Mau.

251. Amts- un- AnzeigebLatt für den O-eramts-yirk Calw. 86. Jahrgang.

Erscheinungstage: Montag, Dienstag, Mittwoch. Donnerstag. Freitag und Samstag. Jnsertionspreis 10 Pfg. pro Zeile sür Stadt u. Bezirksorte; außer Bezirk 12 Pfg.

Donnrrstag, den 26. Oktober 1911

Bezugspr.i.d.StadtVjjährl.m. Trägerl.Mk. 1.25. Postbezugspr. f.d.Orts-u.Nachbarortsverk. ^jährl. Mk. 1.20, im Fernverkehr Mk. 1.30. Bestellg. in Württ. 30 Pfg-, in Bayern u. Reich 42 Pfg.

Amtliche Bekanntmachungen.

Uockrovmrsammlungen.

In einzelnen Zeitungen wird mitgeteilt, daß die Versäumnis einer Kontrollversamm- lung nicht mehr mit Arrest bestraft wird, und daß der Kontrollpflichtige, der kurz vor einer Kontrollversammlung eine Uebung abgeleistet hat, von dem Besuch der Kontroll­versammlung befreit ist.

Beides trifft nicht zu. Die bisherigen Patzbestimmungen bleiben bestehen. Be­freiung von einer Kontrollversammlung kann nur durch das Vezirkskommando ver­fügt werden.

Stuttgart, den 21. Oktober 1911.

Generalkommando XIII. Armeekorps.

Tagesneuigkeiten.

Calw. (Postsache.) Vom 1. No­vember d. Js. an ist jedem Paket, ohne Aus­nahme, eine Paketadresse beizugeben.

Unterreichenbach 24. Okt. Der gestern hier abgehaltene Vieh- und Schweine-Markt zeigte einen Zutrieb von 67 Stück Groß- und Klein-Vieh, wovon die Hälfte aus allerdings größtem Teile schönem Händler-Vieh, bestand. Ein Be­weis, daß von überständigem, zu Notschlach­tungen zwingendem Stallvieh, keine Rede sein kann, also eine Futternot als, überwun­den anzusehen ist. Das zeigten" auch die festen hohen Preise für Einstell-, Nutz- und Zug-Vieh. An Schweinen waren bei- gefllgt: 4 Körbe, worunter ein Ausnahms- Wurf pro Paar 26 -K erzielte, andere gin­gen zu 20 und 18 -II rasch ab.

Herrenberg 25. Okt. (Unsiche­rer Schütze.) Bei einer Treibjagd am Samstag im Kuppinger Wald verletzte ein Jäger aus Stuttgart einen Treiber durch einen Schutz in die rechte Seite und einen Jagdgenossen an einem Futz.

Weil i. Sch. 25. Okt. (Früh ver­dorben.) Zwei Knaben im Alter von 8 und 10 Jahren drangen am Hellen Tage in die auf derDarre" gelegene Wohnung des Landwirts Singer ein und entwendeten aus einer Schatulle eine Uhr samt einem Mark­stück. Dem Landjäger gestanden die Buben nach hartnäckigem Leugnen die gemeinschaft­lich verübte Tat ein. Während der eine den ihm zugefallenen Teil der Beute, die Uhr, um 25 Pfennig verkaufte und dafür Pfeife und Rauchtabak einkaufte, hat der andere die Mark größtenteils verbraucht und den Rest im Stall unter der Krippe versteckt. Die Uhr, die inzwischen bis Böblingen gekommen war, wurde wieder beigebracht und der unter der Krippe versteckte Rest des Markstückes im Betrag von 40 Pfennig unter der Krippe hervorgeholt.

Untertürkheim 25. Okt. (Pa­tentstreit.) Die Daimler - Moto­ren - E e s e l l s ch a f t hat auf der Inter­nationalen Automobil-Ausstellung in Ber­lin unmittelbar vor Schluß dieser Ausstel­lung 15 Automobile der Lyoner Auto­mobilfabrik La Buire gerichtlich mit Beschlag belegen lassen, weil an den Wagen dieser Firma verschiedene Patente der Daimlerwerke kopiert waren. Der als Sachverständiger hinzugezogene Prof. Dr. Hartmann von der Technischen Hochschule in Charlottenburg hat, lautCannstatter Ztg.",

diese Angaben der Daimlergesellschaft bestä­tigt. Die Lyoner Gesellschaft hat die Ver­mittelung der französischen Botschaften in Berlin und die des Kaiserlichen Automobil­klubs angerufen. Es sollen auch Wagen der französischen Firmen Clement-Bayard und Mors bei den Beschlagnahmungen in Be­tracht kommen.

Bietigheim 25. Okt. (Zur kom­menden Landtagswahl.) Zu der Nachricht, daß der bisherige volksparteiliche Landtagsabgeordnete Schmid aus Groß­ingersheim aus Gesundheitsrücksichten nicht mehr als Kandidat auftritt, erfahren wir weiter, daß die Fortschrittliche Volkspartei den Gewerbelehrer Frank aus Heilbronn als Kandidaten aufstellen wird. Verhand­lungen sind bereits im Gang. Eine Reihe von Ortsgruppen des Bezirks hat dazu schon Stellung genommen und ist damit einver­standen.

Urach 25. Okt. (Rücktritt und Neuwahl.) Der Ortsvorsteher der Ge­meinde Mittelstadt, Schultheiß Röhm, tritt wegen vorgerückten Alters auf den 1. Dezem­ber d. Js. von seinem Amte zurück. Eine Neuwahl ist vom K. Oberamt auf den 2. De­zember anberaumt worden. Die bürger­lichen Kollegien Mittelstadts haben nun in ihrer gestrigen Sitzung beschlossen, die Orts­vorsteherstelle auszuschreiben und einem ge­prüften Fachmann 2300 -K Anfangsgehalt auszusetzen mit Aussicht auf spätere Aufbes­serung. Mit den verschiedenen Nebeneinkom­men und Nersehung des Verwaltungs- aktuariats wird sich der neue Ortsvorsteher der Gemeinde Mittelstadt auf nahezu 4000 -N Jahreseinkommen stellen.

Um die Heimat.

16) Roman von Bruno Wagener.

(Fortsetzung.)

Die Hauptsache ist, daß Du Dich schön gemacht hast," sagte er und sah sie bewun­dernd an. Und innerlich dachte er, wie lieb­lich sie doch wieder aussah in diesem Kleide, das sich so fest an ihre schlanken Hüften schloß und jeder ihrer Bewegungen folgte. Er sah an sich selbst herunter. Sein neuer schwarzer Rock saß recht unbequem und hinderte ihn im freien Gebrauch der Arme. Die Taille saß zu hoch, und auf der Vorderseite strammten sich einige Querfalten. Der alte Rock hatte wie angegossen gesessen; in diesem kam er sich ganz fremd vor.

Nun hatte man gefrühstückt und schickte sich zum Ausgehen an.

Also zuerst bei Onkel Senator", sagte Frau Eesine wichtig.Er hat die Gicht und ist deshalb nicht in der Kirche; und außer­dem ist er doch auch der Vornehmste in der Verwandtschaft."

Damit wurde das Brautpaar entlaßen. Karoline hing selig am Arme des stattlichen Mannes, der sich ein wenig zu ihr hinab­beugen mußte. Im stolzen Gefühle ihres Glückes schritt sie die Derminer Straße

hinauf zum Marktplatze, und verstohlen musterte sie jedes Fenster, ob man wohl auch nach ihr sah.

Nun am Marktplatz entlang, an der Hauptwache vorbei, die unter hohen Linden den Platz an der einen Seite begrenzt. Ein schmucker Jägerunterosfizier stand bei den in Reihen aufgestellten Büchsen. Karoline hatte ihn schon einmal getroffen, als er beim Feldwebel Besuch gemacht hatte, der über ihnen wohnte. Sie sah schon von weitem, wie er den Schnurrbart drehte, während er nach ihr hinllberschaute. Und jetzt grüßte er mit höflicher Verneigung, und Karoline fühlt, wie sie rot wurde. Glücklicherweise sah Johannes sie gerade nicht an.

Jetzt ging die Straße ein wenig bergab, und das Trottoir war sehr schmal, daß Jo­hannes auf dem holperigen Pflasterer neben ihr gehen mußte. Der Sanitätsrat kam ihnen entgegen. Man begrüßte sich, und der alte Herr klopfte demPrinzetzchen" wohl­wollend die Backen, während er mit Johan­nes kräftigen Händedruck tauschte.

Und nun kam ein Augenblick heimlichen Triumphes für Karoline. Sie sah am Par­terrefenster neben der Papierhandlung zur Rechten Gleichen Brandt stehen, ihre Schul­freundin, und in der Tanzstunde ihre einzige

ernsthafte Rivalin. Denn Gleichen Brandt hatte ein feines, pikantes Eesichtchen mit einem Stumpfnäschen, schönen braunen Augen und einem kleinen Kirschenmund. Die Primaner des Gymnasiums waren stets in zwei Parteien geteilt gewesen, von denen die eine bei Karoline Fensterpromenade machte, die andere einen starken Konsum an Schreibheften und Federn im Brandt- schen Laden hatte. Und da stand nun Glei­chen Brandt und sah die glückliche Braut vorübergehen.

Karoline nickte ihr zu, und Gleichen nickte wieder, und dabei kam es Karoline vor, als ob Gleichen Tränen in den Augen ge­habt hätte. Nein, so neidisch zu sein! Sie rümpfte ein wenig die Nase und ging vorbei. Das sah eigentlich gar nicht nach Gleichen aus. Karoline wunderte sich ein wenig. Die Freundin hatte ein gutes Herz, und sie mochte sie im Grunde genommen doch am liebsten.

Du, Johannes, zu Brandts gehen wir nachher auch noch vor," sagte Karoline nach­denklich, als sie weiterschritten. Und nun waren sie endlich beim Onkel Senator.

Im Windfang der Haustür mußten sie erst eine Weile warten, ehe auf ihr Klingeln geöffnet wurde.