Erscheint Lien Stag Donnerstag, Samstag und Sonntag mit der Gratis.Beilage .Der SonntagS- Gast."
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1898.
(AuszugauS der Geschworenen-Liste des Schwurgerichts Rottweil pro 2. Quartal 1898): K. Buhler, Privatier in Freudenstadi.
Tirsesvslitik.
Von China haben die Engländer noch etwas h'eraus- zuschlagen vermocht, trotzdem sie bereits Weihattvm erhalten, sowie eine Reihe wertvoller Zugeständnisse durchgesetzt haben. Das Gebiet um die bereits seit längerer Zeit in englischem Besitze befindliche Stadt und Hafen Hongkong, an der Südspitze Chinas, ist nämlich den Engländern in einem Flächeninhalt von 200 Quadratmeilen aus 99 Jahre pachtweise überlassen worden. Da Hongkong von den deutschen und russischen Besitzungen durch Hunderte von Meilen getrennt ist, so hat diese neue Erwerbung Englands für die
Entwickelung der ostasiatischen Frage nichts zu bedeuten.
* *
-s-
Die Amerikaner werden in nächster Zeit auf Kuba nichts thun können, denn die Regenzeit ist da. Wenn im Frühjahre die Sonne die nördliche Erdhälfte wieder stärker bestrahlt und besonders in dem zwischen Aequator und dem Wendekreis des Krebses gelegenen Gebiet die größte Hitze hervorruft, so entsteht in dem über dem altlantischen Ozean gelegenen Hochdruckgebiete der Nordostpassatwind, der während des ganzen Sommers hindurch fast ohne Unterbrechen aus derselben Richtung kommt, die Bahamas und Antillen bestreicht und bis nach Venezuela, Columbien und den Ostküsten von Mittelamerika und Mexiko bemerkbar ist. Infolge dieses stetigen Windes und infolge der außerordentlichen hohen Sonnenglut werden dem Ozean große Mengen Wassers entzogen, die als Dunstmassen vom Wind den Inseln und Ländern Westindiens und Mittelawerikas zugetragen werden, und dort als mächtige Regengüsse niedergehen. Das ist namentlich der Fall, wo ausgedehnte Wälder die Dunstmassen anziehen, oder hohe Gebirge sich der weiteren Fortwälzung der Dunstmassen in den Weg stellen. Der heftigste in gemäßigten Zonen vorkommende Gewitterguß ist nichts im Vergleich zu den kubanischen Sturzbädern, denen gegenüber kein Haus, kein Schirm und kein Regenmantel dicht genug sind. Die Regengüsse kommen von oben und beiden Seiten und schlagen von unten wieder heftig empor, sie dringen durch die kleinsten Fugen, überfluten die Seitenwege, stehlen sich durch die Fenster und Thüren herein, kurzum, sie sind allgegenwärtig. Manchmal währen die Regengüsse nur wenige Minuten, eine halbe oder eine ganze Stunde, um sich nach kurzen Pausen mit derselben Heftigkeit zu wiederholen. Zwischendurch aber brennt die tropische Sonne mit aller Macht hernieder, leckt die eben gefallenen Wassermassen gierig auf und läßt sie als gespenstergleiche Schwaden aus den Niederungen, den Flußthälern und den triefenden Wäldern ewporsteigen. Die Schwaden verdichten sich zu Wolken, die
sich aufs neue zu heftigen Güssen entladen und so geht der Kreislauf von Tag zu Tag, von Woche zu Woche, von Monat zu Monat mit nur kurzen Unterbrechungen fort.
Ssrir-esiraetzrietzteir.
* Altensteig, 15. Juni. (Allerlei.) In Nagold ertrank am letzten Sonntag nachmittag beim Nachenfahren der 17 Jahre alte Wagnergeselle Hörmann von Breitenberg. Am Wehr bei der Rauser'schen Mühle schlug der Nachen um, die 3 Insassen fielen in's Wasser, 2 davon konnten gerettet werden, während Hörmann in den Wellen verschwand. Ein trauriges Geschick ist es, daß die alleinstehende Mutter, welche im Jahre 1887 ein 5 Jahre altes Söhnchen ebenfalls durch Ertrinken verloren hat, nun den Verlust eines älteren Sohnes, der auf gleiche Weise dahingerafft wurde, beklagen muß. — Nach dem „Ges." ging am Freitag auch auf der Salzstetter Höhe ein Wolkenbruch nieder, welcher dem Haiter- bach große Wassermengen zuführte und auf der Haiterbacher Markung erheblichen Schaden verursachte. — Herr Forstwart Roller in Berneck hatte das Glück, einen prächtigen Hirsch im Gewicht von etwa 75 zu erlegen. — In Nagold tagte eine Metzgerversammlmig, welche die Gründung einer „freien Innung" beschloß. Von Altensteig wohnten der Versammlung 9 Metzger an.
* Freuden st adt, 13. Juni. Der in weiten Kreisen bekannte Besitzer des Gasthofs zur Post in Schönmünzach, Herr Hagenmayer, ist nach längerer schwerer Krankheit heute nacht im Bezirkskrankenhaus, wo er Genesung suchte, gestorben. Derselbe war lange Jahre Mitglied des Gemeinderats seiner Heimatgemeinde Schwarzenberg und war wegen seines biederen Charakters allgemein beliebt. Dessen Beerdigung findet in Schwarzenberg statt.
* Wildbad, 10. Juni. Das vergangenen Winter mit bedeutendem Kostenaufwand neu erbaute Kurtheater ist letzten Mittwoch eröffnet worden. Die erste Aufführung trug das Gepräge einer Festvorstellung. Als Vertreter der Staats-Finanzverwaltung war Domänendircktor von Schwarz anwesend. Nach einem von Ober-Regisseur Jürgensen schwungvoll gesprochenen, mit einer Huldigung für unseren König endenden Prolog ging die Blumenthal- Kadelburg'sche Novität „Im weißen Rösi'l" in Szene und zwar in gewohnter, künstlerisch befriedigender Weise. Der neue Theaterbau ist ein wahres Schmuckkästlein eines kleinen Theaters. Namentlich der Jnnenraum und seine Ausstattung im Barokstil ist überaus zierlich und schön. — Trotz Regen und kein Ende entwickelt sich die Saison doch in befriedigender Weise. Laut amtlicher Fremden-Liste hat die Frequenz einen Vorsprung von zirka 250 gegen das Vorjahr.
sj Vom Lande, 10. Juni. Eine betrübende Erscheinung ist die fast in allen deutschen Landen zunehmende Vereinssucht und die sich an dieselbe knüpfende Festmeierei.
Geht doch in gewissen Gegenden unseres Vaterlandes fast kein Sonntag vorbei, an dem nicht irgend ein Verein, irgend eine Gesellschaft eme Festivität abhält, die dem Teilnehmer oft genug schwere Kosten verursacht, jedenfalls aber ihn zu anstrengender Arbeit für den oder die folgenden Tage nicht besonders fähig macht. Und wie manchesmal möchte zu Hause — wie man zu sagen pflegt — der Bettclsack an der Wand verzweifeln, während der Sanges- oder Schützenbruder, nachdem jener sich die Kehle heiser geschrieen und dieser die Augen halbblind geschossen, sich beim funkelnden Rebensäfte von den „Anstrengungen" erholt! Sehr bezeichnend sind zwei durch Zeugen verbürgte Vorkommnisse aus der jüngsten Zeit (die Orte verschweigt des Sängers Höflichkeit): Ein Gesangverein steht zur Sängerfahrt gerüstet auf dem Bahnhofe, da kommt ein ärmlich gekleidetes Kind an, sucht seinen im Cylinder und Frack unter den Sängern stehenden Vater auf und sagt diesem leise: „Vater, Du sollst der Mutter doch noch 70 Pfennig für ein Schwarzbrot hier lassen!" Der Vorstand des Vereins, der den Vorfall erfuhr, war so vernünftig, den zwar guten Sänger, aber schlechten Familienvater nach Hause zu schicken. — Ein anderer Verein kehrt preisgekrönt von einer dreitägigen Sängerfahrt nach Hause zurück. Am Bahnhofe von weißgekleideten Mädchen empfangen, von der Obrigkeit durch eine Ansprache geehrt, ziehen die Sänger nach ihrem Vereinslokale, wo bei Rheinwein und Champagner die „Siege" des Vereins gefeiert werden. Da drängt sich ein blasser schlecht genährter Knabe durch den Saal zu seinem Vater, der ihm großmütig einen Schluck Wein zukommen läßt. Leise flüstert der Knabe : „Vater, die Mutter hat mich geschickt, Du sollst mir zwei Groschen geben für Nierenfett, sie wollte für heute abend Kartoffeln braten."
* Stuttgart. 13. Juni. Erfreulicherweise macht in diesem Jahre die Versicherung unserer Landwirte gegen Hagelschaden bei sämtlichen in Württemberg arbeitenden Versicherungsgesellschaften ganz bedeutende Fortschritte, so daß wohl eine Verdoppelung der Versicherungssumme gegenüber dem Vorjahr zu erwarten sein wird. Da nun aber dem Vernehmen nach die Meinung verbreitet ist, daß nach dem 1. Juni nicht mehr versichert werden könne, so dürste es nützlich sein, darauf hinzuweisen, daß Versicherungsverträge fortwährend bis zur Zeit der Ernte abgeschlossen werden können. Hinsichtlich der Prämienleistungen der bei der Norddeutschen Hagelversicherungsgesellschaft Versicherten sodann besteht teilweise die irrige Meinung, daß der zehnprozentige Zuschlag für den Reservefonds der Gesellschaft nicht mehr verlangt werden dürfe. Es liegt hier eine Verwechslung mit dem schon im vorigen Jahr weggefallenen gleichfalls 10"/<,igen Zuschlag für den staatlichen Präzipualleistungsfonds vor. Durch den Wegfall des letzteren ist der elftere nicht berührt worden. Die Versicherten haben also zu bezahlen
JaLfches Held.
(Schluß.)
„Da eine solche nicht hier ist", entgegnete ich, „jene Verbrecher aber auch in Hamburg waren, so wäre doch die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, daß —"
„Der Zufall Ihnen bei der Auffindung Hilfe leistete," erwiderte der Vorsteher lachend, mir den Begleitschein gebend. Ich sah nach dem Datum der Aufgabe in Hamburg, mein Notizbuch belehrte mich, daß van Habermeister den Abend vorher nach Hamburg gefahren sei.
Ich nahm das Blatt, auf welches die Aufzeichnungen kopiert waren, die Habermeister und der Vikomte in das Fremdenbuch des Hotels gemacht hatten, sorgfältig verglich ich dieselben mit dem Begleitschein, unzweifelhaft hatten einige Buchstaben mit der Schrift Habermeisters große Aehnlichkeit.
„Der Koffer befindet sich auf dem Zollamt?"
„Ja, aber in einer Stunde ist derselbe wieder hier, die Sache ist nicht in Ordnung, der Wertgegenstand durch ein Versehen des Expedienten dorthin gekommen."
Ich dankte für die mir gewordene Auskunft und empfahl mich mit dem Versprechen, nach Verlauf einer Stunde wiederzukommen.
Als ich in meinem Hotel ankam, fand ich meinen Kollegen vor der Thür mich erwartend.
„Nennen Sie das Pünktlichkeit?" rief er mir scherzend zu, während ich aus dem Gefährt sprang und auf ihn zueilte.
„Gewiß," gab ich zurück, „und ich denke, nach einigen Minuten werden Sie derselben Ansicht sein."
In möglichster Kürze teilte ich ihm mit, was ich ermittelt hatte und daß der Koffer nach einer Stunde auf dem Postamt sein werde.
Der alte Herr hatte mich ruhig angehört, dann sagte er sehr bedächtig:
„Fast glaube ich, Sie haben die richtige Fährte, das
Depot der Falsifikate gefunden. Vertrackt schlaue Burschen," setzte er mit dem Kopf wiegend hinzu, „wenn Ihre Annahmen zutreffen; nun, wir werden ja sehen. Jetzt kommen Sie aber nach dem Postamt, lieber Kollege."
„Ich meine, wir kommen dort noch zu früh."
„Aber wir müssen erst nach dem Polizeigebäude. Ich will die Schlüssel holen, die wir den Leuten abgenommen haben. Paßt davon keiner, so kann ich weiter nichts thun. als den Koffer mit Beschlag belegen und warten, bis der Eigentümer die Auslieferung verlangt, der ich dann selbstverständlich beiwohnen und eine Revision des Inhalts vornehmen werde. Der bis jetzt vorliegende Verdacht ist zu schwach, als daß ich darauf hin die Oeffnung des Koffers durch einen Schlosser veranlassen möchte, es könnten uns, hätten wir einen Fehlgriff ge- than, von dem rechtmäßigen Besitzer später mancherlei Weitläufigkeiten gemacht werden."
Die Richtigkeit des Gesagten war unzweifelhaft; und doch war ich überzeugt, daß in dem Koffer, dessen Inhalt als Uhren und Goldwaren deklariert war, sich auch die Falsifikate befänden.
Wir waren in dem betreffenden Büreau des Postamtes angekommen. Mein Kollege war hier nicht nur bekannt, sondern auch dem Vorsteher befreundet; er reichte diesem die Hand.
„Mein Koffer ist hier angekommen," sagte er sehr ernst, „ich möchte nachschauen, ob auch nix verletzt ist; daß ich nix herausnehme, ehe es die Steuer passiert hat, können'- ja selbst überwachen, überhaupt kennen's mich ja als einen ehrlichen Burschen."
Der Vorsteher lachte.
„Nun kommen Sie nach meinem Zimmer, ich habe dort das Ding hineinstellen lassen."
ES war ein Koffer mit einem feinen, solid gearbeiteten Lederüberzug, welcher mit einem Schlosse versehen war. Mein Kollege sah sich dasselbe genau an, dann holte er drei
an einer kleinen Stahlkette befindliche Schlüssel hervor Dieselben hatten wir im Toilettenkästchen der Dame gefunden und im nächsten Augenblick war das Schloß geöffnet.
Als der Lederüberzug entfernt war, stand ein aus Polisanderholz sehr hübsch gearbeiteter Kasten vor uns, der mit zwei Schlössern versehen war. Auch hier leisteten uns die Schlüssel den gewünschten Dienst, bald war der Deckel geöffnet, und in dem Kasten standen mit hellblauem Samt ousgeschlagene Einsätze, in welchen in den angebrachten Vertiefungen Uhren und Ketten, wenn auch in sehr mäßiger Zahl, lagen.
Mein Kollege hatte die sechs Einsätze herausgenommen. Er sowohl wie ich wandten unsere Aufmerksamkeit dem Koffer zu; aber kein geheimes Fach, kein doppelter Boden konnte darin enthalten sein, die angestellten Messungen ergaben die Holzstärken der Seitenwände und Böden als ganz normal.
„Die Leute scheinen auch einen kleinen Handel mit Uhren zu betreiben," sagte mein Kollege. „Ich glaube, wir haben nicht das richtige Lager gefunden," fetzte er unmutig hinzu.
Ich war nicht der Ueberzeugung. Der Koffer war ein ganz harmloses Ding, dort war nichts verborgen, konnte nichts versteckt sein, aber die Einsätze? Ich legte von dem oben stehenden die Uhr ab und auf den Tisch, ich sah mir den Einsatz genau an. Derselbe war überall, wie schon bemerkt, mit hellblauem Samt überzogen; um den Rand lief eine vielleicht einen Zoll breite und einen Viertelzoll starke Messingleiste, die mit Holzschrauben befestigt, in regelmäßigen Abständen kleine kugelförmige Erhöhungen hatte, die jedenfalls dazu dienten, daß auf der Reise der Samt an den Holzwänden des Koffers sich nicht reiben konnte; so unverfänglich diese ganze Vorrichtung aussah, ich suchte doch mehr dort, und ich meinte, einen triftigen Grund dafür gefunden zu haben.
Ich reichte meinem Kollegen den Einsatz hin.