* (Verschiedenes.) In Aulendorf fuhr der mit Langholz beladene Wagen des Bauern T. von Schussenried bef dem dortigen gräflichen Bierkellec etwas abseits der Straße. Infolge des stark erweichten Bodens rutschte der Wagen und wurde die ziemlich hohe Böschung hmuntergeworfen. Die beiden Fuhrleute wollten denselben ohne Licht in der stark dunkeln Nacht aufrichten. Die Winde rutschte aus, den einen warf es in das Feld hinein, der andere kam unter den umgeworfenen Wagen, dabei wurde ihm der rechte Oberschenkel abgeschlagen, auch erhielt er noch innere Verletzungen, die den baldigen Tod nach sich ziehen werden. — In Ludwigsburg wurde in die Wohnung des Wirtschaftspächters Gehring zum schwarzen Rößle eingebrochen und aus einer Kommode circa 1000 Mark Bargeld und mehrere Taschenuhren gestohlen. — In Weinsberg wurde in einer Sitzung der bürgerlichen Kollegien die Errichtung einer Wasserleitung nach dem zu 104000 Mark veranschlagten Projekte des Baurats Kröber beschlossen. — In Dagersheim, OA. Böblingen, ist der Storch eingetroffen und hat sein altes Nest auf dem Kirchturm bezogen. — Ein unangenehmer Streich passierte einem Wirt in Röthenberg. Derselbe ließ am Fastnachtmontag im „Engel" zu Aichhalden einen Hundertmarkschein wechseln, gab aber, da zwei Scheine aneinander
- klebten, zwei für einen hin. Erst gestern merkte der Wirt sein Versehen, eilte spornstreichs nach Aichhalden und erhielt zu seiner großen Freude und Erleichterung von der ehrlichen Engelwirtin den verloren geglaubten Schein zurück.
* (Konkurse.) Karl Großmann, Holzhändlerin Höfen. — Karl Mümpfer, Konditor in Nürtingen. — Albert Heinrich Rauscher, Bauer von Wolsschlugen.
* Zwei mit Löten beschäftigte Flaschnergesellen in Konstanz, die alle Thüren und Fenster geschlossen hatten, wurden von den dem Ofen entströmenden Gasen betäubt. Man fand sie bewußtlos, konnte sie aber wieder ins Leben zurückrufen.
* Berlin, 2. März. Lieber hat, wie ein Telegramm des „Schw. M." meldet, zur Flottenvorlage einen neuen Antrag eingebracht, daß die Marineausgaben für die nächsten Etatsjahre in Höhe von 117 Millionen Mark jährlich aus Reichsmitteln, darüber hinaus aber durch Matrikularumlagen gedeckt werden sollen, sobald die aus den heutigen Steuern und Zöllen fließenden Einnahmen nicht ausreichen. Die Bundesstaaten, die eine allgemeine Einkommensteuer erheben, sollen statt der aufzubringenden Matrikularbeiträge einen Zuschlag zur Einkommensteuer von denjenigen Steuerpflichtigen, die ein Einkommen von 10 000 Mk. und mehr beziehen, für das Reich erheben, der in vier Stufen steigt.
* Berlin, 2. März. Die Budgetkommission nahm den Absatz 3 des ß 1 der Lieberschen Anträge in folgender Fassung an. Die Bereitstellung der Mittel für die zur Einrichtung des Sollbestandes erforderlichen Schiffsneubauten unterliegt der jährlichen Festsetzung durch den Etat mit der Maßgabe, daß die Fertigstellung des Sollbestandes soweit die in 8 8 dafür angegebenen Mittel ausreichen, bis zum Ablauf des Rechnungsjahres 1904 durchgeführt werden kann. Sodann wurde der ganze H 1 der Lieber-
Zyr Geheimnis.
Roman aus dem Englischen der Lady G. Robertson.
(Fortsetzung.)
„Es ist Wahrheit," war die ruhige Antwort.
„Aber Ihre Mutter war nur eine Erzieherin. Ihr Vater ein Mann ohne Vermögen."
„Ja, er hatte kein Vermögen, stammt aber trotzdem aus einer vornehmen Familie. Durch ihn bin ich jetzt Gräfin Charnleigh, Miß Templeton."
Diese würdige Dame war wohl in ihrem Leben noch nie so fassungslos gewesen. Sie konnte nur wiederholen: „Gräfin Charnleigh! Erklären Sie mir die Sache. Ich verstehe Sie nicht."
Und Leonie, halb empört, halb amüsiert, erzählte alles, was Mr. Clemens ihr mitgeteilt hatte. Als sie fertig war, kam Miß Templeton auf sie zu und umarmte sie.
„Mein teures Kind," sagte sie, „ich freue mich so unendlich für Sie! Ich bin beinahe fassungslos vor Entzücken. Gräfin Charnleigh! Es ist ein stolzer Titel, aber Sie werden allen Anforderungen Ihrer neuen Stellung gerecht werden. Ich habe immer gefunden. daß Sie etwas Distinguiertes, Aristokratisches in Ihrem Wesen hatten."
„Ich glaubte, Sie wären nie zufrieden mit meinem Benehmen gewesen," warf das junge Mädchen erstaunt ein.
Miß Templeton errötete, vielleicht das erste Mal in ihrem Leben.
„Man muß strenge sein, wenn man Erzieherin
schen Anträge angenommen. Die Kommission nahm ferner mit großer Mehrheit den von Lieber neu beantragten 8 8 an, welcher besagt, während der Rechnungsjahre 1898—1904 einschließlich ist der Reichstag nicht verpflichtet, für sämtliche einmalige Marineausgaben mehr als 471,200,000 Mk., und zwar für Schiffsbauten und Armierungen mehr als 410,300,000 Mk., für sonstige einmalige Ausgaben mehr als 60,900,000 Mk., für fortdauernde Marineausgaben mehr als eine durchschnittliche Steigerung von 4,200,000 Mk. jährlich bereitzustellen. Soweit hiernach das Gesetz bis zum Ablauf des Jahres 1904 nicht durchführbar ist, wird die Ausführung über das Jahr 1904 hinaus ver- schoben. Die Kommission nahm sodann den 8 2 der Lieber'schen Anträge in der Fassung au, welche besagt, die Bereitstellung der Mittel für die erforderlichen Ersatzbauten unterliegt der jährlichen Festsetzung durch den Etat. Die Ersatzfrist für die Linienschiffe und die Küstenpanzer ist 25 Jahre, für große Kreuzer 20, für kleine Kreuzer 15 Jahre. Abweichungen bedürfen der Zustimmung des Reichstages.
* Wurzbach (Reuß), 2. März. Auf einem herrschaftlichen Schieferbruche wurden 9 Arbeiter verschüttet und sämtliche tot hervorgezogen.
* Kiel, 2. März. Auf einem Panzermotorboot der Torpedoinspektion explodierte der Benzmkessel. Das Schutzdach ging in Flammen auf. Die Besatzung erhielt leichte Brandwunden.
* Köln, 2. März. Heute nachmittag stürzte Hierselbst em großes Gebäude, das gesellschaftlichen Zwecken dienMMllte, in dessen gesamtem Innern man mit RenovierrMM^iten beschäftigt war, ein. Eine Person blieb tot, vier wurden schwer verletzt herausbefördert' und in hoffnungslosem Zustande dem Hospital überliefert.
Ausländische-.
* Paris, 2. März. Der „Jour", dessen Informationen mit Vorsicht aufzunehmen sind, melvet: In einem Hause des Boulevard Haußmann wurde vormittags plötzlich ein Fenster eingeschlagen. Eine junge, kaum bekleidete Frau lehnte sich heraus und rief um Hilfe. Schutzleute stürzten in das Haus und drangen in die Wohnung, aus der dis Hilferufe kamen. Sie fanden die junge Frau, dis ihnen zurief: „Führt mich fort, sonst wird er mich töten!" Die Schutzleute hüllten die junge Frau in Decken und führten sie in einem Wagen zu einem Polizeikommissar, der sofort Erhebungen anstellte. In der Wohnung des Boulevard Haußmann lebte seit einem Jahre der junge Graf Noailles, Sohn des französischen Botschafters in Berlin, Marquis Noailles, mit einer jungen Frau, die er aus Deutschland mitgebracht hat und die aus einer ausgezeichneten Familie stammen soll. Graf Noailles, der die junge Frau zuerst sehr sanft behandelte, wurde plötzlich brutal, schlug sie aus den nichtigsten Anlässen, verbot ihr schließlich, die Wohnung zu verlassen, ja auch nur die Schwelle des Schlafzimmers zu überschreiten. So blieb sie fast ein Jahr gefangen, bis sie sich heute entschloß, auf die Straße hinaus um Hilfe rufen. Graf Noailles soll nicht im Vollbesitz seiner geistigen Fähigkeiten sein.
* Konstantinopel, 1. März. Der russische Admiral Skrydlow ist auf dem Wege nach Kreta hier
der Jugend ist," sagte sie, „sonst bildet man die Charaktere nicht aus . . . Mein liebes Kind, wieviel Anleitung und Rat werden Sie nötig haben, um sich in Ihre neue Stellung einzuleben! Welche Verantwortung wird auf Ihnen ruhen!"
„Das ist auch die Ansicht von Mr. Clemens. Er will morgen Herkommen, um das weitere mit Ihnen zu besprechen, denn ich bin zu jung, um den großen Besitz selbst zu verwalten. Gestern noch fühlte ich mich zu alt, so lebensmüde, und heute frisch und flügge, wie der Vogel in der Luft."
Miß Templeton sah ihre Schülerin erstaunt an. So viel hatte dieselbe noch nie über ihre eigenen Gefühle gesprochen.
„Das ist ganz natürlich, Lady Charnleigh," sagte sie — „ich werde Sie gleich mit ihrem neuen Titel nennen, damit Sie sich daran gewöhnen. Sie müssen natürlich eine ältere, erfahrene Dame zu sich nehmen; allein können Sie nicht leben."
In dem Augenblick trat Susanna ein. Sie warf Leonie einen triumphierenden Blick zu, der Miß Templeton nicht entging.
„Susanna," sagte diese, „ich wünsche, daß Sie Miß Rayner nicht wieder belästigen. Der Salon steht jederzeit zu ihrer Verfügung. Das merken Sie sich."
Das Mädchen verließ das Zimmer voll Zorn und begriff nicht, was ihre Herrin veranlaßte, eine Gouvernante plötzlich so höflich zu behandeln.
Für Leonie war es der erste Vorgeschmack, welche Macht ihr gegeben war. und nie vergaß sie auch in späteren Jahren, als alles ihr huldigte, das Gefühl,
eingetroff.n. Ec reist morgen als Ueberbringer eigenhändiger Briefe und Geschenke des Zarenpaares an die griechische Königsfamilie zuerst nach Athen und von dort nach Kreta, wo er den Oberbefehl über die in den kretischen Gewässern befindlichen russischen Kriegsschiffe übernimmt.
* Konstantinopel, 3. März. Die Zahl der nach Makedonien abgehenden Truppen wurde abermals erhöht. In türkischen Kreisen schreibt man Bulgarien eine feindselige Haltung zu.
* Athen, 1. März. Der Mitschuldige Karditzi'- ist ein Erzarbeiter aus dem nördlichen Macedonien Namens Johann Giorgis oder Kyriakos. Er steht in gleichem Alter wie Karditzi und scheint auf dessen Anregung gehandelt zu haben. Karditzi gegenübergestellt, gestand Giorgis, am Attentate teilgenommen zu haben und durch Karditzi gleichsam hypnotisiert zu sein. Derselbe habe ihm vorgestellt, daß sie ein Werk, welches großen Mut erheische, auszusühren im Begriffe seien, das sie Beide berühmt machen werde. Im letzten Augenblicke sei er jedoch schwach geworden und habe die Pferde nicht treffen können, wodurch das Attentat vereitelt worden sei. Die Polizei hat die Spur von dem Reste der Baude gefunden.
* Athen, 1. März. Der MitschuldigeKarditzi's, ein mazedonischer Arbeiter Namens Georgii, wurde verhaftet.
* Athen, 2. März. Eine offiziöse Mitteilung der Regierung besagt, daß Frankreich, England und Rußland die von ihnen zu leistende Garantie auf fünf Millionen Pf. St. der neuen Anleihe, deren Zinsfuß 3V» Prozent ist, ausdehnen.
* Kanea (Kreta). 2. März. Heute begann vor dem europäischen Militärgericht die Verhandlung gegen zwei Türken, die des Mordes angeklagt sind. (Die Sache ist deshalb von besonderer Bedeutung, weil die Türken die Competenz des europäischen Militärgerichts bestreiten.)
* Kanea (Kreta), 2. März. Die Aufständischen gaben Gewehrschüsse auf ein türkisches Kaik ab. das sich auf der Fahrt von Spinalonga nach Kandis befand. Ein anderes Kaik mit vier türkischen Artilleristen und zwei Matrosen, das die gleiche Fahrt machte, ist verschwunden. Oberst Chermside sandte ein Boot ab, um Nachforschungen nach dem Kaik anzustellen; indessen wurde nichts entdeckt. Man glaubt, daß das Kaik von kretischen Kaiks genommen worden ist.
2 Bombay. Die englische Krankenpflegerin Dongall ist gleichfalls an der Pest gestorben. Sie hat sich die Krankheit unter eigentümlichen Umständen zugezogen. Ein Pestkranker bekam einen Hustenanfall, als sich die Wärterin über ihn beugte. Etwas Schleim geriet in ihr Auge. Alsbald äußerte sich die Ansteckung.
* Aus Peking erhält das Berl. Tagblatt folgende Meldung des Reisenden Wolfs: Es ist durchaus notwendig, daß so bald wie möglich kompetente deutsche Bergingenieure nach der Provinz Shantung abgehen und die dortigen Gebirgsstöcke regelrecht auf Minenschätze untersuchen.
Handel und Verkehr.
-n. Nagold, 4. März. Der gestrige Viehmarkt war ziemlich stark befahren mit allen Biehgattungen. Weil aber wenig Händler am Platze waren, ging der Handel m Fettvieh flau; mehr Schläge zu seitherigen
welches sie gehabt hatte, als dies einfache Mädchen vor ihr gedemütigt wurde.
Von diesem Abend an war sie Miß Templeton« hochgeehrter Gast. Sie durfte, so lange sie wollte, im Garten dem Gesang der Nachtigal lauschen. Das beste Fremdenzimmer wurde für sie mit Sorgfalt eingerichtet. Jeder kam ihr mit Höflichkeit und Achtung entgegen.
„Und alles nur, weil ich Geld habe," sagte dajunge Mädchen zu sich. „Ist es vielleicht eine solch große Macht? Wenn ich einem Menschen das Leben gerettet oder sonst eine gute Thal vollbracht hätte, —- würde man mich so ehren? O nein ! Und doch habe ich mein Leben lang geglaubt, daß Ehrenhaftigkeit, Tugend, Verstand und Religiosität über dem Reichtum stehen. Sollte ich mich getäuscht haben?"
Ihre bessere Natur sträubte sich, das zu glauben, was sie doch wahrnahm.
„Ich will noch nicht urteilen," dachte sie. „Miß Templeton ist nur eine von vielen in der weiten Welt. Wo so viel Größen der Geschichte und der Litteratur gelebt haben und gestorben sind, kann das Geld nicht den ersten Platz einnehmen."
Zum ersten Mal in ihrem Leben fand Leonie keinen Schlaf. Ihre Erregung war zu groß, und goldene Zukunftsbilder traten vor ihre Seele.
Gegen Mittag des folgenden Tages kam Mr. Clemens, er versicherte von neuem, daß auch nicht der geringste Zweifel vorhanden sei, ihre Rechte wären anerkannt, und sie könnte jederzeit ihren Besitz antreten.
„Meinen Sie wirklich, daß meine liebe Freundin bald nach Lighton Hall übersiedeln kann?" (Forts, f.)