dann aufs entschiedenste die Voraussetzung zurück, als ob sein Aufsatz geschrieben wäre, um den konfessio­nellen Hader zu schüren.

* Die Maifeier ist in Berlin ohne Ruhestörung verlaufen. Fast überall wurde gearbeitet. Eine von 1000 Teilnehmern besuchte Anarchistenversammlung wurde aufgelöst, weil ein Redner sich der Aufreizung schuldig machte. Die Versammlung ging ohne Ruhe­störungen auseinander. Aus Königsberg, Breslau, Leipzig, Köln und anderen großen Städten wird ebenfalls gemeldet, daß keine Ruhestörungen vorge­kommen sind. Das Wetter war überall regnerisch.

* Aus Berlin wird den LeipzigerNeuesten Nachrichten- telegraphisch gemeldet, das Auswärtige Amt sehe sich wegen der Mißhandlung zweier deutscher Reisenden durch französische Beamte in Nizza zu diplomatischen Erhebungen veranlaßt. Es handelt sich um die 2 in Mm wohnenden Männer, welche sich bei einer Wanderung über den Col di Tenda im Februar 1894 durch Zeichnung von Skizzen, Ein­tragung von Notizen in ihre Brieftaschen rc, der Spionage verdächtig machten und worüber wir schon berichtet haben.

* Aus Meusdorf wird berichtet: Eine Gans hatte ihre junge Brut auf die Waide geführt, als ein Storch herbeigeflogen kam und ein junges Gäns­chen zu erhaschen suchte. Die Gans verteidigte ihre Jungen, aber dem Andräugen des Storches gegen­über gelang ihr dies nur unvollkommen. Ihr angst­volles Geschnatter lockte menschliche Hilfe herbei, aber diese kam zu spät, denn der Storch hatte bereits ein Gänschen gepackt und flog davon. Jetzt raffte sich die alte Gans auf, spannte ihre Flügel und flog dem Räuber nach. Natürlich merkte sie bald, daß ihr Beginnen aussichtslos war; sie gab ihre Verfolgung auf und kehrte niedergeschlagen zu den ihr gebliebenen Jungen zurück.

-Dresden. In der Wintergartenstraße be­wohnte ein altes Ehepaar der Mann war früher Deichinspektor gewesen ein kleines Quartier. Vor kurzem war die Frau erblindet und der Mann war schon seit längerer Zeit meren- und leberleidend. Am Sonntag faßte das Ehepaar den Entschluß, gemeinsam die Bürde des Lebens abzuschütteln und in den Tod zu gehen. Sie schickten das Dienstmädchen fort und als nach ihrer Rückkehr ein Schlosser die von innen gesperrte Thür öffnete, fand man den Mann auf einem Stuhl sitzend, die Frau auf einem Bett liegend, als Leichen vor. Neben jedem lag ein mit 5 Patronen geladener Revolver, woraus hervorgeht, daß sich die Eheleute durch je einen Schuß töteten. Die Schuß­wunde fand man beim Manne in der linken Schläfe, bei der Fra« in der Brust. Auf dem Tisch fand das Mädchen einen Hundertmarkschein für Lohn und zur Begleichung kleiner Rechnungen.

Ausländisches.

* Graz. Acht Mitglieder des Vereins zur Höhlen­erforschung in Steiermark, darunter der Obmann Fasching, begaben sich Samstag zu den bekannten Höhlen Lugloch bei Semriach, um dieselben zu durch­forschen. Sie kamen um 12 Uhr nachts am Zug­loch an und machten sich am Morgen auf den Marsch durch die Höhle. Das Lugloch hat zwei Eingänge,

in jedem derselben fließt ein Bächlein. Etwa 70 Meter hinter den Eingängen verbinden sich die beiden Wasser und bilden einen Tümpel; gleich darauf fließt der Bach durch eine Verengung, welche man passieren muß, wenn man in die obere Höhle ge­langen will. Die Passage ist so niedrig, daß man durch den Bach nach vorwärts kriechen muß; Hals und Kopf bleiben über dem Wasser, doch berührt man mit dem Kopfe die Decke der Wölbung, Die Höhlenforscher passierten diesen Teil der Höhle an­standslos und krochen durch den Kamin in die obere Höhle. Während sie in derselben weilten, stieg in­folge des anhalten Regens das Wasser so hoch, daß ihnen der Rückweg abgeschnitten ist. Die Ginge- schlosscnen befinden sich einer ernsten Situation, doch besteht vorläufig eine direkte Lebensgefahr für die­selben nicht, da die Höhle im Innern stark ansteigt und das Wasser in die Seitenräume nicht cindrtngen kann; der Luftzutritt ist durch Kamine ermöglicht. Die Leute haben jedoch nur wenig Proviant mitge­nommen und eine Kommunikation ist ihnen nicht möglich. Die Feuerwehr von Semriach versuchte es, den Zufluß des Wassers vor der Höhle abzuleiten, und auf telegraphisches Ansuchen von Semriach hat sich eine Abteilung der Grazer freiwilligen Feuer­wehr zur Hilfeleistung dahin begeben. Der Beamte har die Errichtung von Dämmen zur Ableitung des Wassers untersagt, da durch ein Reißen der Dämme die Gefahr noch bedeutend vergrößert würde. Es sollen unter Leitung des Bergverwalters Setz vom Märktsch-westfältschenjZentralverein in Deutsch-Feistritz Sprengungen vorgenommen werden. Nach Aussage von Sachverständigen dürften mehrere Tage vergehen, bis diese ^Sprengungen vollführt werden. Außer­dem besteht die Gefahr, daß durch die Sprengungen die Höhle einstürzt.

* Graz, 2. Mai. Die feiernden Arbeiter zogen gestern abend mit Standarten durch die Straßen. Die Polizei forderte die Entfernung der Standarten. Die Arbeiter warfen darauf nach der Polizei mir Steinen. Letztere machte Gebrauch von der Waffe. Mehrere Exzedenten wurden verwundet ; 10 Polizisten sind durch Steinwürfe verletzt. Requiriertes Militär zerstreute die Menge. 33 Personen sind verhaftet.

* In derPall Mall Gazette" liest man: In Rom geht das Gerücht, daß die Prinzessin Karl von Preußen, die dort jetzt weilt, zum Katholizismus über­zutreten beabsichtigt. Der Kaiser will ihrem Wunsche in dieser Beziehung keine Hindernisse bereiten.

* Nizza. Vor einigen Tagen wurde gemeldet, daß ein Russe in Monte Carlo ungefähr 130,000 Frank verspielt habe. Jetzt erfährt man, daß der unglückliche Spieler sich in der Nähe des Friedhofs von Candamina das Leben genommen hat, indem er sich zwei Revolverkugeln durch den Kopf jagte. Er wurde als ein gewisser Nikolaus Georg Karatlew aus Moskau identifiziert; er war 35 Jahre alt. Drei Abende, bevor er die 130,000 Frank verspielte, hatte er 85,000 Frank gewonnen. Am 28. v. wurde die Witwe Watson, eine Engländerin, die in der Villa Lource wohnte, in ihrem Bette tot aufgefunden. Die junge Frau hatte sich mittels einer starken Dosts Laudanum vergiftet.

* Toulon, 2. Mat. Heute vormittag ist das

Sägewerk der großen Werft Mourillion niederge­brannt. Der Schaden wird auf 5 Millionen geschätzt. Die Untersuchung ist eingeleitet.

* Der französische Ministerpräsident Casimir Perter hat sich bei einem Bankett in Lyon, wohin er sich mit den Ministern Burdeau und Marth zur Eröffnung einer gewerblichen Ausstellung begeben, über die innere politische Lage ausgesprochen. Re- formen könnten nicht gegen die Regierung, sondern nur unter Mitwirkung und auf die Initiative der Regierung durchgeführt werden. Gleichzeitig mit den Gesetzen müßten aber die Sitten geändert werden. Die Privilegierten, die, die im Ueberfluß leben, müß­ten ihre sozialen Verpflichtungen als weitergehend auffasfen und sich darin finden, einen etwas schwereren Anteil an den öffentlichen Lasten auf sich zu nehmen, damit diejenigen erleichtert würden, die das tägliche Brot für ihre Familie mit ihrem Tagelohn erkaufen müssen.

* Das englische Unterhaus nahm nach zwei­tägiger Debatte die erste Lesung der Bill betr. die Entstaatlichung der Kirche in Wales an.

Handel «ud Verkehr.

-r. Altensteig, 3. Mai. Der gestrige Viehmarkt war mittelstark befahren, doch ging der Handel ordent­lich. Zug- und Melkvieh war gesucht und wurde außerordentlich gut bezahlt. Fettvieh war nicht auf­gestellt, ist überhaupt in unserer Gegend ein rarer Artikel geworden. Auch auf dem Schweinemarkt ging der Handel gut. Die Preise sind jedoch so hoch ge­steigert worden, wie sie fast nie waren. Für Saug­schweine wurden 3545 Mk. bezahlt, für schwache Läuferschweine 5070, für starke 100 Mk. und darüber.

* Hechln gen, 30. April. Nachdem der Vieh- Handel schon seit langer Zeit flau gegangen, herrschte auf dem heutigen Georgii-Jahrmarkt infolge der günstigen Aussichten auf Grünfutter und Heu reges Leben und Kauflust. Massenhaft strömten auswär­tige Händler herbei, aber leider ist die Mehrzahl unserer Landwirte selbst zum Einkäufe gezwungen, und war infolge dessen der Zutried ein verhältnis­mäßig schwacher. Die Preise gingen -bedeutend in die Höhe und dürften nun wieder auf ihrem früheren Standpunkt angelangt sein. Für junge Kühe und Kalbtnnen wurden 280 bis 420 Mk. bezahlt, und für Jährlinge zahlte man 100 bis 180 Mk. Die Preise für Milchschweine dürften bald auf ihrem

I höchsten Standpunkt angekommen sein, indem für das Paar bis zu 52 Mk. bezahlt wurde und trotzdem die ganze Zufuhr bald avgesetzt war.

* Vom Rhein, 30. April. Aus allen Wetn- baugebieten liegen uns die erfreulichsten Nachrichten über den Stand der Reben vor. Die einzelnen Stöcke sind schon weit entwickelt, und selbst die im letzten Jahre erfrorenen sind reich voll Gescheine. Die jungen Reben versprechen einen guten Ertrag, weil im ver­flossenen Jahre das Jungholz gut durchreifen konnte. Im allgemeinen ist der Stand der Reben vier Wochen voraus, bei günstigem Wetter wird die Blüte schon im Mat allgemein sein. Das war in diesem Jahr­hundert nur 18 mal der Fall; 1893 am 13. Mai.

Verantwortlicher Redakteur: W. Riet er, Mtensteig.

Es ist ein Mord," erwiderte der Alte.Ein Raubmord ist in der vorigen Nacht verübt worden."

Den Staatsanwalt durchzuckt es plötzlich. Es ist ein unerklärliches Gefühl, das ihn überkommt. Als ob ein furchtbares Geschick in sein Leben etn- griffe, ihn erfaßte und vernichtete. Einen Augenblick, dann ist es überstanden.

Wer ist es?" sagt er dann ruhig und seine Gestalt reckt sich.

Ein alter Trödler, Samelson heißt er," er­widert der Alte.Er wohnt in der Neuen Gasse Nummer 148."

Hat man eine Spur von dem Thäter?"

Bis jetzt nicht, wie es scheint. Der Kriminal­kommissar ist im Büreau."

Gut, wir werden hören."

Dann schreitet der Staatsanwalt so eilig dem Gerichtsgebäude zu, daß der Alte Mühe hat, zu folgen.

Unterwegs fragte der Staatsanwalt seinen Be­gleiter weiter aus.

Kannten Sie den Mann?"

Nur vom Hörensagen", erwiderte dieser.So viel ich weiß, ist er hoch in die Sechzig gewesen."

War er verheiratet?"

Nein, unverheiratet."

Was hat er für Geschäfte gemacht?"

Früher lieh er auf Pfänder. In der letzten Zeit soll er das nur noch wenig gethan haben. Aber er hat wahrscheinlich Geldgeschäfte gewacht."

Also wohl ein Wucherer oder so ähnliches?"

Ich habe einmal so etwas gehört, weiß es aber nicht genau."

-Nun, wir werden sehen."

Sie sind unterdessen in das Büreau getreten. Der Kriminalbeamte ist bereits darin und erwartet den Staatsanwalt.

Ich weiß schon," ruft ihm der Staatsanwalt entgegen.Haben Sie den Fall genau untersucht?"

So vret es mir bis jetzt möglich war," ant­wortet der Kriminalbeamte.Wir erhielten erst nach sieben Uhr heute morgen die Meldung."

Sie haben den Thatbestand bereits ausge­nommen ?"

Ja. Aber wir haben keine Anhaltspunkte ge­funden. Der Mann ist mit einem Eisen oder einem ähnlichen Instrument erschlagen. Die Kasse ist er­brochen und ausgeraubt. Es ist alles vorläufig so gelassen, wie wir es fanden. Ein Polizist ist als Wache zurückgeblieben."

Es ist gut. Ich will es selbst sehen. Be­gleiten Sie mich. Sie, Reimann, nehmen das Pro­tokoll auf. Und bestellen Sie auch den Arzt."

Sie machen sich auf den Weg.

Die neue Gasse ist nicht weit entfernt. Trotz ihres Namens ist sie alt und winklich, mit hohen, drei- und vierstöckigen Häusern besetzt. In den Erd­geschossen sind säst durchweg kleine Läden und Krä- merhandluugen, auch Psandleihgeschäfte gibt es eine große Zahl. Sonst wohnen hier größtenteils kleine Leute, und zahlreiche Kinder spielen auf dem engen Trottoir und dem nicht viel breiteren Fahrweg.

An dem heutigen Tage scheint die Gasse ganz besonders lebendig. Ueberaü stehen Frauen mit klei­nen Kindern aus dem Arm vor den Thüren und un­terhalten sich sehr eifrig, dann und wann einen scheuen Blick um sich werfend, als sei es nicht ganz geheuer hier. Der Staatsanwalt hat bald einen ganzen Schwarm von Kindern hinter sich, die ihm folgen und sich die neue Mordthat mit geheimnisvoller Miene zuflüstern. (Fortsetzung folgt).

Schumlöenlied.

Aus fernem Land.

Vom Meeresstrand,

Auf hohen lustigen Wegen Fliegst, Schwalbe, du,

Ohne Rast und Ruh Der lieben Heimat entgegen.

O sprich, woher

lieber Land und Meer

Hast du die Knnde vernommen.

Daß im Heimatland Der Winter schwand,

Und der Frühling, der Frühling gekommen?

Dein Liedchen spricht:

Weiß selber nicht,

Woher wir bekommen die Mahnung;

Doch fort und fort

Von Ort zu Ort

Lockt mich die Frühlingsahnung.

So ohne Rast,

In freudiger Hast,

Auf hohen lustigen Wegen Flieg ich unverwandt Dem Heimatland,

Dem lenzgeschmückten, entgegen.