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1896.
ll Der Zar in Paris.
Ganz Frankreich schwimmt in einem Wonnemeer. Gegen drei Millionen Provinzler sind nach Paris geeilt, um das große Ereignis in nächster Nähe mitzuerleben: Der selbstherrische Monarch des heiligen Rußland, umjauchzt von den demokratischen Republikanern des revolutionären Frankreich, der gottgesalbte Zar, umschmettert von den wild aufreizenden Klängen der Tyrannenblut lechzenden Marseillaise, der Beherrscher Sibiriens, umringt von hochbeglückten Jakobinern und tief sich verneigenden Communarden, der Hort der byzantinischen Rechtgläubigkeit, umjubelt von den Enkeln Voltaires, das Haupt der schismatischen Kirche, begrüßt von dem frohlockenden Tedeum katholischer Priester — es ist ein Schauspiel, so unfaßlich widerspruchsvoll, daß man es für die Ausgeburt einer tollgewordenen Phantasie halten müßte, wenn nicht Kronstadt und Toulon geschichtliche Thatsachen wären, und das Programm für den Zarenbesuch in Paris schwarz auf weiß die Tage vom 5. bis 9. Oktober 1896 als diejenigen bezeichnet-, an denen die Welt erfahren soll, daß Ben Akiba unrecht hat.
Vorsichtig sind alle Maßregeln getroffen, damit nicht etwa irgend ein Mann mit allzu langem Gedächtnis verjährten Traditionen durch Wort oder That neuen Ausdruck zu geben sich ermutigt sehen könnte. Die Polizeibeamten überwachten, als die russischen Gäste passierten, Front gegen das Publikum, die sonst unkontrollierbare Menge. Die Geheimpolizei beider verbündeten Länder hat sich ihrerseits verbündet, um auf dem nun einmal für Monarchen gefährlichen Terrain den kaiserlichen Gästen für ihre Sicherheit Gewähr zu leisten und das französische Volk jubelte hinter dem Rücken französischer Soldaten, die ein dichtes Spalier zu bilden angewiesen waren. Hatte man doch auch die Einrichtung getroffen, die Eisenbahnlinien, die der Zug des Zaren zu durchmesscn hat, nach russischer Sitte durch Militärposten überwachen zu lassen. Diese Garantien für überflüssig zu erachten, sie zu verwerfen oder zu verspotten, würde unbillig und ungerecht sein. Die Verantwortung für die Männer am Ruder ist riesengroß.
Der Zar kann ruhig sein und er hat dazu um so größere Ursache, als noch nie seit dem Bestände der dritten Republik einem fremden Herrscher ein solches
Uebermaß von Sympathien entgegengebracht wurde, wie ihm. Indessen, wenn man hinter die Kulissen blickt, gewinnt man ein anderes Bild von der Sachlage und bemerkt, daß die Franzosen umsonst jubeln. Die Franzosen sehen in dem Bündnis mit Rußland das Mittel, um zu dem Ziele aller ihrer Ziele, zur Revanche und zur Rückgewinnung Elsaß-Lothringens zu gelangen. Den Glauben, die Vergeltung an Deutschland aus eigener Kraft ohne Bundesgenossen üben zu können, hat Frankreich — und das ist bezeichnend für den heillosen Respekt, den man vor dem deutschen Schwert empfindet — schon verloren. Es rechnet auf die baldige gelegentliche Beihilfe Rußlands. Und dieses? Was kümmert Rußland Elsaß-Lothringen. Wenn es sich mit Frankreich verbindet, so geschieht dies nur, um dessen Kräfte seinen eigenen, in dem weltumspannenden Gegensatz zu England verkörperten Interessen dienstbar zu machen. Die französischen und russischen Interessen kreuzen sich nicht, aber die beiden Länder haben auch nichts Gemeinsames und Frankreich ist zweifellos der genarrte Teil.
Frankreich hat über 8 Milliarden Gelder in russischen Anleihen angelegt. Dafür muß es doch auch einmal sein Vergnügen haben: die Rolle eines Friedensfürsten wird der Zar aber trotzdem nicht auiMben und irgend eine Aendcrung der friedlichen Beziehungen der Mächte zu einander kann der Pariser Aar^Nsuch nicht zur Folge haben.
Landesnachrichten.
* Alten steig, 9. Okt. Die Unterstützungs-Beiträge für die Haiterbacher Abgebrannten fließen leider rechi spärlich. Es ist freilich zuzugeben, daß in diesem Jahre große Ansprüche an die Mildthätigkeit gemacht worden sind und zuzugeben ist ferner, daß auch weniger Bemittelte die geringe Feuerversicherungs-Prämie zahlen können, daß also im allgemeinen ein Grund zur milden Handreichung weniger gerechtigt erscheint. Speziell bei dem Haiterbacher Brand sind nun aber viele unbemittelte Familien um ihre Wohnstätten gekommen, die sie nicht mehr aufbauen können ohne werkthätitze Beihilfe; die Brandversicherungsentschädigungen' für die alten Häuser belaufen sich auf 200, 400? 600, 900 Mk. :c. und daß mit solchen Summen heutzutage kein Wohuraum gebaut werden kann, wird jedermann
einleuchteu. Die Unterstützung dieser Abgebrannten ist daher dringend notwendig. Als vor einigen Jahren das Wohnhaus eines Straßenwarts in B. abbrannte, haben dortige und benachbarte Bürger ein rühmliches beherzigenswertes Vorgehen an den Tag gelegt; jeder Waldbesitzer gab einen Stamm Holz, der Fuhrmann leistete unentgeltliche Fuhren u. s. w. und so wurde dem Abgebrannten die Wiedererbauung einer Heimstätte ermöglicht. In Haiterbach sind es 25 abgebrannte Familien, die einer traurigen Zukunft entgegensetzen, die Bedürftigkeit ist eine große, mögen sich deswegen zahlreiche willige Geber finden. Die Expedition des Blattes „Aus den Tannen" ist gerne bereit, Gaben in Empfang zu nehmen.
* Horb, 7. Okt. Die auf Anordnung der K. Staatsanwaltschaft von der hiesigen Landjägermannschaft an- gestellten Erhebungen haben lt. „Schw. B." bis jetzt ergeben, daß zur Herstellung der Leberwürste, deren Genuß kürzlich die Erkrankung vieler Personen hier und in Nordstetten herbeiführte, teilweise das Fleisch eines in der Gemeinde Salzstetten von einem Bauern um den Spottpreis von 9 Mk. erkauften und geschlachteten kranken Kalbes verwendet wurde. Weitere Nachforschungen in dieser Richtung sind eingeleitet.
* Alpirsbach, 5, Okt. Der Schuhmachermeister Weißer von Röthenbach hätte nach Beendigung des letzten Freudertstädter Jahrmarktes dort 2 Kisten mit Schuhwaren, wohlverschlossen und umschnürt zur Beförderung in die Heimat aufgegeben. Als sie dort ankämen, war zwar noch die Umschnürung unversehrt, aber das Schloß an einer der Kiste wies Spuren gewaltsamen Erbrechens auf. Wie sich beim Abzählen der in diese Kiste verpackten Schuhe ergab, fehlten 10—12 Paar. Wo sie heräusgekommen sind, weiß man bis zur Stunde nicht; wünschenswert wäre es aber in diesem Fälle sehr, wenn der Thäter entdeckt und zur Rechenschaft gezogen würde. (Schw. B.)
* Stuttgart, 6. Okt. Mün wird sich erinnern, daß das Projekt des Baues eines lenkbaren Luftschiffes, womit Generallieutenant a. D. Graf Zeppelin im Januar vor die Oeffentlichkeit trat, damals im Ingenieur-Verein nicht ungünstig beurteilt wurde, während sich die Luftschiffer-Abteilung des k. preußischen Kriegsministeriums ablehnend verhalten hat. Wie man jetzt hört, soll Aussicht vorhanden sein, daß mit
M L.s-frucht. M
Manche Menschen treiben mit irgend eine n Leid Götzendienst. Sie leben, wie sie sagen, »nur ihrem heiligen Schmerz." Das mag sehr groß erscheinen, ist ober nichts anderes als Gemutsver. zärtlichrmz. Und was liegt auf dem Grunde derselben ? Egoismus.
Are seltsame Keircrt.
Roman nach dem Amerikanischen von August Leo. x (Fortsetzung.)
„Ich habe Ihnen etwas von größter Wichtigkeit zu sägen, Mrs. St. Ulm," begann der glühende Freier, — wenigstens für mich."
Die Dame lehnte sich anmutig zurück, öffnete ihren kostbaren Fächer von schwarzen Straußfedern und hielt ihn einen Augenblick vor das Gesicht, welches plötzlich erbleicht war, als ob ein eisiger Wind darüber hingestrichen wäre.
Sonderbarerweise war dem Exchirurgen in diesem Augenblicke eine von dieser ganz verschiedene Szene vor's Auge getreten, wo unter Regen und Donner, Sturm und Blitz ein Boot über dunkles, reißendes Wasser glitt und ein Weib über dessen Seitenwand schlüpfte; die unbekannte Tiefe da unten weniger fürchtend als die gransame weiße Hand des Elenden, der jetzt neben ihr saß und ihr Liebesblicke zuwarf.
„Man sollte doch glauben, er müßte fühlen, wie ich ihn verabscheue)" dächte sie sich, als er fortfuhr:
„Ich denke därmr, sottzugeben, Mrs. St. Ulm," sagte DUbür und schwieg dann, um die Wirkung dieser Anzeige zw bedbschten.
Der Fächer senkte sich schnell.
„Fortzugeheu?" flüsterte sie erschreckt, indem sie an das kleine Kind dachte, dessen Schicksal ihr noch immer ein so grausamer Schleier verbarg.
Sollte sie sich ihm zu Füßen werfen und ihr Kind von ihm erflehen? Ach nein, da hätte sie ja gestehen müssen, wer sie war, und er würde Alles leugnen und ihr vielleicht von Neuem nach dem Leben trachten.
Ihre Aufregung vollkommen mißdeutend, rief Duvar plötzlich in leidenschaftlichem Tone:
„Mrs. St. Ulm, wissen Sie, wie ich Sie liebe, und daß ich niemals ein anderes Weib geliebt habe als Sie?"
Er versuchte ihre Hand zu ergreifen; doch sie zog dieselbe schaudernd zurück.
Duvar runzelte die Stirn. Hatte er sich denn so geirrt?
„Er darf nicht fortgehen; ich muß ihn um jeden Preis hier zurückhalten," sagte sich Mrs. St. Ulm und zwang ihren schönen Mund wieder zum Lächeln.
Dann warf sie ihm unter den langen Seidenwimpern hervor einen jener koketten Blicke zu, welche die Frauen so gut anzuwenden verstehen, und mit denen sie'fast immer ihr Ziel erreichen, wenn — die Augen schön genug sind.
„Sie?" rief sie heiter, „ach gehen Sie! — Sie scherzen!"
„O nein! Ich liebe Sie mit einer Leidenschaft, die mich selbst in Erstaunen setzt! O, sägen Sie mir, daß Sie die Meine werden wollen!"
„So schnell?" erwiderte sie'mit leichtem, melo
dischen Lachen. „Sie sind zu ungestüm, Mr. Duvar; Sie müssen mir das Privilegium meines Geschlechtes gewähren, mir das überlegen zu dürfen."
Sie reichte ihm bei diesen Worten die Hand, obwohl seine Berührung sic frösteln machte, und er küßte dieselbe leidenschaftlich.
„So darf ich nicht verzweifeln?"
„O nein —nicht ganz," antwortete sie mit einem zweiten dieser koketten, berauschenden Blicke.
„Und jetzt," fügte sie mit lächelnder Ablehnung hinzu, „möchten Sie die Güte haben, zu gehen und mich allein zu lassen, damit ich mich ein wenig sammeln kann. Was Sie mir sagten hat mich ebenso überrascht und aufgeregt."
Er stand sogleich auf, bückte sich, um noch einmal mit seinen falschen Lippen ihre weiße Hand zu beflecken, und ging fast mit der Miene eines Siegers davon.
Es war dies ein ziemlich entlegener Platz.
Er war noch kein Dutzend Schritte weit gegangen, mit lächelndem Munde und den hübschen Kopf aufgerichtet tragend, als er wieder das Pfeifen vernahm, mit dem ihn der Morgen so vertraut gemacht, und ein sorgfältig gezielter Schuß ihm die Blume aus dem Knopfloche'riß, die er vor dem Hinuntergehen hineingesteckt hatte.
Er schwankte, als wenn er verwundet wäre, und eine Leichenfarbe breitete sich über sein Gesicht.
„Es ist — es müß sein — und doch, wie ist es möglich, daß es dieser Teufel ist?" murmelte er, als sein Blick schnell und furchtsam die blühenden Verstecke der Gegend durchstreifte; aus welcher der Schuß ge- kommen war.