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Erscheint Dienstag Donnerstag, Samstag und Sonntag «it der GratiS-Beilage »Der SonntagS- Gast."

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1898.

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^ AitKeittiirrsche Zrrsttiir-e.

8. k. Vor einigen Monaten wurde berichtet, daß ein großer Teil der Volksschullehrer in Argentinien seit Monaten kein Gehalt bekommt. Um den sogen,höheren Unterricht" steht es nach argentinischen Zeitungen nicht besser. Jammerhaft vorbereitete, verzogene und verkommene Knaben werden als Studenten angenommen und viele der­selben besuchen die Vorlesungen sehr unregelmäßig oder fast garnicht. Sie verdienen sich ihren Lebensunterhalt während der sogenannten Studienzeit meist durch Schreibarbeit; andere wirken als Verkäufer, einige sogar werden als Brief­träger angestellt. So vorbereitete Burschen melden sich zu den Prüfungen und viele bestehen dieselben, dank der Für­sprache einflußreicher Persönlichkeiten. Ende Juli d. wurden von der Universität in Buenos Ayres wieder 6070 Doktoren" der Medizin und des Rechtes geschaffen und auf ihre bedauernswerten Landsleute losgelassen. Der Professor des römischen Rechtes Herr Llerena hielt bei diesem feierlichen Akt eine Rede, welche ungemein wertvoll für die richtige Beurteilung der argentinischen Verhältnisse im allgemeinen und der Unterrichts-Verhältnisse im be- sondern ist.

Der Herr Professor hält den Wert des juristischen Studiums, wie es in Argentinien betrieben wird, für sehr gering und beklagt es, daß der Zudrang zur Rechtsfakultät so ungeheuer groß sei. Noch schlimmer aber sei es, daß die große Anzahl der jährlich geschaffenen Advokaten nicht einmal die Nachfrage decke. Nicht die Universität, sondern die Gesellschaft sei für diesen Uebelstand verantwortlich zu wachen, weil sie so viele mit Patenten und Doktordivlomen versehene Nullen annehme. Diese Rede hat in Buenos Ayres Aufsehen und böses Blut gemacht, da jeder Argen­tinier auf die Unterrichtsverhältnissc seines Landes stolz und die große Mehrzahl dieser Patrioten empört ist, wenn ein Argentinier oder gar ein Ausländer die Zustände wahrheits­getreu und schonungslos charakterisiert.

Das seit 12 Jahren in Buenos Ayres erscheinende sozialdemokratische Organ, die Wochenschrift ,Vorwärts', Organ für die Interessen des arbeitenden Volkes, bemerkt zu dieser Rede sehr treffend :Was uns verfehlt in Llerenas Rede dünkt, ist der Versuch, die Universität von der Schuld zu entlasten, daß sie jährlich so viele unfähige Burschen mit dem Doktortitel ausgestattet ins Leben entläßt. Sind denn die Examina nicht gerade dazu da, um der Gesellschaft eine Garantie zu bieten, daß ihr keine unfähigen Nichtswisser mit der Empfehlung des Doktordiploms aufgehalst werden?"

Auch wir halten die Fakultät, welche derartige Indi­viduen zu Rechtsanwälten und Doktoren macht, für fast ausschließlich oder allein verantwortlich für diesen Skandal, welcher den Ruin des schönen Landes unvermeidlich macht. Denn aus diesen Kreisen allein werden die leitenden Poli­tiker und hohen Beamten Argentiniens gewählt. Diese Elemente werden als zehrende Parasiten auf die Gesellschaft losgelassen und viele haben sich in kurzer Zeit große Ver­mögen erworben. Die Juristen sind in Argentinien nicht nur die privilegierten Gesetzgeber, sondern ihnen stehen alle Staatsstellen offen. Vier Präsidenten waren Advokaten und oft sind Juristen zu Kriegsministern, Chef-Ingenieuren bei öffentlichen Arbeiten, zu Professoren der Mathematik und Naturwissenschaft, zu Direktoren von Hospitälern und Gymnasien rc. ernannt worden. Advokaten und Generale regieren in Argentinien fast absolut zum großen Schaden einer sparsamen und ehrenhaften Verwaltung, deren Durch­führung in Argentinien direkt unmöglich ist. Wir citieren hierzu noch folgenden Satz aus dem .Vorwärts':Der moralische Mut, dieser korrumpierten Gesellschaft Trotz zu bieten, der fehlt diesen Herren wie Llerena, fehlt ihnen, weil sie selbst charakterlos und schwach, mehr auf ihre äußeren Vorteile als auf ihre innere Bildung geben und daher kommt das Klagen über die Sünden der Gesellschaft, zu deren leitenden Vorkämpfern sie doch selbst gehören."

Zum Glück für die Zukunft Argentiniens wird der Einfluß dieser regierenden, d. h. das Land ausbeutenden, altargentinischen Familien von Jahr zu Jahr geringer, da der Grundbesitz, Industrie und Handel mehr und mehr in die Hände der Ausländer und deren in Argentinien ge­borenen Kinder übergeht. Es ist begründete Hoffnung vor­handen, daß diese neue Rasse, die in Argentinien in der Bildung begriffen ist, bald auch in der Politik und Ver­waltung eine einflußreiche Rolle spielen wird und daß dann durchgreifende Reformen möglich werden.

Zum Schluß noch einen Beitrag zur Lage der Volks­

schulen in Argentinien. In de: Provinz Rioja sind im Juli d. sämtliche Volksschulen geschlossen, weil kein Geld mehr zu ihrer Erhaltung vorhanden war und die Regierung der Provinz bezw. die Munizipien den Volksschullehrern bereits den Gehalt für 15 Monate schuldig sind. Trotzdem beansprucht Argentinien als zivilisiertes Land betrachtet zu werden und paradieren die offiziellen Berichte mit einer großen Anzahl von Elementarschulen, Lehrern und Schülern.

TsSesz-slitik.

Unsere Muttersprache erobert sich allmählich die Welt. Jüngst hat der Grmeinderat von Rotterdam (Holland) eine Vorlage angenommen, wonach in den neuen Primarschulen nicht mehr Französisch, sondern nur Deutsch und Englisch gelehrt wird. Unter denen, die für die Vorlage stimmten, haben mehrere ihre Sympathie für die französische Sprache bekundet; andere haben ihr eine Superiarität als Erziehungs­mittel zusrkannt. Aber in einer Handelsstadt wie Rotter­dam hat man das Französische nicht nötig. Mit wem macht man Geschäfte? Mit Deutschland, England und Amerika. Was braucht man im Bureau für die Korrespondenz? Deutsch und Englisch. Die Geschäffsmänner urteilen dahin, daß für einen Handeltreibenden das Französische unnütz ist, einfach deswegen, weil es keinen Handel mit Frankreich mehr giebt.

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Graf Thun verfügt nicht mehr über die Mehrheit des österreichischen Reichsrats, das ist die überraschende That- sache, welche die jüngste Reichsratssitzung in Wien offen­kundig ans Lickt brachte. Der Plan des Grafen, auf Grund des 8 14 den Ausgleich in seinem Sinne mit Ungarn herbei­zuführen, ist durch die Einstellung der Obstruktion vereitelt worden. In der entscheidenden Kammersitzung trat besonders der Wiener Bürgermeister und Antisemit Dr. Lueger in sehr geharnischter Rede gegen den Ministerpräsidenten auf, dessen Ministerium er ein Kabinett der Frivolität nannte, das durch das einmütige Vorgehen aller deutschen Parteien ge­stürzt werden müßte. Graf Thun hat auch wohl schon selbst die Unmöglichkeit erkannt, sich und sein Ministerium länger zu behaupten; er wir besonders Graf Badem haben den Einfluß der Deutschen unterschätzt, diese Verkennung der Thatsachen wird aber dem Grafen Thun aller Voraussicht nach das gleiche Schicksal bereiten, wie dem deutschfeindlichen Autor der Sprachenerlasse, dem viel befehdeten Badeni. Der Mißerfolg der Regierung wird von sämtlichen Oppositions­blättern mit Genugthuung konstatiert und dabei hervorgehoben, daß der Sturz des Kabinetts Thun unausbleiblich sei. Aehn- lich urteilt man in Budapest, woselbst man die Erhaltung der wirtschaftlichen Gemeinsamkeit Oesterreichs und Ungarns für aussichtslos erklärt und den Bestand des Kabinetts als gefährdet erachtet.

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Die ganze Affaire Drcyfus wird nunmehr allmählich der politischen Sphäre entrückt. Sie hat derselben wahrlich nur zu lange angehört. Man ersieht dies aufs neue durch die Ueberfülle von Enthüllungen, welche jetzt auftauchen durch die Beichte, oder besser gesagt das Lügengewebe des Ehrenmanns Esterhazy. Zu den Enthüllungen werden meist Londoner Blätter benützt. So bringt die Daily News aus angeblich guter Informationsquelle die Mitteilung, der frühere Präsident der französischen Republik, Casimir-Perier, soll zurückgetreten sein, weil Berichte des deutschen Botschafters Grafen Münster an Kaiser Wilhelm über die Dreyfus-Affaire zweimal auf französischem Gebiete aufgefangen und photo­graphiert worden seien, und als nach dem zweitenmal der deutsche Botschafter in drohendem Tone Satisfaktion forderte, habe Casimir-Perier mit seiner Person die Satisfaktion ge­geben, indem er freiwillig von dem Präsidentenstuhle her­niederstieg. Die offiziöse Norddeutsche Allgemeine Zeitung enthält in Bezug auf obige Nachricht in beredter Kürze folgendes Dementi: Wieder weiß ein Londoner Blatt mit einerEnthüllung" aufzuwarten. Diesmal soll es sich um den früheren Präsidenten Casimir-Perier handeln, dessen Rücktritt dadurch verschuldet wäre, daß er in eine angeblich mit der Dreyfus-Affaire zusammenhängende Berichterstattung des deutschen Botschafters in Paris eingegriffen hätte. Es verlohnt sich selbstverständlich nicht, derartige Phantasie­gebilde auch nur zu registrieren.

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Spaniens Niedergang ist eine notwendige Folge seiner verkommenen Zustände. Die Marine, die bloß über un­brauchbare Schiffe und ungeübte Mannschaften verfügte, ist zwar zum größten Teil zerstört worden, lebt aber noch zu Lande fort. Neulich hat ein spanisches Blatt nachgewiesen, daß die meisten spanischen Seeoffiziere, die hohe Gehälter beziehen, ihren ständigen Wohnsitz weit ab von der Küste haben und kaum je auf ein Schiffsdeck gelangt sind. Eben­sowenig erbaulich sind die Zustände im Heere: hier kommt

ein Offizier auf jeden vierten Mann, das heißt, für eine Präsenzstärke von 80 000 Mann giebt es mindestens 20000 Offiziere. Mit der Justiz sieht es nicht besser aus: die Richter befinden sich in völliger Abhängigkeit von den Politikern und kein Prozeß wird ohne hohe Protektion ge­wonnen. Das spanische Wahlsystem keuut man auch im Auslande: man weiß, daß immer die jeweilige Regierung bei den Wahlen siegt. Ueber den öffentlichen Unterricht ist nur Schauderhaftes zu berichten: 12 Millionen Spanier können weder lesen noch schreiben, und das kommt daher, weil in den meisten Gemeinden die Schullehrer nicht bezahlt werden. Die öffentliche Verwaltung (St-uerwesen, Zölle, Post u. s. w.) steht ungefähr auf derselben Stufe wie in Marokko. Das Traurigste bei allem ist, daß es niemand zu geben scheint, der die Dinge bessern könnte. Die zur Zeit am Ruder stehende liberale Partei mit dem alten amtsmüden Sagasta an der Spitze hat ihre vollständige Unfähigkeit zur Genüge bewiesen. Die Konservativen haben seit 20 Jahren in ebenso verderblicher Weise gewirtschaftet, wie ihre liberalen Spießgesellen. Die Republikaner haben sich als gänzlich regierungsunfähig erwiesen und sind außer­dem heute in unzählige Fraktionen zersplittert. General Weyler, der eine politische Gefolgschaft hat, träumt nur von einer schneidigen Militärdiktatur. Es bleibt noch als große politische Partei der Karlismus. Aber auch dieser ist keinen Schuß Pulver wert, denn auch die Karlisten sind Spanier. Somit scheint das Schicksal Spaniens, der Untergang, un­abänderlich besiegelt zu sein.

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DerRegierungsbote," das Amtsblatt der russischen Regierung, stellt eine Berechnung auf, wonach auf der ganzen Erde sich in Frieden«zeiten b^st Will. Mann im Militär­dienst befinden. Im Falle eines Weltkrieges könnten 44Ist Mill. Mann auf das Schlachtfeld gebracht werden. In Europa werden in Friedeuszeiten jährlich fünf Milliarden Frank für das Militär ohne die Marine ausgegeben.

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Das Ultimatum btr. Kreta ist dem Sultan am Donners­tag überreicht worden. In demselben wird den türkischen Truppen auf Kreta eine vierzchntägige Frist gewährt, wo­rauf dieselben sich in sechs kurzbemessenen Zeiträumen von der Insel zurückzuziehen haben. Verweigert der Sultan den Rückzug, so werden di« türkischen Garnisonplätze blockiert und ihnen alle Mittel der Verpflegung abgeschnitten.

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* Alten steig, 3. Okt. (Reserve hat Ruh!) Alle Jahre wiederholt sich das Bild und doch verliert es nichts von seinem Reiz, wenn die Reservisten auf dem Wege von ihrem Truppenteil nach der Heimat die Straßen durchziehen. Seit Monaten haben sie den Moment herbeigesehnt, und in den letzten Wochen floß ihnen trotz der ärgerlichen Mienen des Feldwebels und des Hauptmanns kein Lied so leicht und so oft von den Lippen, wie das Lied vom Reservemann. Nun haben sie die schwere Pflicht, die das Vaterland von dem gesunden, wehrhaften Manne heischt, erfüllt, jeder ist stolz darauf,ein gedienter Mann" zu sein. Ordnung, Disziplin, Gehorsam und aufrechte Haltung sind ferne un­schätzbaren Errungenschaften aus den Jahren, da er des Königs Rock trug, aber bald muß er auch die letzten Zeichen seiner Würde, dieReservemütze", mit dem aufgrnähten Hinterrand, den Stock mit der Kompagnie-Troddel, und wenn es hoch kommt dre mit den Regimentsfarbcn geschmückte Reserveflasche" beiseitelegen, um im bürgerlichen Beruf wieder sein Brot zu verdienen. Gar manchem wird es schwer genug, nach den Jahren der Entwöhnung wieder an­zufangen, wo der Faden damals abriß, als die Gestellungs­ordre kam, und mancher denkt nicht ohne Sehnsucht an die Kaserne zurück, namentlich wenn er ein guter und tüchtiger Soldat, womöglich garGefreiter" war, denn dort gab es keine Sorgen um das tägliche Brot, um Schlafstelle und Bekleidung. Aber mit der Zeit findet gerade der ehemalige Soldat, der die treffliche Schulung des Heeres durchgemacht hat. schon seinen Platz im bürgerlichen Leben; das große Gruppenbild mit den Vorgesetzten und den Kameraden, das in schönem Rahmen an der Wand prangt, wird eine Er­innerung und für das ganze Leben fühlt er sich verbunden mitseinem" Regiment.

Die Winter-Ausgabe des Wkihfahrplaus für Württem­berg ist uns soeben zugegangen. Dieser von der Hofbuchdruckerei Greiner u. Pfeiffer neu eingeführte, gesetzlich geschützte Fahrplan spricht für sich selbst. Im Nu zeigt er jede Strecke. Das lästige und zeitraubende Suchen ist nicht mehr nötig. Die Form ist dabei eine verblüffend einfache, sodaß wir bei dem Drängen und Hasten unserer Zeit einen Fahrplan, bei dem das Suchen vermieden wird, der uns also Zeit und Aerger spart, mit Freuden begrüßen können. Der Ausgabe