Erscheint DienSrag Donnerstag, LaurLrag und Lonnrag mit der GratiS-Beilage »Der SonntagS- Gast.'
BestellpreiS pro Quartal im Bezirk Nagold 90 ^
außerhalb desselben l.w.
O
Wr. 93.
N
AMblatt für
m-Anl erh alt ungs b üm
odsrsn >)/ciao!ä.
Einrück ungspreiL für Altenfleig und nahe Umgebung bei einmaliger Einrückung 8
bei mehrmgal. je S^z
auswärts ^ ^ Ispaltige Zeile oder deren Raum.
Verwendbare Beiträge werden dankbar angenommen.
Man abonniert auswärts auf dieses Blatt bei dm Kgl. Postämtern und Postboten.
Dienstag, 2l. Juni.
Bekanntmachungen aller AN finden die erfolgreichste Verbreitung.
1898.
Reichstagswahl.
* Berlin, 18. Juni. Bisher sind 394 Resultate bekannt. Gewählt sind 39 Konservative, 9 Reichspartei, 86 Centrum, 4 Resormpartei, 9 Nationalliberale, 2 Freisinnige Vereinigung, 1 Freisinnige Volkspartei, 1 Bund der Landwirte, 34 Sozialdemokraten, 14 Polen, 1 Däne, 9 Fraktionslos, 1 Bauernbund. 186 Stichwahlen, woran beteiligt sind: 48 Konservative, 21 Reichspartei. 37 Centrum, 6 Reformpartei, 69 Nationalliberale, 10 Freis. Vereinigung, 38 Freis. Volksparter, 9 Deutsche Volkspartei, 8 Bund der Landwirte, 95 Sozialdemokraten, 3 Polen, 9 Welfen, 9 Fraktionslose.
T«rges4>slitik.
Die Reichsfinanzlage ist selten so günstig gewesen, wie jetzt; zugleich befinden sich die Einnahmen des Reiches in stetigem Wachsen. Im Finanzjahre 1897,98 sind über 66 Millionen Mark mehr aus den Einnahmequellen geflossen, als veranschlagt worden war. Darauf weist Finanzminister v. Miquel in dem eben veröffentlichten Finanzabschluß hin, in dem es zum Schluffe heißt: „So sehen wir diesen für die Wohlfahrt des Reiches so überaus wichtigen Faktor der Finanzen nach Ablauf des ersten Jahrzehnts der Regierung Kaiser Wilhelms II. in glänzender Entwickelung, die um so befriedigender ist, als trotz der großen Aufwendungen, welche zu Zwecken der Landesverteidigung, der Kultur, der Aufbesserung der Lage der Reichsbeamten, der Erweiterung und Erschließung der Absatzgebiete des deutscken Erwerbslebens in diesen zehn Jahren gemacht sind, keine erhöhten Ansprüche an die Steuerkraft des deutschen Volkes gestellt werden mußten."
*
* -i-
lieber die Handelsbeziehungen zwischen Deutschland und dem britischen Reich wird im „ Reicdsanzeiger" folgendes bekannt gemacht: „Auf Grund des Gesetzes, betreffend die Handelsbeziehungen zum britischen Reich vom 11. Mai 1898 hat der Bundesrat beschlossen, daß den Angehörigen und den Erzeugnissen des Vereinigten Königreichs von Großbri- tanien und Irland, sowie der britischen Kolonien und auswärtigen Besitzungen, mit Ausnahme von Kanada, vom 31. Juli d. I. ab bis auf weiteres diejenigen Vorteile einzuräumen sind, die seitens des Reichs den Angehörigen und den Erzeugnissen des meistbegünstigten Landes gewährt werden."
H -st
*
Wie schon mitgeteilt, wurde das französische Ministerium Meline gestürzt. Der „kommende Mann" soll nun Ribot sein, der ebenso konservativ wie Meline ist, aber doch nicht ausgesprochen reaktionär in dem Sinne, daß er etwa irgend einem Thronprätendenten die Wege ebnen würde.
Kammer der Abgeordnete«.
* Stuttgart, 17. Juni. (231. Sitzung.) Das Haus steht in allen seinen Teilen sichtlich unter dem Eindruck des Resultats der gestrigen RciÄstagswadlen. Man tritt in die Beratung des Gesetzentwurfs über den Anteil Würt
tembergs an dem Gesamrkontingent der Brennereien. Gröb er empfiehlt Annahme des Gesetzentwurfs unter Darlegung der in Betracht kommenden Verhältnisse. Das Gesetz enthält einen einzigen Artikel, der die Regierung ermächtigt, der Bestimmung des Anteils Württembergs an dem neu bemessenen Gesawtkontingent der Branntweinsteuergemeinschaft die vorbehaltene Zustimmung zu erteilen. Das Gesetz wird nach kurzer Empfehlung durch Minister v. Zeyer und kurzen Bemerkungen v. Betz und Spieß in 1. und 2. Lesung angenommen. Man geht über zum Jnitiativgesetzentwurf Sacks und Gen., der eine Abänderung des Gesetzes über die Pensionsrechte der Körperschaftsbeamten und ihrer Hinterbliebenen enthält. Der Entwurf will den Witwen und Waisen der Kommunalbeamten etwas höhere Pensionen zuwenden, Sachs begründet und befürwortet den Entwurf. Minister des Innern v. Pischeck bat gegen den Entwurf nichts einzuwenden, der in erster Lesung beraten wird. Die 2. Lesung findet auf Wunsch von Haußmann erst morgen statt. Hiermit ist die Tagesordnung erledigt. Nächste Sitzung morgen mit der Tagesordnung: II. Lesung des Jnitiativgesetzes Sachs und Petitionen.
— 18. Juni. (232. Sitzung.) Zunächst nimmt das Haus die zweite Lesung des Jnitiativgesetzes Sachs auf Abänderung des Gesetzes über die Pensionsrechte derKörperschafts- beamten vor. Das Gesetz wird mit großer Mehrheit angenommen. Es wird hierauf eine Reihe von Petitionen von den bezüglichen Berichterstattern zum Vortrage gebracht; man geht über zwei zur Tagesordnung über, eine soll auf Antrag des Abg. Haug an die Kommission zurückgewiesen werden. Nach kurzer Debatte wird die Sach- an die Justizgesetzgebungskommission überwiesen. Nächste Sitzung Dienstag. Der Präsident teil: mit, die Volkspartei habe die Anfrage an den Kriegsminister gestellt, ob die Einberufung zu Landwehrübungen nicht zu anderer Zeit als zur Zeit der Heuernte erfolgen könne.
^<rir-esir«r<h* *iehteit.
* Alten steig, 20. Juni. Unser Liederkranz feierte gestern nachmittag im festlich geschmückten Saal der Linde sein 60jähriges Jubiläum in einfacher aber schöner Weise. Nach dem einleitenden Gesang des Wahlspruchs: „Stark wie die Tanne, rein wie der Berge Luft", dem sich das Lied anschloß: „Hem' an unserem Festestage rc.", hieß der Vorstand, Herr C. W, Lutz, die Anwesenden willkommen, betonend, daß der Verein keine Festmeierei treiben wolle, und deshalb das diamantene Jubiläum sin so schlichter Art begehe. Die anwesenden Ehrenmitglieder, unter ihnen noch ein Gründer des Vereins, nämlich Herr Schlossermeister Glemser, wurden durch ein musikalisches Hoch beehrt. Auch die Festrede wurde vom Herrn Vereinsvorstand gehalten. Aus derselben heben wir folgendes hervor: Der Verein sei vor 60 Jahren gegründet worden zu dem Zweck, sich durch mehrstimmigen Gesang zu unterhalten und den Volksgesang durch Harmonie und durch Verdrängung gehaltloser Gesänge zu veredeln und zu verbreiten. Diesem Ziel sei der Verein treu geblieben, und mit Befriedigung dürfe er auf die Leistungen in den letzten 60 Jahren zurück
sehen. Der erste Vorstand war Hr. Kameralverwalter Weber, der erste langjährige Dirigent Hr. Schullehrer Schüller, welcher sich um den Verein ganz besondere Verdienste erworben habe. Für den Anfang war die Zahl der aktiven Mitglieder 45, also eine stattliche Zahl. Am 15. August 1838 wurde die Anschaffung einer Fahne beschlossen (es ist eine Standarte, auf deren einer Seite das Altensteiger Stadtwappen und auf der andern ein Barde angebracht ist; sie kostete 119 fl. 7 kr., welche Summe durch freiwillige Beiträge aufgebracht wurde). Nach 50 Jahren wurde diese Standarte (beim 50jähr. Jubiläum 1888) durch eine neue ersetzt. Das 50jährige Jubiläum, welches einen prächtigen Verlauf genommen habe, sei noch in aller Erinnerung. Der Liederkranz könne heute auf eine reich bewegte Vergangenheit zurückschauen, auf manche Stunde ungetrübten Frohsinns, die Freude am Gesang habe der Verein jeweils geweckt und genährt, manche gesellige, familiäre und patriotische Feier durch die Macht der Töne geweiht, und wo es galt der Not zu steuern, brüderliche Handreichung durch Wohlthätigkeitsveranstaltungen geübt. Endlich feierte der Redner das treue Zusammenhalten der Vereins- z Mitglieder mit dem Wunsche, der Liederkranz möge auch fernerhin wachsen, blühen und gedeihen. — Hr. Präzeptor K Dr. Wagner wies darauf hin, wie in Zeiten wirtschaftlichen Aufschwungs auch die Gesangskunst eine erhöhte Pflege finde und wie der edle Gesang geeignet sei, auf das s menschliche Gemüt einen recht günstigen Einfluß auszuüben.
Die passiven Mitglieder forderte er auf mit ihm einzustimmen in den Ruf: Die Sänger des Liederkranzes sie leben hoch! hoch! hoch! — Manch erhebender Gesang: Männerchöre, Doppel-Quartette, Baß- und Sopransolis wurden vom Stapel gelassen, welche vielen Beifall ernteten und. der schön verlaufenen Feier einen besonderen Reiz verliehen. Dem langjährigen pflichteifrigen Dirigenten, Herrn Schullehrer Finckh wurde ein schön ausgeführtes B:lo unter Glas und Rahme, auf welchem die Photographien sämtlicher aktiven Liederkranz- Mirglieder angebracht sind, vom Herrn Vorstand als dankbare Anerkennung seiner Verdienste um den Verein überreicht. ° Herr Finckh nahm das Geschenk dankbar an und versicherte auch fernerhin dem Verein seine Dienste zur Verfügung stellen zu wollen. -
* Älte n ste i g , 20. Juni. Bei der gestrigen Ergänzungswahl für den Kirchengemeinderat haben von 354 Wahlberechtigten blos 81, also nicht einmal der vierte Teil, ab- gestimmt. Gewählt wurden die ausscheidendeu Mitglieder:
Hr. Apotheker Schiler, Hr. Sparkassier Luz und Hr. Stadt- pflegsr Henßler.
* Altensteig, 20. Juni. Für unsere kranken Landleute ist in der letzten Zeit ein Werk in Angriff genommen worden, das geeignet erscheint, von großer sozialer» und gesundheitlicher Wirkung zu werden, und auf das wir darum insbesondere unsere Aerzte, Geistlichen und Gemeindebehörden dringend aufmerksam machen möchten. Es wird allgemein als ein wahrer Mißstand empfunden, daß für den Bewohner des abgelegenen Landes in den Zeiten seines Krankseins gar wenig gesorgt ist, namentlich in Hinsicht auf die vielen Erleichterungs- und Hilfsmittel, die die ärztliche
Wochenrundschau
Sämtliche Blätter beschäftigen sich mit dem Ausfall der Reichstagswahlen speziell in Württemberg. Die deutschparteilichen Blätter, „Schwäb. Merkur" und „Württ. Volksztg." sind erfreut über den Rückgang der Demokratie. Der „Beobachter" konstatiert, daß die „Ordnungsparteien" mit ihrer Agitation lediglich eine Stärkung der Sozialdemokratie erzielt haben. Er spricht die Hoffnung aus, daß die Volkspartei in den sämtlichen 8 Stichwahlen siegreich sei. Die „Schwäb. Tagwacht" feiert den Sieg, durch den die ungeheure Arbeit der Genossen während der letzten Wochen belohnt werde. Das ultramontane „D. Volksbl." stellt seinerseits mit unverhohlener Genugthuung fest, daß die Sache des Centrums namentlich in Württemberg nicht zurück, sondern vorwärts gegangen sei. — Welche Ueber- raschungen etwa auch die Stichwahlen im Lande und im Reiche noch bringen könnten, schließlich wird's erfahrungsgemäß doch heißen: „Alles geht im alten Geleise, es ist gerade auch noch so!" Im Grunde genommen stehen ja auch unsere Parteien gar nicht so weit auseinander. Der Unterschied zwischen konservativ und freikonservativ ist nur minimal. Ebenso Her zwischen freikonservativ und nationalliberal, zwischen nationalliberal und freisinniger Vereinigung, zwischen freisinniger Vereinigung und freisinniger Volkspartei, zwischen dieser und der süddeutschen Volkspartei, zwischen letzterer und der Sozialdemokratie. Außerhalb dieser Skala flehen nur das Zentrum, die Antisemiten und die nationalen Fraktionen der Polen, Elsässer und Dänen. Die Sozialdemokraten scheinen bei den Hauptwahlen das
Fett abgeschöpft zu haben und ihr Organ, der „Vorwärts", nimmt Mund und beide Backen voll. Aber darf man sich darüber ärgern, wenn eine Partei sick ihres Sieges freut? Hat doch auch Ahlwardt in seinem Wahlkreise die meisten Stimmen erhalten und wenn er in der Stichwahl durchkommt, so freut er sich mindestens ebenso, wie andere Leute, denen das Sitzen im diätenlosen Reichstag ein Vergnügen ist. — Am Tage vor der Wahl feierte Kaiser Wilhelm sein lOjähriges Regierungsjubiläum. Die Zeitungen haben ihre Betrachtungen über die Ereignisse dieser letzten zehn Jahre angestellt und diese Betrachtungen fallen natürlich sehr verschieden aus. Aber alle stimmen darin überein, daß das Vertrauen zu dem Monarchen sich stetig mehre und das ist die Hauptsache. Daran kann auch die Thatsache nichts ändern, daß der „Vorwärts" unter den aus Anlaß des Jubiläums mit Orden Bedachten auch einen ehemaligen Parteigenossen entdeckt haben will. — Die Berichtswoche hat kriegerische Ereignisse großen Stiles nicht gebracht. Die Operationen auf Cuba vollziehen sich mit ermüdender Langsamkeit. Den Spaniern scheint allgemach das Pulver auszugehen und auf den Philippinen sieht es für sie äußerst böse aus. General Augustin will mit der Uebergabe Manilas nur warten, bis die amerikanischen Landungstruppen angelangt sind, denn er will lieber in die Hände dieser, als in die Hände der Rebellen fallen. Ein erneuter Beweis, wenn es dessen noch bedurft hätte, wie beliebt sich die Spanier bei den chinesischen Mestizen, den hauptsächlichsten Bewohnern der Philippinen, gemacht haben. — Während die Kretafrage dank der Einmütigkeit der
Mächte und der Nachgiebigkeit des Sultans eine baldige Erledigung finden dürfte, ist an der albanesisch-montene- grinischen Grenze wieder der Hammeldiebstahl in Gang gekommen. Fürst Nikita fühlt sich! Der Henker auch, man ist doch nicht zum Spaß der Schwiegervater des Kronprinzen von Italien, man will die vom Zaren geschenkten 30 000 Gewehre doch nicht bloß in den Schränken hängen haben und weiß doch den Händedruck eines Lord Salisbury nach Gebühr zu würdigen. Darum hat auch der Fürst der Schwarzen Berge eine Art Drohnote nach Konstantinopel gerichtet und darauf eine recht höfliche Antwort bekommen. Die Albanesen müssen zu Kreuze bezw. zu Halbmond kriechen! So hat es der Beherrscher aller Gläubigen versprochen. „Väterchen" in Petersburg ist ein pietätvoller Mann. Den tapferen Landsleuten, die seinem Großvater den Tschipkapaß erstürmten, will er ein Denkmal setzen lassen. Und worin besteht dasselbe? In einer veritablen Festung, natürlich mit russischer Besatzung. Das russische Kloster auf dem Berge Athos am Aegeischen Meere ist auch nichts anderes als eine russische Festung und im Nordwesten sitzt der „einzige Freund Rußlands" — Fürst Nikita. Rußland richtet sich eben auf der Balkanhalbinsel nach und nach häuslich ein, ebenso auch in Ostasien. wo es die chinesischen Leuchtturmwächter im Golfe von Petschili einfach „entlassen" und durch russische Wächter ersetzt hat. Rußland arbeitet langsam, aber sicher. — In den sonstigen schwebenden Zeitfragen hat die Berichtswoche neue Wendungen nicht gebracht.