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Samstag, 29. Oktober

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1898.

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Aus den Hannen"

entgegen.

^ Die Vevhrätev.

Die Anhänger der französischen Generals-Partei, die Gegner der Republik im Frack, haben nun glücklich das Wort gefunden, mit welchem sie wenn nicht Alles täuscht ihre gesamten Zukunftspläne durchsetzen werden. Es ist das Wort, welches den Franzosen zu Allem antreibt, über Alles hinaushilft, das Wort, mit welchem er noch heute seine Behauptung begründet, 1870/71 nicht geschlagen zu sein, das Wort:Verrat!" Die Mitglieder des gestürzten Ministeriums Brifson sindVerräter" geschimpft worden, weil sie die Revision des Dreyfus-Prozesses wollen, durch die Straßen von Paris erklingt das WortVerrat", und auch das neue Ministerium wird ausVerrätern" bestehen, sobald es sich weigert, den Forderungen der Patrioten nachzukommen. Und gegen den vergiftenden Einfluß, welchen der Ruf Verrat" ausübt, werden alle anderen Maßnahmen, Vor­stellungen und Gesinnungen nicht aufkommen.

Es wird behauptet, auch die neue französische Re­gierung werde die vom Kassationshofe befürwortete Revision des Dreyfus-Prozesses durchsetzen müssen. Wer das als felsenfest hinstellt, kennt die Franzosen gar nicht. Die letzte Kammersitzung hat zudem gezeigt, daß die Generale und die Armee, die in der Verwerfung der Revision des Dreyfus-Prozesses völlig einig sind, gar keinen Staatsstreich zu begehen nötig haben, es giebt Zivilisten genug, welche das Erforderliche mit Erfolg besorgen werden. Alle Rederei von einzelnen französischen Abgeordneten und Zeitungen, daß man gegen die Generale auf dem Posten sein und ihnen nachdrücklich entgegentreten müsse, sind nur Phrasen ohne Kern, m Wahrheit hat die Republik im Frack vor den Herren mit dem Säbel kapituliert. Und wenn versucht wird, wieder einen Zivilkriegsminister zu ernennen, so wird derselbe sich entweder als ein Strohmann erweisen oder bald gestürzt sein.

Generale und Armee wollen die Revision des Dreyfus- Prozesses um keinen Preis; die Republik im Frack findet, wie die Thatsachen beweisen, keinen General, der zu diesem Ziele bei ihr aushält. Daß eine solche Haltung auf die gemeinen Soldaten den tiefsten Eindruck machen muß, ist selbstredend. Die Leute sehen und hören, daß ihre Vorge­setzten das auf das Entschiedenste verurteilen, was die Landes-Regierung will, sie können also nur auf den Ge­danken kommen, die Regierung sei eine Feindin der Armee. Der Franzose überlegt nicht lange, er entscheidet sich blitz­schnell unter einem starken Einfluß, und von dieser Ent­scheidung bis zu einer That der Leidenschaft ist mitunter nur ein Augenblick dort zu Lande. Die Stimmung ist schon außerordentlich erregt, und nun fällt in diese Situation hinein noch das Wort vomVerrat". Man kann sich die Gährung denken.

In Frankreich darf man nie mit einer natürlichen Entwicklung der Dinge rechnen, sondern mit Urberraschungen. Selbst den jetzt gestürzten französischen Ministern sind böse Dinge in dieser Beziehung passiert. Felsenfest hat man auf den General Chauvine, den Kriegsminister, gebaut, und gerade in der kritischen Stunde läßt er die Regierung im Stich, trägt wesentlich zu ihrem Sturz bei. So hat es auch früher der Kriegsminister General Zur Linden gemacht. Die Generale sind einig in dem, was sie nicht wollen, und sollte sich eine Regierung finden, die trotzdem den Bogen straff spannt, dann können wir den Pöbel-Staatsstreich im Nu haben. Denn, wie gesagt, das Militär braucht sich gar keine Mühe zu geben, die Pariser Massen sind zu Allem bereit.

Darum muß man auch bezüglich der Dreysus-Revision Alles abwarten. Bevor sie nicht stattgefunden hat, ist Alles möglich, auch das, daß man den Exkapitän, wenn er nach Frankreich zurückgebracht wird, ergreift und todschlägt. Es ist darnach heute in Paris bestellt. Seit den Greuelthaten der großen Revolution an der Seine sind über hundert Jahre verflossen, die Bestie im Menschen ist aber in Frank­reich dieselbe geblieben. Und mit dem GebrüllsVerräter!" wirft sie sich auf die, welche ihrem Willen zuwider sind. Es geht um Mein und Dein dabei, nicht blos um Worte mehr, direkt um die Macht und beinahe um die Köpfe.

Das letzte Jahr des Jahrhunderts kann uns leicht ein Schauspiel erbringen, wie es die Welt nicht für möglich ge- halten hat. Bis zum Anbruch dieses letzten Jahres des Jahrhunderts sind es aber noch zwei Monate, in diesen

schon kann Ungeheuerliches sich breit machen. Man braucht kein Schwarzseher zu sein, aber wenn man erkennt, wie in Frankreich die Angriffe gegen die bestehende Republik mit rasender Schnelle zuuehmen, wenn man sieht, wie zwischen der bürgerlichen Republik und der Armee eine unüberbrück­bare Kluft sich bildet, wie damit der bestehenden Staats­form ihre Hauptstütze geraubt wird, wenn man das Geschrei der Pöbelmaffen herüberklingen hört, die Neues wollen, dann muß man eingestehen: In Frankreich ist in allernächster Zeit Alles möglich.

Zur parlamentarischen Lage in Oesterreich ist ein Be­richt der deutschen Fortschrittspartei zu erwähnen. Es steht fest, daß die Partei heute noch ebenso wie stets seit dem Erlasse der Sprachenverordnungen auf dem Standpunkt des entschiedensten Widerstandes gegen die Regierung verharre. Die gegenwärtige Kampfesweise der Partei sei lediglich die Fortführung des entschiedensten Widerstandes. Die deutsche Volkspartei halte an der Ewigkeit der nationalen Verteidigung unverbrüchlich fest, und die deutschen Abgeordneten vertrauten

auf den oft erprobten gesunden Sinn ihrer Wählerschaft. * *

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' Im schweizerischen Nationalrat stellte Gobat-Bern den Antrag, die Schweiz solle den Niederlaffungsvertrag mit Italien kündigen und die Niederlassung der Italiener in der Schweiz davon abhängig machen, daß sie außer dem Heimatschein einen Ausweis über ihren guten Leumund und ihre Identität beibringen. Angesichts der häufigen Ver­brechen, welche Italiener leider in der Schweiz begehen, wurde von einzelnen Kantonen schon früher gefordert, den Italienern die Niederlassung in der Schweiz zu erschweren. Mit Absicht wurde offenbar der Antrag noch vor dem Zu­sammentritt der internationalen Konferenz betr. die Be­kämpfung der Anarchisten gestellt.

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Das französische Ministerium, das gestürzt wurde, ist das sechsunddreißigste seit Bestehen der Republik. DieFrkf. Ztg." meint, die gegenwärtige Kammer sei an einem Un­glückstage gewählt worden:Kaum war sie konstituiert, so hat sie das Ministerium Möline gestürzt, und kaum ist sie zu ihrer außerordentlichen Herbsttagung zusammengetreten, so hat sie auch das Ministerium Briffon gestürzt. Die Thatsache des Stürzens allein wäre nicht so schlimm, wenn die Kammer nur wüßte, welche Regierung sie an die Stelle des gestürzten Ministeriums setzen soll; aber das wußte sie weder damals, noch weiß sie es jetzt. Sie faßt vielmehr Beschlüsse, die einander widersprechen, so daß es für den Aufbau des niedergerisienen Regierungsgebäudes keinen Plan giebt und Alles dem Zufall oder geheimen Einflüssen über­lassen bleibt. Das ist kein Parlamentarismus mehr, sondern ein Chaos, aus dem nur völlige Anarchie oder eine Diktatur hervorgehen kann."

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Man hat in England nur eine geringe Ahnung von der stillen Beharrlichkeit, mit welcher deutsche kommerzielle Interessen seit vielen Jahren in der Türkei betrieben worden sind schreibt der LondonerTimes". Man hat wohl von deutschen Eisenbahnen in der Türkei gehört; aber welchen Halt Deutschland über den gesamten Handel der Türkei erlangt hat, dafür hat man kein Verständnis. Aber nicht nur im Handel macht sich der deutsche Einfluß fühl­bar. Deutsche drillen die Armee und Deutsche legen die Befestigungen an. Deutsche haben ihre Hand in den türkischen Finanzen und haben bedeutenden Anteil an der Erziehung derjenigen Klasse, welche es am meisten lohnt, mit deutschen Ideen zu erfüllen. Der deutsche Einfluß ist in der Türkei in der größten Stille mit Takt und gesundem Sinne auf­gebaut worden. Der deutsche Kaiser begründet auf seiner Reise nicht den deutschen Einfluß, sondern er befestigt ihn. Die Fundamente sind längst in aller Stille gelegt worden, wie Fundamente eben gelegt werden. Jetzt führt der neue Kreuzfahrer der Welt die Rolle vor Augen, welche Deutsch­land sich stark genug fühlt, zu spielen."

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Die Zukunst Kubas wird von einem in Havanna weilenden Berichterstatter der Newyorker Staatszeitung in den glühendsten Farben ausgemalt. Zwar werde das Groß­kapital den Rahm abschöpfen, aber die ganze Welt müsse dankbar dafür sein, daß endlich die von den Spaniern um jene Insel «gezogene Mauer, gegen welche die chinesische reines Kinderspiel fei, falle. Aus allen Teilen der Welt seien erfahrene und energische Männer im Anzug, um der Insel ihre Kräfte zu widmen. Wissenschaft, Industrie und Kunst würden in wenigen Jahren aus derPerle der An­tillen" diePerle der Welt" machen. Von den Mitgliedern

der deutschen Kolonie in Havanna habe er bezüglich der ökonomischen Zukunft Kubas allenthalben die höchsten Er­wartungen aussprechen hören.

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Faschoda, der Zankapfel zwischen England und Frank­reich, ist die Hauptstadt der ehemaligen egyptlschen Provinz gleichen Namens. Frankreichs Hauptmacht liegt im Westen und Nordwesten Afrikas. Von Tunis am Mittelmeer geht die Linie seiner Besitzungen fast ununterbrochen bis zur Mündung des Kongo, so daß Zentralafrika und der Westen in der Hauptsache französisch sind oder doch dem französischen Einflüsse unterliegen. Jetzt streben die Franzosen aber auch nach dem Nil, der durch seinen westlichen Nebenfluß Bahr-el- Arab den natürlichen Ausgangspunkt der Länder Zentral­afrikas bildet. In der Nähe Faschodas liegt das den Fran­zosen befreundete Abeffynien und hinter diesem die französische Kolonie Obok am Ausgang des Roten Meeres. Die Aus­breitung der französischen Herrschaft vom Senegal über das obere Nilthal bis zum Roten Meere ist der Traum der französischen Kolonialschwärmer. Unter der Maske einer wirtschaftlichen Expedition war nun ein französischer Agent Marchand vom Ubangi aus nach dem Nil vorgedrungen und hatte sich in Faschoda festgesetzt. Dasselbe batten die Engländer nach dem letzten Siege über die Mahdisten be­absichtigt. Ihre Expedition kam aber zu spät. England nimmt jedoch das ganze Nilthal, einschließlich Faschodas, für sich in Anspruch, weil es früher egyptische Provinz war. In Faschoda trafen beide Expeditionen zusammen. Die Führer derselben handelten sehr vernünftig. Anstatt sich gegenseitig die Hälse zu brechen, frühstückten sie zusammen und ließen es ihre Regierungen ausmachen, wem Faschoda und Umgebung gehören. Zwischen beiden Mächten herrscht nun ein lebhafter Meinungsaustausch in der Angelegenheit. Die englischen Minister drohen Frankreich mit Krieg, wenn es nicht schleunig Faschoda räume.

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* Altensteig, 28. Okt. Das Stadtschultheißenamt hier macht durch einen Anschlag am Rathaus das Ergebnis der Steuerumlage pro 1. April 1898/99 bekannt. Aus der­selben ist zu entnehmen, daß von der Markung Altensteig Stadt zusammen 8927 Mk. 02 Pfg. Staatssteuer zu ent­richten ist. Auf die Besteuerung der Güter entfallen dabei rund 7"/g, auf die Gebäude 25"/o und auf die Gewerbe 680/o. Es ergiebt sich hieraus, daß der Gewerbebetrieb in hiesiger Stadt im Verhältnis zu der Landwirtschaft eine Höhe er­reicht. wie wohl in keiner der kleineren Landstädte, obgleich die Zahl größerer Etablissements hier noch klein ist und der Wunsch nach einer größeren Fabrikanlage schon lange ge­hegt wird. Vor 50 Jahren betrug das Verhältnis der Ge­werbesteuer zu der gesamten Staatssteuer 400/o, vor 40 Jahren 43°/«, vor 30 Jahren 42°/«, vor 20 Jahren 530/<>, vor 10 Jahren 67°/o. Der Amtsschaden beträgt Heuer 50"/o der Staatssteuer und der Gemeindeschaden 340/o derselben.

* Alten steig, 28. Okt. (Was darf nicht gepfändet werden?) Wer hätte nicht Interesse daran, über Pfändungs- Verhältnisse orientiert zu werden? Nur sehr wenige dürften sich noch nicht in der Lage befunden haben, Pfändungen zu beantragen, oder was noch fataler ist, Pfändungen über sich ergehen zu lassen. Wie viel Mißgriffe sind hier schon ge­macht worden, und wie oft hätte sich der Gläubiger vor Nachteilen schützen können, wenn ihm die in das Pfandwesen einschlagenden Bedingungen geläufig gewesen wären. Man merke also: 1) die Kleidungsstücke, die Betten, das Haus­und Küchengerät, insbesondere die Heiz- und Kochöfen, so­weit diese Gegenstände für den Schuldner und seine Familie unentbehrlich sind; 2) die für den Schuldner nebst seiner Familie und sein Gesinde erforderlichen Nahrungs- und Feuerungswittel auf 2 Wochen; 3) eine Milchkuh oder nach Wahl des Schuldners statt einer solchen zwei Ziegen, oder zwei Schafe, nebst dem Unterhalt von Streu für dieselben auf 2 Wochen nebst Futter und Stroh, sofern die bezeich- neten Tiere für die Ernährung des Schuldners, seiner Familie und seines Gesindes unentbehrlich sind; 4) bei Künstlern, Handwerkern, Hand- und Fabrikarbeitern, sowie beiHebammen, die zur persönlichen Ausübung des Berufs unentbehrlichen Gegenstände; 5) bei Personen, die Landwirtschaft betreiben, das zum Wirtschaftsbetrieb unentbehrliche Gerät-, Vieh- und Feldinventarium nebst dem nötigen Dünger, sowie die land­wirtschaftlichen Erzeugnisse, die zur Fortsetzung der Wirt­schaft bis zur nächsten Ernte unentbehrlich sind; 6) bei Be­amten, Geistlichen, Lehrern an öffentlichen Unterrichtsanstalten, Rechtsanwälten, Notaren, Aerzten, die zur Verwaltung des Dienstes oder Ausübung des Berufs erforderlichen Gegen­stände, sowie anständige Kleidung; 7) bei Beamten, Geist- lichen und Lehrern an öffentlichen Unterrichtsanstalten ein