Ho­spital untergebracht. Neben mir lag nun ein deutscher Landsmann, den die Seuche auf der Straße überfallen. Unsere kräftigen Naturen boten dem Fieber Widerstand. Auf dem Wege der Besserung gaben wir uns gegenseitig das Versprechen, im Falle einer schlimmen Wendung Kunde an die Lieben in der Heimat gelangen zu lassen.

So schwer es mir auch fällt, erfülle ich mein Ver­sprechen. In dem Befinden Ihres Sohnes Ernst trat un­erwartet eine Verschlimmerung ein und als ich am andern Morgen erwachte, hatte man meinem lieben Landsmann schon den Platz zum letzten Gang angewiesen.

Erst kürzlich in die Heimat zurückgekehrt, entledige ich mich trauernden Herzens meines Versprechens, indem ich Ihnen neben dieser Mitteilung, das Ableben Ihres Sohnes betreffend, zugleich mein tiefstes Beileid ausspreche. Könnte ich Ihnen in irgend einer Weise nützlich sein, bitte ich herz­lich, übe, mich verfügen zu wollen.

Mit ausgezeichneter Hochachtung

Walter Forst, Privatdozent."

Frau Burger hielt das verhängnisvolle Briefblatt lange, lange in den Händen. Buchstabe auf Buchstabe war erloschen von der heißen Thränenflut, die darauf gefallen. Sie sah es nicht, bemerkte es auch nicht, daß die Dämmer­

ung längst hereingebrochen und st« noch immer im Dunkeln saß;

dunkel war es ja auch in ihrer Seele geworden, tiefdunkel.

Was konnte nun noch kommen nach diesem Schlag?

An dem grenzenlosen Schmerz, der ihr Inneres durch­wühlte, erkannte sie erst, mit welch' unendlicher Liebe das Mutterherz den Sohn umfaßt. Ohne Abschiedswort, ohne Abschiedsblick war er gegangen, um in der Ferne, verlassen von guten Menschen, in einem Hospital der gräßlichen Seuche zu erliegen'

Noch immer saß sie regungslos, bis der schrille Ton der von einer stürmischen Hand gezogenen Glocke sie aus dem qualvollen Sinnen riß.

Willenlos erhob sie sich, um die Thür zu öffnen.

Ein großer, breitschultriger Mann trat ohne zu grüßen über die Schwelle. Mit frechen Blicken unterwarf er die einfachen Einrichtungsgegenstände einer scharfen Musterung, dann sagte er rauh:

Nun, wie strht's, Frau Burger, hat Ihre Tochter noch immer kein Geld geschickt? Meine Nachsicht ist zu Ende, ich muß dringend um Bezahlung der rückständigen Miete ersuchen unsereins hat auch Zahlungen zu machen.

Können Sie ihren Verpflichtungen nicht Nachkommen, müssen Sie meine Wohnung schleunigst räumen."

Frau Burger war wortlos vor Schreck.Aber Sie haben sich ja erst mit meinen besten Möbeln sicher gestellt," sagte sie ängstlich.Irma hat noch keinen Gehalt erhoben, ich muß bis dahin noch um Nachsicht bitten."

Thut mir leid, beste Frau," war die bündig gegebene Antwort; das, was ich mir erlaubt habe, Ihnen zu pfänden, deckt nicht die Hälfte meines Guthabens. Die paar wurm­stichigen Möbel und veralteten Bilder kann ich kaum in meinem Gesindezimmer verwenden. Wenn Sie die Zahlung noch länger verweigern, muß ich die Wohnung schließen."

Das werden Sie bleiben lassen," befahl eine ge­bieterische Stimme hinter ihm,auf der Stell« verlassen

Sie das Zimmer. Morgen werden Sie Ihr Geld erhalten."

Baleska. welche durch die offenstehende Thür hinein­gekommen. schlug den Schleier zurück. Ihr vornehmes, vom Zorn gerötetes Antlitz wurde sichtbar. Mit einer hochmütigen Handbewegung deutete sie auf die Thür:Auf der Stelle gehen Sie, ein solches Benehmen wirkt be­leidigend."

Mit verdutzten Blicken maß der Mann die elegant gekleidete Erscheinung, doch die Frechheit behielt die Ober­hand.

Oho, wer bat denn eigentlich hier zu befehlen? Auf wessen Grund und Boden stehen wir denn?" sagte er roh auflachend.Wenn ich morgen mein Geld nicht erhalte, reden wir aus einem andern Ton, wohlgemerkt!"

Darauf wandte er sich zum Gehen und warf die Thür schmetternd ins Schloß.

Baleska umschlang zärtlich die wankende Frau.

Warum hatte Irma und auch Sie, verehrte Frau, so wenig Liebe, so geringes Vertrauen zu mir," sagte sie nun traurig.Was soll mir der Reichtum, wenn er meine liebsten Freunde nicht vor dem Darben schützt und einem Zufall muß ich die schreckliche Gewißheit verdanken."

Frau Burger weinte schmerzlich leise vor sich hm.

Ich schwelge im Ueberfluß," fuhr Valeska fort, während hier Stück für Stück der werten, mir so lieb ge­wordenen Einrichtung der Not zum Opfer fällt hätte ich nicht ein Anrecht, Ihnen beizusteuern? Heimatrechte glaubte ich mir zu erringen und muß nun finden, daß ich Ihnen all' die Jahre hindurch eine Fremde geblieben! Oder wäre es der Fluch des Reichtums sich nirgends Liebe zu verschaffen?" (Fortsetzung folgt.)

* (18 98er Mode.) Leutnant (der sich schon längere Zeit auf dcrStraße von seinem Schneider verfolgt sieht):Pst! Sie Schutzmann! Wehren Sie mir doch den Anarchisten dort ab !"