AuSländisch-S.
* -Wien, 16. Januar. Vor dem Rathause demonstrierten mittags 6000 Arbeiter durch Pfuirufe auf Lueger, nachdem die Volkshalle zur Abhaltung einer Versammlung für die Erweiterung des Wahlrechts für den Landtag und den Gemeinderat nicht überlassen worden war.
* Prag, 16. Jan. Beim Corso auf dem „Graben" spielten sich heute mittag aufregende Szenen ab. Deutschen Studenten wurden von einer großen Menge Czechen die Couleurkappen von den Köpfen gerissen und entwendet. Die Studenten selbst wurden mißhandelt. Nicht besser erging es einem Polizeibeamten in Civil, der einschritt. Auch er wurde mißhandelt. Mehrere Individuen sind verhaftet. Ein deutscher Student zog zum Schutze einen geladenen Revolver. Die Sicherheitswache zerstreute schließlich die Menge. Die Geschäfte auf dem Graben schlossen rasch die Läden.
* Im bevorstehenden Rachekriege Frankreichs gegen Deutschland sollte General Saussier der Heerführer sein. Er gilt als der tüchtigste Offizier der französischen Armee. Saussier ist aber eher 70 Jahre alt als Sieger über Deutschland geworden, und nun muß er abtreten. Eigentlich hätte er schon mit dem 65. Lebensjahr ausgedient gehabt, man ließ ihn jedoch, als den Tapfersten der Tapfern, im Dienst. Am 16. Januar wurde der Brave 70 Jahre alt und nun ist es gründlich mit ihm vorbei. Ein anderer wird gesucht werden müssen, von dem die grande Nation glaubt, daß er sie zu Sieg und Ruhm führen könne.
* Paris, 17. Januar. Die Anarchisten brachen eine zum Vauxhall-Saale führende Thüre ein und drangen mit einer entfalteten roten Fahne in den Saal. Eine furchtbare Schlägerei entstand. Etwa 30 Verwundete wurden blutend aus dem Saale geschafft. Im Saale herrscht ein wüstes Geheul. Man schreit: Nieder mit den Juden! Es lebe die Anarchie! Es lebe die Commune! Die Anarchisten haben das Bureau erstürmt. Sobald Jemand reden will, wird er durch gellende Pfiffe übertönt. Zwei Stunden lang stritten die Antisemiten und Anarchisten unter ungeheurem Lärm um den Vorrang in der Versammlung. Auf die Rufe der Antisemiten: Nieder mit Zola! antworteten die Anarchisten mit Rufen: Nieder mit Roche- fort! Man hieb mit Fäusten, Stöcken und Stühlen auseinander los. Schließlich blieben die Anarchisten Sieger. Hierauf begann der Auszug aus dem Saale. Die Polizei ließ immer nur kleine Truppen passieren. Dadurch wurde jede große Straßenmanisestation vereitelt.
* Paris, 17. Jan. Die Place de la Räpublicque, in deren Nähe „Vauxhall" liegt, wo abends das antisemitische Meeting stattfindet, ist von der Polizei und Garde zu Pferde und Fuß besetzt. In der Kaserne, die auf dem Place de la Rspublique steht, ist das Militär konsigniert. Die ganze Polzei, unter dem Befehl des Präfekten, ist aufgeboten. Abends zog ein johlender Pöbelhaufen über die Boulevards und trug einen Strohmann mit eingedrücktem Cylinder. Auf der Brust des Strohmannes war der Name Matthias Dreyfus' eingeschrieben. Der Vauxhall-Saal ist von etwa 5000 Personen dichtgefüllt. Man sieht unter den Versammelten zahlreiche Geistliche. Die Versamm
Rache war für sie gekommen. Sie hatte Konrad nur ein einziges Mal mit Rosina beisammen gesehen und dennoch eine Entdeckung gemacht, die für die Beteiligten selbst ein Geheimnis war — der Professor liebte Rosina.
„Frau Ballung hat an Ihnen einen lebhaften Verteidiger gefunden," sprach sie mit unverkennbarem Hohne, „nehmen Sie sich in acht, Herr Professor, Ihre Be- Wunderung ist zu warm, um nicht vermuten zu lassen, daß Ihr Herz dabei beteiligt ist."
„Frau Baronin," sagte Konrad entrüstet.
„Still doch mein Herr; nicht diesen tragischen Ton; mich werden Sie dadurch nicht bethören — ich besitze mehr Scharfblick, als Sie zu glauben scheinen — Sie lieben Frau Ballung, das ist i ine unumstößliche Thatsache - protestieren Sie nicht, je mehr Sie sich sträuben desto mehr bestätigen Sie meine Aussage."
„Ich bin Ihnen sehr verbunden für das Interesse, welches Sie an meinen Herzensangelegenheiten nehmen," sagte Konrad, sich mühsam zur Ruhe zwingend, „allein Sie befinden sich in einem schweren Irrtum —" er verstummte. An sein Ohr waren deutlich die Worte gedrungen: „Es brennt im Herrenhause."
Auch di- Baronin hatte diese Worte vernommen; sie erhob sich rasch und trat zu den Sprechenden. „Habe rch recht gebärt?"
„Das Herrenhaus soll in Hellen Flammen stehen," lautete die Antwort; „ein Bote vom Llndenhose, welcher Herrn Volk-nann sucht, hat die Nachricht gebracht."
Die Baronin sah zur Seite; der Professor war verschwunden. „Dacht ich's doch!" murmelte sie spöttisch vor sich hin.
lung lärmt und ruft: „Nieder mit den Juden!" Eine Gruppe zieht mit einem tricoloren Banner in den Saal. Das Publikum auf der Straße ist sehr unruhig. Die Polizei macht mehrere Vorstöße.
* Paris, 17. Jan. (Kammer.) Cavaignac bringt eine Interpellation ein, die Aufklärung von der Regierung verlangt, warum sie nicht den Bericht veröffentliche, den der Hauptmann Lebrun-Renaul, der Dreyfus zur Degradation eskortierte, über Geständnisse, die ihm Dreyfus bei dieser Gelegenheit gemacht haben soll, an den Kriegsminister abgestattet habe. Der klerikale Beauregard bringt gleichzeitig eine Interpellation über die Maßnahmen ein, die die Regierung gegen das „Dreyfus-Syndikat" ergreifen will. Der Kabinetschef Meline verlangt Vertagung der Interpellation. (Widerspruch links.) Das Budget sei wichtiger für das Land als die Affaire Dreyfus. (Beifall im Centrum, Lärm links.) Wenn man die Erregung beenden wolle, so möge man doch nicht fortwährend neue Parlamentäre Zwischenfälle Hervorrufen. Die Affaire Dreyfus hat übrigens ihren Charakter verändert. Man sucht heute die Politik hineinznmischen, die nicht hinein gehört. (Großer Beifall.) Die Regierung wird sich niemals dazu hergeben, einer Art neuer boulangistischer Agitation in die Hände zu arbeiten. (Großer Beifall im Centrum.) Die Regierung hat bisher stets die Politik des Friedens, der Beruhigung gemacht. (Lärm links.) Die Kammer möge sich hüten, die Resultate dieser Politik zu ge-! fährden. Die Regierung wird stets die Ehre der Armee und die Autorität des ergangenen Urteils verteidigen. Wenn andere eine bessere Politik machen wollen, ist die Regierung bereit, ihnen den Platz abzutreten. Die Kammer wird darüber entscheiden. (Beifall im Centrum.) Cavaignac besteht auf der sofortigen Diskussion und spricht sein Erstaunen aus, daß dieser Diskussion, wo von der Ehre der Armee die Rede ist, der Kciegsminister, der allein zum Reden verpflichtet sei, Schweigen bewahrt. Lavertujon beantragt Vertagung der Interpellation Cavaignacs auf einen Monat. Wird abgelehnt mit 277 gegen 219 Stimmen. Perier-Larsau beantragt, die Interpellation nach Erledigung derjenigen Interpellationen zu diskutieren, die bereits aus der Tagesordnung der Samstagfitzungen standen. Meline acceptiert den Antrag Perier. Er erklärt, wenn die Kammer die sofortige Diskussion anordnete, würde das Ministerium demissionieren. (Große Bewegung, die während der Abstimmung anhält.) Der Antrag Perier wird mit 310 gegen 152 Stimmen angenommen.
* Konstantinopel, 16. Jan. Aus besonderer Quelle erfahre ich, der Botschafter Sinoview habe dem Sultan in einer speziellen Audienz, die er Freitag hatte, erklärt, daß ihm prompte Instruktionen seiner Regierung zugegangen seien, ausschließlich die Kandidatur des Prinzen Georg als Gourverneur von Kreta zuzulassen. Das russische Kabinett wolle des Sultans Lage erleichtern und glaube, ihm anraten zu sollen, diese Kandidatur den Mächten selbst zu proponieren. Im Falle der Sultan es ablehne, auf den russischen Vorschlag einzugehen, betonte Sinoview, fei es wahrscheinlich, daß Rußland Griechenland unterstützen und sich Kretas annehmen werde. Der Sultan wurde von dieser Deklaration in hohem Maße überrascht. Er antwortete, er werde Sonntag eine Antwort erteilen.
In dem glänzenden Tanzsaale herrschten Bestürzung und Verwirrung; die meisten Gäste verließen sofort Schloß und Königsegg. Die Zurückgebliebenen unter- hielten sich leise flüsternd von dem Unglück, das Herrn Ballung betroffen. Musik und Scherz waren verstummt, man sah jetzt nur betroffene Mienen und ernste Gesichter.
Konrad war nach den ersten Worten fortgestürzt, um so rasch als möglich nach dem Herrenhause zu eilen. Das in der Richtung des Balbingschen Besitzes hell erleuchtete Firmament bestätigte nur zu sehr die Unglücksbotschaft. Ohne sich weiter zu besinnen, eilte Konrad zu Fuß fort; da kam in Eile hinter ihm her ein Wagen.
„Herr Professor", rief plötzlich eine bekannte Stimme; „steigen Sie ein, ich fahre nach dem Herrcn- hause."
Der so sprach, war ein Gutspächter, dessen Bekanntschaft er bei Balbings gemacht hatte.
„Die arme Frau", sagte der gutmütige Mann, als Konrad neben ihm im Wagen saß.
„Der kranke, sieche Mann, und nun noch das Unglück! Frau Ballung ist sehr zu bedauern."
Konrad gab keine Antwort; die Reden der Baronin hatten einen wahren Gefühlssturm in ihm erregt. Er prüfte genau sein Inneres und konnte doch zu keinem Resultate kommen; liebte er Rosina oder liebte er sie nicht? Thorheit, Wahnsinn ein solcher Gedante! War Rosina, selbst wenn sie frei gewesen wäre, denn das Weib, wie es ihm stets als Ideal vorgeschwebt?
Die heiße Angst, die er jetzt für ihre Sicherheit fühlte, nahm er oloß für rege Teilnahme an dem
Bis scht Uhr «beud4 war eine solche bei der russischen Botschaft nicht eingetroffen.
* Prinz Heinrtch soll von Li-Hung-Tschang im Namen des Kaisers von China empfangen und nach Peking geleitet werden. Er ist der „Kreuzztg." zufolge der Ueberbringer eines Geschenkes des Kaisers an den Kaiser von China.
Handel «nd Berkehr.
* Möhringen, 16. Jan. Wie sehr Produktion und Absatz des Filderkrauts sich von Jahr zu Jahr steigern, zeigt die Thatsache. daß im verflossenen Herbste auf der Station Baihingen allein über 900 Waggons mit ca. 180000 Ztr. dieser Krautsorte zum Versand kamen, ungerechnet das auf den Stationen, der Neckarthalbahn und mit Fuhrwerk versandte Produkt. Auch einige Sauerkrautfabriken bemühen sich, dem Filder- kraut in eingemachtem Zustand das Absatzgebiet zu vergrößern. Der Ertrag pro Morgen beläuft sich bei stets guten Preisen auf 300 bis 400 Mk.
* Stuttgart, 17. Jan. (Landes-Produkteu-Börse.)
Bei Beginn der abgelaufenen Woche war die Lage am Getreideweltmarkt matt, ausgehend von Laplata, welches mit Offerten reichlich auftrat. Am Schluß der Woche haben sich die Preise wieder etwas gehoben. Der Konsum deckt nur den nötigsten Bedarf. Wir notieren per 100 Kilogr. frachtfrei Stuttgart je nach Qualität, und Lieferzeit : Weizen, württ. Mk. 20.25 bis 20.75, bayer. Mk. 21 bis 22, Ulka Mk. 21.50. bis 22.25, Saxonska Mk. 22 bis 22.50, Amerik. Mk. 22 bis 22.50, Kernen Oberländer Mk. 21.50 bis 22, Unterländer Mk. 21.50, Dinkel Mk. 13.60 bis 14.20, Roggen rufs. Mk. 16.25 bis 16.75, Gerste, württ. Mk. 19 bis 19.50, Pfälzer Mk. 21.25 bis 21.50, kaliforn. prima neu Mk. 21.50, Haber württ. Mk. 13 bis 14, prima Mk. 15.25 bis 15.75, russ. Mk. 16.25 bis 16.75, Mais Mixed prompte Lieferung Mk. 11.75, Februar März 11.25, weißer amerikanisch Mk. 11.50, Donau Mk. 12 bis 12.25. _
Neueste Rachrichte«.
* Stuttgart, IS. Jan. Reichstagsab- georvueter und Landgerichtsrat Frhr. Wilh. v. Gültliuge« ist heute verschieden. (Unsere Leser werden diese Nachricht mit tiefem Bedauern vernehmen.)
* London, 18. Jan. Der „Daily Telegraph" erfährt ans Wien, daß die Kandidatur des Prinzen Georg von Griechenland als Generalgouverneur für Kreta von England, Rußland und Frankreich unterstützt wird, während Oesterreich-Ungarn sich noch nicht entschieden hat und Deutschland dagegen ist.
* Prag, 18. Jan. In der heutigen Landtags- sitznng ereignete sich ein aufregender Zwischenfall. Während der Rede des Abg. Funke trat der Abg. Wolf in den Saal und teilte mit, daß ein deutscher Student blutig geschlagen worden sei. Sämtliche deutschen Abgeordneten sprangen von den Sitzen auf, begaben sich zu dem Präsidium und dem Statthalter und verlangten Genugthunng. Dem Statthalter wurde zugerufeu: Ec möge abdanken, er sei nicht fähig, die Verwaltung eines so wichtigen Landes zu führen! Der Oberstlaudmarschall unterbrach die Sitzung auf eine halbe Stunde.'
ÄerankwortUcher Redakteur: W. Riektr. Aitenfteig.
Geschicke der ganzen Familie, es war kein anderes Gefühl und durfte auch kein anderes sein.
Als sie beim Herrenhause ankamen, standen auch schon die Wirtschaftsgebäude in vollen Flammen; aus den benachbarten Ortschaften waren Leute zu Hilfe herbeigeeilt, die Löschmannschaften des Städtchens arbeiteten aus allen Kräften, — von der Balbingschen Familie war niemand zu sehen.
Konrad mischte sich unter die Helfenden, erfragte und forschte, bis er endlich von einem Diener erfuhr, daß Herr Balbing in den Garten gebracht worden sei.
Der Professor eilte dorthin. Zwischen einigen ^retteten Möbelstücken saß, einer Leiche ähnlich, Balbing in seinem Lehnstuhle, Tante Amanda stand jammernd neben Ihm, aber wo war sie, die er suchte, Rosina?"
Mit bebenden Lippen stammelte er die Frage.
Das Fräulein brach bei seinem Anblicke in einen Thränenstrvm aus. „Sie ist fort." sagte sie händeringend, „sie wollte retten ; o, bringen Sie uns zurück, senden Sre uns Hilfe, «inen Arzt, Balbing stirbt mir unter deu Händen — sein Krampf, da sehen Sie!"
Balbing versuchte es, sich mit wildrollenden Augen ewporzurichten, unartikulierte Laute entrangen sich seinen schmerzlich verzogenen Lippen, er bot einen schaudererregenden Anblick.
(Fortsetzung folgt.)
s * (Kindliche Furcht.) „Großpapa, werde ich auch j einmal Großpapa wie Du?" — „Gewiß mein Junge." ! — „Aber muß ich dann auch die Großmama heiraten?"