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^ 250 . Amts- und AnzeigedLatt für den Oderawtsdyirk Calw. 86 . Jahrgang.

Erscheinungstage: Montag, Dienstag, Mittwoch, Donnerstag. Freitag und Samstag. Jnsertionspreis 10 Pfg. pro Zeile für Stadt u. Bezirksorte; außer Bezirk 12 Pfg.

Mittwoch, den 25. Oktober 1911.

Bezugspr. i. d. Stadt '/.jiihrl.m. Trägerl. Mk. i.SS. Postbezugspr. s.d. Orts-u.Nachbarortsverk. t'.jährl. Mi. 1.20. im Fernverkehr Mk. 1.30. Bestellg. in Württ. 30 Psg>, in Bagern u. Reich 4LPfg.

Amtliche Bekanntmachungen.

Lontrollversammlungen.

In einzelnen Zeitungen wird mitgeteilt, daß die Versäumnis einer Kontrollversamm- lung nicht mehr mit Arrest bestraft wird, und daß der Kontrollpflichtige, der kurz vor einer Kontrollversammlung eine Uebung abgeleistet hat, von dem Besuch der Kontroll­versammlung befreit ist.

Beides trifft nicht zu. Die bisherigen Patzbestimmungen bleiben bestehen. Be­freiung von einer Kontrollversammlung kann nur durch das Bezirkskommando ver­fügt werden.

Stuttgart, den 21. Oktober 1911.

Generalkommando XIII. Armeekorps.

Bekanntmachung,

betr. Sitz des K. Bezirksschulamts Nagold.

Der Sitz des K. Bezirksschulamts Nagold wird vom 1.14. November-noch in. Alten- steig-Dorf, vom 15. November an in Nagold sein.

Calw, den 25. Oktober 1911.

K. ev. Bezirksschulamt.

_S chmi d._

Bekanntmachung.

In Weil der Stadt ist die Maul- und Klauenseuche ausgebrochen.

Calw, den 24. Oktober 1911.

Kgl. Oberamt.

Amtmann Rippmann.

Tagesneuigkeiten.

Stammheim 21. Okt. Heute abend brachte derLiederkranz" dem Orts-

Um die Heimat.

15) Roman von Bruno Wagener.

(Fortsetzung.)

Johannes war zwar bis über die Ohren rot geworden, hatte aber die Zweckmäßigkeit der Anschaffung zugeben müssen; und da er mit seinem Hilfslehrergehalt nicht gerade auf Rosen gebettet war, auch eben erst die Ringe gekauft hatte, so hatte sich gegen den Vorschlag der Tante nichts einwenden las­sen. So war man denn zu dreien nach Lübeck gefahren. Während Johannes in den Basar ging, suchten Diestels ein Damen-Konfek- tionsgeschäft auf, und nachher traf man sich in Fredenhagens Keller, wo man sich den Luxus gestattete, zu drei Personen andert­halb Portionen von dem berühmten Filot L 1a Fredenhagen zu essen, um derentwillen Feinschmecker allein nach Lübeck reisen sollen.

Da noch Zeit übrig blieb, ging man noch in Miedereggers Konditorei in der Breiten Straße, wo es den köstlichen Marzipan gibt, der einen Weltruf genießt. Johannes dachte sich für den Anzug zu revanchieren und kaufte seiner Braut zum Verlobungsgeschenk eine Marzipantorte mit dem wohlgelunge­nen Bilde des Holstentores. Froh der glück­lich erledigten Besorgungen traf man eine Viertelstunde vor Abgang des letzten Abend­

vorsteher und seiner Frau nach der Rückkehr von der Hochzeitsreise ein gelungenes Ständchen, wofür die Gefeierten herzlich dankten.

Stammheim 21. Okt. Gestern abend versuchte ein Einbrecher sein Glück bei einer alleinstehenden Witwe. Er drückte eine Fensterscheibe ein, wurde aber dann an wei­terem durch hinzugekommene Leute gehin­dert und entwischte im Dunkel der Nacht durch die Gärten.

Oberhau gstett 22. Okt. Gestern wurde unsere mit großem Kostenaufwand renovierte Kirche eingeweiht. Das Bauwesen war durch das Weichen der Turm­fundamente veranlaßt. Im neuen Gewand steht die wohl aus dem Jahre 1000 stam­mende Kirche nun schön da. Ehre der Ge­meinde, die für ihr Gotteshaus große Sum­men aufgewandt hat, obschon nur wenige Gottesdienste in demselben gehalten werden. Interessante Gemälde aus der Zeit um 1415 wurden im Chor gefunden und nach den Weisungen des Hrn. Landeskonservators, soweit möglich, hergestellt. Dieselben stellen den Kreuzestod Christi, das Märtyrerleiden des Apostels Bartholomäus, dessen Namen die Kirche getragen hat, und des Apostels Petrus dar, an der Südwand ist ein betender Ritter, umgeben von je 3 Mönchen mit schö­nen Ordensgewändern zu sehen, unter dem­selben Erzengel Michael mit hochgeschwunge­nem Schwert. Die Bilder sind es wert, be­sichtigt zu werden.

Stuttgart 24. Okt. (Von der Straßenbahn.) Dieser Tage wurde in der Eemeinderatssitzung bekanntgegeben, daß

zuges auf dem Bahnhofe ein, wo schon die beiden großen Pakete im Wartesaal abge­geben waren, wie das in Lübeck allgemein Brauch der Geschäfte ist. Schwer beladen langte man nach neun Uhr zu Hause an.

In dieser Nacht schlief Karoline nicht. Ihr war furchtbar schlecht zu Mute Alp­drücken und Kopfschmerzen. Aber es war nicht die freudige Aufregung im Vorgefühl der Verlobungsbesuche, sondern ein viel pro­saischerer Grund, der das verschuldete. Sie hatte noch am Abend vor dem Zubettegehen die halbe Marzipantorte aufgegessen.

Am Sonntag vormittag strahlte die Herbstsonne in Hellem Glanze. Das Braut­paar hatte gemeinsam zur Kirche gehen wollen. Aber daraus war nichts geworden. Karoline hatte sich zu schlecht befunden. Den ganzen Samstag hatte sie wegen der Mar­zipantorte im Bette liegen müssen. Aber, als sie nun in ihrem eng anschließenden dun­kelblauen Samtkleide vor dem Spiegel stand, gab ihr die zarte Blässe noch einen ganz eige­nen Reiz. Und das Kleid stand ihr wun­dervoll, das versicherte Frau Eesine einmal über das andere. Karoline selbst aber fand es zu einfach, obwohl die goldene Ubrkette sehr putzte.

Um zehn Uhr kam Johannes. Karoline stand am Fenster und winkle ihm mit dem

die Straßenbahndirektion, die sich bekannt­lich beharrlich weigert, Schutzvorrichtungen gegen das Ueberfahrenwerden an ihren Wagen anzubringen, vom Ministerium des Innern genötigt würde, zunächst einen Wagen mit dieser Vorrichtung versuchsweise zu versehen. Wie notwendig diese Maßregel ist, geht aus der Tatsache hervor, daß gestern wieder ein 5 Jahre alter Knabe in der Ostendstraße von der Straßenbahn erfaßt und geschleift wurde. Dem Kinde wurde die Kopfhaut fast gänzlich abgerissen, es hat ferner so schwere Verletzungen erlitten, daß es mit einem Notverband sofort ins Kran­kenhaus geschafft werden mußte. Die Schuld­frage ist noch nicht geklärt.

Eßlingen 24. Okt. (Zur Reichs­tag s w a h l.) Die Vorbereitungen für die Wahl im 5. württ. Reichstagswahlkreis kom­men nun auch in Gang. Gestern abend fand eine aus der Stadt, den Filialen und Bezirksvororten stark besuchte Versammlung der Nationalliberalen und der Fortschritt­lichen Volkspartei statt, in der der Feldzugs­plan festgelegt wurde. Der Kandidat der Nationalliberalen, Rechtsanwalt List in Reutlingen, war in der Versammlung an­wesend. Er hielt eine längere Ansprache, in der er u. a. sagte, daß an die Stelle der in bürgerlichen Kreisen so verbreiteten poli­tischen Gleichgültigkeit und Verdrossenheit ein frischer tatkräftiger Optimismus treten müsse. Der Führer der Fortschrittlichen Volkspartei, Bankier Eayler, gab die Er­klärung ab, daß die Partei in schwäbischer Treue an dem Abkommen festhalten werde, trotz der Vorkommnisse in Urach und Ulm.

Spitzentaschentuche, das sie ihrer Mutter ab­geschmeichelt hatte. Aber plötzlich schrie sie halblaut auf. Wie sah denn ihr Bräutigam aus! Und sie lief ihm zur Tür entgegen.

Um Eotteswillen, Johannes, wo hast Du denn Deinen Zylinder?" rief sie ganz entsetzt.Du willst doch nicht Besuche mit dem Hute da machen?"

Aber gewiß, Karoline," sagte er ruhig. Mein schwarzer Filzhut ist noch ganz neu. Einen Zylinderhut habe ich bis jetzt nicht be­sessen. Wann sollte ich ihn denn auch tragen?"

Da lief sie ganz außer sich in die Küche, wo die Mutter das Frühstück zurecht machte, um das Furchtbare zu verkünden.

Frau Diestel fand es nicht so schlimm. Er gehört doch nicht zum Kriegerverein," sagte sie beruhigend.Und einen anständigen weichen Schlapphut kann er dabei wohl tra­gen. Hat er denn Handschuhe?"

Karoline eilte ins Zimmer, um sich da­von zu überzeugen. Gott sei Dank, Hand­schuhe hatte er schwarze von einer Beer­digung, die er noch in Kiel mitgemacht. Aber zwischen Daumen und Zeigefinger der rechten Hand drohte das Leder zu reißen und war schon weiß gescheuert. Karoline riet, es mit Tinte zu schwärzen; aber Johannes lehnte das lachend ab.

(Fortsetzung folgt.)