nicht vorwerfen können, daß ich von Dingen rede, die ich nicht verstehe. Ich weiß alles, was man zu Gunsten der klassischen Sprachen sagt, und ich habe es mir oft genug selbst gesagt, wie man denn in der Regel anfänglich sich das wiederholt, was die anderen sagen, und erst später dazu kommt, frei selbst zu denken. Gegenwärtig weiß ich kein einziges griechisches Wort mehr und vielleicht drei Male im Jahre lese ich Latein — das Leben ist so kurz! Aber vielleicht haben diese Sprachen, die ich jetzt vernachlässige, mir ein Vermächtnis edler Gefühle und Ideen hinterlassen, von denen ich Nutzen ziehe, ohne daß ich wir dessen bewußt bin! Offen gestanden: ich glaube es nicht. Jedesmal, wenn ich an ein antikes Werk denke, muß ich gestehen, daß es mir nicht direkt erscheint, sondern in Formen, die durch unsere Klassiker und durch die moderne Kritik bereichert worden sind, und auch seine Schönheit wird mir nur erkennbar durch die Vergleichung mit neueren Werken. Ferner hat die griechische und die lateinische Litteratur kein Monopol auf einen Schatz allgemeiner erziehlicher Gedanken."
Jules Lemaitre stellt dann die alten Klassiker, wie sie in der Schule gelesen werden, in Vergleich mit modernen Klassikern, und er kommt zu dem Schlüsse, daß er die Bildung von Herz und Gefft weniger Virgil und Cicero. Livius und Sencea. Sophokles und Plato, sondern vielmehr dem Evangelium und der französischen klassischen Litteratur verdanke. Dann fährt er fort:
„Trotzdem sehe ich immer mehr ein, daß ich nichts weiß. Ich verstehe nicht Englisch, das die halbe Welt spricht und ich kann so wenig Deutsch, daß es ein Erbarmen ist. Man wird mir sagen, daß ich es in meiner Jugend hätte lernen sollen. Aber ist es meine Schuld, wenn ich nur eine Durchschnitts-Intelligenz besaß, die zudem durchaus in Anspruch genommen war durch diese toten Sprachen, die eine blinde Ueberliefe- rung mich zu lernen zwang und von denen ich doch so wenig Vorteil hatte? Die deutsche Schönheit und die englische Schönheit, deren Reichtum und Tiefe ich ahne, bleiben mir verschlossen. Ich bin mcht einmal fähig, mit Vorteil zu reisen. Das Wenige, was ich von Naturwissenschaft lernte, habe ich vergessen; meine Glieder sind schwerfällig und linkisch; ich besitze nicht einmal Handwerkszeug und auf einer verlassenen Insel wäre ich der unglücklichste aller Robinsone. Ich kann nichts als schreiben und auch von diesem wage ich nicht zu behaupten, daß ich es dem Studium des Latein verdanke; denn wenn ich meine Muttersprache auch richtig schreibe, so erhebe ich dock nicht den Anspruch, sie besser zu schreiben, als Louis Veuillot, der nur die Volksschule besuchte, oder als Georges Sand, der nie klassischen Unterricht gehabt hat. Bleibt noch übrig, daß das Studium der toten Sprachen etwas wert ist als geistige Uebung. Aber warum sollten die lebenden Sprachen dies nicht auch leisten? So viel ich beurteilen kann, ist die deutsche Grammatik schöner und in ihrem Zusammenhänge harmonischer als die lateinische und sie ist auch nicht weniger wert, als die griechische. Was aber den Geist und die Moral betrifft, so dringen sie in das Gemüt unserer Kinder nicht bloß durch die antike Litteratur, sondern viel reicher noch durch englische, deutsche, italienische und spanische Schriftsteller."
Lemaitre kommt dann auf die Ergebnisse der Prüfungen in den alten Sprachen zu sprechen und
nennt sie lamentabel. Die Studierenden hätten ihre Zeit doppelt verloren: einmal, daß sie die Sprache» nicht gelernt haben, und dann, daß die Sprachen, hätten sie dieselben gelernt, ihnen doch nichts genützt hätten. Die aufgewandte Zeit und Mühe hätte viel besser verwertet werden können mit dem Studium der lebenden Sprachen, Naturwissenschaft, Geographie, Spielen» Turnen, Handarbeit u. s. w.
Zur Kartoffeldüngung.
Es ist ein nicht unbedenkliches Beginnen, ohne Kenntnis der Beschaffenheit des Bodens, seine« Kulturzustandes u. s. w. Ratschläge bezüglich der Düngung der Kartoffeln zu erteilen. Jedenfalls kann es sich nur um eine allgemeine Erörterung handeln, die ihren Ausgangspunkt in der Frage findet: was entzieht eine hohe Kartoffelernte dem Boden? Denn aus eine solche reflektiert doch schließlich jeder, der Kartoffeln anbaut.
Betrachten wir 25000 KZ als einen zufriedenstellenden Ertrag pro da. so brauchen wir nur die W o lfs'schen Tabellen zur Hand zu nehmen, um durch ein einfaches Rechenexempel festzustellen, daß eine Kartoffelernte in der angegebenen Höbe dem Boden entzieht; 109 lrx Stickstoff, 166 lrg Kali und 48 Lg Phospborsäure.
Mit diesen Zahlen ausgerüstet wird es jedem Landwirt unschwer gelingen, für seinen Boden die richtige Düngung ausfindig zu machen. Allgemein zu beachten bleibt noch der Punkt, daß die Kartoffel fast bis zu Ende ihrer Vegetationszeit sortwächrend Nährstoffe aus dem Boden anfnimmt, weshalb sie bekanntlich eine Stallmistdüngung, die nach und nach sich zersetzt, gut lohnt. Leider sieht sich der Landwirt meist außer Stande, seine sämtlichen Kartoffelfelder mit Stallmist zu düngen, da andere Gewächse, wie Rüben u. s. w. ebenfalls Anspruch an seine Stallmistoorräte machen. Aber selbst in den Fällen, wo Stallmist gebraucht wird, lohnt sich der Erfahrung nach immer noch die gleichzeitige Verwendung von künstlichen Düngemitteln.
Besonders günstig erweist sich für Kartoffeln die Düngung mit ausreichenden Mengen Phosphorsäure und Stickstoff. Ist «in Acker z. B. zu der Vorfrucht mit Stallmist gedüngt worden, so würden als geeignete Düngemittel Thomasmehl und sckwefelsaures Ammoniak, oder statt des letzteren auch Chilesalpeter zu bezeichnen sein. Eine Düngung mit 400 KZ Thomasmehl u. 200 LZ schwefelsauren Ammoniak bezw. 250 ÜK Chilesalpeter erscheint in solchen Fällen als ausreichend. Aber auch neben einer Stallmistdüngung wird sich die Anwendung der genannten Düngemittel, vielleicht um ein Drittel abgeschwächt, sehr gut rentieren.
Kalihaltige Düngemittel versprechen nur auf Sand- und Moorboden guten Erfolg; auf den an Kali meist reichen Thon- und Lehmboden ist ihre Wirkung recht unsicher. Wenn indeß dem Boden durch wiederholte Kartoffel- oder Rübencrnten erhebliche Kalimengen entzogen worden sind, so kann außer der Stickstoff- und Phosphorsäurezufuhr auch eine solche von Kali erforderlich sein.
Um die billigere Form. Kainit zu verwenden, ist die Herbstdiingung angezeigt. Auch Thomasmehl kann bereits im Herbste, aber auch noch im Frühjahre einige
Generals Blanco mit, wonach der Kapitän der „Maine" um die Erlaubnis bittet, das Wrack der „Maine" mit Dynamit in die Lust sprengen zu dürfen. Die Erlaubnis wurde verweigert.
* Madrid, 24. März. Der „Heraldo" will aus bester Quelle wissen, eine neue Verstärkung von 15 bis 20000 Mann werde in Bälde nach Cuba abgehen.
*New-Aork, 24. März. Die Regierung erfährt, daß die spanische Torpedoflottille die kanarischen Inseln verließ, um angeblich nach Portorico zu fahren. — Senator Thurston befürwortet im Senat wegen Kuba sofortige bewaffnete Intervention.
* Eine Privatmeldung aus Dac-es-Salaam meldet, daß die Nachricht, die Wahehe seien im Aufstand und hätten eine deutsche Expedition niedergemacht, sich leider teilweise bestätige. Nach der an der Küste eingelaufenen Meldung wurde im vergangenen Monat die Expedition eines deutschen Forstbeamten von den Wahehe plötzlich überfallen und niedergemacbt. Hierbei kamen neben dem Führer ein deutscher Lazaretgehilfe, ein Unteroffizier, sowie mehrere Askaris und Träger ums Leben. Dem Auswärtigen Amte (Kolonialabteilung) sind die Namen der Gefallenen noch nicht bekannt.
Latein «nd Griechisch.
Die Bestrebungen, den Unterricht in den höheren Schulen praktischer zu gestalten und an die Stelle des sogenannten klassischen Unterrichts, des Griechischen und Lateinischen, den Unterricht in den modernen Sprachen, in den Naturwissenschaften u. s. w. in den Vordergrund treten zu lassen, sind auch in Frankreich an der Tagesordnung. Neuerdings hat der Akademiker Jules Lemaitre das Wort zu dieser Frage ergriffen:
„Ich habe seit zwei Jahren überlegt und die jungen Leute meiner Bekanntschaft beobachtet; ich habe mich selbst geprüft, um zu erfahren, was ich dem Griechischen und dem Lateinischen verdanke, und ich bin zu der Ueberzeugung gekommen, daß der Unterricht in den toten Sprachen in der Form, wie er gegeben wird, neun Zehnteln der französischen Jugend, die ihn erhält, vollständig nutzlos ist. Dieser Unterricht wird heute noch gerade so erteilt wie vor Jahrhunderten. Alles Hot sich verändert: die Entdeckungen und Erfindungen der angewandten Wissenschaften haben die Lebensbedingungen der Einzelnen wie der Völker und das Antlitz der Erde selbst umgestaltet; die Herrschaft des Handels, der Industrie und des Geldes ist eingetreten und wir sind eine demokratische industrielle Gesellschaft, die sich mühevoll gegen die auswärtige Konkurrenz zu wehren hat. Aber die Kinder unseres Bürgertums und eines großen Teils unseres Volkes lernen 8—10 Jahre lang mittelmäßig noch dieselben Dinge, welche die Jesuitenväter ehemals sehr gut die Söhne des Adels und der sonstigen privilegierten Klassen gelehrt haben. Ist das nicht ein schrecklicher Anachronismus? Und ist der Glaube an den Nutzen einer solchen Erziehung nicht ein sonderbares Vorurteil? Ich habe Latein und Griechisch gelernt und alle vorgeschriebenen Examina gemacht; ich bin neun Jahre lang Professor gewesen und habe Hunderte von Reifeprüfungen abgenommen; ich bin also das, was man einen „Mandarin" nennt, und man wird mir
Ihr Geheimnis.
Roman aus dem Englischen der Lady G. Robertson.
(Fortsetzung.)
„Sie machen mich sehr glücklich," erwiderte er. „Es ist mir eine Ehre, Ihnen nahe stehen zu dürfen." Dann wandte er sich zu einem herantretenden Herrn und streckte ihm beide Hände entgegen. „Walter Gordon!" rief er erfreut aus.
Paul Barlow sah nicht, wie Leonie errötete, als der stattliche Mann zu ihnen kam, sonst hätte er bemerken müssen, daß derjenige, dessen Freundschaft ihm lange wert war, dem jungen Mädchen nicht gleichgiltig sei. Sie schleuderten alle drei zusammen weiter, die Herren in eifriger Unterhaltung und Leonie so in Gedanken versunken, daß sie aufschrak, als Paul Barlow sie anredete.
„Sie sind mir so freundlich entgegengekommen, Lady Charnleigh, daß ich eine Bitte wage."
Sie sah ihn strahlend an. „So viele Sie wollen, ich bin bereit, Ihnen jede zu erfüllen."
Sir Gordon hatte eine eifersüchtige Regung auf- wallen fühlen, als er vorhin Leonies eifrige Unterhaltung mit dem jungen interessanten Offizier sah, doch ihre volle Offenheit und Harmlosigkeit beschwichtigte dieselbe wieder. So war kein junges Mädchen gegen den Mann, den sie liebte! Wenn sie mit Paul Barlow sprach, glänzten ihre Augen voll Bewunderung, während er selbst selten einen Blick bekam. Aber wenn es einmal geschah, lag doch ein ganz anderer Ausdruck darin.
„Sehr liebe Freunde von mir kommen nächstens nach London." sagte Paul. „General Day und seine Tochter. Darf ich sie Ihnen vorstellen, Lady Charnleigh, und wollen Sie sich Miß Days etwas an- nehmen?"
„Ich werde mich besonders freuen, Ihre Freunde kennen zu lernen," erwiderte sie. „In welcher Weise kann ich Miß Day nützlich sein?"
„Sie ist noch sehr jung und, nach meinem Geschmack wenigstens, sehr hübsch. Ihre Mutter ist schon lange tot, und sie steht ganz allein, es wäre sehr freundüch, wenn Sie das junge Mädchen in Ihre Bekanntenkreise einführen und auch manchmal bei sich sehen wollten."
„Miß Day ist sehr schön?" fragte Leonie.
„Wenn man zur Sonne aufschaut, sieht man die Sterne nicht."
„Das ist nun wieder eine Schmeichelei und also gegen unsere Verabredung."
„Ist Miß Day noch jung?" warf Sir Gordon ein, er fand es hohe Zeit, sich in das Gespräch zu mischen; der harmlos freundschaftliche Verkehr zwischen den beiden konnte doch mit der Zeit wärmeren Regungen Raum geben.
„Sie wag etwa in Lady Charnleighs Alter sein." erwiderte Paul. „Ich glaube, sie wird Aufsehen machen in der Gesellschaft, und ich hoffe, daß sie Ihnen gefällt," wandte er sich an Leonie.
„Da- wird sie gewiß, da Sie so warm von ihr sprechen," sagte diese.
Lady Denham kam auf die kleine Gruppe zu und
führte Leonie neue Gäste zu, die ihre Bekanntschaft suchten.
8 .
Lady Leonie Charnleigh galt allgemein als die beneidenswerteste Dame der Londoner Gesellschaft. Sie hatte alles, was sie sich wünschen konnte — Jugend, Schönheit, Reichtum, keine Wolke zeigte sich an ihrem Lebenshimmel.
Aber innerlich stand Leonie Rayner, die arme Erzieherin, unendlich viel höher, als Leonie Charnleigh. Diese hatte ihr Herz vollständig an die Schätze und Ehren der Welt gehängt und alles andere darüber vergessen, während sie früher, als sie noch ganz verlassen im Leben stand, auch nach ernsteren Dingen im Leben trachtete. Ihr Glück war eine Feuerprobe für sie gewesen, aber sie war nicht ohne Schaden an ihrem inneren Menschen daraus hervorgegangen.
Eines Morgens saß das junge Mädchen in ihrem kühlen Wohnzimmer, die Vorhänge waren halb geschlossen, und der Duft von Rosen, die auf den Tischen herumstanden, erfüllte die Luft. Sie trug ein weißes spitzenbesetztes Morgenkleid mit hellblauen Schleifen, und es war ein reizendes Bild, als sie im Sessel lehnte und auf das Buch blickte, welches in ihrem Schoß lag. Aber sie las nicht. Vor ihrem Gesicht standen verschiedene Gestalten, Lord Falcon, Paul Barlow und Sir Walter Gordon, und sie dachte über die Beziehungen derselben zu ihr nach.
(Fortsetzung folgt.)