unzweifelhaft erkennen lassen, daß sie die Oeffnung der indischen Münzstätten nicht in Aussicht stellen könne. Darnach ist meines Erachtens für die Hebung und Befestigung des Silberwertes ein praktischer Erfolg nicht zu erwarten. — Abg. Barth (freis. Ver.) dankt dem Reichskanzler, daß er in seiner Anfrage bei England betonte, worauf es ankomme. Seine Erklärung müsse die fanatischsten Goldwährnngsmänner befriedigen, weil sie fcststellt, daß alle verbündeten Regierungen sich gegen internationale Verhandlungen erklärten. Nachdem noch mehrere Abgg. gesprochen, wird die Debatte hierüber geschlossen. Darauf folgt die Fortsetzung der Beratung der Gewerbeordnnngs- novelle. — Abg. Strombeck (Zentr.) ist im allgemeinen mit dem Gesetzentwurf einverstanden, kann aber den Beschränkungen des Hausierhandels nicht zustimmen. — Abg. Hilpert (Bauernbund) empfiehlt die Verweisung der Vorlage an eine Kommission. — Abg. Fuchs (Zentr.) wünscht Vorschriften über den Hausierhandel und Verschärfung der Bestimmungen bezüglich des Branntweinverkaufs durch Konsum- Vereine. Die Debatte wird sodann geschlossen und der Antrag auf Verweisung an eine Kommission abgelehnt. Die zweite Lesung findet somit im Plenum statt. Sodann wird der Etat des Reichschatzamtes ohne Debatte genehmigt.
* Berlin, 12. Febr. Der Reichstag verhandelte heute zuerst über die Interpellation betr. der Verhältnisse der Arbeiterinnen der Wäschefabrikation und der Konfektionsbranche. Frhr. v. Heyl begründet die Interpellation und sagt, vieles was für den Arbeiterstand in den letzten Jahren geschehen sei, habe sich in hohem Grade bewährt. Er anerkenne die Ueber- lastung des Reichsamts des Innern. Eine Kräftigung der Organisation desselben wäre zu erwägen. Es sei nicht zu bestreiten, daß das sogenannte Schwitzsystem in der Konfektionsbranche große Mißstände im Gefolge hatte. — Staatssekretär von Bötticher steht voll und ganz auf dem Boden der Interpellation. Die Heilung solcher Uebelstünde liege der Regierung dringend am Herzen. Der Krebsschaden auf diesem Gebiet müsse beseitigt werden. Sämtliche Regierungen werden bereit sein, bei der Beseitigung der vorhandenen Mißstände mitznwirken, welche zu erhoffen ist, bei voller Mitwirkung auch der Arbeitgeber. (Beifall.) — Abg. Hitze (Zentr.) steht in vielen Punkten auf dem Standpunkt v. Heyls und hält die Vorschrift des schriftlichen Vertrages zur Beseitigung des Drucksystems für sehr nützlich. — Minister v. Berlepsch führt aus, die Gesetzgebung könne nur in ihrer vollen Wirksamkeit helfen, wenn es nur noch Werkstätten und keine Hausindustrie mehr gebe. Ganz abschaffen lasse sich die Hausindustrie nie. Die weiblichen Fabrikinspektoren könne man nach den Erfahrungen, die man in England damit gemacht habe, nicht besonders empfehlen. — Zimmermann (Reformp.) meint, daß die schlimmen Zustände nur ein Auswuchs der liberalen Gesetzgebung seien. — Frhr. v. Heyl hält die Veranstaltung einer Enquette für zweckmäßig. — Fischer (Soz.) bemerkt, daß die anderen Parteien nur aus Furcht vor der Sozialdemokratie sich auf die Arbeiterschutzgesetzgebung eingelassen haben. — Dr. Hitze (Zentr.) widerspricht ihm. Hierauf vertagt sich das Haus.
„Und damit treffen die Leute das Richtige," sagte Eva, die den beiden mit herzlicher Teilnahme zugehört hatte, und erhob sich dann, um eine ältere Dame, die soeben zu ihr trat, zu begrüßen. Eva sah, als sie so graziös dastand, schön und lieblich aus in ihrem Kleide von duftigen, gelblichen Spitzen, mit den roten Rosen im Haar und auf der Schulter, und doch mußte sich der aufmerksame Beobachter bei ihrem Anblick fragen: „Warum blicken diese blauen Augen so ernst, fast traurig, warum zeigt sich der wehmütige Zug um den kleinen Mund, der doch zum Lächeln geschaffen scheint; warum ruht dieser Schatten auf der Erscheinung eines Wesens, das jung, schön und reich, zu den auserwählten Lieblingen des Glückes gehören mußte.
Werner Lorenz, der in der Thür eines Nebenzimmers stand und, fast verdeckt durch die hohen Orangenbäume, die zur Dekoration des Saales dienten, das junge Mädchen unverwandt betrachtete, fragte das nicht. „Wir sollen beide elend sein!" murmelte er. „Auch du bist es — das verraten deine blassen Wangen, deine Augen, die von heimlichen Thränen sprechen." Er lächelte bitter. „Da sagt man, daß die Frauen nicht treu, nicht beständig seien. O, sie sind empörend unbegreiflich treu! Sie liebkosen die Hand, die ihrem Herzen den rohen Stoß versetzte, sie verzeihen dem, der ihren Stolz kränkte, ihre Liebe verschmähte, alles verzeihen und vergessen sie und lieben geduldig weiter, selbst wenn sie den Gegenstand ihrer Liebe nicht mehr achten können. Nun, wer weiß, vielleicht wird auch Evas Treue belohnt. Vielleicht
Landesnachrichten.
* Alten steig, 14. Febr. Die laufende Reichstagssession wird sehr zahlreiche Neuerungen, wie bekannt, für die gesetzlichen Bestimmungen über das praktische und das Geschäfts-Leben bringen, und eine der allerwichtigsten ist das mit Bestimmtheit zu erwartende Verbot des Detailreisens, das heißt des Auf- suchens von Warenbestellungen bei Privatpersonen. Im Reichstage sind zwar, wie sich im Laufe der Beratungen gezeigt hat, die Herren durchaus nicht sämtlich einer Meinung über die Nützlichkeit dieses Verbotes, aber fest steht eine große Mehrheit für das Verbot und so wird es auch noch im Laufe dieser Session ausgesprochen werden, zum Sommer aber in Kraft treten können. Diese Gesetzesbestimmung ist veranlaßt im Wesentlichen durch die lauten Klagen der Geschäftswelt in Mittel- und Kleinstädten, in denen sich mehr und immer mehr zungengewandte Reisende mit Musterkoffern einfanden, welche die Privatpersonen nur, nicht aber die Wiederverkäufer aufsuchten, und den Elfteren in jedem Umfange Waren verkauften, während die ortsansässigen und Steuer zahlenden Geschäftsleute müßig und verdienstlos zusehen. Besonders sind im Detailreisen Kleidungsstoffe, aber auch alle anderen Waren, abgesetzt, häufig auf Kredit, aber auch gegen bar, und neben den Städten sind dann auch die Dörfer besucht worden. Diese Praxis hat zum Schaden der ansässigen Geschäftsleute eine außerordentlich weite Ausdehnung gewonnen, und deshalb soll nun das gesetzliche Verbot eintreten. Das Ausstichen von Warenbestellungen bei Wiederverkäufern bleibt von dem Verbot natürlich unberührt. Freilich hat die Sache auch zwei Seiten, Geschäftsleute kleinerer Städte betreiben auch wieder das Detailreisen zum Teil, und sie würden ebenfalls das Verbot zu fühlen haben. In den meisten Fällen wird ja wohl das Publikum dann zu ihnen kommen, es giebt aber auch einzelne Gegenden im deutschen Vaterlarde, namentlich Gebirgsgegenden mit spärlicher Eisenbahnverbindung und oft schwierigen Verkehrsverbindnngen, wo die Verhältnisse nicht ganz normal liegen, und wo das Verbot des Kundenbestichs auch unzweifelhaft eine Verringerung des Absatzes im Gefolge hat. Im Reichstage ist schon hierauf aufmerksam gemacht, und es dürfte wohl gelingen, für solche Fälle einige Erleichterungen zu ermöglichen. In der Hauptsache bleibt aber das Detailrcisen verboten, nach Erlaß des Gesetzes treten dann also Strafbestimmungen in Kraft. Mag auch das Publikum dann das Seinige thun, die soliden, seßhaften Geschäfte zu unterstützen.
" (Borgänge vor 25 Jahren infolge des Krieges 1870/71.) Am 14. Februar 1871 schiffte sich der Freischarenführer Garibaldi, auf dessen Hilfe Frankreich so große Hoffnungen gesetzt, der sich aber durchaus nicht als Heerführer bewährt hatte, nach Caprera ein. Hatte er in Frankreich während des Krieges keine Lorbeeren geerntet, so mußte er es noch erleben, daß man seine Demission mit Freuden entgegennahm.
* In Sachen der Entmündigung des früheren Reichstagsabgeordneten Frhr. v. Münch wegen Geisteskrankheit gibt die „Münch. Allg. Ztg." einer Zuschrift Raum, deren Einsender findet, die Bestimmungen der Reichszivilprozeßordnung hätten sich in diesem Fall wieder einmal in einem nicht unbedenklichen Licht gezeigt. Der Verlauf der Angelegenheit wird wie folgt dargestellt: Das Verfahren vor dem Amtsgericht wurde im September v. I. anhängig; mitte Oktober
kommt der schöne Prinz jetzt wieder und erweckt Dornröschen zu neuem Lebensglück. Die reiche Erbin ist begehrenswerter, als die arme Waise von damals, und verschmäht wird er nicht werden, das weiß ich am besten."
Werner preßte die Lippen fest zusammen, während er tiefer in den leeren Raum znrücktrat und mit verschränkten Armen darin umherwanderte. Zwischen seine Augenbrauen grub sich dabei eine tiefe Falte, und man sah jetzt erst, wie die letzten Monate den jungen Mann verändert, sein Aussehen um Jahre gealtert hatten. Und auch die Seele des Mannes war von dieser Veränderung getroffen worden. Das jähe Erwachen aus seinem Liebestraum — dem ersten und darum doppelt heißen, den sein Herz geträumt — hatte seinem Gefühlsleben einen jähen Stoß versetzt, von dem er sich, trotz aller Aufbietung seines männlichen Willens, kaum erholen konnte.
Was half es, daß er sich selbst unmännlich und schwach nannte, mit noch größerem Eifer als sonst sich seinem Berufe hingab, halbe Nächte hindurch studierte, daß er alles vermied, um mit Eva. wenn auch noch so flüchtig, zusammenzutresien, daß er sich Mühe gab, sie in einem zweifelhaften Lichte zu sehen, sie geringer zu achten — was half das alles? Ihr Bild wich nicht ^aus seinem Herzen und raubte ihm Lebens- und Schaffensfreudigkeit. Und doch mußte er nach außen hin beides zeigen, auch der Mutter gegenüber den alten Frohsinn heucheln. Er wußte freilich, daß das Mutterauge sich trotzdem nicht täuschen ließ.
Wie oft hatte er einen Blick voll heimlicher
fand die vom Gesetz vorgeschriebene Vernehmung des „zu Entmündigenden" statt, als Sachverständiger wurde ein Psychiater zugezogen, der schon in einem früheren Gutachten den Herrn v. Münch für geisteskrank erklärt hatte. Er behielt sich schriftliche Abgabe des neuen Gutachtens vor. Der Rechtsbeistand des Herrn v. M., der das frühere Gutachten einer eingehenden Kritik unterzogen hatte, bat um Mitteilung des zu erwartenden neuen Gutachtens. Als er bis Ende des Jahres keine Nachricht erhielt, fragte er nach dem Stand der Sache und erhielt die Antwort: sofort nach Einlauf des Gutachtens werde der Beschluß über die Entmündigung gefaßt werden. Der Protest des Anwalts beim Amtsgericht gegen dieses Vorgehen war vergeblich; auf seine an das Landgericht und Oberlandesgericht gerichteten Anträge: das Amtsgericht darauf hinzuweisen, daß die Entmündigung nicht ausgesprochen werden dürfe, ehe ihm Gelegenheit gegeben sei, sich über das Gutachten zu äußern, erhielt er den Bescheid: das höhere Gericht dürfe in den vor dem Amtsgericht anhängigen Rechtsstreit nicht eingreifen. Nochmals wandte sich der Anwalt an das Amtsgericht: wenn, wie das Oberlandesgericht annchme, ein Streitverfahren vorliege, so seien auch die wesentlichen Grundsätze eines jeden Prozeßverfahrens, namentlich der Grundsatz des rechtlichen Gehörs zu wahren. Die Antwort war der Entmündigungsbeschluß, der bekanntlich sofort in Wirksamkeit tritt, während Frhr. v. Münch von urteilsfähigen Männern in verschiedenster Lebensstellung für vollkommen zurechnungsfähig gehalten wird und feinen ausgedehnten Grundbesitz seither in geordneter Weise verwaltet hat.
* Tübingen, 12. Februar. Unsere Metzger befinden sich seit einigen Tagen in großer Aufregung, da der Schlachthausverwalter Kühnle feit Samstag vermißt wird. Kühnle ist nach Unterschlagung ihm anvertrauter Gelder flüchtig gegangen. Um die Veruntreuungen begehen zu können, fälschte er Unterschriften. Welche Höhe die unterschlagenen Summen erreichen, darüber herrscht noch Unklarheit.
*Ulm, 12. Febr. Das Fußartillerie-Bataillon Nr. 13 begeht am 15. Februar die 25jährige Gedenkfeier der Uebcrgabe von Belfort.
* (Verschiedenes.) Auf der Straße von Rottenburg nach Niedernan wurde der Taglöhner Neu von einem von einer Felswand herabstützenden Stein so schwer am Hinterkopf verletzt, daß der Unglückliche auf dem Transport nach Hause verschied. — In Unt er d e u fste tte n (Crailsheim) beging der Händler I. Ehmer mit seiner Ehefrau im Kreise seiner Kinder, Enkel und Urenkel das Fest seiner diamantenen Hochzeit. — Der Ortsvorstand von Plochingen erhielt kürzlich durch Posteinzahlung von einem Unbekannten 50 M., der angiebt, früher mit einigen Kameraden im Walde einen Holzfrevel begangen zu haben, den er hiemit sühnen wolle. — In Nierstein rannte ein scheues Pferd in ein Leichengefolge hinein und verletzte mehrere Frauen und Kinder. — Ein 15jühriger Bursche in Steinbach (Hall) wollte eine Bezinflasche, die auf der Kellerstaffel stand, anders stellen und hatte das Mißgeschick, vom Inhalt der Flasche einen Teil über sich auszugießen. Kaum kamen die den Jungen suchenden Eltern mit dem Licht in seine Nähe, als er auch schon
Sorge auf seinem Gesicht zu fühlen gemeint, wenn auch nie ein Wort gefallen war, das ahnen ließ, daß die alte Dame wußte, was in seinem Herzen vorging. Werner dankte ihr im stillen für ihren Zartsinn! Er hätte kein Mitleid ertragen können, selbst von der Mutter nicht; die Wunde schmerzte zu sehr, sie durfte auch nicht von der weichsten Hand berührt werden.
(Fortsetzung folgt.)
Februar.
Durch's Feld die welken Blätter stiegen;
Wild durch die Busche saust der Wind'
Mil Sturm, mir Sturm, so mußt du fiezen, Du gottgesegnet' Frühlingskind!
Das ist der Windsbraut lust'gcr Reigen!
Ein tolles Spiel mit ReiS und Blatt! — Nun thu' sich's kund, nun mag sich's zeigen, Was lest im Grund gewurzelt hat!
Nur Borspiel ist's zum Maienftste!
Es siegt im Sturm das Frühlingskind Und bricht nur die verdorrten Aeste,
Daß Raum der junge Trieb gewinnt.
Rätsel.
Wie die holde Roftnknosps Blüt es taufrisch, würzig, rein.
Lacht es uns bei der Geliebten,
Bringt's dem Herzen Souneuschein.
Doch verliert's den Kern, so wird eS Eine Stadt, du kennest sie Als berühmt durch biedre Sitten Und durch Kunst und Industrie.
Auflösung des Rätsels folgt in nächster Nummer.