Amts- and An;eigeblatt fir dm Oderamtsbyirk Calw
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Lrschetnungttage: M»nt»», LienSta», Mittwoch, A»nner«t»g, Freitag und Samttag. Jnsertiontpreit II Pfg. pr« Zeile für Stadt u. Bejiritorte; außer Bezirt 1» Psg.
Dienstag, -en 12. September 1911.
«ezugtpr.i. d. Stadt-/^Lhrl.m. LrLgerl. Mk. 1.25. Postbe,ugtpr. s.d. Ort«, u. Nachbarorts»»!. -/^Lbrl. Mk. 1.20, im Fern»erkeh» Mk. I.M. Bestellg. in Württ. SV Pfg., in Bayern u. Reich 4» Pf»
Amtlich» Vrkamrtmach««-»».
Betauutmachuug,
betr. die Furunkulose der Fische.
In den meisten ForellengewSssern des Landes, sowie in allen Nachbarstaaten tritt gegenwärtig die Furunkulose, offenbar begünstigt durch den niederen Wasserstand, sehr bösartig auf. Sie befällt hauptsächlich Bachforellen, Neschen und Bachsaivltnge, ausnahmsweise aber auch andere Fischarten, selbst sog. Weißfische und beginnt meist mit einer hochgradigen Entzündung des Darmkanals. Letzterer zeichnet sich dann durch starke Rötung und Blutinfiltration aus und schon bei einem leichten Druck auf den Bauch des erkrankten Fisches quillt aus der geröteten und angeschwollenen Afteröffnung eine schmutzig-rötliche Flüssigkeit hervor. Im zweiten Stadium der Krankheit bilden sich Anschwellungen unter und auf der Haut des Rückens und aus beiden Seiten, die bald durch ein leichtes Ausrichten der darüber befindlichen Schuppen zu erkennen find, einen Durchmesser von 1—3 cm haben und einen mehr oder weniger weitgehenden Zerfall der Muskelsubstanz in eine blutigeitrige ekelhafte Masse zur Folge haben.
Die erkrankten Fische sondern sich von den gesunden Genossen ab, find beim Schwimmen auffallend unbeholfen, halten sich daher vorwiegend an ruhigen Stellen in der Nähe des Ufers auf und lassen sich meist leicht mit der Hand fangen. Binnen 10—20 Tagen nach dem Auftreten der ersten Krankheitserscheinungen pflegt der Fisch abzusterben; besonders rasch gehen die — auch in guten Fischkästen — eingesperrten Fische zu Grunde.
Die Erkrankung ist auf die Einwanderung von Bakterien (kslcterium 8slmc>nicicks) hauptsächlich durch den Darm (durch Verzehren erkrankter Fische, aber auch von der Haut aus) zurückzuführen. Heilung ist ziemlich ausgeschlossen. Es kann daher nur empfohlen werden, größte Reinlichkeit z« beobachte«, Teiche und Fischkästen von Zeit zu Zeit
mit Kalkmilch zu desinfizieren uud «icht nur alle tote», sondern auch alle erkrankten Fische sorgfältig z« sammeln uud womöglich'dnrch Verbrennen unschädlich z« machen.
Die Ortspolizeibehörden werden veranlaßt, die beteiligten Kreise auf vorstehende Maßregeln aufmerksam zu machen und für ihre Durchführung zu sorgen.
Calw, 9. September 1911.
K. Oberamt.
Binder.
Tagesueuigkeiteu.
Stuttgart 11. Sept. (Großstadtbild.) Das „Neue Tagblatt" schreibt: Ein unglaublicher Vorgang spielte sich in der hiesigen Handelsschule ab. Ein 18jähriger Lehrling, der von einem Lehrer wegen Ungehorsam zur Rede gestellt worden war, schlug dem Lehrer nach kurzer Auseinandersetzung in» Gesicht, warf ihn zwischen die Schulbänke und hieb dann mit de« Fäusten auf ihn ein. Gegen den Täter wnrde Anzeige erstattet.
Stuttgart 11. Sept. (Wechsel- fälschnng und Betrug.) Der Architekt Eugen Werner un.d eine Frau Berta Schmith haben, wie auf Grund de» bestimmten Gutachtens de» Schreibsachverständigeu festgestellt wurde, Fälschungen verübt, indem Werner auf einen Wechsel ein falsche» Akzept setzte, die Schmith sogar auf siebe» Wechsel. Die Wechsel wurden von Werner unter falscher Vorspiegelung weiter- gegeben. Auch fälschte er ein Telegramm. Die Strafkammer erkannte gegen ihn auf 1 Jahr Gefängnis unter Anrechnung von 4 Monate» Untersuchungshaft, gegen die Schmith auf 3 Monate Gefängni». Bei Werner wurde in Betracht gezogen, daß e» sich um hohe Beträge handelt, andererseits wurde berücksichtigt, daß er sich in
einer mißlichen Lage befunden hat. Bei der Angeklagten Schmith wurde berücksichtigt, daß sie unter dem Druck und Einfluß von Werner gehandelt hat.
Stuttgart 11.Sept. Dem Schlachtvieh markt Groß-Stuttgart sind im Monat August d. I. 2844 Rinder, 4400 Kälber, 218 Schafe und 9535 Schweine zugetriebe« worden, die fast durchweg dem Schlachthof zugeführt wurden. Ein Teil der Tiere (135 Rinder, 166 Kälber und 84 Schweine) gelaugten nach Orten in der Umgebung von Stuttgart, um dort seine Bestimmung zu erfüllen.
Cannstatt 11. Sept. (Furchtbare» Familiendrama.) Am Samstag abend um 10 Uhr hat der in Stuttgart, Marienplatz 6, wohnende Schriftsetzer Friedrich Deiß au« unbekannten Gründen auf der König Karl-Brücke seinen etwa 6 Jahre alte« Knaben und sei« 8jährige» Mädchen über da» Geländer hinunter in den Neckar geworfen. Darauf sprang er selbst in die Tiefe. Einigen hinzueilende» Italienern, die durch da» Schreien der Kinder aufmerksam geworden waren, gelang e» nach verhältniimäßig kurzer Zeit den Mann und da» Mädchen an» Land zu schaffen. Die Berufsfeuerwache und zwei Aerzte bemühten sich vergeblich, sie in» Leben zurückzurufe». Die Leichen wurden in» Leicheu- hau» geschafft. Nach dem Knaben wird noch gesucht. Die Gattin und Mutter der drei Toten befand sich zur Zeit de» furchtbare« Dramas mit einem Mädchen zu Hause.
Heilbronn 11. Sept. Am Neckarufer in Wimpfen bei den Badehäuschen wurde am Samstag früh ein Hut, ein Stock und zwei Ge- schäftskartr» eine« hiesigen Kaufmanns R., Inhaber einer Papiergroßhandlung, gefunden. Auf
Frau Lores Lebenswerk.
35) Roman von Erich Ebenstein.
«Fortsetzung.)
„Uud überhaupt tust Du ja gerade so, Mama, al» ob ich im Unrecht wäre, Ferry gegenüber!" sagte Assunta in Gedanke», wieder zur Wirklichkeit zurückkehrevd. „Während doch er es ist, der mich entschieden vernachlässigt."
„Da» eben ist ein Wahn, Kind. Du forderst zu viel. Liebe muß selbstlos sein, wenn sie keine Fessel sei» soll."
„Keine Liebe kann selbstlos sein!"
„Doch. Die wahre immer. Und erst dann hat sie volle Gewalt über andere."
Affunta warf trotzig die Lippen auf. Sie dachte an die Ehe ihrer Mutier, die eine einzige Unterdrückung ihrer selbst gewesen war, wie sie längst begriffen hatte.
„Ich könnte nie den Prügeljungen abgebev für die Launen anderer, wie du e« tatest, Mama!"
Wieder lächelte Frau Lore mit seltsamen Ausdruck.
„Mau kommt sich gar nicht al« „Prügrljunge" vor, wen» man sich innerlich al» der Gebende fühlt. Mir war kein Liebesfrühling bestimmt, wie Dir, mein Kind. Aber mit Geduld und gutem Wille» Hab' ich'« doch dahin gebracht, Deinem Vater unentbehrlich zu sein, ja, ich darf wohl sagen, ihn in seiner Art glücklich gemacht zu haben."
„Aber Du?"
„Ich hatte Euch. Um Euretwillen hatte ich immer den Mut für mein Schicksal."
„Und jetzt — wa» hast Du dafür?" dachte Affunta, aber sie sprach die Worte nicht au». Sie hätte» wie grausamer Hohn klingen müsse«,
dünkte ihr. Aber eine unendliche Zärtlichkeit, wie sie sie nie zuvor gefühlt hatte, erfüllte sie plötzlich für ihre Mutter.
Im Nebenzimmer war die kleine Mara erwacht und schrie. Beide Frauen eilten zu ihr. Während Affunta dann die Kleine stillte, dachte sie unaufhörlich: „Nie werde ich Dich hergeben! Me werde ich Dich mir entreißen kaffen!"
Lanzendorf kam nicht zum Speisen heim. Man wartete eine Stunde mit dem Essen, und Affunta» Gesicht wurde immer finsterer. Da» machte er so oft jetzt, einfach ohne Absage auszubleiben.
„Er konnte doch bei diesem Unwetter «icht den weilen Weg machen?" beschwichtigte Mama.
„Da» Wetter ist längst vorüber!" sagte Affunta zu ihrer Mutter.
„Aber e» regnet noch in Strömen!"
E» regnete wirklich auf Tod und Leben. Himmel und Erde verschwommen in eine trübe, graue Masse, au» der ein kalter Herbstwind die letzten Spure» de» Sommers blies. Innerhalb weniger Stunden standen die Bäume fast entlaubt da, und auf dem aufgeweichte» Boden lagen Haufen gelber und brauner Blätter. Etwa» unendlich Melancholische» durchwehte die Natur.
Affunta stand mit der Kleinen im Arm am Fenster, al» sie ihre« Manne» Schritt draußen vernahm.
Mama war noch da, obwohl sie zehnmal hatte gehen wolle». „Warum willst Du mich allein lassen?" hatte Affunta immer wieder gefragt. „Wenn Ferry sich schon nicht um mich kümmert, dann bleibe wenigsten« Du!"
Sie blieb schließlich wirklich in der unbestimmte« Hoffnung, durch ihre Gegenwart vielleicht eine Auseinandersetzung zwischen den Ehegatten, wozu Affunta« gereizte Erregung drängte, zu verhindern. Vermitteln, beruhigen war ja immer ihre Spezialität gewesen.
E» war ganz dunkel, al» Lanzeudorf sein Heim betrat. Er war in