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(Amtliches.) Die Wahl des ungeprüften Verwaltungskandidaten Hermann Weik von Mött- lingen, Oberamts Calw, zum Ortsvorsteher der Gemeinde Gochsen, Oberamts Neckarsulm, wurde am 8. September d. Js. von der K. Regierung des Neckar kreiseS bestätigt.

Tübingen 12. Sept. Im Alter von 57 Jahren ist hier der Professor Dr. Karl Waitz von der naturwissenschaftlichen Fakultät gestorben. Er war in Marburg geboren, besuchte die Universitäten Heidelberg und Berlin, 1877 war er Assistent am Polytechnikum in Karlsruhe, 1883 wurde er in Tübingen Privatdozent der Physik, 1891 a. o. Professor, 1907 ordentlicher Honorar-Professor. Da« ist schon der zweite Verlust, der' die Universität in diesen Ferien trifft. Zur Bekämpfung de« Staubes, der hier immer lästig, diese» trockene Jahr mit den vielen umwälzenden Tiefbauarbeitev aber besonder» stark und unangenehm ist, werde» hier neue Versuche mit Apokonit gemacht. Westrumit hat sich voriges Jahr gar nicht bewährt.

Tübingen 11. Sept. (Alle« wird teurer.) An den Universitätskliniken tritt mit dem 1. Oktober d. I. eine Erhöhung de« nied­rigsten Verpflegungssätze», der besonder« auch den Krankenkassen zukommt, von 1 Mk. 20 Pfg. auf 1 Mk. 50 Pfg. für den Tag ei», nachdem die anderen Verpflegungssätze schon vor einiger Zeit neu geordnet worden sind. Diese Maßregel war angesichts der großen Steigerung der Be­triebskosten in neuerer Zeit, die zu einer Er­höhung der Verpflegungssätze an allen Kranken­häusern des Lande« geführt habe», nicht länger zu umgehen. Auch der neue Verpflegungssatz der Tübinger Kliniken bleibt hinter den Sätzen der anderen Krankenhäuser und zwar zum Teil sehr erheblich zurück, er ist viel niedriger bemessen al« an alle» anderen Universitätskliniken. Wenn die Erhöhung in so mäßigen Grenzen gehalten wurde, so daß der Staat auch künftig bei jedem Kranken dieser Kaffe täglich einen bedeutende» Zuschuß leisten muß, so geschah die«, um auch fernerhin die Benützung der ausgezeichneten Kräfte und Einrichtungen der Universitätskliniken de» Kranken de« ganzen Lande», namentlich auch den Angehörigen der Krankenkassen, in weitestem Maße zu ermöglichen. Bei bedürftigen Kranke«, die sich auf eigene Koste» zu verpflegen habe», bleibt nach wie vor eine Ermäßigung, in beson­deren Fällen auch der ganze Nachlaß der Ver- pflrgungskostrn Vorbehalte«.

Kirchheim u. T. 12. Sept. (Fran­zösische Spionenfurcht.) Ein au« dem hiesige« Bezirk stammender Schäfer und sei» Freund weilten geschäftshalbrr einige Tage in

einer französischen Grenzfestung. Als sie in der Umgebung der Stadt spazieren gingen, kamen sie an einem Grenzfort vorüber. Am andern Tag wurde» sie unter dem Verdacht der Spionage in ihrem Gasthau» verhaftet. Nach längerem Verhör ließ man sie frei mit der Aufforderung, die Stadt zu verlasse«. Bekanntlich hat der schwäbische Schäfer oder seine Marke von jeher bei der französischen Spionenfurcht eine große Rolle gespielt.

Kirchheim u. T. 12. Sept. (Groß­feuer.) Innerhalb 14 Tagen ertönte heute früh '/-5 Uhr zum zweiteumale Feueralarm. In einer Remise, die direkt an da« Gasthau« zum Reichshut" angebaut ist und mit Heu- und Holzvorräten angesüllt war, war Feuer ausge- brocheu, da« bei seiner Entdeckung durch die Nachbarschaft schon große Dimensionen ange­nommen hatte und alsbald auf da» Wirtschafts­gebäude übersprang, da« von 4 Familien bewohnt war. Die Lage war äußerst kritisch, da da« Brandobjekt zwischen Gebäude völlig eingekeilt ist und rückseitig an die Kaserne und sog. Wollhalle anstoßt. Die Feuerwehr war rasch zur Stelle. Sie griff mit 4 Strahlrohren ein, außerdem wurde die Dampfspritze in Tätigkeit gesetzt, durch deren vorzügliche» Arbeiten der Brand lokalisiert werden konnte. Die Remise ist völlig ausgebrannt und der Dachstock de» Wirtschafsgebäudes eben­falls zerstört. Da« ganze Gebäude hat durch Wasser Not gelitten und wird völlig abgetragen werden müssen. Eine Familie hatte Mühe, ihre Kinder zu rette«.

Gündelbach OA. Maulbronn 12. Sept. Wie allerorts, so war auch hier die Wespen­plage groß. Einen erfolgreiche» Kriegtzug gegen die lästigen Schädlinge habe» die Schul­kinder geführt. Der Anregung ihre« Lehrer- folgend, habe» sie in 10 Tage» im ganze» rund 31000 Wespen gefangen und bei der Ge­meindepflege abgeliefert, die da« Tausend mit 50 ^ honorierte. Mit dem Erlös wurde ein schöne« Bild zur Ausschmückung de« Schulsaales beschafft.

Heilbron». Die Mitteilung über da« Geständnis de» Grfängnisgehilfen Mezger, der dem angebliche« Grafen Paffy hier zur Flucht verholfe» hat, ist avzufügen, daß Mezger schon die erste Flucht de» Gefangenen er­möglicht und daß er ihm in beide« Fälle» die Zrllentüren heimlich geöffnet hat. Die Durchsägung der Fenstergitter war «ur der Täuschung wegen vorgenommen.

Wallhausen OA. Gerabronn 12. Sept. Eine unangenehme Ueberraschuvg wider­

fuhr einem Bauern von Bölgental, der sein Fuhrwerk in einer Wirtschaft in Bronnholzheim eingestellt hatte. Al« er sich nach Hause begebe» und einspannen wollte, war da« Pferd mitsamt dem Geschirr au« dem Stall verschwunden. An­fänglich glaubte er, daß der Gaul allein »ach Hause gegangen sei, doch hat sich diese Annahme nicht bestätigt. Alle Nachforschungen nach dem Verschwundenen sind bi« jetzt erfolglos geblieben.

Schwenningen 12. Sept. (Grotz- Heute vormittag gegen halb 12 Uhr ist in Grünt« gen bei Donaueschingen inmitten de« Orte« ein große» Feuer auSgrbrochen, da« sich mit unheimlicher Schnelligkeit, angefacht durch de» kräftigen Oflwind, verbreitete und in kürzester Zeit 20 Häuser in Asche legte. Zu allem Unglück herrschte noch Wassermangel. Die Feuer­wehren der ganzen Umgegend sind zu Hilfe herbeigeeilt. Nähere Nachrichten fehlen noch.

Tuttlingen 12. Sept. (Zu dem Groß­feuer in Grüningen.) Eine weitere Mel­dung von nachmittags 4 Uhr über da« Großfeuer in Grüningen Amt Villivgen besagt: I» dem an der Brigach gelegenen etwa 270 Einwohner zäh­lenden katholischen Dorfe ist heute mittag 12 Uhr Großfeuer auSgrbrochen, das in kurzer Zeit zwei­undzwanzig Gebäude einäscherte, darunter das Gasthaus zur Traube. Mehrere Stück Vieh sind in den Flammen umgekommen. Die größte Gefahr ist beseitigt. Der Schaden ist groß. Menschenleben sind nicht zu beklagen.

Friedrichshafen 12. Sept. Direktor ColSmann, Direktor der Zeppelin-Lufischiff- baugesellschaft, hat derNationalzeitung" in Berlin geschrieben:Sie bringen einen Aufsatz mit der ÜberschriftDas Zeppelin-Luftschiff von Beschlagnahme bedroht." Es wird darin gesagt, daß Frau Melanie Schwarz den Plan verfolge, klagbar gegen die Herren in Friedrichshofen vor- zugehev. Ich stelle fest, daß man seit 3 Jahre« von Frau Schwarz nichts direkt in Friedrichs Hafen hörte und daß dort der Versuch einer Klage ganz ausgeschloffen erscheint, da weder ein rechtlicher, noch ein moralischer Anspruch an den Grafen Zeppelin seiten» der Frau Schwarz geltend ge­macht werden kan». Als vor 3 Jahre» Fra« Schwarz solche Ansprüche in Friedrichshofen zu mache« versuchte, wurde sie gebeten, doch die Klage eivzureiche», damit die Angelegenheit vor aller Welt klar würde. Es wurde ihr und ihrem Schwiegersohn, einem Rechtsanwalt, gesagt, daß wenn ihrerseit» binnen zwei Monaten nicht ge­klagt würde, unsererseits der Versuch gemacht werde« sollte, eine FeststellungSklage durchzuführe». Frau Schwarz klagte nicht. Der Rechtsanwalt

Ihrer Mutter nach, die man kaltblütig au» dem Hause gejagt hatte-

sie war ja schon einmal nahe darangewese«. O, wäre sie doch gegangen!

Sie riß da« Kleid vom Leibe, holte die Reisetasche aus dem Schrank und stoppte Hinei«, was ihr gerade in die Hand kam, ohne viel zu Über­legen. Dann sah sie sich nach ihrem Straßenkleid um-und

mitte» drin packte sie ein wütender Schmerz. Sie biß die Zähne zusammen und krallte die Nägel in da» eigene Fleisch.

Dieser Man« wie sie ihn geliebt hatte! Wie sie ihn «och liebte

-und doch verachtete! So tief. So unauslöschlich-wie war

da« nur möglich nebeneinander? Jeder Kuß, den er ihr je gegeben, wurde in der Erinnerung zur Schmach, und dabei fühlte sie doch ganz genau, daß sie ihn bei aller Verachtung doch nie würde Haffe», nie vergessen können. Auch die Seligkeit, die er in ihr Leben getragen hatte, trotz aller Enttäuschungen, würde ewig unauslöschlich bleiben-

Und dann stand er plötzlich vor ihr. Leise hatte er die Tür hinter sich zugezoge«, ein Blick verriet ihm, wa» sie tu« wollte. Jäher Schreck machte ihn erbebe». In diesem Moment vergaß er Kitty, vergaß alle- andere über der wahnsinnigen Angst, die ihn packte.

Alle« wa« er in diese» zwei letzte« Monaten getan, erschien ihm kindisch, töricht, lächerlich. Er selbst war ei» wankelmütiger Schwächling, der sich au» purem Urbrrmut von einer Kitty Heuderso» narren hatte lassen

Liebe? Bah diese da, diese allein liebte er, und die durfte ihn nicht verlassen. Er war so erregt, daß er kein Wort herausbrachte, aber da« tat ja nicht». I» seinen Augen mußte sie e« ja lesen, alle», wa« er empfand, unter seine« Küssen mußte sie e» fühlen

Und er küßte sie, stumm und heiß, wie in den erste» Tagen ihrer jungen Liebe, obwohl sie anfang» verzweifelte Anstrengungen machte, sich seinen Armen zu entwinden.

Dann kam e« wie da» erstemal, al« sie von ihm gehen wollte: ihr Widerstand wurde schwächer, da» Gefühl, sich so von ihm geliebt zu sehen, übrrwog alles andere. Und doch war e» ander». Die»mal ging nicht sie al» Siegerin au« dem Kampfe. Sie macht« keine Bedingungen und

er nahm nichts zurück, und e« war nicht blo« die Leidenschaft der Liebe, welche sie beide plötzlich mit einem Gefühl unanslöschlicher Gemeinschaft erfüllte und wieder aneinander band:

Mitte« im Taumel wiedererwachter Liebe hatte er ihr ein Wort in» Ohr gestammelt, da» ihre« Widerstand lähmte.

Bin ich nicht der Vater Deine« Kinde»? Willst Du diesem Kinde die Heimat nehmen?"

Namenloser Schreck durchfuhr da» Weib bei diesen Worten. Großer Gott wa« hatte sie denn tun wollen? Wirklich fortgehen und dem Kinde rauben, worauf e« ei« heilige» Anrecht hatte? Hätte Mama die« denn verlangen können, hätte sie e« gebilligt?

Sie, die doch selbst erst heute sagte:Um Euretwillen hatte ich immer den Mot sür mein Schicksal."

Ja, wenn er sie nicht geliebt hätte-ober er liebte sie

ja! Dafür und um der kleinen Mara willen mußte sie sich in alle» fügen.

So kam e», daß sie zuletzt in demütiger Zerknirschung murmelte: Verzei'-ach, verzeih' mir, ich wußte nicht, wa« ich tat-"

14. Kapitel.

Rudi Fabriziu» schlich auf den Zehenspitze» au« dem Schlafzimmer seiner Mutter, gefolgt von Fräulein Agathe Reinling, deren freundliche», blaffe« Gesicht heute eine» bekümmerten Ausdruck trug.

An der Tür sah sie sich «och einmal nach der Kranken um.

Gottlob, sie schläft nun so ruhig. Ihre Anwesenheit hat Wunder gewirkt, Herr Bezirksrichter." Draußen drückte sie dem jungen Manne, der noch ganz verstört d'reinblickte, warm die Hand.

E« war gut, daß sie gleich kamen auf Barbe« Brief. Wir wußte« un» wirklich schon keinen Rat mehr mit Mama. Gott, man tut ja, wa« man kann, aber e« war so unheimlich, diese« stumme, teilnahmslose

Dahinliege«-wo doch Doktor Weyer immer sagte, physisch fehle ihr

eigentlich nicht», den» die Erkältung war ja bald vorüber."

(Fortsetzung folgt.)