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Samstag den 5. Mai
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1894.
Gestorben: Mittelschullehrer Widmann, Dornstetten; Fairikdirektor Groß, CtMgart.
D Die Samoasrage
ist wieder brennend geworden. So wie die Dinge auf den Samoa-Inseln jetzt gehen, kann es nicht bleiben; es muß Mit den Herren Insulanern ein ernstliches Wörtchen gesprochen werden. Die fortwährenden Kämpfe und Reibungen zwischen den verschiedenen Parteien Mätaafos, Melietoas und Tama- seses hindern die Entwicklung der von den Europäern angelegten, sonst recht ergiebigen Plantagen und zudem verursachen sie den Vertragsmächten fortgesetzt Kosten.
Deutschland hat von den drei an Samoa interessierten Mächten den höchsten Anspruch auf die Schutzherrichast der Inseln, wenn je eine solche errichtet werden soll. Ter deutsche Besitz in Samoa umfaßt 28000 Hektar, der englische 3200, der nord- amerikanische 3000. Die deutsche Ein- und Ausfuhr steht der der beiden andern Mächte wie 14 zu 1 gegenüber; von dem gesamten Schiffsverkehr der Insel kommen vier Fünftel auf den deutschen Handel; ebenso ist die Kistenschiffahrt daselbst vorwiegend in deutschen Händen. Mehr als 1000 Eingeborene stehen im Dienste der deutschen Plantagen unter deutschen Aussehern und Verwaltern. Diese Ziffern zeigen, daß Deutschlands wirtschaftliche Interessen an der Inselgruppe die der Engländer und Nord- amcrikaner ganz bedeutend überwiegen.
Wenn sich bei solcher Sachlage Deutschland die Mitregierung Englands und der Ver. Staaten gefallen läßt, so ist das gewiß ein Zeichen von Verträglichkeit und von fast übertriebenem Rechtlichkettsgefühl. Dem gegenüber muß cs geradezu komisch wirken, daß eine englische Kolonie, Neuseeland, sich erbietet, die Verwaltung Samoas mit zu führen und es ist erfreulich, daß in diesem Punkt die Rcichs- regierung von vornherein einen Standpunkt eingenommen hat, der den Verdacht der Schwäche nicht aufkommen läßt. Die,Nordd. Allgcm. Ztg.' schreibt, gegenüber einem Artikel der «Times/ der die neuseeländische Schutzherrschast empfohlen hatte:
„Es ist begreiflich, daß einem englischen Blatte der Gedanke der Verwaltung Samoas durch eine englische Kolonie sympathisch ist; man wird sich aber
jenseits des Kanals darauf vorberetten müssen, daß nach deutscher Auffassung Neu-Seeland oder eine andere englische Kolonie in Samoa absolut nichts zu suchen haben und ihnen jedes Recht der Einmischung in die Angelegenheiten der Insel abtzeht. Wie bekannt, schweben zur Zeit Verhandlungert über eine anderweite Regelung der famoänischen Angelegenheit. Es müßte den Erfolg derselben beeinträchtigen, wenn in England über die Haltung, die die öffentliche Meinung in Deutschland zu der Samoasrage Ünnimmt, ein so schiefes Urteil Eingang fände, wie es die „Times" fällen. Wenn die letzteren die Ttzatssche, daß Handel und Verkehr aus Samoa fast ausschließlich sich in deutschen Händen befindet, als „gleichgültig" bezeichnte, so ist gerade dieses Moment für Deutschland von entscheidender Bedeutung. Wohl gibt es in Deutschland grundsätzliche Gegner der Kdlonkalpolitik, die das Prinzip so weit treiben, daß sie sogar ein englisches Protektorat über Samoa annehmen würden. Aber fie befinden sich in verschwindender Minderheit. Dagegen ist die große Mehrheit der deutschen Nation der Ansicht, daß in Samoa aus Grund der historischen Entwickelung der Verhältnisse Und angesichts des Uebeiwiegens der deutschen Interessen von einem andern Protektorate als einem deutschen überhaupt nicht die Rede sein kann.
Ueberhaupt scheint man sich im Auslande seit Bismarcks Rücktritt daran gewöhnt zu haben, dem Deutschen Reiche manches zu bieten , was zu bieten man sich früher nicht erlaubt hätte. Grund dazu bot eine gewisse Nachgiebigkeit des jetzigen Kanzlers in untergeordneten Fragen- vielleicht auch das deutsch- englische Abkommen mit dem Verzicht auf Mit« und die Konvention mit Frankreich wegen des Kameruner Hinterlandes. Aber wenn auch der „neue Kurs" eine weitere Ausdehnung der Kolonialpolitik nicht beabsichtigt, so erfordert es doch die nationale Ehre, den errungenen Besitz zu halten und zu befestigen. Diese Absicht wird in jenem Artikel der ,Nordd. Allgem. Ztg.' in genügender Weise betont. Deutsche Unternehmer haben auf Samoa viel Kapital angelegt, wett mehr als die englischen und amerikanischen zu- sammengenommen; die deutschen Plantagen Samoas erfreuen sich eines beachtenswerten Emporblühens — damit ist die Pflicht der Retchsrrgierung von selbst
vorgezeichnet. Wollen die Nordamerikaner den Samoa- Vertrag kündigen — dem Deutschen Reiche kann es recht sein. Hoffentlich irren sich die Dankees ebenso sehr, wie unsere angelsächsischen Vettern jenseit deS Aermelmeeres, wenn fie hoffen, bei einem neuen Vertrage Deutschland über das Ohr hauen zu können.
* Stuttgart, 1. Mai. Durch Königliche Verordnung ist der Wiederzusammentritt der Ständeversammlung auf Dienstag den 15. Mai dieses Jahres bestimmt worden.
* (Verschiedenes.) In Eßlingen bestrichen Mietsleute die Wände ihrer Wohnung mit Petroleum und zündeten dieselbe an. Zum Glück wurden die Flammen bald entdeckt und die liebenswürdigen Gäste in Haft genommen. — Auf dem Blitzableiter der Kirche in Feuerbach wehte am morgen des 1. Mai eine 2 Meter lange rote Fahne. Dieselbe wurde vom Meßner entfernt und im Rathaus ab geliefert. — In Heilbronn trieben sich 2 mit Pistolen bewaffnete 16 bis 17 Jahre alte Bürschchen wochenlang Tag und Nacht in Wald und Flur der Umgegend herum und verübten das Diebstahlshandwerk. Jetzt wurden sie ergriffen und sehen ihrer Bestrafung entgegen. — Der am Sonntag bei dem bereits gemeldeten Raubavfall verwundete Dteust- knecht Eduard Löffler von Stetten ist seinen Verletzungen erlegen, ohne wieder zum Bewußtsein gekommen zu sein. Der Gendarmerie gelang es, den Thäter in der Person des Paul Batler von Hechingen zu verhaften.
* Berlin, 2. Mai. Gegenüber den öffentlichen Protesten, welche katholische Beamte gegen einen Aufsatz des bekannten Grasen Hoensbroech (früheres Mitglied der Gesellschaft JLsü) über die Parität erlassen haben, giebt dieser in der „Kreuzzeitnng" eine öffentliche Erklärung, wonach die Proteste nicht gegen seine Ausführungen, sondern gegen die kirchenpolitischen und staatsrechtlichen Theorie» der katholischen Kirche sich richten. Er sagt, die Proteste bestätigen gerade seine Ausführungen, daß es den katholischen Beamten sehr wohl möglich sei, die Pflichten als Staatsbeamte vollkommen zu ersüllen. Graf Hoensbroech weist
Der Staatsanwalt.
Kriminal-Roman von Paul Michaelis.
(Fortsetzung.)
2 .
Der Staatsanwalt schreitet langsam durch die Straßen voll schwerer Sorgen und Kümmernisse. Was kann daraus werden? Ist dies wirklich nur noch jugendlicher Leichtsinn, oder ist cs nicht etwas Schlimmeres? Und er denkt dvra,', wi> er selbst so oft gegen Trunkenbolde und Tagediebe harte Strafen beantragt hat. Gerade hierin schien ihm der Grund zu aller wenereu Verderbnis zu liegen. Wer sich dem Trünke so verschre-bt, daß er die Hemchait über sich selbst verliert, der verdient keine Gnade, kein Mitleid. Und wenn er in solchem Zustande etwas Verwerfliches gethan hat, so sollte man es nicht milder, sondern doppelt hart bestrafen. So hat er oft genug vor dem Gerichtshof ousgesühn. Er weiß es, er ist der Schrecken aller Ar bettsscheuen, aller Tagediebe und Trunkenbolde! sic fürchten sich vor ihm fast mehr, als vor dem Gefängnis und dem Arbeitshaus selbst. Ja sie Haffen ihn und wünschen ihm Böses au.
Er ist stolz auf diese Furcht und auf diesen Haß.
Die Bösen sollen unschädlich gemacht werden, damit die Guten sicher wohnen. Das lichtscheue Gesindel soll vernichtet werden, damit Sicherheit und Vertrauen im Handel und Verkehr herrschen kann. Er ist stolz auf seine Stellung, die manchem als so schrecklich und unheimlich erscheint; denn dadurch ist ihm die Macht gegeben, das Gute zu fördern, indem er das Böse be
kämpft. Er hat ideale Ziele bei seinem Amte und er hat sie immer hochgehaüen. Ec ha , wo er es vermochte, das Böse schon im Keime zu unterdrücken gesucht. Er hat die Eltern verwarnt, die ihre Kinder verkommen ließen, mit eindr nglichen Worten. Er har mehr als einmal einen Vater oder eine Mutter verantwortlich gemacht füc die Abwege auf die ihr Sohn oder ihre Tochter geraten waren. Ja, er darf sein Haupt hochtragen. Er hat sein verantwortungsvolles Amt allezeit im idealsten Sinn aufgefaßt, ein Vertreter der ehernen Gecechflgkeit zu sein, oie wühl furchtbar ist für Verbrecher und lichtscheue Handlungen, die aber alles Gute und Ehrba-e beschütz: und bewacht.
Und nun? Nun muß er in seiner eigenen Familie Scham und Schande erleven. Denn was ist Wilhelm besseres als ein Trunkenbold, ein Tagedieb ? Was ist er anderes als die vielen, die er der Slrme überliefert hat ?'Hatten sie sich mehr vergangen? Waren sie wirklich schlimmer als sein Sohn? Er wagte es nicht, sich die Frage zu beantworten. Und wenn er die Eltern für die Sünden ihrer Kinder verantwortlich gemacht hat, wie, ist es nicht sein Kind, sein Sohn, der auf Abwegen geht? Liegt etwa die Schuld an ihm? Hat er irgend etwas versäumt? Hat er ihn schlecht erzogen? Ist er zu nachsichtig gewesen? Oder zu streng? Aber er ist sich keines Fehlers bewußt. Er hat immer seine Pflicht gethan. Und dennoch! ... O, es ist furchtbar, zu fühlen, wie wir selbst in dieses Böse verstrickt werden; wie in uns selbst der Widerstreit der sittlichen Gesetze und des menschlichen Begehrens sich bemerkbar macht ; es ist furchtbar!
Aber vielleicht ist das alles nicht so schlimm. Vielleicht ist das bei Wilhelm nichts anderes als eine Jugendthorheit. Es ist eine überlustige Gesellschaft, die ihn verführt hat, weiter nichts. Ja, vielleicht wird ihm dieser schmachvolle Morgen ein kräftiger Anstoß, sich zu bessern und ein neues Leben zu beginnen. O, wenn er das wollte! Wenn er wieder würde, wie er früher war, wenn er wieder Gefallen an der Arbeit fände! Me gerne würde er ihm da helfen und alles hingebm, um ihn zu einem tüchtigen Menschen zu machen. Ja, er steht wohl zu schwarz, es ist noch garnichr zu spät, und wenn der Most ein bißchen übergeschäumt ist, es wird schon noch ein guter Wein daraus werden.
Doch es ist jetzt keine Zeit- sich zu besinnen. Eben kommt der alte Sekretär dem Staatsanwalt entgegen und er scheint es sehr eilig zu haben. Schon von weitem winkt er ihm. Es ist offenbar etwas Wichtiges vorgefallen.
„Nun, was haben Sie, Reimann?" fragte er ruhig, als der Alte, noch ganz außer Atem, ihn erreicht hat. Sobald es sein Amt gilt, fällt alle häusliche Sorge wie etwas Fremdes und AeußerlicheS von ihm ab. Er ist nichts als der Anwalt, der Vertreter des Staates, der über die Unbrüchlichkeit seiner Gesetze zu wachen hat.
„Es ist gut, daß Sie kommen, Herr Staatsanwalt," sagte der alte Sekretär schnaufend, „es ist gut, daß Sie kommen. Ich wollte eben zu Jhnen.^
„Was ist geschehen?" fragte der Staatsanwalt noch einmal. „Ist es etwas Besonderes?"