Jahr Zuchthaus, 4 Jahr Ehrverlust und 300 Mark Geldstrafe verurteilt, Frau Girth freigesprochen.

* Der Freispruch des wegen des Bohwinkler Bahnunglücks angeklagten Assistenten Zimmack wirft auf die preußische Eisenbahnverwaltung ein schlimmes Licht. Es wurde erwiesen, daß die Bahnhofseinrichtungen mangelhaft waren; es fehlte an isolierten Signal­leitungen, sodaß sich der Strom bisweilen auf der falschen Leitung fortpflanzte und Signale sich bisweilen schon allein lösten. Ein Weichensteller erklärte, daß er die Signale zur Aussahrt richtig erhalten habe. Doch habe das Läutewerk seit drei Jahren nicht richtig funktioniert; oft habe es die Signale gar nicht ge­geben, zuweilen habe es dagegen 5 Mal hintereinander ohne Grund angeschlagen. Manchmal endlich habe es auch fortwährend geschellt. Erst in jüngster Zeit sei das Läutewerk durch ein neues ersetzt worden.

* Kiel, 21. Febr. Das Reichsmarineamt hat einen Frachtzuschlag mit dem Norddeutschen Lloyd und der Hamburg-Amerika-Linie für Kiao-Tschau mit 10 Mark für 1 Cbm. oder 1000 Kg. vereinbart. Die Güter gehen zu den bekannten Frachtsätzen zuerst nach Schangai und werden dort für Kiao-Tschau um- geladen.

Ausländisches.

* Wien, 22. Febr. Die seit einigen Tagen statt­findenden Ausschreitungen gegen die Deutschen in Lai­bach richten sich auch gegen die Offiziere, welche sich im deutschen Kasino befanden. Gegen die Spiegel­scheiben desselben flogen Steine über die Köpfe der Wachleute hinweg, die die Straße vor den slowenischen Exzedenten freizuhalten hatten. Gestern nacht wurden deutsche Häuser mit Tinte besudelt.

* Rom, 21. Febr. lieber 30 Advokaten, die sich gestern versammelt hatten, schickten ein Sympatie- Telegramm an Labori, den Verteidiger Zolas.

* Udine, 20. Febr. Heute früh 5 Uhr 55 Min. erfolgte ein heftiges Erdbeben. Besonders stark wurde es in Cividale des Friuli verspürt, wo mehrere Häuser leicht beschädigt wurden.

* Bern, 19. Febr. Infolge eines über Nacht eingetretenen heftigen Schneefalles sind in der ganzen Ostschweiz viele Verkehrsstörungen eingetreten, nament­lich in Graubündten und Glarus. Mehrere Züge sind stecken geblieben. In Nieder-Urnen wurde enr Mann mit seinem Sohne eingeschneit. Als die Verunglückten aufgefunden wurden, war der Knabe tot, der Vater schwer verwundet. In Zürich sind sämtliche Telephon- Verbindungen nach auswärts, mit Ausnahme von Winter­thur unterbrochen.

sj Aus Paris: Es ist aufgefallen, daß der neu ernannte russische Botschafter in Paris, Urussow, bei Ueberreichung seines Beglaubigungsschreibens dem Präsidenten Faure erklärte, daß ihm Befehle des Kaisers von Rußland vorschrieben, seine ganze Wach­samkeit anzuwenden zur Aufrechterhaltung der aus­gezeichneten Beziehungen, die zwischen Frankreich und Rußland beständen. Der AusdruckWachsamkeit" ist merkwürdig und findet verschiedene Deutung; es scheint als besorge man in Rußland, es könnten Machen­schaften angezettelt werden, die auf eine Trübung des französisch-russischen Verhältnisses abzielten. Unwill­kürlich denkt man dabei an die mancherlei Zeitungs­

meldungen, welche den verurteilten Kapitän Dreyfus als einen Spion im russischen Interesse bezeichnet hatten.

* Paris, 19. Febr. DerTemps" bringt einen ungewöhnlich scharfen Artikel über das Auftreten des Generals Boisdeffre. Niemals, sagt er, sei die Ver­mischung der Gewalten so groß gewesen; niemand sei mehr an seinem Platze noch in seiner Rolle, weder diejenigen, welche die Degen tragen, noch diejenigen, welche die Toga tragen, noch endlich die Geschworenen. Der Prozeß, der sich gegenwärtig vor dem Schwur­gericht abspiele, sei nicht mehr eine gerichtliche, sondern eine politische Affaire. Es sei durchaus ungewöhnlich, daß der Chef des Generalstabs vor zwölf Geschworenen die Vertrauensfrage stelle. Die Chefs der Armee seien doch nicht vor den Geschworenen verantwortlich. Diese zwölf Bürger seien doch nicht ausgewählt, um über den Kopf der Regierung hinweg sich über die Leitung und die Organisation der Armee auszusprechen. Man begreife, daß die Verteidiger Zola's, nachdem den Geschworenen die Frage über die Aufrechterhaltung oder die Demission der Chefs der Armee vorgelegt und ihnen dadurch jede Freiheit genommen worden, daran gedacht haben, ihre Mission als beendet und den Prozeß als geschlossen anzusehen. Wenn der Generalstabschef, der nicht einmal vor der Kammer erscheinen darf, vor den Geschworenen in Person einen Urteilsspruch verlangen dürfte, so wäre dies die volle Anarchie.

* Paris, 20. Febr. Björnson schrieb an Zola: Meine Seele ist in Paris bei Zola im Schwurgericht. Auch dort wiegen Parteilichkeit, Vorurteile und eine ungeheure, ungesunde Eitelkeit vor, hingegen bleiben Mut und Liebe zum vollen Licht immer in der Minderheit und in der Verachtung. Frankreich hat viel verloren und verliert weiter."

* Zola hat im Laufe seines Prozesses über 2000 Zustimmungsdepeschen aus dem Auslande erhalten, darunter eine von Brüssel mit nicht weniger als, 17,000 Unterschriften.

* Brüssel, 22. Febr. Die Jndependance beige veröffentlicht neue Enthüllungen über die Vorgeschichte des Zolaprozcsses. Daraus geht hervor, daß der Ministerpräsident Meline und der Kriegsminister Billot die Verfolgung Zolas ablehnten und die Revision des Dreyfns-Prozesses nach denKammerwahlenvorzunehmeu beabsichtigten. Der Generalstabschef Boisdeffre setzte aber dem General Billot das Messer an die Kehle, indem er in einem besonderen Schreiben im Falle der Nichtversolgung Zolas die Demission des gesamten Gemralstabs androhte.

* Athen, 18. Febr. Der vielgenannte Lieutenant Kokorris, der in Betreff seiner Denunziation gegen den Commodore Sachtaris vom Kriegsgerichte freigesprocheu war, ist nun wegen Beleidigung seines unmittelbare« Vorgesetzten, des Commodore Zakas, zu einem Jahre Gefängnis verurteilt worden. Die Affaire hat sich bereits am 12. April v. I. abgespielt.

sj Zur kretensischen Gouverneurfrage wird ge­meldet. daß Rußland neuerdings wieder sehr ernst- hafte Forderungen an den Sultan richte, der Kandi­datur des Prinzen Georg zuzustimmen.

* London, 18. Febr. DieDaily Mail" er­

fährt, die englische Anleihe für China sei nunmehr endgiltig zu stände gekommen.

* New-Iork, 19. Febr. Präsident Mc Kinley lehnte da« Anerbieten der spanischen Regierung ab, gemeinschaftlich die Untersuchung über die Katastrophe auf dem KreuzerMaine" zu führen. Die Stimmung ist hier fortdauernd ruhig.

* New-Aork, 20. Febr. Die Garnisonen aller Seeplätze werden verstärkt; indessen geschieht dies, Regierungsangaben zufolge, nach einem längst ent­worfenen Plane.

* Washington, 18. Febr. In dem heute ab­gehaltenen Minlsterrate bildete der Untergang des PanzersMaine" den Hauptberatungsgegenstand. Der Präsident und das Kabinet sind der Ansicht, daß die Ursache des unheilvollen Ereignisses nur ein unglücklicher Zufall sei, jedoch wird der Präsident eine sehr eingehende Untersuchung veranstalten. Der Kongreß bewilligte 200000 Dollars, um die Leichen der bei demMaine"-Unfall Umgekommenen zu bergen, und den Versuch zur Hebung des Schiffes zu machen.

Handel und Berkehr.

* Seitin gen, 21. Febr. Bei dem am 19. ds. Mts. hier stattgefundenen Brennholzverkauf von der Gemeinde- und Kirchenpflege wurde erlöst: aus 4 Rm. buchenen Scheitern 3437 Mk., dito Prügel 3034 Mk., 4 Rm. tannenes Anbruchscheiterholz 2224 Mk., 100 Stück geschätzte ungebundene buchene Wellen galten 1216 Mk., dito tannenr 812 Mk.

Neueste Nachrichten.

* B erl i n., 22. Febr. Die Abendblätter melden: Da« Reichspostamt schloß mit dem Rheder Jebsen einen Vertrag ab betreffend den regelmäßigen 14tägigeu Postdampferdienst zwischen Shanghai und Kiaotschau. Die Fahrt dauert 36 Stunden, der Kajütepreis be­trägt Mk. 50, der Preis für das Zwischendeck Mk. 25. Die Dampfer fahren bis Tschifu und Taku weiter.

* Paris, 22. Febr. DieAurore" teilt mit, daß die Freunde Esterhazys in letzter Stunde ein infames Manöver versucht haben. Jeder der Ge­schworenen im Zola-Prozesse erhielt einen anonymen Brief, worin ihm 20,000 Francs zugesagt werden, falls er Zola freifpricht. Der Zweck dieses Manövers ist, die Geschworenen glauben zu machen, das famoseSyn­dikat" wolle sie bestechen. Auch will sich offenbar die Esterhazy-Presse die Möglichkeit sichern, im Falle eines Freispruchs die Geschworenen als gekauft hinzustellen.

Verantwortlicher Redakteur: W. Rieker, Altensteig.

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schäften bekannt, bald wird sie die ganze Welt kennen. Wenn wir ausländische Diplomaten auf die Zeugen­liste gesetzt hatten, so wollten wir damit nur andeuten, daß auch wir die Wahrheit kennen ! Aber wir können sie nicht dort holen gehen, wo sie ist, die Regierung jedoch, die gleich uns von der Unschuld Dreyfus'über­zeugt ist (heftiger Widerspruch im Publikum), kann, sobald sie will und ohne jede Gefahr Zeugen finden, die endlich Licht machen! Ich schwöre, daß Dreyfus unschuldig ist, ich setze mein Leben, meine Ehre in dieser feierlichen Stunde ein. Vor ganz Frankreich, nor der ganzen Welt schwöre ich, daß Dreyfus un­schuldig ist. Bei meinen vierzig Arbeitsjahren, bei der Autoritär, die diese Arbeit mir vielleicht gegeben Hai, schwöre ich, daß Dreyfus unschuldig ist. Möge mein ganzes Leben zusammenbrechen, mögen meine Werke zu Grunde gehen, wenn Dreyfus nicht unschuldig ist. Alles scheint gegen mich, alle Gewalten dieses Landes und seine öffentliche Meinung. Ich habe für mich nur die Idee und ich bin ruhig; ich werde siegen. Ich habe nicht gewollt, daß mem Land in Lüge und Un­gerechtigkeit verharre. Man kann mich hier strafen, aber eines Tages wird mir Frankreich danken, daß ich geholfen, seine Ehre zu reiten. (Widerspruch, große Bewegung.)

* Paris, 22. Febr. Das Plaidoyer Labori's, das alle Einzelheiten beleuchtete, erhob sich zu groß­artiger Wirkung. Nachdem er eine erschütternde Dar­stellung von der Degradation des Dreyfus gegeben und die Fabel von den angeblichen Geständnissen des Drey­fus vernichtet hat, schloß er mit den Worten:Mögen

Diejenigen, welche Dreyfus als Opfer der Wut des Volkes ausgeliefert haben, sich daran errinnern, daß kein Name so unvergänglich an den Pranger der Ge­schichte genagelt worden ist, wie derjenige des Pontius Pilatus !" Rauschender Beifall brach aus; hinten im Publikum erschollen Zischen und Protestrufe:Hoch die Armee! Nieder mit den Juden", während man vorn im Saale rief:Hoch Labori!" Der Erste, welcher Beifall klatschte, war James. Die hinter ihm sitzenden Offiziere sprangen wütend auf; ein junger Kavallerie-Lieutenant begann einen Wortwechsel mit dem Schwager des Dreyfus, Hadamard; er ließ dann einen Journalisten verhaften, derBravo, Labori" ge­rufen hatte, stieg auf eine Bank und schrie:Wir haben genug!" Die im Saal anwesenden Offiziers- Frauen riefen:Es lebe die Armee!" Der Saal entleerte sich unter großer Erregung. Die republi­kanische Garde bekam Befehl, das Publikum zur Räu­mung des Saales zu drängen. Ein Gardist packte den Senator Trarieux am Arm; dieser machte sich ent­rüstet los und rief:Ich verbiete Ihnen, Hand an mich zu legen! Ich bin Senator und bin unverletz­lich! Ich werde im Saale bleiben!" Die Szene rief große Aufregung hervor.

vermischtes.

* Ein 56 Jahre alter Kaufmann in Berlin war am Donnerstag wegen Unterschlagung von 400 Mark zu 9 Monaten Gefängnis und sofortiger Verhaftung verurteilt worden. Der Angeklagte hatte ein Gehaft von 6000 Mark bezogen, von einer Notlage konnte

somit keine Rede fein. Als die auf dem Wandelgange des Gerichtsgebäudes harrende Ehefrau des Angeklagten das Urteil erfuhr, brach sie ohnmächtig zusammen. Man brachte sie in eine leere Zelle und überließ sie der Pflege ihres Ehemannes, dem es auch nach längerer Zeit gelang, sie zum Bewußtsein zu bringen. Dann wurden die Kerichtsdiener Zeugen, wie die Gatten in überaus inniger Weise von einander Abschied nahmen. Sie flüsterten sich Worte zu, die für gegenseitige Trostes­worte gehalten wurden. Diese Worte haben aber einen andern Sinn gehabt. Die Frau begab sich auf dem kürzesten Wege nach der Bellevuebrücke und stürzte sich in die Spree. Ihr Ehemann hat sich zu gleicher Zeit im Gefängnis erhängt.

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* Ein entsetzlicher Doppelmord ist am Sonntag abend in Straßburg verübt worden. Der 27 Jahre alte Federreiniger Hieronymus Jung, ein schon mehrfach bestrafter Mensch, tötete seine frühere Ge­liebte, die 22jährige Matratzenmacherin Marie Wecker und ihre Mutter, Franziska Truntz, in ihrer Wohnung, indem er mittelst eines Dolches, den er unter dem Mantel trug, der Mutter zwei, der Tochter elf Stiche in den Rücken versetzte. Die beiden Frauen sanken blutüberströmt zusammen und blieben auf der Stelle tot. Der Motiv der Tbat war C ' '

M_Lessfrucht.M

Wer Schuld und Thräneu mild vergiebl,

Und Thränen hat bei Menschmklagen,

Rur wer dir Menschen herzlich liebt,

Sollt' über sie z» lachen wagen.