Erscheint TienSrag Donnerstag, LamStag und Sonntag mit der GratiS-Beilage »Der SonntagL- Gaü.'
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Nr. 87.
Mtzblatt für
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Samstag, 11. Juni.
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erfolg-
1898.
Amtliches.
Uebertragen wurde die erledigte evangelische Stadtpfarrei Rottweil, Dekanats Tuttlingen, dem Pfarrer Hiller in Pfalzgrafenweiler.
ll Vom Kriege
Einem Kriege ohne größere Schlachten in seinem Verlauf zu folgen, ist sehr schwierig und für Laien fast unmöglich. Aber auch dem kriegswissenschaftlich Erfahrenen giebt der gegenwärtig zwischen Spanien und Nordamerika entbrannte Krieg manche Rätsel auf, deren Lösung nur dadurch etwas erleichtert wird, daß beide Teile ohne genügende und umfassende Vorbereitungen in den Kampf gingen. Der Zwischenfall von Cavite, der durch die Gunst verschiedener Umstände zum Vorteil für die Amerikaner ausschlug, kann bei Beurteilung des gegenwärtigen Standes der Dinge um so eher aus der Betrachtung wegbleiben, als die Amerikaner bisher diesen Sieg nicht auszunutzen vermocht haben.
Aus amerikanischer Seite war die Ansicht vorherrschend, daß die strategische Lage der spanischen Insel Portorico die Besitzergreifung von San Juan seitens der Unionsstreitkräfte gebiete, um von da in der Lage zu sein, dem Herankommen spanischer Seestreitkräfte entgegen zu treten; auch war dies amerikanischerseits beabsichtigt, wie aus der Unternehmung gegen San Juan am 13. Mai hervorgeht, doch wurde sie, veranlaßt durch das plötzliche Erscheinen der Flotte Cerveras, aufgegeben. Nun trat ein Wendepunkt von Bedeutung ein. nachdem überdies Admiral Cervera im Hafen von Santiago einlief: der Schwerpunkt in der Kriegführung wurde von Portorico nach Santiago verlegt.
In den Hafen von San Jago de Kuba war der mit seiner Flotte von Spanien herbeigeeilte Admiral Cervera eingelaufen, ohne daß dies die Amerikaner hätten hindern können. Nun ist es für die Amerikaner ebenso schwierig, den Eingang zum Hafen zu erzwingen, wie es für Cervera schwierig ist, den Hafen wieder zu verlassen. Denn der Untergang des amerikanischen Hilfskreuzers „Merrimac" ist — wie sich jetzt glaubwürdig herausstellt — von den Amerikanern selbst herbeigeführt worden, um die Hafeneinfahrt zu versperren.
Das zweimalige Vorgehen der Unionsflotte gegen Santiago kann nur als Versuch bezeichnet werden, sich des Hafens ebenso zu bemächtigen, wie es Dewey seiner Zelt vor Manila glückte. Als ernstere Unternehmungen können sie schon deswegen nicht angesehen werden, weil der Flotte kein Landungskorps beigegeben war. Daß aber Flotten einem einigermaßen ernst zu nehmenden Gegner zu Lande gegenüber für sich allein auf die Dauer keine Erfolge be- anspruchen können (siehe die französische Flotte in der Nord- und in der Ostsee 1870), das ist aber den Amerikanern wohl bekannt. Wenn sie trotzdem Dewey ohne Landungstruppen gegen Manila Vorgehen ließen, so geschah dies unter der Voraussetzung, daß die Aufständischen auf den Philippinen ihr fehlendes eigenes Landungskorps ersetzen würden. Den Unternehmungen der Umonsflotte am 31. v. und am 2. d. kann daher eine besondere ernste Absicht nicht zu Grunde gelegen haben. Sie fallen in das Gebiet des Rekognoszierens, das manchmal nicht umgangen werden kann, wenn beispielsweise der Drang nach Thaten durchbricht, ohne zur Zeit die Mittel zur Durchführung einer entscheidenden Operation zu besitzen. Diese Mittel waren bisher der Unionsflotte versagt, indem Landungstruppen ihr nicht zur Verfügung standen.
Jetzt ist es aber den Amerikanern gelungen, 5000 Mann Truppen sowie einige Belagerungsgeschütze in der Nähe von San Jago zu landen und zu ihnen sollen bereits 3000 Aufständische unter Garcia gestoßen sein, so daß nunmehr San Jago auch von der Landseite her erfolgreich angegriffen werden könnte. Indessen das müßte schnell geschehen; denn es ist bekannt, daß sich eine zweite spanische Flotte unter Admiral Samara auf dem Wege von Cadiz nach San Jago befindet und die den letzteren Hafen blockierende Flotte könnte somit leicht zwischen zwei Feuer geraten. Daß die Amerikaner den „Merrimac" schon geopfert haben, läßt darauf schließen, daß sie mit ihren sonstigen Vorbereitungen gegen San Jaga fertig sind und daß der Kampf um diesen befestigten Ort von der Land- und Seeseite her sehr bald beginnen wird.
Tosesvslitrk.
Auf Arbeiterversicherungsgesetze, welche der Sozialdemokratie umsomehr ein Dorn im Auge sind, weil sie gegen den Willen ihrer Führung zustande kamen, verwendet das von dieser Partei für die Wahlen herausgegebene Handbuch 20 volle Seiten; darin wird den Arbeitern vorgerechnet, daß sie eigentlich die ganzen Kosten selbst aufbringen und daß ihnen die ganze Versicherungsgesetzgebung im Grunde
gar nichts bringe, geschweige denn soviel, daß man von Wohlthaten reden könnte. Amtlich werden nun die Beträge aufgerechnet, die bis zum Schluffe des verflossenen Jahres iür Versicherungszwecke aufgebracht und ausbezahlt worden sind. Darnach sind seit dem Bestehen der Versicherungsgesetze den Arbeitern bisher 1702 Millionen zugeflossen; davon entfielen auf die Krankenversicherung 1082 Millionen Mark, auf die Unfallversicherung 365 Millionen und auf die Jnvaliditäts- und Altersversicherung 225 Millionen Mark. Dafür haben die Versicherten allerdings 1173 Mill. Mark aufgebracht, wenn man annimmt, daß die Beiträge für die Alters- und Jnvaliditätsversicherung gleichmäßig von Versicherten und Arbeitgebern aufgebracht worden, wie es gesetzlich bestimmt ist. Tatsächlich werden aber die Beträge der Versicherten zu einem ganz erheblichen Teil von den Arbeitgebern getragen. Die Arbeitgeber haben 1337 Mill. Mark aufgebracht. Daraus ergiebt sich, daß die Arbeiter bisher schon mindestens 229 Millionen Mark mehr erhalten haben, als sie eingezahlt brben. Dabei ist zu berücksichtigen, daß die Kranken- und Unfallversicherung erst seit 1885/86, die Jnvaliditäts- und Altersversicherung erst seit 1891 besteht und die Beiträae und Auszahlung fortgesetzt steigen. Auf Grund sicherer Rechnungen steht fest, daß bis Ende 1900 auf Grund der Versicherungsgesetze 2^ Milliarden Mark Entschädigungen gezahlt sein werden.
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Der Donau-Mainkanal hat bis zum heutigen Tage an Verzinsung. Kapital und Zuschüssen für Erneuerung und Ausbesserung — von einer Rente war niemals die Rede — dem bayerischen Lande einen Verlust von 200 Millionen Mark eingetragen. Trotz dieser bösen Erfahrung soll nach dem Wunsche des Prinzen Ludwig, des bayerischen Thronerben, ein neuer, breiter und tiefer Kanal die Donau und den Main verbinden und es sollen sogar diese beiden Flüsse kanalisiert werden, so daß die großen Rhein- und Donauschiffe direkt durch das Land befördert werden können, ein Unternehmen, welches sicher an 500 Millionen Mark verbrauchen und selbst bei genügendem Wasserreichtum, der aber öfter nickt vorhanden sein wird, niemals rentieren, sondern bloß ein fressendes Kapital bilden würde. Obwohl dies schon oft genug dem Prinzen entgegengehalten wurde, erklärte er dock neulich im Verein der Binnenschifffahrts-Interessenten in Nürnberg wieder, er werde sich durch die Widersprüche der Landwirte von einem einmal gefaßten Gedanken nicht abbringen lassen. Der Donau-Mainkanal würde 120 Kilometer länger als der Schienenweg sein. Die billigen Frachten würden durch den langsamen Transport viel an Wert verlieren. Die Wasserstraßen vermögen mit den Schienenwegen nicht zu konkurrieren.
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Die Getreidepreise fallen ziemlich rasch, denn die Welt hat sich über den amerikanisch-spanischen Krieg beruhigt und die Ernteaussichten sind sehr gut. Am Donnerstag war an der Berliner Börse so schwache Kauflust, daß Weizen um 9, Roggen um 3 Mk. verlor.
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Der Gemeinde-Ausschuß der Stadt Zwittau hat eine Resolution angenommen, in welcher sich derselbe auf das entschiedenste gegen die Errichtung einer tschechischen Hochschule in Mähren ausspricht und erklärt, daß eine solche Hochschule für das tschechische Volk keinen wirklichen Kultur- wert, sondern lediglich einen Agitationswert haben würde, um die deutsche Bevölkerung immer mehr und mehr aus
ihren angestammten Sitzen zu verdrängen.
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Kaiser Franz Josef feiert demnächst sein fünfzigjähriges Regierungsjubiläum. Mit Wohlgefallen jedoch kann er das Fazit seiner Regierungsthätigkeit nickt ziehen. Unter ihm hat Oesterreich seine italienischen Besitzungen und seine Stellung in Deutschland verloren, die nationalen Leidenschaften haben sich bis zum Ueberkochen erhitzt und das Reich, das ohnehin wirtschaftlich mit den andern Ländern nicht Schritt gehalten hat, ist in Gefahr, in zwei feindliche Staaten zu zerfallen.
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Wie der römische Berichterstatter des Londoner .Standard' erfährt, richtete Papst Leo Schreiben an den deutschen und den österreichischen Kaiser, worin er deren gute Dienste zur Regelung der Beziehungen des Vatikans mit der italienischen Regierung nachsucht. Der Papst beanspruche vollkommene Freiheit und Unabhängigkeit und betone, dadurch würde die Einigkeit Italiens befestigt und eine neue Aera des Friedens und der Wohlfahrt herbeigeführt werden. Die gegenwärtigen Zustände Italiens schreibe er der irrigen Politik zu, welche die Katholiken von der gehörigen Beteiligung an der Landrs- verwaltung fernhalte. (Italienisch-offiziöse Stimmen ver
wahren sich mit aller Entschiedenheit gegen die Einmischung fremder Einflüsse in die inneren Angelegenheiten Italiens.)
Kammer der Abgeordnete a.
* Stuttgart, 7. Juni. (229. Sitzung.) T.-O.: 1) Bericht der volkswirtschaftlichen Kommission über einen Nachtrag zu dem Entwurf eines Gesetzes, betreffend die Beschaffung von Geldmitteln für den Eisenbahnbau und für außerordentliche Bedürfnisse der Verkehrsanstalten-Verwaltung in dem Rechnungsjahr 1898/99; 2) Bericht der Kommission über die Bitten des Komitees sür die Kocherthalbahn um Erbauung einer Lokalbahn von Gaildorf nach Aalen. Zu Ziff. 1 der Tagesordnung, welche lautet: „Dem Art. 4 ist als Abs. 2 anzufügen: Zu den Grunderwerbungskosten für eine Eisenbahn von Münsingen nach Schelklingen wird ein Staatsbeitrag von 150000 Mk. bestimmt; dem Art. 7 Abs. 1 ist anzufügcn: und der Staatsbeitrag zu den Grund - erwerbungskosten für die Bahnstrecke Münsingen-Schelklingen mit 150000 Mk. ist Berichterstatter Stockmayer. Der Berichterstatter beantragt Zustimmung. Nachdem Minister v. Mittnacht und Rath hiezu gesprochen haben, wird der Antrag des Berichterstatters einstimmig angenommen. — Ueber den zweiten Gegenstand berichtet Hartranft- Böblingen. Am 30. März 1897 ist der Ständeversammlung eine Eingabe um Erbauung einer Lokalbahn von Gaildorf nach Aalen vorgelegt worden. In Anbetracht der ungünstigen Betriebsergebnisse (es wären 83 000 Mk. Jahreseinnahmen und 154 0Ö0 Mk. Betriebsausgaben in Aussicht zu nehmen) wird die Baulinie nicht als bauwürdig bezeichnet. Dagegen wäre der Bau einer Zweiglinie Gaildorf- Untergröningen wegen geringerer Baukosten und größerer Rentabilität empfehlenswert. Inzwischen ist von privater Seite ein neues generelles Projekt für diese Strecke ausgearbeitet worden. Berichterstatter begründet eingehend die volkswirtschaftliche Bedeutung des Baues dieser Zweigstrecke und stellt namens der Kommission den Antrag, die Gesuche des Kocherthalbahnkomitees soweit sie die Strecke Gaildorf- Untergröningen betrifft, der Regierung zur Berücksichtigung zu überweisen. Ministerpräsident v. Mittnacht giebt über das vom Berichterstatter erwähnte generelle Projekt nähere Auskunst. Die Regierung verkennt die Momente, die für den Bau sprechen, nicht und tritt dem Antrag der Kommission nicht entgegen. Graf Adelmann: Die Bahn ist tiefgefühltes Bedürfnis und belegt seine Ausführungen mit statistischen Nachweisen. Namentlich auch im Interesse der Landwirtschaft ist der Bau der Bahn dringend zu wünschen. Abg. Schick bittet, dem Antrag der Kommission beizutreten aus Gründen der Gerechtigkeit und Billigkeit und begründet seine Bitte eingehend. Auch die Kgl. Straßenbauverwaltuug habe Interesse am Bau der Bahn. Abg. Rembold als Vertreter von Aalen befürwortet auch den Antrag der Kommission in der Hoffnung, daß die Strecke nicht Teilstrecke bleiben, sondern sich bis ins Herz des Aalener Bezirks bis Wasseralfingen erstrecken werde. Abg. Lang befürwortet ebenfalls den Bau, von dem auch die Staatsfinanzbehörde als Waldeigentümerin Nutzen haben werde. Hierauf wird der Antrag angenommen. Die Abgg. Betz, Schmid und Genossen haben den Antrag eingebracht, die Kammer wolle die Regierung ersuchen, daß am 16. und 24. ds. Mts. die Arbeiterwochenkarten zu allen Zügen, zu denen sie überhaupt berechtigen, ohne Rücksicht auf die Tageszeit Giltigkeit haben. Minister von Mittnacht: Diese Bestimmung sei schon getroffen worden, wie man aus den Tagesblättern hätte ersehen können.
— 8. Juni. (230. Sitzung.) Das Haus nimmt zu- nächst in namentlicher Abstimmung das Wasserrechtsgesetz einstimmig an. Man geht sodann über zur wiederholten Beratung der Polizeistrafgesetznovelle, zu der die Erste Kammer verschiedene Abänderungen beschlossen hat. Zu Artikel 17s. (Bestrafung der Wirte, die gewohnheitsmäßig an Personen unter 16 Jahren geistige Getränke verabreichen) hat die Erste Kammer Streichung des Wortes „gewohnheitsmäßig" vorgenommen. Die Kommission der Zweiten Kammer beantragt dieser Aenderung zuzustimmen. Lang beantragt Wiederherstellung der Fassung der Zweiten Kammer, v. Seckendorfs tritt diesem Antrag entgegen, den Hauß- m ann-Balingen empfiehlt. Man solle sich vor der Ersten Kammer nicht beugen. Minister des Innern v. Pischek befürwortet die Anregung des I. Hauses. Haußmann- Balingen beantragt weiter, im Artikel die Vorschrift zu streichen, daß der Wirt den Umständen nach annehmen mußte, die Person sei unter 16Jahren. Prälat von Sandberger spricht für den Antrag der Kommission, Egger ebenfalls. Ihnen widersprechen Weidle und Haußmann- Balmgen. Bei der Abstimmung wird der Antrag Hauß-