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des Berufes und Regelung der Ausbildung. An die Beratung schloß sich gemeinschaftliches Mittagessen.

Heilbronn 2. Okt. Gestern Abend mit Einbruch der Dämmerung bewegte sich durch die Straßen zum Bahnhof, von den Offizieren der hiesigen Garnison und einer Abteilung Füsiliere, sowie der Regiments­musik begleitet, der Zug mit den sterblichen Ueberreften des gestern Morgen tot im Bett aufgefundenen Vezirksadjutanten Leutnant Martin. Es fano die lleberführung nach Ludwigsburg statt, wo die Beerdigung er­folgen wird. Den hier aufgetretenen Ver­mutungen, daß Selbstmord vorliege, muß entgegengetreten werden. Martins nervöse Erkrankung inachte sich insbesondere im ver­gangenen Sommer bemerkbar. Er selbst hoffte von den Hellen, schönen und freund­lichen Räumen des neuen Bezirkskommando­gebäudes Besserung seines Zustands nach­dem er nahezu 4 Jahre in den düsteren Räu­men der alten Deutschordens-Kaserne dienst­lich verbracht hatte.

Unterheimbach, OA. Weinsberg 30. Sept. (Stiftung.) Ein von hier stammender Amerikaner, der sich zur Zeit in Württemberg aufhält, hat früher zu einer Kleinkinderschule einen bedeutenden Betrag gestiftet. Heuer läßt er nun eine Kinder­schule auf seine Kosten erbauen und hat sich verpflichtet, jedes Jahr auch für den Gehalt der Kinderlehrerin aufzukommen.

Mergentheim 2. Okt. (Leben­dig verbran nt.) Als der in dem Kalk­werk von I. Weigand u. Cie. beschäftigte Ar­beiter Ditter aus Steinbach Kalkstein­massen in den fast ausgebrannten Kalkofen hinabstoßen wollte, verlor er das Ueber- gewicht und stürzte in den Schacht. Dre auf seine Hilferufe herbeigeeilten Arbeiter konn­ten ihn nicht mehr retten. Er wurde von der glühenden Eesteinsmasse förmlich ver­graben. Das Gericht, das alsbald zur Stelle war, konnte nur noch die Ueberreste des Be­dauernswerten bergen.

Schramberg 1. Okt. Die Leiter der großen Uhrenfabrik von Gebrüder Jung- hans A.-G. machten heute den sämtlichen Beamten und deren Frauen eine große Freude durch die Veranstaltung einer Herbst- sahrt ins schöne Kinzigtal. Ein Extrazug brachte heute Vormrttag ungefähr 300 Per­sonen nach Offenburg, wo im Unionsaal für die Teilnehmer die Tafel gedeckt war. Auch die Beamten der Filialgeschäfte in Schwenningen, Deißlingen, Kiebingen, Rot­tenburg und Lauterbach waren eingeladen und beteiligten sich an dem Ausflug, der einen neuen Beweis liefert für das schöne Verhältnis zwischen der Firma und ihren Angestellten.

Friedrichshafen 2. Okt. (Luft­fahrt.) Der für die Militärbehörde be­stimmte neue LuftkreuzerT 2 9" ist heute Nachmittag unter Führung des Grafen Zep­pelin zu seiner ersten Probefahrt um 3.30 Uhr aufgestiegen. Nach verschiedenen Hebun­gen und Manövern über dem See ist das Luftschiff nach r/Ztündiger wohlgelungener Fahrt um 4.15 Uhr wieder glatt gelandet. Die zur Abnahmekommission hierher beor­derten Offiziere haben an der Fahrt noch nicht teilgenommen.

Newyork 2. Okt. Nach den letzten Berichten sind bei dem Dammbruch in Austin 400 Personen umgekom­men. Austin ist jetzt eine grauenvolle Trümmerstätte. Die Flutwelle hat große Gebäude eine halbe Meile weit fortge­schwemmt. Das nachfolgende Feuer machte eine Rettung unmöglich. Die ganze Nacht hindurch ertönten Hilfe- und Schmerzens- rufe. Viele Einwohner waren zurzeit des Dammbruches auf den Hügeln, wo sie ohn­mächtig Zusehen mußten, wie die Häuser einfielen und ihre Angehörigen fortgetrie­ben wurden. Augenzeugen erzählen, daß die

Flutwelle sich mit Blitzesschnelle und mit furchtbarem Getöse heranwälzte. Stein­häuser stürzten wie Kartenhäuser zusammen. Die Straßen sind ungefüllt mit verstümmel­ten Leichen, vor denen sich herzzerreißende Szenen abspielen.

Der Italienisch-türkische Krieg.

Konstantinopel 2. Okt. Der Vali von Janina meldet von gestern: Zwei italienische Panzerschiffe bombardierten aus der Ferne die türkischen Torpedoboote im Hafen von Reschadie, wobei ein Torpedo­boot beschädigt wurde. Es schiffte seine Mannschaft aus. Die italienischen Schiffe liefen dann in den Hafen ein, feuerten gegen die Stadt und beschädigten einige Gebäude leicht. Endlich näherten sie sich den Tor­pedobooten, diesie indenErund bohrten, worauf sie den Hafen wieder verließen. Die italienische Flotte hat auch den Hafen von Murto angelaufen und nahm dort den Hafenkapitän und drei Var- kenführer gefangen.

Rom 2. Okt. (Agenzia Stefani.) Die aus türkischer Quelle stammende und von auswärtigen Blättern verbreitete Nach­richt, die italienische Flotte Hütte die türkischen Häfen an der Küste des Adriatischen und Jonischen Meeres beschossen, ist völlig unzu­treffend und augenscheinlich zu dem Zweck inspiriert, um Verdacht gegen die Ab­sichten Italiens zu erregen. Italien ist nach wie vor fest entschlossen, den Status quo auf der Balkan-Halbinsel in keiner Weise zu ändern. Die italienische Flotte hat sich darauf beschränkt, gegen die türkischen Kriegsschiffe zu kämpfen, die sich gegen die Küste wandten, um die Städte zu bedrohen und den Handel zu stören und beabsichtigten die gegen Tripolis gerichtete militärische Expedition Italiens anzugreifen.

Augusta 2. Okt. Der italienische KreuzerCoatic" ist hier mit Passagieren aus Tripolis angekommen. Er brachte die Nachricht, daß bis zum 30. September, 8 Uhr abends die italienischen Kriegsschiffe noch nicht mit dem Bombardement der Forts be­gonnen hatten, um den Europäern in Tri­polis Zeit zum Verlassen der Staht zu geben. Zu ihrer Aufnahme habe die italienische Regierung zwei Dampfer gesandt.

Berlin 2. Okt. Die hiesige italieni­sche Botschaft bezeichnet die Nachricht, daß eine Landung italienischer Truppen in Pre- vesa stattgefunden habe, offiziell in der ent­schiedensten Weise als unrichtig. Es ist auch nicht ein Mann ausgeschifft worden Da damit gerechnet werden mußte, daß türkische Torpedoboote, die in der Adria kreuzen, unsere Handelsschiffe bedrohen könnten, mußte die kgl. Marine Maßregeln ergreifen, sie außer Stand zu setzen, die Sicherheit der Schiffahrt im Adriatischen Meer zu gefähr­den. Es ist möglich, daß zu diesem Zweck einige Kanonenschüsse in der Nähe der Küste abgegeben worden sind, aber zu Land sind keine Operationen vargenommen worden.

Herbstnachrichten.

Vom unteren Neckar, 1. Oktober. Im Weinhandel ist noch kein rechter Zug. Die Käufer kommen, sehen sich die Weinberge an und gehen wieder. Die Preise wollen ihnen zu hoch sein. Verstellt ist zwar vieles, aber meist auf Mittelpreis. Feste Preise sind bis jetzt verhältnismäßig wenig notiert. Das unbeständige Wetter drängt zum Herbsten und in vielen Lagen kann der Heilbronner Termin, der 5. Okto­ber, nicht abgewartet werden. Im Zaber­gäu geht der Handel etwas lebhafter.

Unter türkheim 2. Okt. (Wein­lese.) Der hiesige Weingärtnerverein hat in seiner gestrigen Versammlung beschlossen, mit der Lese am Donnerstag, den 5. Oktober zu beginnen. Bis jetzt sind Käufe zu 260 bis 300 -4t abgeschlossen worden.

Horrheim, OA. Vaihingen 2. Okt. Die Weinlese hat begonnen, geschätztes Quantum schlägt zurück, Qualität sehr gut. Gestern wurden Käufe zu 220230 -4t per 3 Hektoliter abgeschlossen. Immer noch Vorrat vorhanden.

Vermischtes.

(Der Volksfestverkehr auf der Straßen­bahn.) Die gewaltigen Massen, die die Straßenbahn vom Samstag bis Mittwoch zu befördern hatte, kommen in einer kleinen Statistik zur Geltung. Fast 900 000 Men­schen benutzten die Straßenbahn, davon allein am Montag eine Viertel Million. An den einzelnen Tagen fuhren: am ersten Tag (Samstag) 150 421, am zweiten Tag (Sonntag) 209 284, am dritten Tag (Mon­tag, Haupttag) 224 350, am vierten Tag (Dienstag) 163142, am fünften Tag (Mitt­woch) 147111, insgesamt 894 308 (im Vor­jahr bei nur vier Tagen 682124). Die Straßenbahn ließ alle auf den übrigen Li­nien nur irgendwie entbehrlichen Wagen, vom Salonwagen bis zum Anhänger älte­sten Kalibers laufen, um dem Andrang ge­recht zu werden.

(Weinzuckerung 1911.) Das Weingesetz läßt eine Zuckerung von aus inländischen Trauben gewonnenem Traubenmost oder Wein zu, um einem natürlichen Mangel an Zucker, beziehungsweise Alkohol, oder einem Uebermaß an Säure insoweit abzuhelfen, als es der Beschaffenheit des aus Trauben gleicher Art und Herkunft in guten Jahr­gängen ohne Zusatz gewonnenen Erzeugnis­ses entspricht. Da nun der heurige Herbst nach allen Berichten einen sehr guten, ja Ausstich-Wein liefert, so ist für dieses Jahr eine Zuckerung der aus inländischen Trau­ben gewonnenen Erzeugnisse unzulässig im Handel und Wirtsgewerbe. Für die Haus­trunkbereitung Privater ist Zuckerung selbst­verständlich auch Heuer erlaubt, dagegen haben Wirte und Weinhändler ihren Haus­trunk, wenn er gezuckert werden soll, bei dem Ortsvorsteher vorher anzuzeigen, wenn sie sich nicht straffällig machen wollen.

Gemeinnütziges.

Heller und dunkler Honig. Der durch seine Honiguntersuchungen bekannte franzö­sische Forscher Caillas findet einen Haupt­unterschied von Hellem und dunklem Honig darin, daß die dunklen Honige reich sind an mineralischen Stoffen, wie Phosphaten und Eisensalzen (ungefähr im Verhältnis von drei Viertel Phosphorsäure und ein Viertel Eisen), während die Hellen Honige nur Spu­ren davon aufweisen. Wegen dieser wich­tigen, namentlich blutbildenden Bestand­teile empfiehlt er die dunklen Honige in Fällen von Blutarmut, Körperschwäche, Ab­spannung und selbst Nervenschwäche.

Literarisches.

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