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verbunden. Das Thermometer sank bis auf Null und auf den Höhen zeigte sich vorgestern zum erstenmal Reif. Die Witterung ist seit gestern zwar wieder freundlicher geworden, aber doch sino die Nächte empfindlich kühl, so daß weiche Obstsorten in Gärten geerntet werden müssen. Auf dem freien Felde ist mit dem Einheimsen des Obstes schon begonnen worden, namentlich aus etwas abgelegenen Grundstücken. Es wäre für das Obst zwar sehr gut, wenn es noch länger auf den Bäumen gelassen würde; das Obst ist in letzter Zeit noch stark gewachsen, es hat eine schöne rotgelbe Farbe und ein köstliches Aroma erhalten. Wie bekannt, fällt die Ernte nicht reichlich aus; nur wenige Obstbaumbesitzer sind vom Glücke besonders begünstigt. Die Preise für Tafelobst sind bei der Seltenheit des Obstes dementsprechend hoch.
Stuttgart 3. Okt. (Wertvoller Fund.) In einem Briefkasten des Hauptpostamtes wurde ein wertvoller Brillantring zwischen den Briefen aufgefunden. Der Verlierer, dem der Ring wahrscheinlich vom Finger gestreift wurde, als er einen Brief in den Kasten steckte, hat sich bis jetzt noch nicht gemeldet.
Stuttgart 5. Okt. Die Fahrt des Luftschiffes „Schwaben" von Baden-Oos nach Stuttgart mit einer Zwischenlandung auf dem Cannstatter Wasen ist bis zum Eintritt geeigneter Witterung verschoben worden, doch ist nicht ausgeschlossen, daß die Fahrt noch am nächsten Sonntag ausgeführt wird.
Stuttgart 3. Okt. (VomMarkt.) Auf dem heutigen Großmarkt galten folgende Preise: Zwetschgen 12—14 Z, Pfirsiche 10—25 L, Preiselbeeren 50 Z, Aepfel 12—18 L, Birnen. 10—20 L, Nüsse 50 L, Trauben 28—30 Z per Pfund. — Dem heutigen Karloffelgroßmarkt waren 500 Zentner zugeführt. Preis 4.80—6.20 -4l.
Obertürkherm 3. Okt. (Lohnbewegung.) Die Heizungsmonteure der Firma Wagner und Eisenmann und der Maschinenfabrik Eßlingen nahmen gestern in einer Versammlung Stellung zu dem Streik der Heizungsmonteure in Stuttgart und beschlossen, deren Forderungen auch zu den ihrigen zu machen. Im Falle der Nichtanerkennung seitens ihrer Firmen soll am kommenden Montag die Kündigung eingereicht werden.
Tübingen 3. Okt. (Entflohen.) Aus dem Eerichtsgefängnis ist der wegen Betrügereien inhaftierte Metzgergehilfe Fleisch, während der Eefangenenwärter
Frau Lores Lebenswerk.
62 ) Roman von Erich Eben st ein.
(Fortsetzung.)
„Liebes Kind," sagte sie sanft, „ich sehe, daß Du beschäftigt bist — aber bei dieser Arbeit will ich Dir eben Gesellschaft leisten. Vielleicht sehen wir dann beide, daß die Rechnung doch nicht ganz stimmt —"
Sie setzte sich dicht an den Schreibtisch und auch er ließ sich gebrochen auf seinen Stuhl fallen.
Auf ihre Worte fand er keine Antwort.
Ihre Augen umfaßten mit einem Blick all diese nicht mißzuverstehenden Vorbereitungen und blieben dann mit seltsamem Glanz auf ihm ruhen.
„Ferry, mein liebes Kind, was wolltest Du tun?!" sagte sie endlich mit leisem Vorwurf und so wehem Ton, daß es ihn erschütterte.
„Was ich muß, Mama! Ich bin am Ende angekommen und kann nicht mehr weiter."
„Und an uns — an Dein Kind hast Du nicht gedacht dabei?"
„Doch. Aber ich könnte ihm keine Existenz mehr bieten, auch wenn —"
Sie griff nach seiner Hand.
„Was ist geschehen? Erzähle mir alles."
das Hoftor zuschloß, entflohen und auch fortgekommen.
Kirchheim a. N., 3. Okt. Ein von Heilbronn kommendes Automobil fuhr in rasendem Tempo in die Kurve auf der Steige der Staatsstraße Stuttgart — Heilbronn. Der Führer verlor die Herrschaft über sein Fahrzeug, das auf eine Telegraphenstange rannte. Beide Insassen erlitten Verletzungen und der Wagen wurde stark beschädigt. Hätte die Telegraphenstange nicht die Wucht des Anpralls ausgehalten, so wäre das Automobil samt seinen Insassen in den dortigen Steinbruch hinabgestürzt und völlig zertrümmert worden.
Heilbronn 3 Okt. (Zur Reichs- tagswahl.) Eifrig tritt der Wahlkreisausschuß für Dr. N a u m a n n in den Wahlkampf. Während Naumann selbst in den Wahlkreisen von Konrad Haußmann und Präsident Payer- Ebingen und Mös- singen Versammlungen hielt, sprach gestern Abend Haußmann in Böckingen über: „Auswärtige Politik und Reichstagswahlen". Am Mittwoch spricht er in Bietigheim über die kommenden Reichstagswahlen. Am kommenden Freitag sodann wird Präsident Payer in den hiesigen Kilianshallen über „Politische Tagesfragen" sprechen.
Hall 3. Okt. Gestern Abend fuhr in Kupfer ein Blitzstrahl indasBahn- hofsgebäude, ohne jedoch zu zünden. Dagegen wurde der Fernsprecher, der an einem Fenster gegenüber der Türe angebracht war, von der Wand geschleudert und bis zur Türe geworfen. Auch das Dach und die Decke des Dienstzimmers wurden erheblich beschädigt.
Leutkirch 3. Okt. Als eine ältere Frau in Steinental in ihrem Schlafzimmer beschäftigt war und sich für einen Augenblick von ihren zwei Enkelkindern abwandte, ergriff eines der Kinder einen in der Schublade liegenden Revolver und drückte ab. Die Kugel zerschmetterte ihm einen Finger der linken Hand und durchbohrte hierauf den Kopf des daneben stehenden anderen Kindes, das so schwer verletzt wurde, daß es kaum mit dem Leben davonkommen dürfte.
Friedrichshofen 3. Okt. Die heutige Probefahrt des Luftschiffes „I. 2 9" hat ebenso wie die gestrige vollkommen befriedigt. Das Luftschiff hat sämtliche Proben außerordentlich gut bestanden und hat nur noch nach Vornahme'einiger kleinen Aenderungen die Abnahmefahrt unter Beteiligung der militärischen Kommission zu absolvieren. Die hieher kommandierten
Er raffte sich etwas auf und berichtete mit klangloser Stimme, was sich ereignet hatte. Frau Lore hörte aufmerksam zu, und als er geendet, grübelte sie immer noch stumm vor sich hin. Eeldsorgen also trieben ihn in den Tod! Beinahe hätte sie aufgeatmet. Sie hatte gefürchtet, daß die Härte ihres Kindes ihn so weit gebracht —
Und dann überlegte sie. Nicht mit dem nüchternen Verstand, wie Männer zu tun pflegen, sondern mit ihrem warmen Herzen, das nichts als gütige Liebe in sich trug.
Der Wunsch ihres verstorbenen Mannes war ihr immer unantastbar wie ein heiliges Vermächtnis gewesen. — Aber hier handelte es sich um ein Leben, das man dem Tode abringen mußte — und die Lebenden standen über den Toten. Das Geld, welches zu Dreiviertel den Lebensinhalt des Verstorbenen ausgemacht hatte, stammte zum größten Teil von seiten ihrer Familie, war ihr Erbgut. Durfte sie darüber nicht verfügen?
Dem leichtsinnig dahinlebenden Streber hätte sie gewiß nicht unter die Arme gegriffen, aber dem Mann, der ehrlich gekämpft und tüchtig gearbeitet hatte? Sie hatte sich in der letzten Zeit heimlich viel um den Fortgang der Fabrik erkundigt, nicht zum wenigsten durch Rudi, der viele Verbindungen in E. besaß, und was sie hörte, war nur das beste gewesen.
Offiziere, darunter Oberst Schmidecke, sind wieder abgereist, während Major Neumann noch hier weilt. Zur endgiltigen Abnahmefahrt wird Oberst Messing hier eintreffen.
Pforzheim 3. Okt. Wieder mußte wegen Eoldschnipfelei das Er. Amtsgericht in umfangreiche Tätigkeit treten; nach verschiedenen Haussuchungen erfolgte die Verhaftung des Hilfsarbeiters Friedrich Hartfeld von hier, des Peter Vellon, Eold- arbeiter von Sengach und des Heimarbeiters Wilhelm Bäder von Mühlhausen. — Am Samstag wurde auf der Leopoldstraße einer Polisseuse von einem Unbekannten ein Säckchen mit Feingold, das sie von der Scheideanstalt in die Fabrik zu verbringen hatte, zu entreißen versucht. Der Täter ließ das Säckchen auf die Hilfeschreie des Mädchens alsbald los und ist unerkannt entkommen, da es ihm gelang, die belebten engen Stadtteile zu erreichen. Der Wert des Feingolds betrug mehrere tausend Mark.
Rom 3. Okt. (9.25 Uhr abends.) Die „Agenzia Stefani" gibt folgendes bekannt: Ein Telegramm des Vizeadmirals Faravelli, das heute früh von Tripolis aufgegeben wurde und heute abend aus Vittoria (Sizilien) hier eingetroffen ist, besagt, daß auf die gestrige Aufforderung zur Ergebung und Auslieferung der Stadt Tripolis der türkische Kommandant mit der Bitte um Aufschub geantwortet habe, das zugestanden wurde und heute mittag ablaufen sollte.
Konstantinopel 3. Okt. Der Marineminister hat demissioniert. In seinem Demissionsschreiben erwähnt er die Zerstörung der türkischen Torpedoboote durch die italienische Flotte und erklärt, da die Flottille, obwohl er rechtzeitig die Rückkehr der Flotte in die Dardanellen und die Flucht der im Adriatischen Meere befindlichen Flottille in die Dalmatinischen Gewässer angeordnet habe, der italienischen Flotte nichr entkommen konnte, finde er es für unmöglich, auch nur interimistisch die Geschäfte des Ministeriums weiter- zufllhren.
Konstantinopel 3. Okt. Der englische Botschafter hat dem Großvezir die Antwort des Königs auf den Appell des Sultans mitgeteilt. In der Antwort wird die Unmöglichkeit hervorgehoben, eine Vermittelung zu übernehmen und der Pforte angeraten, mit allen Mitteln eine Verständigung mit Italien zu suchen. Der französische Geschäftsträger hat dem Großvezir eine ähnliche Mitteilung gemacht.
Sollte Lanzendorf jetzt, wo er unter Sorgen und Mühen festen Fuß gefaßt hatte, um der Laune eines Weibes willen alles verlieren? Sie konnte ihre Tochter nicht zwingen zu jener wahrhaftigen Liebe, die alles verzeiht, weil sie eben liebt, aber sie konnte einen Teil des Jammers, den er um ihrer Tochter willen litt, gutmachen, indem sie ihm half, sein Werk zu behaupten.
„Wie viel würdest Du brauchen," fragte sie fast schüchtern, denn sie litt unter dem Gedanken, ihre Worte könnten eine Demütigung für ihn enthalten, „um die Fabrik als Dein Eigentum zu übernehmen?"
Lanzendorf starrte betroffen auf.
„Warum fragst Du das? Du weißt, daß ich so gut wie mittellos bin —"
„Willst Du nicht meine Frage beantworten?"
„Ach Gott, ja, obwohl es keinen Zweck hat. Wir haben keine Schulden und die Geschäfte gehen gut — die Hälfte würde sich wohl bei der Sparkasse auftreiben lassen. Immerhin blieben gegen 50 000 fl. bar an Schwalbing auszuzahl'en. Wie er mir sagte, will er die Fabrik sperren und nur Grund und Gebäude an die Gemeinde verkaufen, weil jeder andere Weg ihn zu lange aufhalten würde und er schon Ende dieser Woche fort will."
(Schluß folgt.)