pörender Roheit wurde in der Nacht vom Samstag von 3 hiesigen Burschen au einem hier in Arbeit stehenden Glasergehilfen begangen. Der letztere hatte während seiner Militärzeit in seiner Eigenschaft als Unteroffizier einen der 3 Burschen mit Arrest bestraft und aus Rache hiefür überfiel dieser nun mit seinen Genossen den Mann, den er von einer Wirtschaft aus verfolgte auf der Straße, schlug ihn zu Boden und mißhandelte ihn mit seinen Komplicen derart, daß der Arme bewußtlos liegen blieb; „der ist wohl hin" äußerte der rohe Bursche, als ihn einer seiner Kameraden auf d'en regungslos Daliegenden hinwies. Der Niedergeschlagene, Namens Wilhelm, wurde auf die Polizeiwache gebracht, dort verbunden und dann nach dem Bezirkskrankenhaus geschafft. Die drei Burschen, von denen einer noch einen scharf geladenen Revolver bei sich trug, wurden noch in der Nacht verhaftet, und ins Amtsgericht abgeliefert.
* Stuttgart, 12. Äug. Bou der Regierung find verschärfte Maßregeln zur Einschränkung der in Württemberg eingeschleppten Schweineseuche angeordnet worden; sämtliche Landjäger und Polizeioffizianten find angewiesen, jedem Führer einer wandernden Schweineherde ein Gesundheitszeugnis über den seuchensreien Bestand der Herde abzuverlangen. Das Ministerium weist auf die große Gefährlichkeit der verheerenden Seuche hin und empfiehlt mit Rücksicht darauf, beim Einkauf von Schweinen in der nächsten Zeit recht vorsichtig zu sein und vom Einkauf von Triebschweinen womöglich vorläufig abzusehen.
* Stuttgart, 13. Aug. In den weitesten Kreisen der württembergischen Gewerbetreibenden wird es längst als eine Ungerechtigkeit empfunden, daß bet dem gegenwärtigen Einschätzungsverfahren zur Festlegung der Besteuerungsguote nicht gestattet ist, die auf dem Gewerbebetrieb lastenden Schulden in Abzug zu bringen, und der Verband württembergischer Gewerbevereine hat dem Vernehmen nach auch bereits sich in einer Petition an die Staatsregierung ge wandt mit der Bitte, an Stelle des bisherigen Einschätzungsverfahrens die unmittelbare Fasston des Steuerpflichtigen treten zu lasten. — Wie man hört, ist in den Reformprojekten auf finanziellem Gebiet, die dem künftigen Landtag zugehen werden, den genannten Wünschen thunlichst Rechnung getragen.
* Btberach, 14. August. Eine Blutchat setzt die Stadt in große Aufregung. Die Angehörigen des Orgelbauers Scheffold saßen gestern abend 7 Uhr beim Nachtessen, als ein Fremder hereintrat und 6 Schüsse aus einem Revolver auf die Familie ab- fexerte. Die Tochter wurde in die Schulter und einen Finger getroffen, die Mutter in den Oberschenkel. Das Dienstmädchen erhielt einen Schaß auf die Brust, der aber am Korsett abprallte. Der Thäter ist ein früher im Hause wohnhaft gewesener Schloffer- geselle Namens Tobias Dobmayer aus Bayern. Das Motiv der That ist verschmähte Liebe. Er hatte mit der Tochter des Hauses ein Verhältnis anzuknüpfen versucht, das jedoch von dieser und den Eltern abgewiesen worden war. Der Attentäter war vorgestern von Ochsenhausen, wo er in Arbeit steht, direkt hier- hergekommen, um die Mordthat auszuführen.
* (Verschiedenes.) Am letzten Sonntag find einem Schäfer in Schwörzkirch (Ehingen) die
Kerzenswandtungen.
Roman von I. v. Böttcher.
(Fortsetzung.)
»Ich hoffe," die Signora befindet sich heute im besten Wohlsein," war seine glatte Begrüßung, aber Jda beachtete dieselbe nicht.
»Giuseppe," sagte sie ruhig und eintönig, als wiederhole sie eine eingelernte Lektion, ich kann Ihnen heute morgen nur fünfhundert Pfund geben. Ich habe alles versucht, die Summe, welche Sie gefordert, axfzubringen, aber ich konnte es nicht, es war mir unmöglich."
„Aber vielleicht würde Ihr Herr Gemahl —"
»Ich habe ihn darum gebeten, Giuseppe, er hat mir das Geld verweigert."
Mit einem Gefühl unbeschreiblicher Demütigung sagte sie die Worte leise. War sie denn so tief gesunken, daß sie diesem elenden Abenteurer eingestehen mußte, wie wenig sie über ihren Gatten vermochte?
Giuseppe runzelte die Stirn.
»Ich habe tausend Pfund gefordert!"
»Ich weiß es und habe Ihnen gesagt, daß ich Ihnen nicht mehr geben kann, als fünfhundert. Nehmen Sie dieselben, Giuseppe, und gehen, oder thun Sie, was Ihnen beliebt."
Der Ton verzweifelter Gleichgültigkeit sagte dem Schurken, daß er nicht weiter gehen dürfe.
„Es muß genügen!" rief er, sich das Kinn streichend, „wenn die Signora wirklich nicht mehr für einen Mann thun konnte, der die Interessen Ihrer
Schafe aus dem Pförch ausgebrochen; dieselben sprangen in ein Kleefeld, wo 14 Stück sich überfcaßen und deswegen schleunigst g.tötet werden mußten; auch in Niederhofen mußten 22 Stück infolge Ueber- fütterung geschlachtet werden. — Zn einem Nachbarorte Hetlbronns erhielt letzthin eine Hausfrau folgendes Schreiben: „Geehrte Frau L Mit Beifolgendem möchte ich eine alte Schuld bezahlen, dis mich schon lange drückt. Ich habe nämlich als Kind einen Knäuel Garn gefunden und wußte, daß ec ihnen gehörte. Verzeihen Sie mir." Gewiß ist der reuigen Briefschreiberin von Herzen verziehen worden; dachte doch niemand an diesen unbedeutenden Vorfall, der sich vor Jahren abgespielt. — Ein junger Kaufmann entwickelte in Ulm einen guten Appetit in einem dortigen Gasthause. Derselbe aß infolge einer Wette nacheinander folgendes: Beefsteak mit,'Kartoffel, Wiener- schnitzel, 1 Paar Wienerwürste, Goulasch, saure Leber, Rühreier, Schachtelkäse mit dem nötigen Brot und Bier. — Der Sohn des Posthalters in Hausen ob Lonthal stürzte so unglücklich von seinem Fruchtwagen, daß er kurz nachher den Geist aufgab. — Infolge von Familienzwistigkeiten hat sich die Ehefrau des Mechanikers Karle in Degerloch gemeinsam mit ihrem dreijährigen Kinde ertränkt. — Der Bauer Kasper Weber in Nöttingen stürzte durchs Garbenloch herunter und war sofort tot. Er hinter- läßt eine Witwe mit sechs Kindern. — Der Schultheiß Haug von Dettingen blieb mit 8 Bürgern über die Polizeistunde hinaus im Wictshause sitzen. Da er aber als ordentlicher Schultheiß ohne Ansehen der Person strafen wollte, so belegte er alle vier, d. h. auch sich, mit je 1 Mk. Strafe. Freilich, hinterher wurde ihm das leid, er gab Jedem die Mark wieder zurück und vernichtete die Strafverfügungen. Leider trug ihm das einen üblen Lohn ein. Das Landgericht Ulm verurteilte ihn am 9. August wegen Beseitigung von Urkunden zu 1 Monat Gefängnis.
* Karlsruhe, II. August. Durch einen Erdrutsch wurde die Murgthalbahn oberhalb Obertsroth unfahrbar. Die Betriebsstörung dürfte 4—5 Tage dauern; der Personenverkehr wird durch Omnibus oder Umsteigen ermöglicht.
* Mannheim, 12. Aug. In Urspringen in Unterfranken starb ein Sonderling, d.r Schneider Joseph Äoldberg, den Hungertod. Er nährte sich nur von Brod und Kartoffeln und ging, wenn es im Orte nichts zu thun gab betteln, odschon er ein Vermögen von mehr als 50,000 Mk. besaß. In Mannheim wurde er vor einiger Zeit wegen Bettelns verhaftet; man fand damals bei ihm 20,000 Mk. in Banknoten. Nachdem die Mannheimer Polizei durch telegraphische Anfrage in Goldbergs Heimat den rechtmäßigen Besitz des Geldes festgestellt hatte, wollte sie den sonderbaren Bettler abends aus der Haft entlassen. Dieser bat jedoch bis zum andern Morgen bleiben zu dürfen, damit er das Schlafgeld spare. Dieser Tage brach er auf dem Wege von Würzburg nach Urspringen entkräftet auf der Straße zusammen und starb am folgenden Morgen. Der Kosten wegen wollte er nicht dulden, daß ein Arzt Herbeigerusen werde. Es wurde Tod durch Verhungern festgestellt.
* Heidelberg, 11. August. Als in der letzten
Familie treu gewahrt hat," und nahm die Banknoten, die auf dem Tisch lagen.
„Meiner Familie!" sagte sie bitter.
»Ja, gnädige Frau, des Geschlechts L'Echelles. Glauben Sie, ich würde das Geheimnis bewahrt haben, wenn es sich nicht um Ihre Mutter handelte? Ich mag ein armer Mann sein, gnädige Frau, von vielen verachtet, selbst von Ihnen, aber ich habe nichtsdestoweniger ein Gewissen, und die L'Echelles waren meine Herren lange Zeit, ehe Sie geboren waren."
„Leben noch welche von ihnen?" fragte Jda matt.
„Leider nein, ausgenommen Ihre Mutter."
„Giuseppe," sagte Jda in dringendem, fast befehlendem Tone: „Giuseppe, wer ist meine Mutter? Ich will es wissen!"
Giuseppe lächelte.
»Nun, gnädige Frau, ich sehe keinen Grund, weshalb Sie es nicht wissen sollten. Gestern hätte ich es Ihnen nicht sagen können, heute weiß ich, wer sie ist. Es ist ein schöner, vornehmer Name, den fie trägt, der in der Pariser Gesellschaft einen guten Klang hat. Ah, ich sehe. Sie werden ungeduldig, und vielleicht mit Recht. Ihre Mutter, gnädige Frau," und hier senkte er seine Stimme, als Jda mit bleichen Wangen und ängstlich gespanntem Blick sich vorbeugte, »Ihre Mutter ist die Gräfin Avioli."
Jda stieß einen leisen, dumpfen Schrei aus.
„Die Gräfin Avioli! Unmöglich!"
„Nicht allein möglich, gnädige Frau, sondern wahr," antwortete Giuseppe nachlässig. „Das überrascht Sie? Nun, die L'Echelles haben leichte und
Nacht vier Korpsstudenten wegen Ruhestörung durch die Polizei verhaftet werden sollten, stürmten fünf Kommilitonen mit dem Rufe: „Burschen heraus!" auf die Polizeibeamt-m ein und suchten die Verhafteten zu befreien. Es gelang der Polizei, die Oberhand zu gewinnen und „alle Neune" in Haft zu bringen. Sie werden unter Anklage gestellt.
* Königsberg i. Pr., 14. Aug. Die „Hart- ungsche Zig." meldet amtlich: Bei den Erkrankungen in Niedzwedgen handelt es sich nicht um Vergiftung durch verdorbene Häringe. Die Untersuchung der Verstorbenen habe Cholera afiatica ergeben.
Ausländisches.
* Wien, 14. August. Das Belgrader Blat Malenovine beschuldigt Pasitsch, sich in Petersburg engagiert zu haben, um einen russischen Prinzen auf den serbischen Thron zu bringen. Das Blatt behauptet, sein Redakteur habe diese Mitteilung von Stambulvff erhalten.
* Rom, 14. Aug. Der König übernahm die Erziehung des Sohnes des ermordeten Journalisten Band!.
* P a.r i s, 13. Aug. Der große Anarchisten- Prozeß endete mit der Freisprechung sämtlicher Theoretiker und der Verurteilung der notorischen Einbrecher. Ocdiz, der den Urteilsspruch ruhig entgegennahm, erhielt 15 Jahre Zwangsarbeit. Vor dem Justizpalast, wo sich eine große Zahl Neugieriger an gesammelt hatte, kamen Ruhestörungen nicht vor.
* Paris, 14. August. Das „Journal osficiel" veröffentlicht das Ueberetnkommen mit Deutschland über die Abgrenzung der Gebiete in Kamerun.
*Lyon, 13.'August. Seit 48 Stunden hat Caserio seine bisher an den Tag gelegte Ruhe eingebüßt. Wiederholt schreckt er nachts von seinem Lager empor, starrt auf irgend einen Punkt seiner Zelle und sinkt dann, von kaltem Schweiß bedeckt, zusammen. Diese Anfälle sind von kurzer Dauer, aber zuweilen von besonderer Heftigkeit. Den wiederholten Fragen der Wächter, ob er schwere Träume habe, setzt der Verurteilte beharrliches Schweigen enigegen.
* London, 11. Aug. Nach einer Meldung des Bureau Reuter aus Shanghai verlautet dort, daß 12 000 Mann japanische Truppen in Fusan und 8000 Mann in Gensan gelandet find. Dieselben sollen sich um Söoul zusammenziehen, um den von Norden kommenden Chinesen entgegenzutreten. — Von eben daher wird der „Times" berichtet, daß das Tsung-li-Uamen den Fremden im Innern des Landes Schutz und Sicherheit verbürgt hat.
"London, 13. Aug. In Aldershot, wo der deutsche Kaiser heute die Truppen Revue passieren ließ, waren große Vorsichtsmaßregeln getroffen worden. Der Kaiser wurde von einer Abteilung Royal-Dragoner begleitet. Dienstag reist der deutsche Kaiser über Gravesend nach Deutschland zurück.
* London, 14. August. Kaiser Wilhelm stattete gestern nachmittag der Kaiserin Eugsnie in Facn- borough Hall einen Besuch ab.
* Al d er sho t, 14. Aug. Der Besuch Kaiser Wilhelms bei der Ex-Katserin Eugenie, die das benachbarte schloß Farnborough Hill bewohnt, dehnte
gleichzeitig kühne Herzen. Ein Mord mehr oder weniger auf dem Gewissen, bedeutet nur wenig, und, bet meiner Treu, die Dame trägt den Kopf hoch genug! Es ist ihr alle die Jahre gelungen, sich mir zu entziehen, jedoch wußte ich, daß ich sie endlich finden würde."
„Die Gräfin Avioli meine Mutier," wiederholte Jda langsamer, als sei sie sich der ganzen Bedeutung dieser Worte noch nicht vollständig bewußt.
„Die Gräfin Avioli Ihre Mutter und Mörderin Pierre L'Echelles," sagte Giuseppe.
„Und ich liebte diese Frau!" entrang es sich Jdas zitternden Lippen.
„Steht es so?" fragte der Italiener. „Nun, der Instinkt der Natur ist wunderbar. Sie hatten keine Ahnung davon, daß sie Ihnen das Leben gegeben und dennoch —"
Jda winkte ihm schaudernd zu schweigen.
Nach einer minutenlangen Pause hob Jda wieder an:
„Weiß die Gräfin, daß — daß —"
„Daß Sie ihr Kind find?" fiel ihr Giuseppe ins Wort. „Nein, gnädige Frau, es lag nicht in meinen Plänen, daß sie das Entzücken genießen sollte, ihre wiedergefundene Tochter an ihr Herz zu drücken, das Kind, welches sie schon lange als tot betrauert."-
„Sie wird es nie thun," erwiderte Jda, unwillkürlich die Hände ballend.
Giuseppe betrachtete sie lächelnd.
»Die Signora teilt meine Gefühle," sagte er mit grausamer Schadenfreude. Ich wußte von Anfang