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VVr- ^ Eff rin gen, Mindersbach und Oberkollbach ist die Maul- und Klauenseuche aus- gebrocken.
^ Tie ne«e Zivil-Prozeßordnung,
deren Entwurf dem Reichstage vorliegt, zeichnet sich vor allem durch seine stark sozialpolitische Tendenz aus. Die Härte des bisherigen Schnldrechts wird erheblich abgeschwächt. Voraussichtlich wird es in den Beratungen des Reichstags nicht an Versuchen fehlen, die Vorschriften über die Zwangsvollstreckung noch weiter zu mildern, beispielsweise dadurch, daß man dem Richter die Befugnis gewährt, dem Schuldner in jeder Sache Fristen zur Bezahlung seiner Schuld einzuräumen.
Dem sozialpolitischen Gedanken verdankt auch die Einführung der Vortermine ihre Anerkennung, welche die Verfasser der Vorlage der österreichischen Zivilprozeß-Ordnung entlehnt haben. Der Vorsitzende einer Zivilkammer ist hierdurch berechtigt, vor der Verhandlung einen Termin anzuberaumen, zu demselben die beiden Parteien vorzuladen und in ihm den Versuch zu macken, die Streitsache in Gute zu erledigen. Es ist bemerkenswert, daß für diese Termine der Anwaltszwang nicht besteht, die Parteien können ohne Anwalt erscheinen; der Grundsatz des Anwaltszwangs im Verfahren vor den Kollegial-Gerichten wird hiermit zum ersten Male durchbrochen, ein bedeutsamer Vorgang, welcher von grundsätzlicher Wichtigkeit ist. Die Rechtsanwaltschaft dürste von dieser Neuerung nicht besonders erbaut sein, überhaupt kommt dieselbe in der Vorlage nicht gut weg. wie auch die Regelung des Rechtskonsulentenwesens zeigt, die praktisch den Erfolg haben
würde, die Rechtsanwaltschaft herabzudrücken, was doch gewiß nicht im Interesse der Rechtspflege liegt.
In ausfälligem Widerspruch mit der Betonung der sozialen Tendenz steht der Vorschlag, daß die Entscheidung des Reichsgerichts nur in solchen Rechtssachen eingeholt werden kann, bei welchen der Wert des Streitobjektes zum mindesten 3000 Mk. beträgt. Hierdurch wird den minder bemittelten Volksklassen — von den unbemittelten gar nicht zu sprechen — die Anrufung des obersten Gerichtshofes unmöglich gemacht, die einheitliche Auslegung wichtiger Teile des Bürgerlichen Gesetzbuchs, z. B. des Abschnitts über den Arbeits- und Dienstvertrag fast vollständig dem Reichsgericht entzogen. Wenn auch die Notwendigkeit einer starken Entlastung des Reichsgerichts vorbehaltlos zugegeben werden muß. so wäre doch die Abhilfe auf anderem Wege zu suchen.
Beifällig zu begrüßen sind die Aenderungen bezüglich des Verfahrens bis zu dem Erlaß eines Urteils, es dürfte mit Hilfe derselben wobl gelingen, die Verschleppung der Prozesse, über die nicht mit Unrecht seit Jahren lebhaft geklagt wird, zu verhindern oder doch wenigstens minder fühlbar zu machen, als dies bislang der Fall war. Auch das Zustell ungs- wesen ist vereinfacht worden, jedoch nicht in durchgreifender Weise, die Grundlagen desselben sind auch fernerhin diejenigen des heutigen Rechts, und es ist zu bedauern, daß die Novelle von der Zustellungsform durch eingeschriebenen Brief nicht den an sich möglichen Gebrauch gemacht hat. Was die Rechtskonsulenten betrifft, denen nach dem geltenden Recht die Erlaubnis, vor Gericht aufzutreten, jederzeit durch den Amtsrichter entzogen werden kann, so will die Vorlage die Unsicherheit der Stellung derselben dadurch beseitigen, daß sie eine förmliche Zulassung durch die Landesjustizverwaltung in Aussicht nimmt. Da die in erster Instanz thätigen Prozeßbevollmächtigten solche zweiter Instanz auswählen, so könnte hierdurch leicht
eine gewisse Abhängigkeit der Anwälte von den Rechtskonsulenten entstehen. An Orten, an welchen Rechtsanwälte in genügender Anzahl thätig sind, sollte Rechtskonsulenten das Auftreten bei den. Gerichten überhaupt untersagt werden, nur da kann dasselbe für zulässig erklärt werden, wo diese Voraussetzung nicht erfüllt ist. Hoffentlich zeigt man im Reichstage ausreichendes Verständnis für diese Frage, die, bei ungeschickter Behandlung, zu einer Entwickelung der Rechtsanwaltschaft führen kann, mit der man ganz gewiß nicht einverstanden sein würde.
SarrdeSnachrlchten.
* Calw, 5. Januar. Die 16jährige Dienstmagd Marie Lutz von Beinberg, OA. Neuenbürg, wurde in das hiesige Amtsgerichtsgefüngnis eingeliefert, weil sie eine Opferbüchse in Liebenzell weggenommen und erbrochen hat. Die Thäterin machte sich dadurch verdächtig, daß sie verschiedene Einkäufe, wie Wurstwaren und einen Ring mit lauter Kupfermünzen zu bezahlen versuchte.
* Stuttgart, 6. Jan. (Landesversammlung der württ. Volkspartei.) Die altem Herkommen zufolge heute am Erscheinungsfeste abgehaltene demokratische Landes-Versammlung war aus allen Landesteilen zahlreich besucht. Zum Vorsitzenden wurde Schwarz-Eßlingen gewählt. Gemeinderat Cleß- Stuttgart trug den Partei- und Kassenbericht vor. Er forderte besonders zur Bildung neuer Volksvereine auf (neuerdings ist ein solcher in Calmbach O.-A. Neuenbürg entstanden), namentlich auch wegen der Gemeindewahlen, „damit man die Lebenslänglichen in die Hand bekomme." In Böblingen habe die Volkspartei allerdings nicht so gesiegt, wie sie gewünscht hätte, aber sie habe doch erreicht, daß die deutsche Partei im ersten Wahlgang unterlegen sei. Nachdem der Redner der im vergangenen Jahre verstorbenen Parteifreunde gedacht, machte er Mitteilungen
DaS Gedenkjahr 1SS8
(Nachdruck verboten.)
Das Jahr 1898 ist das fünfzigste Gedenkjahr für die Ereigmffe des tollen Jahres !848, die einen Vergleich herausfordern für die Verhältnisse von damals und heute. Im Laufe dieses Frühjahrs wird aus die Zustände im Revolutionsjahr oft genug zurückgegriffen werden, es wird an Lobpreisungen, wie an Verurteilungen der Vorkommnisse von 1848 nicht fehlen, über welche die Anschauungen heute wohl mehr denn je auseinandergeben. Ein jeder ruhige und vorurteilsfreie Beobachter kommt aber doch zu einer Reibe von bestimmten Schlüffen, die durch den ganzen Verlauf jenes Jahres bestätigt werden.
Die Zustände in den deutschen Staaten ließen vor dem Ausbruch der Bewegung zweifellos manches zu wünschen übrig, es ward den Regierungen aber schwer, sich mit den Anforderungen einer neuen Zeit zu befreunden und so entstanden von vornherein ernste ! Mißhelligkeiten zwischen Regierenden und Regierten, die von den politischen Agitatoren, an welchen jene Zeit so überreich war, auf das kräftigste geschürt wurden. Aber es war ein Irrtum von den Leckern der damaligen Bewegung, anzunebmen, die ganze Bevölkerung werde sich ihnen anschließen,- das ist nicht geschehen und darum ist auch die heute noch von extremer Seite verfochtene Anschauung falsch, die Revolution von 1848 sei eine solche des ganzen deutschen Volkes gewesen. Den weiten Kreisen der Bevölkerung wurde die Sache, nachdem das erste Interesse für das Neue vorbei war, sehr gleichgiltig und diese Gleichgiltigkeit brachte die Revolution zu einem selbstverständlichen Ende.
Die Straßenkämpfe in mehreren Großstädten, der Bürgerkrieg, der damals in Südwestdeutschland ausbrach und andere Ereignisse stellen dies zweifellos klar. Außerhalb der Großstädte liefen in der Revolution beinahe mehr komische als ernste Episoden unter und
dyr Gedanke an eine deutsche Republik war den meisten Leuten einfach Heller Unsinn. Wenn die Führer der ganzen Bewegung mit großer Lebhaftigkeit von dieser Republik, als dem einzig erstrebenswerten Ideal sprachen, so drückten sie ihre Privat- onschauung aus, aber die Massen fehlten, die berufen waren, dies Ideal zu verwirklichen. In Baden, wo zum Schluffe die ganze Armee zu dem Revolutions- Comitee überging, hat man, wer weiß wie oft, die allgemeine Volksbewaffnung zur Verteidigung der Republik befohlen, aber die Wirkung blieb aus. Nach den Ereignissen der Märztage — die erste Erhebung, die sich ohne Blutvergießen obspielte, sah München und dann folgte das Drama von Berlin — schwamm die deutsche Bevölkerung wie in einem Traum, pnd eben darum konnte das Erwachen nicht ausbleiben.
Es will uns merkwürdig erscheinen, daß um Dinge, die uns als selbstverständlich erscheinen, so erbitterte Kämpfe ausgefochten werden konnten; aber wir müssen daran denken, was in unserer Zeit eine Spanne von 50 Jahren bedeutet. Und waren die Regierungen von Vorurteilen erfüllt, so verloren die Führer der Bewegung bald die ruhige Ueberlegnng. Sie haben, als sie den Sieg errungen zu haben glaubten, sich fast samt und sonders als politische Dilettanten, nicht als Staatsmänner gezeigt. Sie zerstörten statt auszubauen, sie ließen die Leidenschaften sprechen, statt der Sachlichkeit. Die Tollheit, welche sich der Revolutionäre bemächtigt hatte, zeigte sich besonders in der traurigen Szene im Berliner Schloßhofe beim Begräbnis der Märzgefallenen, wo dem Königtum eine schwere Schmach bereitet wurde. Sie ist auch später noch oft genug zu Tage getreten, und der deutsche Bürger wurde kläglich entnüchtert.
Kein Mensch kann heute, konnte schon wenige Jahre nach 1848 die tolle Erbitterung, den Haß begreifen, der sich damals gegen den Prinzen von
Preußen, nachmaligen Kaiser Wilhelm I. richtete. Der Prinz, der 1848 nach England flüchten mußte, war wenige Jahre später ein volkstümlicher Mann geworden, dessen Person die Hoffnung des Zustandes darstellte. Es war das Unglück für Deutschland, daß es damals nicht einen einzigen großen Staatsmann besaß, es wäre nie zn einer Revolution gekommen.
Und nach der Revolution wurde der Versuch gemacht, das deutsche Reich wieder herzustellen, in der Paulskirche zu Frankfurt am Main wählte das deutsche Parlament König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen, der ablehnte, zmn deutschen Kaiser. Der Versuch, aus dem vielfach so unreifen Wirrwarr jener Tage ein einiges Vaterland hervorzuzaubern, scheiterte, weil es nicht anders sein konnte. Hochpatriotische, ehrenwerte Männer haben damals große Hoffnungen gehegt, sie haben redlich gearbeitet, aber wie sagte Fürst Bismarck später als preußischer Ministerpräsident im Abgeordnetendause zu Berlin? „Nicht durch Reden und Beschlüsse werden die großen Fragen der Zeit gelöst, das war der Fehler von 1848, sondern durch Blut und Eisen!"
Wackere Männer haben 1848 für des deutschen Volkes Recht und Größe gearbeitet, — aber, wie es in solchen Sturm- und Drangzeiten immer zu ergehen pflegt, extravagante Köpfe rissen die Leitung der Bewegung an sich, Phrasen umschwirrten die aufgeregten Gemüter und von berechtigten Forderungen schritt man zu Thaten bitteren Unrechts. Und aus dem beiderseitigen Haß ging eine blutige Saat auf, die blutige Früchte des Zwistes trug, der die goldene Ernte der Eintracht fern blieb. Erst später ward uns diese zu Teil, 1870/71 errang Zielbewußtsein und Opfermut, was wirren Plänen und Gleichgiltigkeit von Tausenden versagt bleiben mußte. Darum wollen wir in dem Jahr 1848 vor allem stets ein Jahr ernster Lehre sehen.