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Donnerstag dw 8. Wovemßer

Bekanntmachungen aller Art finden die erfolg­reichste Verbreitung.

Einrück- ungSprei» f. Altensteig und nahe Umgebung bei imal. Einrückung 8^, bei mehrmal

j- 6 ^ auswärts je 8 ^ die Ispalt.Zeile

1894.

In Fünfbronn ist die Maul- und Klauenseuche wieder erloschen.

Gestorben: Kunstmaler Bolz, Biberach; Direktor Schuster, Königsfeld; Papierfabrikant Roser, Miesbach; Landrichter Wal- cher, Ellwangen; Hechtwirt Kaufmann, Tuttlingen. In Amerika: Christ. Schaible aus Neuweiler.

Wer führt den Kampf?

Ter Kampf gegen den Umsturz muß geführt werden. So wie bisher kann's nicht weiter gehen. Wögen die zahmen Revolutionäre ihre Krallen noch so sehr unter den Sammeipsötchen bergen sie täuschen nur den, der sich täuschen lassen will. Der eine Teil des Volks wird so verhetzt, daß er nur noch der angistacheltev Leidenschaft des Haffes folgt; und der andere Teil wird irre an der Obrigkeit, weil er von ihrem Eingreifen nichts spürt. Schon jetzt kann man von ernsten Männern hören, daß durch die Lauheit und Laxheit die Umstürzler geradezu ge­züchtet würden, daß die unheimliche Ernte von heute nur der Saat entspreche. Die Sozialdemokratie fühlt sich als Herrin der Lage, mindestens als Herrin der Zukunft. Und wenn auch bei ihr, wie bei den revo­lutionären Parteien oller Zeiten, viel aufgeblasene Großsprecherei mit im Spiele ist, sie kann sich ihrer Erfolge freuen. Diese Erfolge liegen nicht nur aus dlm Gebiete der Ausdehnung, so dumm ist sie nicht, daß sie die Stimmen der Herden-Mitläufer voll in Ansatz bringt, sondern sie bestehen viel­mehr in dem Drucke, den sie auf den Mittelstand ausübt, und in der scheinbaren Ratlosigkeit der Führenden ihr gegenüber. Sie har's so weit gebracht, daß die revolutionären Redensarten kaum mehr auf- sallcn, daß die Vorbereitung des Umsturzes als gleich, berechtigte politische Thätigkeit gelten kann. Die höhnischen Verunglimpfungen des Höchsten und Heilig­sten erregen kaum mehr die Gemüter; die fanatischen Ausbrüche einer leidenschaftlichen Wut, die den zün­denden Brand in tausend leichtentzündltche Herzen Wersen, werden nicht gehindert. Was heute unter den Augen der Obrigkeit gesagt werden darf, würde unfern Ahnen kaum glaublich erscheinen. Jst's da ein Wunder, daß die Menge irre wird, daß sie den rechten Stundpunkt verliert, daß sie allmählich an Revolution sich gewöhnt? Wir sind nachgerade auf dem Punlte ongekonmen, jcnseit dessen es keine Um­

kehr mehr giebt. Selbst die Festesten werden wankend und die Sichersten werden irre. Ehe es zu spät ist, muß der Kampf begonnen werden. Unser Kaiser hat uns gerufen. Wir folgen. Aber wer führt den Kampf?

Das Heer ist noch fest und treu, ein Bollwerk gegen die roten Bataillone, ein Damm gegen die Flutwellen der Revolution. Aber wie lange? Wie viele von den Rekruten sind schon von dem Giftstoffe durchseucht und tragen die Flamme des Haffes im Herzen! Wir wollen nicht zu viel sagen; aber bas ist sicher, daß immer mehr Versuche gemacht werden, das Heer zu durchwühlen, und daß manche Versuche nicht erfolglos gewesen sind. Nur dann kann das Heer fest und sicher bleiben, wenn die breite Masse des Volkes fest und sicher bleibt.

Wer führt den Kampf? Etwa der Kapitalis­mus, der Götze dieser Zeit, vor dem sie sich beugt in unwürdiger Demut? Das wäre gerade der rechte Held, dieser müde, begeisterungslose, profithungrige Geselle. Der Kapitalismus ist international, er hat kein wesentliches Interesse an dem Gedeihen der Nation. Der Kapitalismüs ist religions- und kon­fessionslos, er hat kein wesentliche? Interesse an dem Schutz der Altäre. Der Kapitalismus ist anpassungs­fähig, er hat kein wesentliches Interesse an der Festig­keit der Throne. Für den Kapitalismus ist allein der Profit ausschlaggebend. So lange die Obrigkeit die Nachtwächterdienste am Geldschranke versieht, läßt er sie sich gefallen, ja gefällt sich bisweilen in billigen Bezeigunken monarchischer Gesinnung. Zeigt die Regierung »Verständnis" für seine Interessen, dann hat er auch ein wenig für sie übrig.

Wer führt den Kampf? Es kann ihn niemand führen als der Mittelstand. Hier ist noch der Glaube der Väter heimisch und ihre Sitte, hier sitzt noch die Königstreue im Herzen und die Achtung vor der gott- geordneten Autorität, hier ist noch Mut und Be- geisterungssähigkeit, hier waltet noch Heimatltebe und vaterländischer Sinn. Aber wie lange noch? Von hüben und drüben spülen und lecken die Wogen, von unten die Schmutzwellen der revolutionären Ver­hetzung, von oben die gierigen, zernichtenden Sturz­wellen der kapitalistischen Uebcrflutung. Es bröckelt hier und dort. Gegen die Schlammwellen der Revo­

lution wird sich der Mittelstand schützen; gegen die kapitalistische lieber flutung kann er sich nicht allein schützen. Hier muß ein fester Damm aufgeführt werden. Aber die Zeit drängt. Ist die Ueber­flutung geschehen, daun ist keine Rettung mehr. Mittelstandspolitik ist die beste Waffe im Kampfe gegen den Umsturz. (D. Tages-Ztg.)

LaadeSuachrichte«.

* Altensteig, 7. Nov. Der hiesige Turnverein ließ seinem Kassier, Hra. Fritz Henbler, Flaschner, welcher die Stelle seit nahezu 26 Jahren mit treuer Hingabe begleitet, eine verdiente Anerkennung zuteil werden. In der Versammlung am Samstag abend überreichte ihm der Vereinsvorstand mit einer paffen­den Ansprache einen schönen Regulateur. Der Beschenkte war über die erwiesene Aufmerksamkeit sehr erfreut. Die Turner wünschen, daß der bewährte Kassier, welcher auf einen guten Stand der Kaffe stets was hält, noch viele Jahre dieselbe verwalten möge.

* Sulz (Wildberg), 5. Nov. Bei der heute hier vorgenommencn Wahl eines Ortsvorstehers an Stelle des am 30. Sept. verstorbenen Schultheißen Gayer haben von 178 Wahlberechtigten 168 abgestimmt. Gewählt wurde Gcmeinderat Johannes Dengler mit 100 Stimmen. Auf Gemeinderat Friedrich Wörner fielen 65 Stimmen, auf Gcmeinderat Friedrich Rühm 3 Stimmen.

* Dornstetten, 5. Nov. Heute morgen um 3 Uhr wurde die Feuerwehr allarmiert. Es brannte das geräumige Waschhaus des Stadtmüllers Sailer in kurzer Zeit nieder.

* Stuttgart, 2. Nov. Der begehrteste Artikel in den hiesigen Geschäften ist gegenwärtig zweifel­los der Zucker. Die Geschäfte kommen oft thal­sächlich bei dem Drängen der Kunden in Verlegenheit. Und das hat mit seiner Säure, der neue Wein gethan.

* Stuttgart, 4. Novbr. An dem heutigen feierlichen Trauergottesdievst für den verstorbenen Zaren in der russischen Kapelle der Villa Berg nahm der König und die Königin, die Mitglieder des König­lichen Hauses, die Staatsminister, das diplomatische Corps und die Generalität teil. Der König und die Königin wurden bei ihrer Ankunft in der Villa Berg

Keimgefunden.

Roman von Wilhelm Appell.

(Nachdruck verboten.)

1.

Trotzdem der Februar noch nicht zu Ende, gab es im Jahre 1809 im südlichen Teile Tirols bereits die wonnevollste Frühlingszeit.

Es war am späten Nachmittage, und in wolken­loser Klarheit breitete sich der Himmel über das Pas- feierthal. Tiefes Schweigen herrschte rings umher, und nicht ein Lüftchen regte die Wipfel der hohen Bäume. Plötzlich tauchte auf eng gewundenem Waldes­pfade, der oft über Felsentrümmer und Schuttgeröll emporsührte, eine recht sonderbare Gesellschaft auf. Voran schrill, bekleidet mit einem grauen Gewände, ein Mann von einigen vierzig Jahren, dessen Hände durch eiserne Handschellen gefesselt waren. Sein Ge­sicht war aufgedunsen und von krankhafter Bläffe. Aus seinen tiefliegenden, dunklen Augen leuchtete ein unheimliches Feuer, das jedoch mehr nach innen als nach außen zu brennen schien. Seine drei ihm nach­folgenden Begleiter waren bayrische Soldaten, denen das ungewohnte Bergsteigen ebenso unbehaglich als ermüdend war.

Als sie auf einen kleinen, freien Platz gelangten, blieben sie ausruheud stehen, wozu sich auch der ge­fesselte Mann nicht erst heißen ließ, da er ebensall? ziemlich ermattet war. Nachdem die Soldaten sich durch einen tüchtigen Schluck Branntwein gestärkt, nahm der Aeltestr derselben, seiner Auszeichnung nach

ein Korporal, die Feldflasche und hielt sie dem Sträfling an den Mund, welcher das ihm gebotene Labsal dankbar entgegeunahm.

Nachdem sie sich gemeinschaftlich auf einem mit Moos überzogenen Felsblocke niedergelassen, teilte der Sträfling über eindringliches Fragen des Korporals mit, daß er durch volle zwanzig Jahre in Mähren auf dem Spielberge gesessen, wohin man ihn nach seiner Verurteilung gebracht, da man seiner Verwegen­heit wegen ein tiroler Gefängnis nicht für sicher ge­nug gehalten.

»Es handelte sich um eine schwere That ich hatte unschuldiges Menschenblut vergossen! Es ist grausig, mit einem Ermordeten, der nicht weichen will, die dunkle Kerkerzelle teilen zu müssen; Tag und Nacht grinste er mich mit seinen glanzlosen star­ren Totevaugen an!"

Mit scheuen Blicken sah der Sträfling vor sich n'eder, nachdem er geendet. Die Mordthat desselben ließ die Soldaten jedoch ganz kalt, und der Korporal rief unter rohem Lachen:

»Unschuldig vergossenes Menschenblut l Menschen- blut floß, während du im Kerker warst, in Strömen, daß es ein ganzes Meer hätte zum Ueberlaufen bringen können!"

Hierauf machte es dem Korporal Vergnügen, in seiner derben Art und Weise ein großardges Stück Weltgeschichte an dem Sträflinge vcrüberztehen zu lassen, der noch keine Ahnung davon hatte, was sich d e letzten zwanzig Jahre über zugetragen. Von der Erstürmung der Basttlle unv dem KövtgSmorde an­

gefangen, ging es fort bis auf die blutigen Ereignisse der letzten Tage.

Dem Sträflinge wurde davon ganz wirr im Kopfe und er meinte, mit offenen Augen bei helllichtem Tage einen phantastischen Traum zu träumen. Als er aber auch erfuhr, daß Tirol seit einigen Jahren nicht mehr österreichisch, sondern Bayern angehöre, da sprang er erschrocken empor und starrte den Sprecher an, als könne er das Vernommene nicht fassen. Als er meinte, daß der Korporal wohl nur Spaß mit ihm treibe, rief ihm dieser zu:

»Tragen wir die weißen Jacken der Kaiserlichen? Du mußt doch sehen, daß wir bayrische Soldaten sind l"

Während der Sträfling seine Blicke über die im Sonnenschein vor ihm liegenden Berge und Thäler schweifen ließ, klang es immer in ihm wieder:

»Tirol ist nicht mehr österreichisch, Tirol gehört zu Bayern!"

Nachdem sie wohl eine Stunde geruht haben mochten, zogen sie wieoer weiter. Als sie zu einer Waldlichtung gelangten, von welcher aus der Weg zu Thale führte, befahl der Korporal, abermals zu hal­ten; mit der Hand hinunterdeutend, sprach er gelassen zu dem Sträfling:

»Dort liegt deine Heimat, und unser Dienst hat somit ein Ende. Um uns eine Mühe zu ersparen, kannst du dich selbst beim Vorsteher melden, da es ohnehin nur eine leere Förmlichkeit ist."

Nach diesen Worten wurden dem Sträflinge die Ketten geöffnet, und gleich darauf stand dieser frei