von dem russischen Gesandte» empfangen und io die russische Kapelle geleitet.

* Stuttgart, 5. Nov. (Evang. Landessynode.) 10. Sitzung.) Den Vorsitz führt Präsident v. Län­derer. Beratung des Antrags Bacmeister u. Gen. betr. eines Bibellesebuchs etwa in der Art der von der Bremen'schen Bibelgesellschaft 1894 ausgegebenen Schulbibel für die evang. Schulen Württembergs. Berichterstatter Stadtpfarrer Kopp erstattet namens der Kommission Bericht über den Antrag. Die Gründe, die gegen die Benützung der Bibel im Schul­unterricht geltend gemacht werden, sind didaktische und pädagogische. In letzterer Beziehung wird besonders darauf hingewiesen, daß in der Bibel geschlechtliche Divge mit bedenklicher Offenheit besprochen werden. Weiter sind es allgemein sittliche Bedenken, die gegen den Schulgebrauch der Bibel sprechen, das Interesse der Bibel selbst und endlich praktische Gründe. Nach­dem Redner dann die Gründe der Anhänger der Vollbibel kurz angeführt, kam er zu dem Antrag, dem Antrag Bacmeister, daß ein Bibel-Lesebuch in den evangelischen Schulen des Landes gebraucht wer­den darf, zuzustimmen mit der Einschränkung, daß wenigstens in dem letzten Schuljahre noch die Schul­bibel den Kindern in die Hand gegeben werden soll. Bet der Abstimmung wurde jedoch ein aus der Mitte der Kommission gestellter Antrag,daß ein Bibel­lesebuch als alleinige Grundlage des biblischen Unter­richts in den evang. Schulen des Landes soll ge­braucht werden dürfen" mit 5 gegen 3 Stimmen an­genommen und somit sein (des Referenten) Antrag abgelehnt. Ist ein Bibellesebuch als wünschenswert anerkannt, so fragt es sich, wie wir uns dieses Buch zu denke» haben. Das Einfachste wäre ein Auszug. Das Gegenteil davon wäre eine Schulbibel, so wie etwa die WIker'sche und die Schulbibel der Bremischen Bibelgesellschaft, die 754 Seiten umfaßt. In der Mitte zwischen Bibelauszug und Schulbtbel würde ein biblisches Lesebuch stehen. Am entsprechendsten für den Schulgebrauch erscheint dem Redner ein Bibellesebuch etwa in der Form der von der Bremi­schen Gesellschaft 1894 ausgegebenen Schulbtbel. Dieselbe kostet 2 Mk. Man glaubt, die Bibelanstalt werde es vielleicht noch etwas billiger machen kön­nen. Den Schlußantrag der Kommission saßt daher der Referent dahin zusammen: die evang. Landes­synode wolle das evang. Konsistorium bitten, darauf hinzu wirken, daß die Württ. Bibelanstalt ein Bibel­lesebuch, etwa in der Form der von der Bremischen Bibelgesellschaft 1894 ausgegebenen Schulbibel ver­öffentliche, das dann in den evang. Schulen des Landes gebraucht werden darf. Es erhebt sich eine ausgedehnte Debatte, in welcher mehrere Redner für und gegen die Einführung einer Schulbtbel sprachen. Pfarrer a. D. Schmid beantragt über den Bacmeister- schen Antrag und den Kommisstonsantrag zur Tages­ordnung überzugehen. Es sei unwahr, daß unsere Kinder durch die Bibel Schaden nehmen. Wäre dies der Fall, so wäre das deutsche Volk schon längst ein moralischer Krüppel. Zu fürchten sei auch, daß nach Einführung der Schulbtbel die Vollbibel ganz aus unser» Familien verschwinden werde. Prälat Dr. v. Müller hebt die große Schwierigkeit der Frage hervor, ob die Einführung einer Schulbtbel not-

und fefsellos inmitten der Berge seines Vaterlandes. Nachdem der Korporal ihm die Freilassung betreffenden Papiere übergeben und ihm bedeutet, daß er sich da­mit innerhalb einer Woche in Meran zu melden habe, fügte er vertraulich Hinz«:

Wenn die Herren drunten geheime Dienste von dir verlangen sollten, so sage frischweg zu, gewiß bringt es dir Glück!"

Nach kurzem Abschiedsgruße entfernten sich die Soldaten, und gleich darauf befand sich der Sträf­ling allein inmitten der tiefen Einsamkeit.

Die Sonne neigte sich bereits zum Scheiden, und die Gipfel der mächtigen Bergesriesen begannen sich mit rosigem Schimmer zu umziehen; es dauerte nicht lange, so schien es, als seien sie in leuchtenden Purpur getaucht.

Nach zwanzig Jahren sah er zum ersten Male wieder das Alpenglühen!

Auf einmal erklang melodisch vom Thale herauf das Abendläuten. Rasch eilte er zu Mer Stelle hin, die ihm freie Ausschau ins Thal hinab gewährte. Da sah er drunten seine Heimat liegen und am äu­ßersten Ende derselben sein Vaterhaus. Ob die Sei­nen wohl noch leben mochten, die guten Eltern und Weib und Kind ? Er war wieder daheim im teuren Vaterlande! Stromwetse stürzten ihm die Thränen aus den Augen, laut aufschluchzend warf er sich in das Moos, und mit beiden Armen umfing er den Boden der geliebten Heimat. 2

Und während er so dalag, ^ klang das Abend­

wendig und ratsam ist. Durch den Bibelauszug werde die Unverletzlichkeit und Integrität der heili­gen Schrift durchbrochen und ihre Autorität im Volke untergraben. Die Oberkirchenbehörde habe die Angelegenheit schon lange und ernst erwogen, sie sei aber noch nicht zu eine,. Entschließung gekommen. Die Oberkirchenbehörde werde dabei sich durch die Entscheidung der Synode mitleiten lassen. Pfarrer Stockmayer erhebt seine Stimme gegen die Einführung einer Schulbtbel. Wer kenne denn Nachweisen, daß die Sittlichkeit eines Kindes durch Lesen der sexuellen Stellen beeinträchtigt worden ist. Auf Anregung des Konf.-Prästdenten Frech. v. Gemmingen wird jetzt der vereinigte Majorität und Schwarzkopf'sche An­trag dahin modifiziert:daß ein Bibellesebach für für die evang. Schulen des Landes cingeführt wird, in welchem Zas neue Testament ganz, das alte nur mit Auswahl enthalten sein soll." Das Vorbild der bremischen Schulbibel und auch die Erwähnung der württ. Bibelgesellschaft wird allso weggelassen. Bei der Abstimmung wird der Antrag Schmid über sämt­liche Anträge zur Tagesordnung überzuzehen, abgr- lehnt und zwar mit 39 gegen 16 Stimmen. Der oben mitgeteilte modifiüerte Antrag von der Kom- misstonsmajorität und Schwarzkopf mit 38 gegen 17 Stimmen angenommen.

* Aus dem Oberland, 1. Nov. Als der Bauer S. von B . . darf abends in den Stall kam, lag sein Pferd gestreckt am Boden hart atmend und von Zeit zu Zeit sonderliche Laute anS- stoßend. Schnell wurde Hilfe geholt. Aber ratlos standen alle da; selbst der erfahreneHirtentom" wurde aus der Geschichte nicht klug. Nur die alte Annemarie fand das richtige:Des isch nir andersch. als der Schimmel isch verhext." Gleich wurde zurOperation" geschritten: Der Stallbesen wurde verkehrt hinter die Stallthiire gestellt, dem Schimmel wurde eine Schnur mit neun Knoten um den Hals gelegt, das Abflußloch für die Mistjauche wurde verstopft, im Stalle wurden drei kleine Bündel Hexenkraut aufgehängt und zum Schluß riß dieGeisterbändigerin" ein Stück Futter aus ihrem R'ckärmel und nagelte es an die Stallthür (angeblich wurde hiermit der Stachel in das Gewissen der Here getrieben, um diese von ihrem bösen Vorhaben abzu­halten) Am nächsten Morgen stand der Schimmel wieder auf allen Bieren und wieherte laut in den kühlen Morgen hinein. D'Annemeji kann doch ebbes!" sagten die wieder im Stalle versammelten Nachbarn. Aber als sie hernach mit dem Franz- toni in die Scheune traten, wurden sie eines besseren belehrt. Dielange Bütt", in der sich zählender Most befand, war zur Hälfte leer. Dastreue Vieh" war also am Abend vorher, als es, wie gewöhnlich, frei im Hofe herumlief, iu die Scheune ge­raten und hatte sich eine tüchtigeKischt" angedudelt.Un m'r merkt's em hitt au an", sagte der Franztoni,d'r Schimmel mueß a famose Katzenjammer Han, denn er hett schon dri Kiewel voll Wasser g'sofft."

* (Verschiedenes.) Beim Ueberschretten des Gleises wurde in Großsachsenheim der Brief­träger Metzger, Vater von 6 Kindern, von einer Lokomotive erfaßt und getötet. Auf dem OSer­st egen Hof bei Waldsee wurden am Allerhetligen- tage, während die Bewohner mit Ausnahme eines kleinen Mädchens sich in der Kirche befanden, aus einem Schranke 300 Mk. gestohlen. Von diesem Geld waren 100 Mk. Eigentum eines zum Militär ein- gerückten Knechtes, welches er vor seinem Abgang der Witwe zum Aufbewahren gab. Verdacht hat man auf zwei Handwerksburschen, welche durch den un­verschlossenen Stall etngedrungen sein könnten. In der Kattnmnanufaktur in Heidenheim wurde ein Arbeiter von dem Hebel einer Druckmaschine derart an den Kopf getroffen, daß er am andern Tag ge­

läutert ruhig weiter, und in immer überwältigenderer Pracht erglühten die hohen Alpenfirnen.

Das Abendläuten war längst verstummt, und auch das Alpenglühen begann zu erblassen, als der Sträfling sich erhob, mit der Hand die Augen trock nend. Nachdem er wieder ruhiger geworden, war es ihm unerklärlich, wie er einem solchen Sturme der Erregung zum Opfer fallen konnte. Vorüber war es nun mit der überströmendm Freude, anstatt wel­cher tiefe Bitterkeit Einkehr bei ihm hielt. Wohl be­fand er sich wieder in seiner Heimat, aber als ent­lassener Sträfling war er zurückgekehrt. Wer würde ihm wohl die Hand zum Gruße reichen und ein herz­liches Wort des Willkommens gönnen! Die Nach­barsleute und die ehemaligen Freunde und Bekannten hieß es nun meiden. Er meinte, daß er nach zwan­zigjährigem Alleinsein in öder Kerkerzelle den Um­gang mit Menschen entbehren gelernt haben werde. Mit einem Teile derselben mußte er aber doch ver­kehren und zwar mit seinen Angehörigen. Bet dem bloßen Gedanken an das Wiedersehen mit ihnen über­lief ihn ein leiser Schauer. Wie sollte er feinen ehrenhaften Eltern entgegentreten, und wie seinem Weibe und feinem einzigen Kinde!

Rasch schritt er dann dem Dorfe entgegen, von woher das Abendläuten erklungen. Die Sonne war allmählich hinabgesunken, dafür aber der Mond am Himmel aufgestiegen, mit seinem bleichen Silberlichte Berg und Thal umziehend. Der Sträfling hatte eine ziemliche Strecke Weges zurückgelegt, als seine Schritte langsamer wurden und er in banger Scheu

storben ist. Infolge eines Streites zwischen Schülern in Urach versetzte ein Ibjähriger früherer Lateinschüler einem 13jähr. Volksschüler einen Messer­stich, der jedoch sich weniger gefährlich erwies, als anfänglich befürchtet wurde. Gerichtliche Untersuchung ist eingeleitet. In Münklingen brannte das Wohnhaus des Gutsbesitzers Lechler vollständig nieder. Brandstiftung wird vermutet.

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* Darmstadt, 5. Nov. Nnch Meldungen aus Ltvadia verläßt der Kaiser und der ganze kaiserliche Hof Livadia am 8. Nov. und trifft am 13. in St. Petersburg ein.

* Berlin, 4. Nov. Bei der gestrigen Beratung im Reichszesundheitsamte über das Dyphther!e-Hetl- serum wurde betont, daß die praktischen Erfahrungen weitaus noch nicht gasreichen, um die allgemeine Einführung des Heilmittels unter staatlicher Autorität anzubahnen. Die Vertreter Breußens befürworten die Uebernahme der Fabrikation durch den Staat, die Vertreter der Mehrzahl der süddeutschen Staaten meinen, daß von Staatswegen vorläufig noch nicht einzugreifen fei.

* DerReichsanz." veröffentlicht eine kaiserliche Verordnung, wonach unter Aufhebung des für den Zusammentritt des Reichstags durch die Verordnung vom 23. Oktober d. I. bestimmten Termins der Reichstag berufen wird, am 5. Dezember d. I. in Berlin sich zu versammeln.

* An den Reichskanzler Fürsten Hohenlohe hat der Vorstand des Vereins des ostpreußischen land­wirtschaftlichen Zentralvereins eine Adresse gerichtet. Sie betrifft Maßregeln zum Schutz der Landwirt­schaft, insbesondere Aufrechterhaltung der Bieh-Einfuhr- beschränkungen und veterinärpolizeilichen Vorschriften.

* Dresden, 2. Nov. Die große Sozietäts­brauerei Waldschlößchen, welche seit länger als 7 Monaten unter dem Boykott der Sozialdemokraten stand, hat, wie schon kurz berichtet, kapituliert. Die Verwaltung veröffentlicht eine Erklärung, wonach sie aus Rücksicht auf die vielen Gewerbetreibenden, die unter dem Boykott zu leiden hatten," nachgegeben und den Sozialdemokraten zugestanden hat, daß ihr Park am 1. Mai 1895 und an 2 oder 3 Sonntagen des Sommers 1895 der Arbeiterschaft zur Verfügung stehe und daß sie keinen bei ihr beschäftigten Brauer oder Arbeiter wegen Zugehörigkeit zu einer Organi­sation maßregeln noch entlassen werde, übrigens unter Wahrung ihrer vollen Freiheit, ihre Arbeiter ohne Rücksicht auf Parteistellung anzunehmen oder zu ent­lassen. Diese Erklärung, welche in der sozialdemo­kratischen Presse mit Recht als ein glänzender Sieg bejubelt wird, erregt umsomehr das Befremden der bürgerlichen Parteien, als von Letztere» zur Unter­stützung der durch den Boykott bedrohten Gewerbe­treibenden ansehnliche Mittel (nahezu 10000 Mark) berettgestellt und verwendet worden waren.

* (Der Meineid als Profession.) Nach zweitägiger Verhandlung ging am 28. Oktober vor dem Schwurgerichte in Dortmund eine Verhandlung zu Ende, welche sin sehr düsteres Bild davon gab, in welcher Weise oft mit der Heiligkeit des Eides um- gesprungen wird. Auf der Anklagebank saßen eia Winkelkonsulent und drei Bergleute, welche sich ver-

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nach einem kleinen freien Platze starrte. Krampfhaft zog sich seine Brust zusammen, war es ihm doch, als sehe er dort einen blutigen Leichnam liegen, dessen glanzlose Totenaugen unheimlich drohend nach ihm starrten.

Schreckgespenst, bist du mir aus dem Kerker auch in die Freiheit nachgefolgt?!" rief er entsetzt, während er bleich und zitternd am Wege stand. Ge­waltsam suchte er sich endlich zu fassen, um das Fürchterliche zu verscheuchen, was ihm endlich auch gelang. Dafür schimmerte ihm eine weiße Tafel ent­gegen, auf die er, trotz seiner Angst, rasch zutrat. Was er auf derselben las, erfüllte chn mit Jammer und Schmerz; es stand darauf geschrieben:Hier wurde am 10. Februar 1789 der Jude Moses Stei­ner um gebracht."

Ein bleibendes Denkmal hatte man also seinem Verbrechen in dieser Tafel errichtet, dazu bestimmt, dem Volke die Schauerthat immer aufs neue ins Ge­dächtnis zurückzurufen. Darüber erfaßte chn heißer Grimm, und in wilder Verzweiflung wollte er die Tafel mit gewaltigem Rucke aus der Erde reißen, um sie in den nahen Abgrund htuabzuschleudecn; aber es war ihm plötzlich, als lähme eine unsicht­bare Macht seine Kräfte. Erschüttert schlug er vte Hände vors Gesicht, dann fiel er auf die Kntee nie­der, an derselben Stelle Gott in heißem Gebete um Vergebung seiner Mtffethat anstehend, au welcher er dereinst einen Mord begangen.

(Fortsetzung folgt.)